Oberlandesgericht Celle:
Beschluss vom 30. November 2011
Aktenzeichen: Not 15/11
(OLG Celle: Beschluss v. 30.11.2011, Az.: Not 15/11)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Der Rechtsanwalt könnte folgende Inhaltsangabe der Gerichtsentscheidung dem Mandanten erklären:
In dieser Gerichtsentscheidung geht es um die Frage, ob ein Notar seine Fortbildungspflicht dadurch erfüllen kann, dass er Fachzeitschriften liest, anstatt an Fortbildungsveranstaltungen teilzunehmen. Die Richtlinien der Notarkammer Celle schreiben vor, dass Notare ihre Fortbildung in der Regel durch den Besuch von einer ganztägigen oder zwei halbtägigen Fortbildungsveranstaltungen pro Jahr erfüllen müssen.
Der Notar in diesem Fall wurde von der Notarkammer ermahnt, da er im Jahr 2009 an keiner Fortbildungsveranstaltung teilgenommen hatte. Er begründete dies damit, dass er sich stattdessen intensiv durch das Lesen von Fachzeitschriften fortbilde. Außerdem führte er an, dass der Betrieb seiner Kanzlei leide und Fortbildungsveranstaltungen auch finanziell belastend seien.
Das Gericht entschied, dass die Ermahnung der Notarkammer aufgehoben werden muss. Die Richtlinien der Notarkammer lassen nicht eindeutig erkennen, dass Notare ihre Fortbildung nur durch den Besuch von Fortbildungsveranstaltungen erfüllen können. Stattdessen könnten auch andere qualitativ oder quantitativ vergleichbare Fortbildungsmaßnahmen ausreichend sein. Die Notarkammer hätte daher keine Disziplinarmaßnahme ergreifen dürfen, wenn ein Notar seiner Fortbildungspflicht auf andere Weise nachkommt.
Die Entscheidung des Gerichts ist endgültig und nicht anfechtbar. Die Kosten des Verfahrens trägt die Notarkammer.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
OLG Celle: Beschluss v. 30.11.2011, Az: Not 15/11
Ziffer X Abs. 3 der Richtlinien der Notarkammer Celle lässt nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit erkennen, welche Fortbildungsmöglichkeiten dem Notar außerhalb der in der Norm aufgeführten Regelbeispiele (eine ganztägige oder zwei halbtägige Fortbildungsveranstaltungen im Jahr) zur Erfüllung seiner Fortbildungspflicht zur Verfügung stehen. Die Vorschrift rechtfertigt daher keine Disziplinarmaßnahme, wenn ein Notar seiner Fortbildungspflicht in anderer Weise nachkommt.
Tenor
Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 10. Februar 2011 wird aufgehoben.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist Notar mit Amtssitz im Bezirk des Oberlandesgerichts Celle. Die Antragsgegnerin ist die für diesen Bezirk gebildete Notarkammer. Der Antragsteller wendet sich gegen eine von der Antragsgegnerin wegen vermeintlicher Verletzung seiner Pflicht zur Fortbildung ausgesprochene Ermahnung.
Die Antragsgegnerin hat in ihren durch die Kammerversammlung am 28. April 1999 beschlossenen und im Dezember 2000 in der "Niedersächsischen Rechtspflege" verkündeten Richtlinien (Nds. Rpfl. 2000, 353) unter der Ziffer X "Fortbildung" folgende Regelungen getroffen:
"1. Der Notar hat die Pflicht, seine durch Ausbildung erworbene Qualifikation in eigener Verantwortlichkeit zu erhalten und durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass er den Anforderungen an die Qualität seiner Amtstätigkeit durch kontinuierliche Fortbildung gerecht wird.
2. Auf Anfrage der Notarkammer ist der Notar verpflichtet, über die Erfüllung seiner Fortbildungspflicht zu berichten.
3. Die Verpflichtung zur Fortbildung erfüllt der Notar in der Regel durch Teilnahme an mindestens einer ganztägigen Fortbildungsveranstaltung oder zwei halbtägigen pro Jahr."
