Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. Juli 2002
Aktenzeichen: 17 W (pat) 66/01

(BPatG: Beschluss v. 30.07.2002, Az.: 17 W (pat) 66/01)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in diesem Beschluss vom 30. Juli 2002 über die Beschwerde gegen eine Patenanmeldung entschieden. Die Beschwerde wurde in Bezug auf den Hauptantrag und die drei Hilfsanträge zurückgewiesen. Es wurde festgelegt, dass das Verfahren in der Trennanmeldung nach der Frist des § 39 Abs. 3 PatG fortgesetzt wird.

Die Patentanmeldung wurde durch eine Teilungserklärung in der mündlichen Verhandlung über die Beschwerdesache eingereicht. Die Anmelderin verfolgt die Trennanmeldung aufgrund der eingereichten Anspruchssätze nach Hauptantrag und drei Hilfsanträgen. Jeder Anspruchssatz enthält einen Verfahrensanspruch und einen Anordnungsanspruch.

Die Anmelderin argumentiert, dass das beanspruchte Verfahren zur Klassifizierung von Zuständen verbesserte Ergebnisse liefert und daher als technische Erfindung angesehen werden sollte. Die Anmelderin stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent zu erteilen.

Das Gericht ist jedoch der Meinung, dass das beanspruchte Verfahren keinen technischen Charakter hat und daher nicht patentierbar ist. Es handelt sich um eine mathematische Methode zur Klassifizierung von Zuständen in Messdaten, ohne dass ein konkreter technischer Bezug hergestellt wird.

Das Gericht weist darauf hin, dass das beanspruchte Verfahren keine Lösung für ein konkretes technisches Problem bietet und deshalb nicht als technische Erfindung angesehen werden kann. Selbst durch die Einschränkung des Antrags auf die Klassifizierung von Zuständen eines Verkehrsflusses wird der technische Charakter des Verfahrens nicht erreicht. Das beanspruchte Verfahren fehlt auch an den technischen Überlegungen, die für eine Patentierbarkeit erforderlich wären.

Aufgrund dieser Argumente werden die Beschwerde und die Anträge der Anmelderin zurückgewiesen. Das Gericht akzeptiert jedoch die Teilung der Anmeldung und wird über diese in einem gesonderten Verfahren entscheiden.

Abschließend stellt das Gericht fest, dass die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen wird, da keine grundsätzlichen Fragen zu entscheiden sind und keine uneinheitliche Rechtsprechung besteht.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 30.07.2002, Az: 17 W (pat) 66/01


Tenor

Die Beschwerde wird bezüglich des Hauptantrags, des ersten Hilfsantrags, des zweiten Hilfsantrags und des dritten Hilfsantrags zurückgewiesen.

Das Verfahren in der Trennanmeldung gem. 4. Hilfsantrag wird nach Ablauf der Frist des § 39 Abs. 3 PatG fortgesetzt werden.

Gründe

I Die vorliegende Patentanmeldung ist durch Teilungserklärung in der mündlichen Verhandlung über die Beschwerdesache 17 W (pat) 6/00 vom 1. März 2001 aus der Stammanmeldung 197 52 605.5-53 mit Anmeldetag 27. November 1997 hervorgegangen. Dieser Erklärung nach wurden die Gegenstände der Patentansprüche 8 bis 12 und 20 bis 25 abgetrennt. Im Beschluss über die Stammanmeldung wurde die Beschwerde der Anmelderin mit der Begründung verworfen, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 eine nicht patentfähige mathematische Methode sei. Die Teilung wurde als wirksam angesehen.

Die Trennanmeldung trägt die Bezeichnung:

"Verfahren und Anordnung zur rechnergestützten Ermittlung einer in Messdaten enthaltenen Struktur unter Verwendung von Fuzzy Clustering".

