Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. Juni 2005
Aktenzeichen: 28 W (pat) 207/04
(BPatG: Beschluss v. 22.06.2005, Az.: 28 W (pat) 207/04)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Die Markeninhaberin hat gegen den Beschluss der Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Juni 2004 Beschwerde eingelegt. In diesem Beschluss wurde der Widerspruch gegen die Wortmarke "Schoko-Kissen" zurückgewiesen und die Löschung der Marke angeordnet, da beide Marken den Bestandteil "Kissen" enthalten, der keinen beschreibenden Bezug zu den Waren hat. Die Markeninhaberin argumentiert, dass der Bestandteil "Kissen" in den Marken nicht isoliert betrachtet werden darf, da er für die Widerspruchswaren beschreibend ist und eine geringe Kennzeichnungskraft aufweist. Der Bundespatentgericht hat festgestellt, dass zwischen den Marken keine Verwechslungsgefahr besteht, da es an der erforderlichen Ähnlichkeit der Waren fehlt und die Abweichungen der Marken im Gesamteindruck eine Verwechslungsgefahr ausschließen. Der Bestandteil "Kissen" ist eine beschreibende Sachangabe und hat keine markenrechtliche Bedeutung. Die Beschwerde der Widersprechenden wurde daher abgelehnt.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 22.06.2005, Az: 28 W (pat) 207/04
Tenor
Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Juni 2004 aufgehoben.
Der Widerspruch wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegen die für
"Getreideerzeugnisse und Getreidespeisen, nämlich Haferflocken, Müslis, Cerealien, jeweils auch unter Beigabe von Nüssen, Früchten, Kornflocken, Weizen, Reis, Zucker und Honig; Milcherzeugnisse, nämlich Joghurt, Quark, Kefir, Buttermilch, auch unter Beigabe von Früchten und Aromen und Getreideerzeugnissen, Müslis und Cerealien"
am 29. November 2001 eingetragene Wortmarke
"Schoko-Kissen"
ist am 4. Februar 2002 Widerspruch erhoben worden aus der europäischen Wortmarke EU - 1 268 580
"Mint-Kissen", die am 8. September 2000 eingetragen wurde für die Waren
"Dragees, Hartkaramellen".
Die Markenstelle für Klasse 29 hat den Widerspruch durch den Erstprüfer zunächst zurückgewiesen, da die Marken vor dem Hintergrund einer eher fraglichen Warenähnlichkeit im Gesamteindruck einen ausreichenden Abstand zueinander einhielten, zumal der Begriff "Kissen" als Hinweis auf die Form der Waren eher als kennzeichnungsschwach einzustufen sei. Auf die Erinnerung der Widersprechenden ist hingegen die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet worden, da beide Marken durch den Bestandteil "Kissen" geprägt würden, der - im Gegensatz zu den anderen Wortteilen - keinen sachlichen und beschreibenden Bezug zu den Waren aufweise.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Sie macht geltend, dass der identische Bestandteil "Kissen" in den Vergleichszeichen nicht isoliert gegenübergestellt werden dürfe, da er zumindest für die Widerspruchswaren als Hinweis auf die Warenform beschreibend sei, so dass sich die Kennzeichnungskraft allein aus der gesamten Wort-Kombination ergebe; das gelte gleichermaßen für die angegriffene Marke, die in diesem Sinne bereits einmal von der Markenstelle im Eintragungsverfahren beanstandet worden sei. Eine Recherche im Internet zeige eine entsprechende Verwendung des Wortes "Kissen" für Waren sowohl der angegriffenen wie der widersprechenden Marke, die wegen dieser Kennzeichnungsschwäche nur einen geringen Schutzumfang beanspruchen könne.
Die Markeninhaberin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke 1 268 580 "Mint-Kissen" zurückzuweisen.
Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält die Vergleichswaren für eindeutig ähnlich und die Marken in klanglicher, bildlicher und konzeptioneller Hinsicht für verwechselbar.
Den Termin zur mündlichen Verhandlung hat sie nicht wahrgenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Markeninhaberin ist begründet. Nach Auffassung des Senats besteht zwischen den sich gegenüberstehenden Marken keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.
Nach dieser Vorschrift hängt das Bestehen einer Verwechslungsgefahr ab von der Identität oder Ähnlichkeit der Marken einerseits und andererseits von der Identität oder Ähnlichkeit der durch diese Marken erfassten Waren. Daneben sind alle Umstände zu berücksichtigen, die sich auf die Verwechslungsgefahr auswirken können, vor allem die Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke. Nach diesen Grundsätzen muss vorliegend eine Verwechslungsgefahr verneint werden.
