Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Oktober 2009
Aktenzeichen: 8 W (pat) 329/05

(BPatG: Beschluss v. 15.10.2009, Az.: 8 W (pat) 329/05)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

In der vorliegenden Gerichtsentscheidung geht es um das Patent Nr. 102 18 890, das ein Verfahren zum Herstellen eines flächigen Verbundbauteils betrifft. Das Patent wurde im Jahr 2002 angemeldet und im Jahr 2004 erteilt. Die Firma A... GmbH hat Einspruch gegen das Patent erhoben und argumentiert, dass die Erfindung nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Im Verfahren wird untersucht, ob das Patent gültig ist. Der zuständige Technische Beschwerdesenat stellt fest, dass das Verfahren zum Herstellen des Verbundbauteils neu ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Es wird festgestellt, dass keines der angeführten Dokumente eine ähnliche Rippenstruktur aufweist wie das beanspruchte Patent. Das Patent wird aufrechterhalten.

Die Entscheidungsbegründung führt weiter aus, dass alle Patentansprüche gültig sind, da sie über selbstverständliche technische Maßnahmen hinausgehen.

(Die Inhaltsangabe umfasst etwa ein Drittel der Textlänge der Gerichtsentscheidung und ist in mehrere Absätze gegliedert, um die Lesbarkeit zu verbessern.)




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 15.10.2009, Az: 8 W (pat) 329/05


Tenor

Das Patent Nr. 102 18 890 wird aufrechterhalten.

Gründe

I.

Das Patent 102 18 890 mit der Bezeichnung "Verfahren zum Herstellen eines flächigen Verbundbauteils" ist am 26. April 2002 angemeldet worden. Mit Beschluss vom 30. August 2004 ist das Patent erteilt und die Erteilung am 10. Februar 2005 veröffentlicht worden.

Am 10. Mai 2005 hat die Firma A... GmbH in D...

Einspruch erhoben.

Zur Stützung ihres Einspruchsvorbringens verweist sie dabei neben den im Prüfungsverfahren bereits aufgeführten Dokumenten D1: DE3414794C2 D2: DE 100 24 814 A1 D3: DE4320636C2 D4: EP0995667A1 noch auf folgende Druckschriften:

D5: DE 199 55 167 C2 D6: DE3837221C2 D7: DE3439101A1 D8: DE 197 09 016 A1 D9: DE 100 39 522 A1.

Die Einsprechende hat in ihrer schriftlichen Einspruchsbegründung ausgeführt, dass der Gegenstand des Patents gemäß Hauptanspruch 1 gegenüber der Druckschrift D4 allein oder gegenüber der D4 in Verbindung mit der Druckschrift D5, alternativ auch gegenüber der Druckschrift D1 in Verbindung mit der D5 jeweils nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Die Einsprechende beantragt mit Schriftsatz vom 10. Mai 2005, eingegangen am selben Tage, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt mit Schriftsatz vom 28. November 2005, eingegangen am 29. November 2005 sinngemäß, das Patent aufrechtzuerhalten.

Sie hat dem Vorbringen der Einsprechenden mit schriftlichem Vortrag widersprochen.

Beide Beteiligte sind nach ordnungsgemäßer Ladung zum anberaumten Termin der mündlichen Verhandlung am 15. Oktober 2009 nicht erschienen.

Der Patentgegenstand betrifft nach dem geltenden Patentanspruch 1 ein Verfahren zum Herstellen eines flächigen Dachmoduls für Kraftfahrzeuge, in einer aus zwei Formhälften gebildeten Hinterschäumform, wobei das Verbundbauteil wenigstens eine Außenhaut und eine auf die Innenseite der Außenhaut aufgeschäumte Schaumstoffschicht umfasst und wobei an der Innenseite dieses Verbundbauteils eine reliefartige Rippenstruktur oder dergleichen ausgebildet ist, mit folgenden Verfahrensschritten: a) es wird eine erste Formhälfte (30, 60) vorbereitet, welche die Außenhaut (8) formschlüssig aufnimmt;

b) es wird eine zweite Formhälfte (32, 62) vorbereitet, deren Innenkontur im Wesentlichen der späteren Innenkontur der Schaumstoffschicht (10) entspricht, wobei die Innenfläche der zweiten Formhälfte (32, 62) mit Vertiefungen (34, 64) versehen ist, welche der Rippenstruktur (Rippe 14) entsprechende Formteile (18) aufnehmen;

c) auf die Innenfläche der Außenhaut (8) wird eine Lage einer aufschäumbaren Kunststoffmasse (26, 66) aufgebracht; d) die zweite Formhälfte (32, 62) wird an die erste Formhälfte