Die Anmelderin verfolgt die vorliegende Trennanmeldung auf der Grundlage von den in der mündlichen Verhandlung vom 30. Juli 2002 überreichten Anspruchssätzen nach Hauptantrag, erstem Hilfsantrag, zweitem Hilfsantrag und drittem Hilfsantrag. Die Anspruchssätze umfassen jeweils einen auf ein Verfahren gerichteten Patentanspruch 1, einen dazu nebengeordneten, auf eine Anordnung gerichteten Anspruch 12 sowie untergeordnete Ansprüche.

Der Anspruch 1 nach dem Hauptantrag lautet:

"Verfahren zur rechnergestützten Klassifizierung von systemimmanenten Zuständen eines dynamisch veränderlichen, technischen Systems unter Verwendung von Fuzzy Clustering,

- bei dem mindestens zwei unterschiedliche Fuzzy-Cluster-Prototypen verwendet werden, die jeweils durch Formparameter beschrieben sind,

- bei dem unter Verwendung von Messdaten, welche die systemimmanenten Zustände des dynamisch veränderlichen, technischen Systems beschreiben, die Formparameter der Fuzzy-Cluster-Prototypen an die Messdaten angepasst werden,

- bei dem unter Verwendung der mindestens zwei unterschiedlichen, durch die angepassten Formparameter beschriebenen Fuzzy-Cluster-Prototypen die systemimmanenten Zustände klassifiziert werden, wobei jeder der mindestens zwei unterschiedlichen, durch die angepassten Formparameter beschriebenen Fuzzy-Cluster-Prototypen eine Zustandsklasse der systemimmanenten Zustände des dynamisch veränderlichen, technischen Systems repräsentiert."

Der Anspruch 1 nach dem ersten Hilfsantrag lautet:

"Verfahren zur rechnergestützten Klassifizierung von systemimmanenten Zuständen eines Verkehrsflusses unter Verwendung von Fuzzy Clustering,

- bei dem mindestens zwei unterschiedliche Fuzzy-Cluster-Prototypen verwendet werden, die jeweils durch Formparameter beschrieben sind,

- bei dem unter Verwendung von Verkehrsflussdaten, welche die systemimmanenten Zustände des Verkehrsflusses beschreiben, die Formparameter der Fuzzy-Cluster-Prototypen an die Verkehrsflussdaten angepasst werden,

- bei dem unter Verwendung der mindestens zwei unterschiedlichen, durch die angepassten Formparameter beschriebenen Fuzzy-Cluster-Prototypen die systemimmanenten Zustände klassifiziert werden, wobei jeder der mindestens zwei unterschiedlichen, durch die angepassten Formparameter beschriebenen Fuzzy-Cluster-Prototypen einen Verkehrszustand der systemimmanenten Zustände des Verkehrsflusses repräsentiert."

Der Anspruch 1 nach dem zweiten Hilfsantrag lautet:

"Verfahren zur rechnergestützten Klassifizierung eines Verkehrszustands eines Verkehrsflusses unter Verwendung von Fuzzy Clustering,

- bei dem bei dem Fuzzy Clustering mindestens zwei unterschiedliche Fuzzy-Cluster-Prototypen verwendet werden, die jeweils durch Formparameter beschrieben sind,

- bei dem unter Verwendung von Verkehrsflussdaten, welche Verkehrszustände des Verkehrsflusses beschreiben, die Formparameter der Fuzzy-Cluster-Prototypen an die Verkehrsflussdaten angepasst werden, wobei die mindestens zwei unterschiedlichen, durch die angepassten Formparameter beschriebenen Fuzzy-Cluster-Prototypen Verkehrszustandsklassen der Verkehrszustände des Verkehrsflusses zugeordnet werden,

- bei dem ein neues Verkehrsflussdatum, welches einen zu klassifizierenden, neuen Verkehrszustand beschreibt, einem der Verkehrszustandsklassen zugeordnet und dabei klassifiziert wird."