Gemäß Beschluss der Mitgliederversammlung vom 3. Mai 2000 sind die Richtlinien am Ersten des Folgemonats nach ihrer Verkündung, d.h. am 1. Januar 2001, in Kraft getreten.
In ihrem Mitteilungsblatt 2/2008 vom Dezember 2008 wies die Antragsgegnerin die kammerangehörigen Notare darauf hin, dass der Vorstand beschlossen habe, beginnend mit dem Jahr 2009 die Einhaltung der in den Richtlinien geregelten Fortbildungsverpflichtung zu überprüfen. Alle Notare wurden aufgefordert, spätestens Anfang 2010 Nachweise "über ihre Fortbildungen" bei der Notarkammer vorzulegen. Im Mitteilungsblatt 1/2009 vom April 2009 wurde noch einmal darauf hingewiesen, dass bis zum Jahresende der Nachweis einer "Pflichtfortbildung" zu erbringen sei. Im Mitteilungsblatt 2/2009 vom Dezember 2009 wurden die Notare aufgefordert, soweit dies noch nicht geschehen sei, Nachweise "über die im Jahre 2009 besuchten Fortbildungsveranstaltungen" einzureichen, und es wurde betont, der Vorstand behalte sich vor, Notaren, die ihrer Fortbildungspflicht nicht genügen würden, eine Ermahnung auszusprechen.
Nachdem der Antragsteller den bisherigen Aufforderungen keine Folge geleistet hatte, erinnerte die Antragsgegnerin ihn mit Schreiben vom 20. Januar 2010 (Bl. 19 d. A.) an die Vorlage eines Nachweises für den Besuch einer Fortbildungsveranstaltung im Jahre 2009. Der Antragsteller teilte der Antragsgegnerin daraufhin mit, dass er sich durch die "intensive Lektüre" von verschiedenen Fachzeitschriften fortbilde. Dies sei für ihn die effektivere Lernmethode. Außerdem leide der Kanzleibetrieb, wenn er wegen einer Fortbildungsveranstaltung nicht vor Ort sei. Schließlich stelle die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen angesichts seiner geringen Einkünfte auch eine finanzielle Belastung dar (Bl. 18 d. A.).
Mit Bescheid vom 10. Februar 2011 (Bl. 9, 10 d. A.) sprach die Antragsgegnerin gegen den Antragsteller eine Ermahnung aus. Zur Begründung führte sie aus, der Antragsteller habe dadurch, dass er im Jahr 2009 an keiner Fortbildungsveranstaltung teilgenommen habe, gegen Ziffer X 3 ihrer Richtlinien und damit gegen die sich aus § 14 Abs. 6 BNotO ergebende Fortbildungsverpflichtung verstoßen. Die regelmäßige Lektüre der Pflichtpublikationen reiche insoweit nicht aus. Die Notare müssten sich über die Lektüre der Fachzeitschriften hinaus fortbilden. Auch der Hinweis des Antragstellers auf finanzielle Aspekte verfange nicht.
Hiergegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 2. März 2011 Einspruch ein (Bl. 8 d. A.), den er mit Schreiben vom 15. März 2011 unter Wiederholung seiner Rechtsauffassung begründete. Ergänzend wies er darauf hin, dass seine notarielle Tätigkeit vornehmlich in Unterschriftsbeglaubigungen sowie der Beurkundung von Grundstückskaufverträgen und Testamenten bestehe und er dies auch ohne die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen bewältigen könne (Bl. 5, 6 d. A.).
Mit Bescheid vom 7. Juni 2011 (Bl. 3, 4 d. A.) wies der Vorstand der Antragsgegnerin den Einspruch des Antragstellers zurück. Die in Eigenregie erfolgte Fortbildung etwa durch die Lektüre von Fachzeitschriften sei nicht ausreichend und auch nicht überprüfbar. Die mit einer vorübergehenden Abwesenheit des Antragstellers verbundenen Nachteile für den Bürobetrieb seien durch organisatorische Maßnahmen zu kompensieren. Der Hinweis auf geringe Einkünfte entlaste den Antragsteller nicht. Sollten seine Einkünfte zu einer ordnungsgemäßen Amtsführung (wozu auch die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen gehöre) nicht ausreichen, müsse der Antragsteller sein Amt aufgeben. Unter diesen Umständen sei weiterhin davon auszugehen, dass der Antragsteller seiner Fortbildungspflicht im Jahr 2009 nicht hinreichend nachgekommen sei.