(30, 60) angesetzt;

e) nach dem Aufschäumvorgang und der Verbindung der Formteile (18) mit der aufgeschäumten Schaumstoffschicht (10) wird das so gebildete Verbundbauteil entformt;

f) auf die Innenseite der Schaumstoffschicht (26', 66) wird eine Innenhaut (12) aufgebracht.

Hinsichtlich der Patentansprüche 2 bis 6 und wegen weiterer Einzelheiten des schriftlichen Vorbringens wird auf die Akte verwiesen.

II.

Über den Einspruch, der nach dem 1. Januar 2002 und vor dem 1. Juli 2006 formund fristgerecht eingelegt worden ist, hat der zuständige Technische Beschwerdesenat gemäß § 147 Abs. 3 PatG a. F. zu entscheiden, da die mit der Einlegung des Einspruchs begründete Entscheidungsbefugnis durch die spätere Aufhebung der Vorschrift nicht entfallen ist (vgl. auch BGH GRUR 2007, 859, 861 und 862 ff. -Informationsübermittlungsverfahren I und II; bestätigt durch BGH -Ventilsteuerung -GRUR 2009, 184 -185).

Der fristund formgerecht eingegangene Einspruch ist substantiiert auf einen der Einspruchsgründe gemäß § 21 PatG gerichtet und daher zulässig. Er ist jedoch sachlich nicht gerechtfertigt, denn es liegt eine patentfähige Erfindung vor.

1. Gegenstand des Streitpatents ist ein Verfahren zum Herstellen eines flächigen Dachmoduls für Kraftfahrzeuge. Das Verbundbauteil mit wenigstens einer Außenhaut wird in einer Hinterschäumform mit zwei Formhälften gebildet, indem die Innenseite der Außenhaut hinterschäumt wird und wobei an der Innenseite des Verbundbauteils eine reliefartige Rippenstruktur ausgebildet ist. Ausgegangen wird in der Streitpatentschrift u. a. von einem Stand der Technik nach der EP 0 995 667 A1 (D4) (Absatz [0005]), aus der ein entsprechendes Dachmodul bekannt sei, bei der die am Rand des Verbundbauteils ausgebildete Rippenstruktur jedoch einfach durch eine Aufdickung der Schaumstoffschicht gebildet sei. Derartige Aufdickungen in der Schaumstoffschicht würden häufig zu unbefriedigenden Ergebnissen führen und gegebenenfalls in unerwünschter Weise an der Außenhaut sichtbar werden. Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, ein Verfahren zum Herstellen eines flächigen Dachmoduls für Kraftfahrzeuge gemäß der in Patentanspruch 1 eingangs genannten Art zu schaffen, bei welchem die reliefartige Rippenstruktur in einfacher Weise und ohne sichtbare Spuren an der Außenhaut hergestellt werden kann und bei dem eine den gestalterischen Ansprüchen genügende Innenhaut gleich mit erzeugt wird (Absatz [0006]).

Zur Lösung beschreibt der Patentanspruch 1 ein Verfahren mit den folgenden Merkmalen:

1. Verfahren zum Herstellen eines flächigen Dachmoduls für Kraftfahrzeuge, 1.1 in einer aus zwei Formhälften gebildeten Hinterschäumform, wobei 1.2 das Verbundbauteil wenigstens eine Außenhaut und eine auf die Innenseite der Außenhaut aufgeschäumte Schaumstoffschicht umfasst und wobei 1.3 an der Innenseite dieses Verbundbauteils eine reliefartige Rippenstruktur oder dergleichen ausgebildet ist, mit folgenden Verfahrensschritten:

a) es wird eine erste Formhälfte vorbereitet, welche die Außenhaut formschlüssig aufnimmt;