Der Anspruch 1 nach dem dritten Hilfsantrag lautet:

"Verfahren zur rechnergestützten Klassifizierung von systemimmanenten Zuständen eines dynamisch veränderlichen, technischen Systems unter Verwendung von Fuzzy Clustering,

- bei dem mindestens zwei unterschiedliche Fuzzy-Cluster-Prototypen verwendet werden, die jeweils durch Formparameter beschrieben sind,

- bei dem systemimmanente Zustände eines dynamisch veränderlichen, technischen Systems gemessen werden, wobei Messdaten erzeugt werden,

- bei dem unter Verwendung der Messdaten, welche die systemimmanenten Zustände des dynamisch veränderlichen, technischen Systems beschreiben, die Formparameter der Fuzzy-Cluster-Prototypen an die Messdaten angepasst werden,

- bei dem unter Verwendung der mindestens zwei unterschiedlichen, durch die angepassten Formparameter beschriebenen Fuzzy-Cluster-Prototypen die systemimmanenten Zustände klassifiziert werden, wobei jeder der mindestens zwei unterschiedlichen, durch die angepassten Formparameter beschriebenen Fuzzy-Cluster-Prototypen eine Zustandsklasse der systemimmanenten Zustände des dynamisch veränderlichen, technischen Systems repräsentiert."

Mit den jeweils nebengeordneten Ansprüchen 12 beansprucht die Anmelderin für eine Anordnung mit einer Prozessoreinheit Schutz, die derart eingerichtet ist, dass sie im wesentlichen die im jeweiligen Anspruch 1 genannten Verfahrensschritte ausführt. Zum Wortlaut dieser Ansprüche wird auf die Unterlagen verwiesen.

Die Anmelderin trägt vor, dass das beanspruchte Verfahren zur rechnergestützten Beschreibung und Klassifizierung von komplexen dynamischen Systemen diene. Es liefere auch dort brauchbare Resultate, wo die Systemzustände so inhomogen verteilt seien, dass sie analytisch nicht mehr zu beschreiben seien. Die vorgeschlagene Methode des Fuzzy-Clustering sei universell anwendbar, bspw zur Klassifizierung von Vorgängen in Reaktoren, aber auch von Tendenzen in der Bevölkerungsentwicklung.

Um klarzustellen, dass mit dem rechnergestützt durchgeführten Verfahren nur Schutz für technische Anwendungen beansprucht werde, sei der Hauptantrag nunmehr so abgefasst, das er lediglich Anwendungen des Verfahrens bei technischen Systemen umfasse. Die Fassung nach dem ersten und dem zweiten Hilfsantrag sei noch eindeutiger auf einen technischen Gegenstand bezogen, nämlich auf die Klassifizierung von systemimmanenten Zuständen eines Verkehrsflusses bzw auf die Klassifizierung eines bestimmten Verkehrszustandes. Mit der Formulierung nach dem dritten Hilfsantrag werde gegenüber dem Hauptantrag klargestellt, dass für die Klassifizierung systemimmanente Zustände eines technischen Systems gemessen würden, also Messdaten ausgewertet würden. Jedenfalls nach der Bundesgerichtshofs-Entscheidung "Tauchcomputer" müsse deshalb dem beanspruchten Verfahren technischer Charakter zugebilligt werden. Eine weitere Präzisierung der in der Anmeldung offenbarten Lehre schmälere die Leistung der Erfinder in ungerechtfertigter Weise.

Das beanspruchte Verfahren beruhe auch auf erfinderischer Leistung. Ingenieuren sei zwar bekannt gewesen, dass mit Fuzzy-Clustering inhomogen verteilte Systemzustände beschrieben werden könnten. Es sei jedoch nicht naheliegend gewesen, zur Klassifizierung mindestens zwei Prototypen zu verwenden. Hierdurch gelinge jedoch eine wesentlich bessere Klassifizierung.

Die Anmelderin stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent zu erteilen mit folgenden Unterlagen:

Patentansprüche 1 bis 14 nach Hauptantrag, erstem Hilfsantrag, zweiten Hilfsantrag und dritten Hilfsantrag, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung am 30. Juli 2002, weiter hilfsweise (vierter Hilfsantrag) erklärt sie die Teilung, in dem Patentanspruch 11 gemäß "Hauptantrag" zum Gegenstand der Trennanmeldung gemacht wird.