Hiergegen richtet sich der Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung, den der Antragsteller unter Wiederholung seiner bisherigen Ausführungen begründet (Bl. 1, 2 d. A.).
Einen ausdrücklichen Antrag hat der Antragsteller nicht gestellt.
Die Antragsgegnerin beantragt,
"den Einspruch zurückzuweisen".
Sie betont, mit Ziffer X 3 ihrer Richtlinien habe die in § 14 Abs. 6 BNotO normierte Fortbildungsverpflichtung der Notare konkretisiert und die Überprüfung der Erfüllung dieser Verpflichtung ermöglicht werden sollen. Rund 98 % der kammerangehörigen Notare hätten den Nachweis der Teilnahme an einer oder mehreren Fortbildungsveranstaltungen erbracht. In Einzelfällen sei der Nachweis einer dozierenden oder schriftstellerischen Tätigkeit auf dem Gebiet des Notarrechts erfolgt. Nur knapp ein Dutzend Notare habe erst nach weiterem Schriftwechsel Fortbildungsveranstaltungen besucht. Lediglich zwei Notare - darunter der Antragsteller - hätten Anlass zu einer Ermahnung gegeben, da sie überhaupt keinen Nachweis über die Erfüllung ihrer Fortbildungsverpflichtung vorgelegt hätten. Die Antragsgegnerin sehe das Selbststudium als nicht ausreichend an. Im Hinblick auf die gebotene Überprüfbarkeit verlange die Erfüllung der Fortbildungspflicht vielmehr den Besuch von Präsenzveranstaltungen. Eine entsprechende Regelung finde sich beispielsweise in der Fachanwaltsordnung.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig.
1. Der Antragsteller hat gegen die von der Antragsgegnerin nach § 75 Abs. 1 BNotO ausgesprochene Ermahnung gemäß § 75 Abs. 4 BNotO innerhalb eines Monats nach der Zustellung Einspruch beim Vorstand der Antragsgegnerin eingelegt. Gegen den ihm am 9. Juni 2011 zugestellten Bescheid des Vorstands der Antragsgegnerin, mit dem der Einspruch zurückgewiesen wurde, hat der Antragsteller mit einem am 7. Juli 2011 beim Senat eingegangenen Schriftsatz fristgerecht (nicht - wie in der Rechtsmittelbelehrung der Notarkammer unzutreffend ausgeführt - "Einspruch" eingelegt, sondern) einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt, § 75 Abs. 5 S. 1 und 2 BNotO.
2. Dass der Antragsteller keinen konkreten Antrag gestellt hat, steht der Zulässigkeit des Antrags nicht entgegen. Die Formulierung eines konkreten Antrags wird weder in § 75 BNotO noch in den in Abs. 5 Satz 4 dieser Vorschrift in Bezug genommenen Bestimmungen der §§ 52 ff. BDG verlangt. § 52 Abs. 2 BDG erklärt nur die §§ 74, 75 und 81 VwGO für entsprechend anwendbar. Dass § 82 VwGO keine Erwähnung gefunden hat, muss zwar möglicherweise als Redaktionsversehen des Gesetzgebers angesehen werden (vgl. Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 4. Aufl., § 53, Rn. 18). § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO enthält jedoch, soweit dort die Stellung eines bestimmten Antrags gefordert wird, lediglich eine Sollvorschrift. Das hat zur Folge, dass das Fehlen eines konkreten Antrags nicht zur Unzulässigkeit der Klage führt, wenn das Ziel der Klage aus der Tatsache der Klageerhebung, aus der Klagebegründung und/oder in Verbindung mit den während des Verfahrens abgegebenen Erklärungen hinreichend erkennbar ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 82, Rn. 10). Das ist hier der Fall, denn der Kläger begehrt erkennbar die vollständige Aufhebung der gegen ihn ausgesprochenen Ermahnung. Die Möglichkeit einer Teilanfechtung kommt bereits aufgrund der Unteilbarkeit der Ermahnung nicht in Betracht.