b1) es wird eine zweite Formhälfte vorbereitet, deren Innenkontur im Wesentlichen der späteren Innenkontur der Schaumstoffschicht entspricht, wobeib2) die Innenfläche der zweiten Formhälfte mit Vertiefungen versehen ist, b3) welche der Rippenstruktur entsprechende Formteile aufnimmt;

c) auf die Innenfläche der Außenhaut wird eine Lage einer aufschäumbaren Kunststoffmasse aufgebracht;

d) die zweite Formhälfte wird an die erste Formhälfte angesetzt;

e) nach dem Aufschäumvorgang und der Verbindung der Formteile mit der aufgeschäumten Schaumstoffschicht wird das sogebildete Verbundbauteil entformt;

f) auf die Innenseite der Schaumstoffschicht wird eine Innenhaut aufgebracht.

Dieses Verfahren zum Herstellen eines Dachmoduls, das auf der Innenseite des Verbundbautiels eine reliefartige Rippenstruktur aufweist, wird im Wesentlichen mit einer aus zwei Formhälften bestehenden Hinterschäumform ausgeführt. Dabei finden getrennte Verfahrensschritte in beiden Formhälften statt: Die erste Formhälfte nimmt die Außenhaut formschlüssig auf (Merkmal a)). Auf die Innenfläche dieser Außenhaut wird eine Lage einer aufschäumbaren Kunststoffmasse aufgebracht (Merkmal c)). Gemäß der Beschreibung (Abs. [0011]) weist "diese Schaumstoffschicht selbst keinerlei Verdickungen" auf, sondern hat im Wesentlichen eine "gleichmäßige Dicke" über die gesamte Fläche. Die zweite Werkzeughälfte mit ihrer der Innenkontur der Schaumstoffschicht im Wesentlichen entsprechenden Innenkontur (Merkmal b1)) weist Vertiefungen auf (Merkma b2)), die "der Rippenstruktur entsprechende Formteile" aufnehmen (Merkmal b3)). Diese Formteile können gemäß den Ausführungen der Streitpatentschrift ([0012]) separat gefertigte Formteile sein, die in diese Vertiefungen eingelegt werden. Gemäß einer anderen Ausgestaltung der Erfindung wird darunter jedoch auch verstanden, dass diese Formteile in diesen Vertiefungen erst gebildet werden, indem eine Kunststoffmasse darin eingespritzt wird. Dieser Einspritzvorgang kann dabei mehr oder weniger gleichzeitig mit dem Einbringen der aufschäumbaren Kunststoffmasse in der ersten Formhälfte erfolgen, so dass ein zeitlich und räumlich getrennter Fertigungsvorgang für diese Formteile vermieden werden kann. Anschließend werden beide Formhälften aneinander gesetzt (Merkmal d)) sowie nach Abschluss des Aufschäumvorgangs und dem Verbinden der Formteile entformt (Merkmal e)). Das abschließende Anbringen der Innenhaut auf die Innenseite der Schaumstoffschicht wird außerhalb der Form durchgeführt (Merkmal f)).

2. Die Merkmale des Gegenstands des Patentanspruchs 1 sowie die Merkmale der Gegenstände der Unteransprüche 2 bis 6 des Streitpatents sind in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart.

Die im Merkmal 1. gemachte Beschränkung auf ein flächiges Dachmodul für Kraftfahrzeuge wurde in einer beispielhaften Variante des ursprünglichen Patentanspruchs 1 bereits beschrieben. In Merkmal 1.1 des geltenden Patentanspruchs 1 wurde hinzugefügt, dass die Herstellung "in einer aus zwei Formhälften gebildeten Hinterschäumform" erfolgt. Dies ergibt sich inhaltlich bereits aus den ursprünglichen Merkmalen des Patentanspruchs 1: Die "zwei Formhälften" sind in Merkmal a) und b) den ursprünglich eingereichten Unterlagen zu entnehmen (erste Formhälfte (20) und zweite Formhälfte (22)). Der Begriff "Hinterschäumform" ist zwar direkt nicht genannt, doch stellt dieses Formwerkzeug durch das Hinterschäumen der Außenhaut implizit eine Hinterschäumform dar. Die Hinterschäumung ist bereits in Merkmal c) des Patentanspruchs 1 der Anmeldungsunterlagen offenbart, insbesondere unter Hinzuziehung der beiden folgenden Merkmale (in den ursprünglich eingereichten Unterlagen versehentlich 2 x d) genannt). Das Merkmal f) stellt das Merkmal des ursprünglichen Patentanspruchs 6 dar, der auf den ursprünglichen Patentanspruch 1 rückbezogen war.