II Die in rechter Frist und Form erhobene Beschwerde ist zulässig. Da die Teilung im Erteilungsbeschwerdeverfahren erklärt worden ist, ist der Senat auch für die Behandlung der Trennanmeldung zuständig (vgl BGH in "Informationsträger" GRUR 1999, S 148, 149). Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in den beantragten Fassungen keine technische Erfindung im Sinne des § 1 Abs 1 PatG ist.

1. Zum Hauptantrag:

Das im Patentanspruch 1 angegebene Verfahren befasst sich mit der rechnergestützten Klassifizierung von Zuständen eines dynamisch veränderlichen technischen Systems unter Verwendung von Fuzzy-Clustering. Wie bereits im Beschluss zur Stammanmeldung ausgeführt, ist unter Fuzzy-Clustering eine mathematische Methode zu verstehen, bei der in einem mehrdimensionalen Raum als Punktwolke verteilten Daten bestimmte Systemzustände zugeordnet werden. Die Zuordnung erfolgt dabei nicht scharf, sondern fließend (fuzzy). Wie auf den Seiten 6 bis 8 der Beschreibung erläutert, kann beispielsweise ein Straßenabschnitt als System angesehen werden, bei dem in einer Vielzahl von Messungen bestimmte Daten des Verkehrs (zB Verkehrsstärke, Geschwindigkeit, Verkehrsdichte) erfasst und jede Messung als ein Punkt dargestellt wird. Bestimmte Bereiche der so gewonnenen (Punktwolken-) Darstellung können dann - mehr oder weniger scharf - als bestimmter Zustand (zB freier Verkehr, Stau) klassifiziert werden. Zur mathematischen Beschreibung des Bereichs dieser Darstellung, der einen bestimmten Zustand kennzeichnet, ist es bekannt einen Fuzzy-Cluster-Prototyp zu verwenden, bspw einen Ellipsoid, dessen Formparameter (Lage, Durchmesser, Länge) so angepasst werden, dass er den Bereich der Klasse bestmöglich umfasst.

Hiervon ausgehend stellt sich die Anmeldung die Aufgabe, ein Verfahren zur rechnergestützten Ermittlung einer in Messdaten enthaltenen Struktur unter Verwendung von Fuzzy-Clustering anzugeben, bei dem gegenüber bekannten Verfahren verbesserte Ergebnisse erzielt werden (vgl S 9, Z 36 - S 10, Z 3).

Nach dem Anspruch 1 wird ein verbessertes Ergebnis dadurch erreicht, dass zur Klassifizierung, dh zur mathematischen Umschreibung des Bereichs der Darstellung, der einen bestimmten Zustand kennzeichnet, nicht nur ein Fuzzy-Cluster-Prototyp, sondern mindestens zwei unterschiedliche Prototypen verwendet werden.

Es ist nachvollziehbar, dass auf diese Weise eine bessere Annäherung an eine tatsächliche Verteilung der Zustände in der Punktwolkendarstellung erfolgen kann, insbesondere dann, wenn ein Bereich, dem ein bestimmter Zustand zuzuordnen ist, eben nicht eine relativ einfache Form wie bspw die eines Ellipsoiden hat, sondern von unregelmäßigerer Gestalt, etwa nierenförmig ist.

Insgesamt gesehen, befasst sich das Verfahren gemäß dem Hauptantrag sonach mit der computerimplementierten Umschreibung von Bereichen in Messdaten in einem mehrdimensionalen Raum mittels einer mathematischen Methode. Eine technische, dh eine auf eine bestimmte Anwendung gerichtete Lehre lässt sich dem Anspruch 1 hingegen nicht entnehmen.

Hiergegen führt die Anmelderin an, dass durch die von ihr vorgenommene Ergänzung - dass das Verfahren nicht generell auf ein "System", sondern ausdrücklich auf ein "technisches System" gerichtet ist - klargestellt sei, dass nur für Anwendung des Verfahrens Schutz beansprucht werde, die auf technischem Gebiet lägen.