3. Die Antragsschrift genügt den gesetzlichen Anforderungen im Sinne von § 75 Abs. 5 Satz 2 BNotO. Danach ist der Antrag schriftlich zu begründen, wobei Umfang und Qualität der Begründung keinen Einfluss auf die Zulässigkeit des Antrags haben (vgl. Baumann in: Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG, 3. Aufl., § 75 BNotO, Rn. 13).
III.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist auch begründet. Er führt zur Aufhebung des Bescheids der Antragsgegnerin vom 10. Februar 2011.
Eine Ermahnung durch die Notarkammer setzt ein ordnungswidriges Verhalten (leichterer Art) seitens des Notars voraus (§ 75 Abs. 1 BNotO). Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller zur Last gelegt, sich im Jahre 2009 nicht in dem erforderlichen Umfang fortgebildet zu haben, indem er es versäumt habe, an einer notarrechtlichen Fortbildungsveranstaltung teilzunehmen. Es ist jedoch nicht festzustellen, dass der Antragsteller durch dieses Versäumnis gegen seine Pflicht zur Fortbildung gemäß § 14 Abs. 6 BNotO verstoßen hat. Ihn trifft auch aufgrund der Richtlinien der Antragsgegnerin keine Verpflichtung, seine Fortbildung gerade durch die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen zu betreiben.
1. Zu Recht weist die Antragsgegnerin allerdings darauf hin, dass die Notare die Amtspflicht trifft, sich in dem für ihre Amtstätigkeit erforderlichen Umfang fortzubilden, § 14 Abs. 6 BNotO. Diese Bestimmung entspricht den Regelungen in verwandten Berufsordnungen (vgl. §§ 43 a Abs. 6 BRAO, 43 Abs. 2 WPO). Es ist allgemein anerkannt, dass die ständige berufliche Fortbildung der Notare von großer Bedeutung ist und die Notare nur durch anhaltende Fortbildung den hohen Anforderungen gerecht werden können, die im Interesse des rechtsuchenden Publikums an die Qualität und Sorgfalt ihrer Amtstätigkeit zu stellen sind (vgl. Mihm in: Eylmann/Vaasen, a. a. O., RL-E X Rn. 1). Eine nähere Konkretisierung der Fortbildungspflicht etwa hinsichtlich Art und Umfang der Fortbildungsmaßnahmen enthält das Gesetz indessen nicht.
Gemäß § 67 Abs. 2 S. 1 BNotO obliegt es den Notarkammern, in Richtlinien die Amtspflichten und sonstigen Pflichten ihrer Mitglieder näher zu bestimmen. Die Richtlinien können insbesondere auch nähere Regelungen über den erforderlichen Umfang der Fortbildung enthalten, § 67 Abs. 2 S. 3 Nr. 10 BNotO. Von dieser Ermächtigung hat die Antragsgegnerin mit Ziffer X ihrer von der Kammerversammlung beschlossenen Richtlinien (RL) Gebrauch gemacht.
Die Absätze 1 und 2 der Ziffer X RL stimmen mit den Richtlinienempfehlungen der Bundesnotarkammer überein. Diese Empfehlungen, die von den meisten Notarkammern übernommen worden sind, sehen von einer näheren Konkretisierung des Umfangs der Fortbildungspflicht ab und überlassen es den Notaren selbst, Art und Umfang ihrer Fortbildung zu bestimmen. Dies beruht auf der Erwägung, dass es grundsätzlich der Eigenverantwortung des einzelnen Notars überlassen bleiben sollte, durch welche konkreten Maßnahmen er seiner Fortbildungspflicht nachkommt (vgl. Sandkühler in: Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 6. Aufl., § 14, Rn. 298; Lerch, daselbst, § 67, Rn. 38; Hartmann in: Eylmann/Vaasen, a.a.O., § 67, Rn. 70; Starke in: Becksches Notarhandbuch, 5. Aufl., Abschnitt L I, Rn. 75; Jerschke, Festschrift für Schippel (1996), S. 669, 688). Von der verbindlichen Verpflichtung zur Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen in einem vorgegebenen Umfang wurde abgesehen, weil der Eindruck verhindert werden sollte, dass der Notar mit einem einzigen Veranstaltungsbesuch bereits seiner Fortbildungspflicht genügen würde, obwohl dies nur im Sinne eines absoluten Mindeststandards zu verstehen wäre (Mihm, a.a.O., Rn. 3, 4 und 10; Görk in: Schippel/Bracker, BNotO, 9. Aufl., RLE/BNotK, Abschnitt X, Rn. 2 ff.).