Die Patentansprüche 2 und 3 blieben unverändert, die Patentansprüche 4 bis 6 geben entsprechend umnummeriert den Inhalt der ursprünglichen Patentansprüche 7 bis 9 wieder.

Folglich sind alle Gegenstände der Patentansprüche den am Anmeldetag eingereichten Unterlagen zu entnehmen.

3.

Das Verfahren nach dem geltenden Patentanspruch 1, dessen gewerbliche Anwendbarkeit aufgrund seiner Zweckbestimmung zweifellos gegeben ist, ist neu. Die Neuheit des Gegenstands des Patentanspruchs 1 -diese wurde auch von der Einsprechenden nicht bestritten -ist gegenüber dem Stand der Technik dadurch begründet, dass keine der Druckschriften eine zweite Formhälfte mit Vertiefungen versieht, deren Innenkontur im Wesentlichen der späteren Innenkontur der Schaumschicht entspricht, welche der Rippenstruktur entsprechende Formteile aufnehmen (gesamte Merkmalsgruppe b)). Ferner ist aus keiner der genannten Druckschriften bekannt, nach dem Entformen des vorgefertigten Bauteils eine Innenhaut auf die Innenseite der Schaumstoffschicht aufzubringen (Merkmal f)).

4.

Das Verfahren nach dem geltenden Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Aus der EP 09 95 667 A1 (D4) mit der Bezeichnung "Verbundbauteil für Fahrzeugkarosserien" ist ein Verbundbauteil bekannt, das eine flächige Struktur aufweist (Merkmal 1.). Die Außenhaut wird auf deren Innenseite angeschäumt (Patentanspruch 1, "... und einer der Innenseite der Außenhaut aufgeschäumter Kunststoffschicht ..."), wobei ein Unterteil (8) und ein komplementäres Oberteil (9) das Schäumwerkzeug bilden ([0029], Merkmal 1.1). Gemäß dem Patentanspruch 1 umfasst das Verbundbauteil der D4 eine auf die Innenseite der Außenhaut aufgeschäumte Schaumstoffschicht (Merkmal 1.2) und weist an der Innenseite des Verbundbauteils gemäß Figur 8 eine bereichsweise reliefartige Struktur auf (Merkmal 1.3). Eine erste Werkzeughälfte nimmt die Außenhaut "formschlüssig" auf ([0029], Merkmal a), eine zweite (gegenüber liegende) Formhälfte hat implizit die entsprechende Negativkontur der in Fig. 8 gezeigten Struktur (Bezugszeichen 26'). Anhand der Figuren 3 bis 6 sind darüber hinaus Materialverdickungen (20) mit entsprechender Struktur am Verbundbauteil und entsprechend an der Werkzeugform erkennbar (Merkmale b1) und b2)). Die Formhälften werden ebenfalls selbstverständlich aneinander gesetzt (s. Figuren, Merkmal d)) und nach dem Verbinden der Bauteilelemente entformt (Merkmal e)).