Die von der Anmelderin vorgenommene Ergänzung ändert nichts daran, dass das Verfahren nach dem Anspruch 1 nicht die Voraussetzung erfüllt, eine Erfindung auf dem Gebiet der Technik zu sein. In der Entscheidung "Suche fehlerhafter Zeichenketten" führt der Bundesgerichtshof (vgl GRUR 2002, 143, 144) aus, dass die prägenden Anweisungen der beanspruchten Lehre "der Lösung eines konkreten technischen Problems dienen" müssen.

Diese Voraussetzung erfüllt das Verfahren nach dem Anspruch 1 nicht. Nach der in der Beschreibung genannten Aufgabenstellung soll ein Verfahren zur Ermittlung einer in Messdaten enthaltenen Struktur unter Verwendung von Fuzzy-Clustering verbessert werden. Mit der Anmeldung wird sonach nur die Verbesserung eines unvollkommenen mathematischen Klassifizierungsverfahrens angestrebt. Die Lösung eines konkreten technischen Problems, wie es bspw in einer irgendwie gearteten Verbesserung der Arbeitsweise einer mit technischen Mitteln durchgeführten Verkehrssteuerung zu sehen wäre, kann dem Anspruch auch nicht ansatzweise entnommen werden.

Das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 gemäß dem Hauptantrag weist somit keinen technischen Charakter auf und ist daher nicht gewährbar.

2. Zum ersten Hilfsantrag:

Das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 gemäß dem ersten Hilfsantrag unterscheidet sich vom Verfahren nach dem Hauptantrag im wesentlichen dadurch, dass es nicht allgemein auf die rechnergestützte Klassifizierung von Zuständen eines technischen Systems gerichtet ist, sondern auf die Klassifizierung von Zuständen eines Verkehrsflusses unter Verwendung von Verkehrsflussdaten. Die Anmelderin vertritt hierzu die Auffassung, dass durch diese Einschränkung die technische Natur des Verfahren eindeutig herausgestellt werde.

Es ist einzuräumen, dass mit dieser Fassung des Anspruchs 1 nur Schutz für ein rechnergestützt durchgeführtes Verfahren zur Klassifizierung von Zuständen eines Verkehrsflusses unter Verwendung von Fuzzy-Clustering beansprucht wird. Dem Verfahren nach dem Anspruch 1 gemäß dem ersten Hilfsantrag mangelt es jedoch ebenfalls am technischen Charakter:

Wie zum Hauptantrag ausgeführt, liegt dies daran, dass die prägenden Anweisungen der beanspruchten Lehre nicht der Lösung eines konkreten technischen Problems dienen. Der Anspruch enthält auch in dieser Fassung nur Angaben zu einem bestimmten mathematischen Vorgehen bei der rechnergestützten Klassifizierung von beliebigen Zuständen eines Verkehrsflusses. Einen Hinweis an den Fachmann für Verkehrstechnik, welche Bereiche der Punktwolkendarstellung in einem konkreten Fall als der eine oder andere Verkehrszustand zu interpretieren sind und welche Konsequenzen sich daraus für ein ggf vorhandenes technisches Umfeld, bspw eine Verkehrssteuerung ergeben, enthält der Anspruch nicht.

An einer solchen Bewertung des Verfahrens ändert sich auch nichts, wenn das beanspruchte Verfahren unter dem Blickwinkel eines Mess- oder Erkennungsverfahrens für Verkehrszustände betrachtet wird. Denn Angaben, die einen Bezug zur Technik herstellen würden, also Angaben darüber, wann die gemessenen Zustände bspw als Stau oder freier Verkehr zu bewerten wären, enthält der Anspruch nicht.

Insoweit unterscheidet sich das beanspruchte Verfahren grundsätzlich von dem, das Gegenstand der Entscheidung "Logikverifikation" des Bundesgerichtshofs (vgl PMZ 2000, 273) war. Das dort beanspruchte (Teil-) Verfahren war als technisch zu bewertender Zwischenschritt in einem insgesamt technischen Prozess anzusehen, da ein Fachmann ohne weiteres Bezug und konkrete Auswirkungen des Teilverfahrens auf ein technisches Umfeld - dort ein Herstellungsverfahren - übersehen konnte und in seine Betrachtung mit einbezog.