Demgegenüber konkretisieren die Richtlinien der Antragsgegnerin in Ziffer X Abs. 3 RL die Fortbildungsverpflichtung dahin, dass sie in der Regel durch Teilnahme an mindestens einer ganztägigen Fortbildungsveranstaltung oder an zwei halbtägigen Veranstaltungen pro Jahr erfüllt wird. Diese Bestimmung wird insoweit durch die Ermächtigung in § 67 Abs. 2 S. 3 Nr. 10 BNotO gedeckt, als sie einen bestimmten (zeitlichen) Umfang der Fortbildung vorgibt und den Besuch von Fortbildungsveranstaltungen in dem angegebenen Umfang als der Fortbildungspflicht genügend beschreibt. Ob ein Zwang zur Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage hätte, ist angesichts des Wortlauts des § 67 Abs. 2 S. 3 Nr. 10 BNotO, der die Richtlinienkompetenz der Notarkammern auf den Umfang der Fortbildung beschränkt, zweifelhaft, bedarf aber hier keiner Entscheidung. Denn Ziffer X Abs. 3 RL schließt jedenfalls nicht aus, dass sich die Notare auch auf anderem Wege fortbilden können.
Zwar ist aufgrund der Ausführungen der Antragsgegnerin davon auszugehen, dass den Notaren mit Ziffer X 3 RL eine bestimmte Form der Fortbildung nahegelegt werden sollte, deren Erfüllung die Antragsgegnerin leicht nachprüfen kann, indem sie sich Teilnahmebescheinigungen vorlegen lässt. Das Interesse der Antragsgegnerin, die Erfüllung der Fortbildungsverpflichtung der Notare überprüfen zu können, ist auch durchaus berechtigt. Grundlage für eine disziplinarrechtliche Ahndung kann jedoch nur eine Regelung sein, aus der die Notare eindeutig entnehmen können, dass sie ihre Fortbildung in einer bestimmten Form vorzunehmen haben.
Diese Voraussetzungen erfüllt die von der Antragsgegnerin getroffene Bestimmung indessen nicht. Für die Normadressaten ist aus der Fassung der Ziffer X Abs. 3 RL nicht klar erkennbar, dass sie - wovon die Antragsgegnerin offenbar ausgehen will - ihrer Fortbildungspflicht nur durch Teilnahme an einer ganztägigen Fortbildungsveranstaltung oder zwei halbtägigen Veranstaltungen pro Jahr sollen genügen können (sofern die Antragsgegnerin nicht im Einzelfall aus besonderen Gründen eine Ausnahme billigt). Es ist vielmehr durchaus mit dem Wortlaut der Bestimmung vereinbar, dass als geeignete Fortbildung auch quantitativ oder qualitativ vergleichbare Maßnahmen in Betracht kommen, mithin Fortbildungsmaßnahmen, die mit einem vergleichbaren zeitlichen Aufwand verbunden sind oder eine vergleichbare inhaltliche Qualität versprechen. Insofern scheidet auch das Eigenstudium anhand von geeigneter Literatur, wie es der Antragsteller für sich in Anspruch nimmt, nicht von vornherein als zur angemessenen Fortbildung ungeeignet aus. Welche Möglichkeiten der Fortbildung "außerhalb der Regel" zu akzeptieren sind, lassen die Richtlinien indes offen. Denkbar sind nicht nur - wie nach § 15 FAO - wissenschaftliche Publikationen, sondern - wie in der Fachliteratur erörtert - z.B. auch das Eigenstudium anhand der einschlägigen Fachliteratur (Mihm in: Eylmann/Vaasen, RL-E X Rn. 4; Sandkühler in: Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 6. Aufl., § 14, Rn. 300). Es kann dem Antragsteller daher nicht zum Vorwurf gemacht werden, wenn er sich - trotz entsprechender Hinweise der Antragsgegnerin - gegen den Besuch einer Fortbildungsveranstaltung und für andere ihm geeignet erscheinende Fortbildungsmaßnahmen entschieden hat.