Zum Teil fehlt es vorliegend bereits an der erforderlichen Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren. Denn die "Dragees" oder "Hartkaramellen" der Widerspruchsmarke weisen keinerlei Berührungspunkte mit den angegriffenen Getreideerzeugnissen oder -speisen auf, was die regelmäßigen Herstellungsstätten, die stoffliche Beschaffenheit oder den Verwendungszweck betrifft; auch ein funktioneller Zusammenhang im Sinne sich ergänzender Produkte, bei denen dem hier angesprochenen Verkehr schon von der Verwendung der Waren her der Gedanke an einen gemeinsamen betrieblichen Verantwortungsbereich nahegelegt wäre, weshalb auch unterschiedliche Materialbeschaffenheit und mögliche getrennte Herstellungsstätten der Annahme einer Ähnlichkeit nicht zwingend entgegenstehen (vgl Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl 2003, § 9 Rdn 105, 112 mwN), ist nicht erkennbar. In ihrem umfangreichen Vortrag zur Warenähnlichkeit übersieht die Widersprechende, dass es sich vorliegend um ein Registerverfahren handelt, in welchem der Rechtsbegriff der Warenähnlichkeit normativ auszulegen ist, wogegen die von der Widersprechenden angesprochenen "Marktrealitäten" vor allem im Verletzungsverfahren eine Rolle spielen. Hinsichtlich der weiteren insoweit einschlägigen Gesichtspunkte hat die Widersprechende keine markenrechtlich relevanten Gesichtspunkte vorgetragen. Selbst wenn man sich die Widerspruchswaren als ein spezielles Milcherzeugnis vorstellt, das unter Verwendung von Milch oder Sahne hergestellt werden kann (vgl. Das Dr. Oetker Lebensmittellexikon, 2004, S. 413 (Karamellen) und 106 f. (Bonbons)), kommt eine Ähnlichkeit zu Milchprodukten allenfalls im Oberbegriff in Betracht (vgl. 28 W (pat) 123/02 - , 32 W (pat) 275/01; Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 13. Aufl. 2005, S. 87), während im Warenverzeichnis der angegriffenen Marke Einzelwaren wie Joghurt, Quark, Kefir, Buttermilch aufgeführt sind, die keine unmittelbare Berührung mit Bonbons haben, so dass insoweit die Warenähnlichkeit - wie auch der Erstprüfer ausgeführt hat - zweifelhaft ist.
Letztlich kann die Frage aber dahinstehen, da es auch an einer relevanten Markenähnlichkeit fehlt. Im Grunde steht außer Streit, dass die Abweichung der Marken im Gesamteindruck in jeder Hinsicht eine unmittelbare Verwechslungsgefahr ausschließt. Etwas anderes würde nur gelten, wenn beide Marken durch den Bestandteil "Kissen" geprägt würden. Dies ist jedoch aus Rechtsgründen ausgeschlossen. Denn es handelt sich im Kontext der Widerspruchsmarke lediglich um eine beschreibende Sachangabe, die sich auf die Form der Bonbons bzw. Dragees bezieht und die dem Verkehr zur Beschreibung offen stehen muss. Sie besagt nichts anderes, als dass es sich um entsprechende Waren in (verkleinerter) Kissenform mit Mintgeschmack handelt. So lässt sich im Lebensmittelbereich die Verwendung von "Kissen" im Sinne einer Gestaltungsform (etwa Getreidekissen bei Cerealien) ohne weiteres belegen. Das gilt auch für den Bereich der Bonbons, wo Bezeichnungen wie "Schnitten, Räder, Zungen" als Hinweis auf die Warenform und letztlich auch "Kissen" (z.B. Pfefferminz-Kissen) zu finden sind. Diese Eignung zur Beschreibung bezieht sich gleichermaßen auf die angegriffene Marke im Kontext des von ihr beanspruchten Warenverzeichnis, so dass beide Marken im Grunde nur Schutz aufgrund des jeweils vorangestellten Wortes zugebilligt werden kann, selbst wenn insoweit ebenfalls eine beschreibende Bedeutung vorliegt. Da den Marken aber aufgrund ihrer Registrierung der Schutz als solcher nicht abgesprochen werden kann, ist ihr Schutzumfang sehr eng zu begrenzen, was im vorliegenden Fall dazu führt, dass die angegriffene Marke aufgrund der Warenferne und der geringen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke den insoweit erforderlichen Abstand noch einhält.
Auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr scheidet aus, da die Widersprechende keine auf sie weisende Markenserie mit dem Bestandteil "Kissen" vorweisen kann, ganz abgesehen davon, dass ein solcher aufgrund seiner Kennzeichnungsschwäche kaum als Stammbestandteil geeignet ist.
Damit musste die Beschwerde der Widersprechenden insgesamt erfolglos bleiben.
Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (vgl § 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG).
Stoppel Schwarz-Angele Paetzold Bb
BPatG:
Beschluss v. 22.06.2005
Az: 28 W (pat) 207/04
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