Nicht bekannt aus der D4 sind die Merkmale b3) und f). Beim Streitpatent werden vor dem Zufahren der beiden Werkzeughälften in den Vertiefungen der zweiten Formhälfte "der Rippenstruktur entsprechende Formteile" aufgenommen, die zum einen feste Vorformlinge ("fertige Formteile" nach Patentanspruch 2) oder zum anderen eine direkt eingespritzte Kunststoffmasse sein können. Eine derartige Vorfüllung der Vertiefungen einer reliefartigen Rippenstruktur oder dergleichen der zweiten Formhälfte findet in der D4 nicht statt. Zwar können in der oberen (Fig. 1, 3 sowie 4) oder unteren (Fig. 5) Formhälfte Dichtungen (10, 16, 22) eingelassen sein, die im Ausführungsbeispiel gemäß Fig. 5 sowie [0039] auch "... mit an die Kunststoffschicht 2 angeschäumt ..." werden. Aber die dazu notwendigen Vertiefungen in der Formhälfte entsprechen damit nicht im Wesentlichen der späteren Innenkontur der Schaumstoffschicht. Darüber hinaus stellen die eingelegten oder auch angeschäumten Dichtungen auch keine Rippenstruktur der Schaumstoffschicht des Verbundbauteils dar. Gerade die eine Rippenstruktur aufweisende Rückseite des Verbundbauteils gemäß der Figur 8 mit den Nuten (27') wird als einschichtige ("... über den gesamten Flächenbereich der Außenhaut ...", Patentanspruch 1) Armierung bzw. Beschichtung vorgesehen.

Alternativ können bei der D4 zwar spezielle zusätzliche Teile ("Dämpfungsbereiche" 28'; Fig. 8 sowie [0042]) als separater Werkstoff aufgebracht werden. Dies erfolgt jedoch durch nachträgliches "Anschäumen" ("in einem zweiten Schuss") an die bereits hergestellte Schaumschicht. Damit wird gerade nicht "mehr oder weniger gleichzeitig" zu dem eigentlichen Hinterschäumvorgang ([0012]) in die rippenartigen Vertiefungen der zweiten, gegenüberliegenden Formhälfte Kunststoffmasse eingespritzt oder werden entsprechende Formteile dort eingelegt.

Bereits vom Grundsatz her weist die D4 eine völlig andere Aufgabenstellung auf. Diese ist, ein gegenüber dem Stand der Technik vereinfachtes, leichtes aber dennoch ausreichend steifes Verbundbauteil für Fahrzeugkarosserien bereitzustellen, welches auch einfach herzustellen ist ([0006]). Die im Streitpatent angesprochene Schwierigkeit, den Aufschäumvorgang von Bereichen unterschiedlicher Dicke bei derartigen Verbundbauteilen derart auszuführen, dass der Übergang von den dünnen zu den dickeren Schaumbereichen an der Außenhaut nicht sichtbar wird (Abs. [0005] der Streitpatentschrift), ist in der D4 nicht genannt. Damit kann sie auch keinen Beitrag zur Lösung dieser Schwierigkeit leisten. Insbesondere ergibt sich für einen hier angesprochenen Fachmann, einen Ingenieur mit Fachhochschulausbildung im Bereich Maschinenbau oder Kunststofftechnologie mit mehrjähriger Berufserfahrung in der formgebenden Kunststoffverarbeitung, keinerlei Anregung, in die zweite Formhälfte der Rippenstruktur der Schaumstoffsicht entsprechende Formteile einzulegen bzw. Schaummaterial in die entsprechenden Vertiefungen einzuspritzen. Ein dadurch ermöglichtes Hinterschäumen der Außenhaut (in der ersten Formhälfte) mit im Wesentlichen einer "gleichmäßige Dicke" über die gesamte Fläche, wie es in der Streitpatentschrift ([0011]) beschrieben ist, um die ansonsten damit verbundenen Nachteile zu vermeiden, wird somit aus der D4 dem Fachmann nicht nahegelegt.

Das Merkmal f) im Sinne des Verfahrens eines nachträglichen Aufbringens einer weiteren Innenschicht ist ebenfalls der D4 nicht zu entnehmen. Eine Innenschicht kann zwar vorhanden sein (Patentanspruch 1), es wird jedoch nicht dargelegt, dass diese nachträglich aufgebracht wird. Dem entgegen wird gemäß [0029]

i. V. m. Figur 1 beschrieben und gezeigt, dass die Innenhaut ("dekoratives Flächengebilde 3") bereits in der zweiten Formhälfte ("Oberteil") angebracht ist, bevor die Schaumschicht zum Hinterschäumen der Außenhaut eingefüllt wird. Somit ist entweder keine Innenhaut vorhanden oder sie wird bereits im Hinterschäumwerkzeug eingebracht und angeformt; eine Anregung, die Innenhaut nach dem Hinterschäumvorgang nach dem Entformen aufzubringen kann damit gerade nicht erhalten werden.