Hinsichtlich den in der Entscheidung "Logikverifikation" genannten Anforderungen an den technischen Charakter einer Lehre mangelt es den prägenden Anweisungen des Anspruchs 1 im übrigen auch daran, dass sie nicht auf den dort verlangten technischen Überlegungen beruhen. Es bedurfte nämlich keiner Auseinandersetzung mit technischen Umständen, um das Verfahren zur rechnergestützten Klassifizierung von Zuständen - gleich welcher Art - in der beabsichtigten Weise zu verbessern. Die beabsichtigte bessere Klassifizierung war allein mit einer Verbesserung des mathematischen Modells des Fuzzy-Clustering durch Verwendung mehrerer Prototypen zu erreichen, wodurch eine größere Annäherung an Punktmengen mit unregelmäßiger Gestalt möglich ist. Hierzu bedurfte es lediglich mathematischer Überlegungen. Eine Leistung, die auf technischem, also anwendungsbezogenen Gebiet lag, war hierbei nicht zu erbringen.

Der Patentanspruch 1 nach dem ersten Hilfsantrag ist daher aus den gleichen Gründen wie der Anspruch 1 nach Hauptantrag nicht gewährbar.

3. Zum zweiten Hilfsantrag:

Der Anspruch 1 nach dem zweiten Hilfsantrag ist auf die Klassifizierung eines Verkehrszustandes eines Verkehrsflusses gerichtet, während sich der Anspruch 1 nach dem ersten Hilfsantrag auf die Klassifizierung von (mehreren) systemimmanenten Zuständen eines Verkehrsflusses bezog.

In Hinsicht auf den technischen Charakter des Verfahrens kann kein Unterschied erkannt werden, ob nur ein oder mehrere, jedenfalls nicht konkret genannte Zustände eines Verkehrsflusses klassifiziert werden.

Auch in der weiter vorgenommenen Ergänzung, dass ein neues Verkehrsflussdatum klassifiziert und damit einem der Verkehrszustände zugeordnet wird, kann keine Wendung des nichttechnischen Charakters des Verfahrens zum Technischen hin erkannt werden. Denn bei einem Verfahren zur Klassifizierung von Zuständen wird davon auszugehen sein, dass jedes neue Datum bzw jeder neue Zustand - gleichgültig welcher Art - einer Klasse zugeordnet und damit klassifiziert wird. Auch dieser Fassung des Anspruchs 1 ist jedenfalls kein Hinweis darüber zu entnehmen, wann ein Verkehrsflussdatum als der eine oder andere Verkehrszustand - ggf mit entsprechenden Wirkungen auf ein technisches Umfeld - zu klassifizieren ist.

Der Patentanspruch 1 gemäß dem zweiten Hilfsantrag ist daher aus den gleichen Gründen wie der Anspruch 1 nach dem ersten Hilfsantrag nicht gewährbar.

4. Zum dritten Hilfsantrag:

Der Patentanspruch 1 gemäß dem dritten Hilfsantrag ist gegenüber dem Anspruch 1 nach dem Hauptantrag um das Merkmal ergänzt, dass bei dem Verfahren systemimmanente Zustände eines dynamisch veränderlichen, technischen Systems gemessen werden, wobei Messdaten erzeugt werden.

Die Anmelderin führt hierzu aus, dass durch diese Ergänzung klargestellt sei, dass Messdaten ausgewertet würden. Gemäß den Ausführungen in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs "Tauchcomputer" sei deshalb anzuerkennen, dass diese Fassung des Anspruchs 1 jedenfalls ein Verfahren mit technischem Charakter betreffe.