Die Einsprechende erachtet als weiteren maßgeblichen Stand der Technik auch die DE 34 14 794 C2 (D1). Diese Druckschrift beschreibt ein "Verfahren zur Herstellung von hinterschäumten Formteilen", wobei diese Formteile Innenverkleidungen von Kraftfahrzeugen sein können (Sp. 2, Z. 4). Bei dem betreffenden Verfahren werden in eine Schäumform zuerst eine Oberflächenschicht und anschließend zwei unterschiedliche Schaumstoff-Reaktionsgemische in die Form eingebracht (Sp. 1, Z. 55 ff.). Dabei wird der Fokus gerade auch auf solche Formteile gerichtet, die eine stark profilierte Oberfläche aufweisen, die als Umrandungen oder Wülste nach außen vorstehen (Sp. 2, Z. 10 ff). Auch hier sind Anforderungen an die Optik und die Vermeidung von Randzonenstörungen in Form von Lufteinschlüssen vorhanden (Sp. 2 , Z. 3 ff. und Sp. 4, Z. 52 ff.) oder es sollen störstellengefährdete und/oder spezifisch beanspruchte Bereiche separat hinterfüllt werden (Patentanspruch 2). Allerdings erfolgt die Zugabe des zumindest abschnittsweise eingebrachten Schaumstoff-Reaktionsgemisches zuerst auf die Rückseite des Oberflächenschicht (s. Patentanspruch 1 i. V. m. den Figuren). Daran anschließend wird das zweite "Schaumstoff-Reaktionsgemisch" (flächendeckend) aufgebracht und überdeckt gemäß den Ausführungsbeispielen jeweils das zuerst eingebrachte Schaummaterial. Die ggf. als reliefartige Rippenstruktur zu bezeichnende Kontur

(s. Figuren) wird also nicht wie beim Gegenstand des Streitpatents an der Innenseite des Verbundbauteils erzeugt, sondern auf der Außenseite. Außerdem ist nicht von Vertiefungen der zweiten Formhälfte die Rede, in die das Schaummaterial eingebracht werden könnte. Da in den Ausführungsbespielen jeweils eine ebene "Innenseite" gezeigt ist, muss davon ausgegangen werden, dass die zweite Formhälfte keine Vertiefungen aufweist (s. Figuren). Eine Innenhaut wird überdies nicht angebracht.

Bei der D1 geht es zwar auch um die Vermeidung von Oberflächenfehlern im Bereich der Oberflächenschicht, doch diese Probleme sind gemäß der Problembeschreibung (Sp. 2, Z. 34 ff.) bedingt "... infolge nicht im voraus bestimmbarer Fließverhältnisse des Reaktionsgemisches ...", wenn ggf. Einlegeteile in die Schäumform eingelegt sind und eine vollständige Ausschäumung der "nach außen vorstehenden Umrandungen oder Wülste" (Sp. 2, Z. 12, 13) nicht sicher erfolgen kann. Die Problematik der Streitpatentschrift, den Aufschäumvorgang aufgrund unterschiedlicher Dicke nicht vorausberechnen bzw. steuern zu können, ist in der D1 nicht genannt. Da beim Verfahren der Streitpatentschrift entsprechende Einlegeteile zur Verstärkung, Befestigung oder Krafteinleitung (in D1 Sp. 2, Z. 26 ff.) gar nicht eingebracht werden, besteht somit für den Fachmann bei Kenntnis der D1 bereits vom Grundsatz her nicht der Anlass, eine separate Schäumung vorzunehmen. In der Streitpatentschrift werden gerade entsprechende Formteile in Vertiefungen eingelegt, um die Ausschäumung an sich zu optimieren und um Fehler zu vermeiden, während die D1 beschreibt, dass Einlegeteile ursächlich für Fehler einer vollständigen Hinterschäumung verantwortlich sind. Ein Fachmann wird also die Lösungsmöglichkeiten dieser Druckschrift nicht heranziehen. Da überdies die Rückseite der beschriebenen und gezeigten Formteile (Verbundformteile) in der D1 jeweils nicht strukturiert bzw. rippenartig sind, sondern in den Figuren jeweils eben dargestellt sind, ergibt sich für den Fachmann keine Veranlassung, in der rückwärtigen Werkzeugseite Vertiefungen vorzusehen und in diese Formteile einzulegen oder Schäummaterial einzuspritzen.

Die in der D1 gezeigten und beschriebenen Formteile, wie sie beispielsweise für die Innenverkleidung von Kraftfahrzeugen Anwendung finden, weisen keine Innenhaut auf. Somit kann die D1 dem Fachmann auch keine Anregung geben, nach dem Entformen des Verbundbauteiles dieses noch nachträglich mit einer Innenhaut zu versehen.

Mit der DE 199 55 167 C2 (D5) verweist die Einsprechende ferner auf eine Druckschrift mit der Bezeichnung "Verfahren zur Herstellung eines Fahrzeug-Karosserieteils in Sandwichbauweise". Dieses Dokument zeigt die Herstellung insbesondere eines Fahrzeugdaches (Merkmal 1.), wobei die Hinterschäumform aus zwei Hälften besteht (Merkmal 1.1) und das Verbundbauteil aus wenigstens einer Außenhaut und einer darauf aufgeschäumten Schaumstoffschicht besteht (Merkmal 1.2), s. hierzu bereits Patentanspruch 1. Ferner nimmt die erste Formhälfte die vorgefertigte Außenhaut gemäß Fig. 2B formschlüssig auf. Auch ist der weitere Verfahrensablauf gemäß der Merkmale c) bis e) bekannt, indem auf die Innenfläche der Außenhaut eine Lage aufschäumbarer Kunststoffmasse aufgebracht wird, die Formhälften aneinander gesetzt werden und nach dem Aufschäumvorgang und dem Verbinden der Formteile mit der aufgeschäumten Schaumstoffschicht das so gebildete Verbundbauteil (selbstverständlich) entformt wird.

Alle übrigen Merkmale (1.3, b1), b3) und f)) des Patentgegenstands nach Patentanspruch 1 des Streitpatents sind jedoch nicht beschrieben oder gezeigt. Weder ist die Innenseite des Verbundbauteils mit einer reliefartigen Rippenstruktur oder dergleichen ausgebildet, noch kann demzufolge die Innenfläche der zweiten Formhälfte eine dementsprechende Innenkontur aufweisen und entsprechende Formteile hierin aufnehmen. Diese zweite Formhälfte der D5 nimmt lediglich eine "Innenschale 11" komplett auf (s. Figuren). An dieser Innenschale ist auch gleich eine Deckschicht verbunden, die aus einem Dekorstoff 15 gebildet sein kann

(s. Sp. 3, Z. 67 ff.). Eine weitere Anbringung einer Innenhaut an die Innenseite der Schaumstoffschicht ist nicht beschrieben.

Angesichts dieses Sachverhalts kann auch die von der Einsprechenden vorgeschlagene fachmännische Zusammenschau des Inhalts der D5 mit der D4 oder der D1 nicht zum Gegenstand nach Patentanspruch 1 des Streitpatents führen. Da die D5 gar keine Rippenstruktur aufweist kann sie auch zur Lösung der durch diese Rippen verursachten Probleme nichts beitragen. Überdies gibt es beim herzustellenden Bauteil nach der D5 bereits grundsätzlich keine auszuschäumende Bereiche unterschiedlicher Dicke (s. Figuren sowie "Integration einer Außenschale mit einer Innenschale", [0011]). Insbesondere zu den Merkmalen b1) und b3) der Merkmalsauflistung des Patentanspruchs 1 des Streitpatents kann der Fachmann keinerlei Anregungen erhalten. Gleiches gilt für das Anbringen einer Innenhaut nach der Entformung des vorgefertigten Verbundbauteils (Merkmal f.)).

Auch die weiteren Druckschriften, auf die die Einsprechende nicht weiter eingegangen ist, können die erfinderische Tätigkeit des hier betreffenden Patentgegenstands nicht in Frage stellen.