Gegenstand der Entscheidung "Tauchcomputer" (vgl GRUR 1992, 430) war eine Anzeigeeinrichtung für die Parameter eines Tauchgangs. Eine Lehre zum technischen Handeln wurde vom Bundesgerichtshof darin gesehen, "dass mit einem Betrieb von Tiefen- und Zeitmesser, Datenspeicher, Auswerte- und Verknüpfungsstufe, Wandlereinrichtung sowie Anzeigemittel nach einer bestimmten Rechenregel (Programm oder Denkschema) ermöglicht wird, mit Hilfe von Messgeräten ermittelte Messgrößen in der Anzeigeeinrichtung automatisch ohne Einschaltung menschlicher Verstandestätigkeit anzuzeigen." (vgl aaO, 430) Gegenstand dieser Entscheidung war sonach eine Einrichtung mit mehreren schaltungstechnischen Bausteinen, die nach einer bestimmten Regel so zusammenarbeiteten, dass sie automatisch ein bestimmtes Ergebnis anzeigten.

Hiervon unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 schon hinsichtlich seiner Kategorie, die auf ein Verfahren gerichtet ist und daher auch keine auf Schaltungsbausteine bezogene Merkmale nennt, die den technischen Charakter einer solchen Einrichtung - als technisches (Mess-) Gerät - belegen können. Der wesentliche Unterschied zum Gegenstand dieser Entscheidung besteht jedoch darin, dass bei dem beanspruchten Verfahren kein Ergebnis erzielt wird, das in irgendeiner Weise technisch verwertbar ist. Würde das beanspruchte Verfahren eine Regel enthalten, die angibt, wann sich aus den (zu konkretisierenden) Messdaten ein bestimmtes Ergebnis ergibt, etwa welche Messdaten als Stau oder freier Verkehr zu interpretieren wären, so wäre das beanspruchte Verfahren als Messverfahren zu bewerten und dem Patentschutz zugänglich. Im vorliegenden Fall lehrt der Patentanspruch 1 jedoch lediglich eine mathematische Methode, die auf Messdaten angewandt werden kann, ohne dass ein Zusammenhang zu einem technischen Umfeld hergestellt wird.

Auch der Patentanspruch 1 nach dem dritten Hilfsantrag ist daher nicht gewährbar.

5. Zum vierten Hilfsantrag:

Weiter hilfsweise erklärt die Anmelderin die Teilung der vorliegenden Anmeldung, indem Patentanspruch 11 gemäß Hauptantrag zum Gegenstand der Trennanmeldung gemacht wird.

Nachdem den vorrangigen Anträgen der Anmelderin kein Erfolg beschieden ist, kommt dieser Antrag zum Tragen.

Der Senat entnimmt der Erklärung der Anmelderin, dass der Gegenstand der vorliegenden Anmeldung um den Gegenstand des Patentanspruchs 11 nach "Hauptantrag" zu verringern ist. Hierdurch wird die Aufteilung der vorliegenden Anmeldung in zwei Teile bewirkt, so dass eine wirksame Teilungserklärung vorliegt (vgl zB BGH BlPMZ 1998, 199 "Textdatenwiedergabe"). Über die damit ebenfalls in der Beschwerdeinstanz anhängig gewordene Trennanmeldung (vgl BGH BlPMZ 1999, 194, 196 "Mehrfachsteuersystem") wird der Senat nach Ablauf der Frist des § 39 Abs 3 PatG befinden.

6. Der Anregung der Anmelderin, die Rechtsbeschwerde gemäß § 100 Abs 2 PatG an den Bundesgerichtshof zuzulassen, war nicht zu folgen. Denn weder war eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden, noch erforderte eine Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

Wie aus der zitierten Rechtsprechung ersichtlich, hat der Bundesgerichtshof zu den für die Anmeldung relevanten Rechtsfragen bereits grundsätzlich Stellung genommen. Eine uneinheitliche Rechtsprechung ist nicht ersichtlich und wurde von der Anmelderin auch nicht belegt.

Grimm Dr. Schmitt Bertl Prasch Bb






BPatG:
Beschluss v. 30.07.2002
Az: 17 W (pat) 66/01


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