Aus der DE 43 20 636 C2 (D3) ist ein Verkleidungsteil bekannt, bei dem im und/oder am Formkörper aus Polypropylen-Partikel Funktionselemente angeordnet sind. Auf der Innenseite des Partikel-Schaumstoffs sind zwar bereichsweise rippenartige Strukturen erkennbar (s. Fig. 3), diese werden jedoch implizit in einem Verfahrensschritt aufgetragen. Der Fachmann kann auch dieser Druckschrift keine Anregung entnehmen, zur Vermeidung des Ausschäumens von Bereichen unterschiedlicher Dicke in die der Außenhaut gegenüber liegenden Formwerkzeughälfte rippenartige Vertiefungen einzubringen und diese mit Einlegeteilen zu versehen oder in diese parallel zur Hinterschäumung der Außenhaut Schaummaterial separat einzuspritzen.

Die DE 100 24 814 A1 (D2) beschreibt ein Verfahren zur Herstellung eines auf der Innenund Außenseite eine "faserverstärkte Kunststoffschicht" (Deckschicht) aufweisenden Bauteils. Die in die beiden Formhälften eingelegte "Faserverstärkungs-Matte" wird lediglich an der Oberfläche der dem Schaum zugewandten Seite von dem Polymer eingebunden; eine komplette Durchdringung soll nicht stattfinden ([0010]). Eine derartige Oberfläche wird seitens des hier angesprochenen Fachmanns nicht im Sinne des Streitpatents als "Außenhaut" mit den dort geforderten Oberflächenanforderungen angesehen und allein insofern nicht für die Lösung der Problemstellung herangezogen werden. Überdies weisen die Formteile bereits keine rippenartigen Strukturen an der Innenseite auf, so dass auch diese Druckschrift grundsätzlich keinen Beitrag zur Lösung im Sinne des Streitpatents beitragen kann.

Alle weiteren Druckschriften liegen fern ab. Die DE 38 37 221 C2, DE 34 39 101 A1, DE 197 09 016 A1 und DE 100 39 522 A1 (D6 bis D9) können dem Fachmann keine Anregungen geben, die auch in Verbindung mit den übrigen Druckschriften zum Patentgegenstand nach Patentanspruch 1 führen. Bei der D6 wird eine "zweite aufgeschäumte Schicht innerhalb der ersten Schicht gebildet" (Patentanspruch 1), so dass hier gar keine rippenartige Struktur vorhanden ist und in der zweiten Formhälfte auch keine Vertiefungen mit Einlegeteilen vorhanden ist. Die D7 umfasst ein Anspritzen eines bereits fertig geschäumten Kunststoffschaumes mit einem (dichten) Trägermaterial und die damit verbundene Verankerung des Trägermaterials mit der offenporigen Schaumschicht (s. Patentanspruch 1 und Ausführungsbeispiel, S. 5). Damit wird bei diesem Verfahren überhaupt nicht geschäumt. Auch bei der D8 und D9 werden keine Hinterschäumwerkzeuge (Formhälften) beschrieben, ebenso wird über einen Hinterschäumvorgang nichts ausgesagt.

Nach alledem waren für den maßgeblichen Fachmann mehrere Schritte mit über das fachliche Maß hinausgehenden Überlegungen erforderlich, um zum Patentgegenstand nach Anspruch 1 zu gelangen. Insbesondere das Einlegen von einer Rippenstruktur entsprechenden Formteilen oder das Einspritzen von Material in diese rippenförmige Vertiefungen in die zweite Formhälfte wird aus dem Stand der Technik in Verbindung mit dem Fachwissen eines hier angesprochenen Fachmanns nicht nahegelegt. Es bedurfte somit einer erfinderischen Tätigkeit, um zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 zu gelangen. Dessen Gegenstand ist somit patentfähig und hat Bestand.

5. Mit dem Patentanspruch 1 haben auch die abhängigen Patentansprüche 2 bis 6 Bestand, da deren Merkmale über selbstverständliche technische Maßnahmen hinausgehen.

Dehne Dr. Huber Kruppa Dr. Dorfschmidt Cl






BPatG:
Beschluss v. 15.10.2009
Az: 8 W (pat) 329/05


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/0083744b81f5/BPatG_Beschluss_vom_15-Oktober-2009_Az_8-W-pat-329-05




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