2. Der in Ziffer X Abs. 3 RL getroffenen Regelung lassen sich auch keine konkreten Hinweise auf den Inhalt des dort vorausgesetzten Regel-Ausnahme-Verhältnisses und damit auf die als zulässig und ausreichend angesehenen alternativen Fortbildungsmaßnahmen entnehmen.
a) Der systematische Zusammenhang erlaubt keine hinreichend konkreten Rückschlüsse auf die nach Ziffer X Abs. 3 RL zulässigen weiteren Fortbildungsmaßnahmen. Zwar rechtfertigt die Stellung der Vorschrift innerhalb der Ziffer X RL die Annahme, dass hiermit eine Konkretisierung der allgemeinen Fortbildungspflicht erfolgen soll. Die Zielrichtung dieser Konkretisierung lässt sich der Bestimmung aber nicht entnehmen. Insoweit ist beispielsweise denkbar, dass als weitere Fortbildungsmaßnahmen quantitativ vergleichbare Maßnahmen zulässig sein sollen, mithin Fortbildungsmaßnahmen, die mit einem vergleichbaren zeitlichen Aufwand verbunden sind. In Betracht kommen auch Fortbildungsmaßnahmen, die einen vergleichbaren inhaltlichen Umfang besitzen. Ebenso kommt die Möglichkeit in Betracht, dass solche Fortbildungsmaßnahmen als ausreichend angesehen werden können, die wie die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen gleichermaßen überprüfbar sind. Die Regelung könnte sich auch darauf beschränken, die Fortbildungsmöglichkeiten auf lediglich dozierende Tätigkeiten zu erweitern. Keiner dieser Auslegungsvarianten kann aber allein aufgrund der systematischen Stellung der maßgeblichen Vorschrift der Vorzug gegenüber einer der anderen Varianten gegeben werden.
Eine nähere Konkretisierung ist auch nicht auf der Basis von Ziffer X Abs. 2 RL möglich. Zwar wird darin eine Berichtspflicht des Notars gegenüber seiner Kammer im Hinblick auf die Erfüllung seiner Fortbildungspflicht begründet. Mit dieser Berichtspflicht geht aber nicht zugleich eine Nachweispflicht einher. Deshalb kann auch Ziffer X Abs. 2 RL nicht dahingehend ausgelegt werden, dass nur überprüfbare Fortbildungsveranstaltungen anerkannt werden sollen.
b) Eine verbindliche Auslegung der Richtlinien in dem von der Antragsgegnerin gewünschten Sinne lässt sich auch weder aus den Mitteilungsblättern der Antragsgegnerin noch aus dem Protokoll der Kammerversammlung vom 28. April 1999 herleiten.
Zwar wurde in den Mitteilungen nachdrücklich verlangt, den Nachweis einer "Pflichtfortbildung" zu erbringen. Dies musste jedoch angesichts des Wortlauts der Richtlinien nicht eindeutig dahin verstanden werden, dass die "Pflichtfortbildung" nach Auffassung des Vorstands der Antragsgegnerin nur durch Teilnahme an einer notarrechtlichen Fortbildungsveranstaltung erfüllt werden konnte. Abgesehen davon stand die Richtlinienkompetenz und damit auch die Kompetenz zu einer verbindlichen Auslegung der Richtlinienbestimmungen nur der Kammerversammlung zu (§ 71 Abs. 4 Nr. 2 BNotO).
Das Protokoll der Kammerversammlung vom 28. April 1999 lässt keine Vorstellungen des Gremiums über die Reichweite der Richtlinienbestimmung erkennen. Außerdem ist dieses Protokoll - soweit ersichtlich - den Normadressaten nicht zur Kenntnis gelangt.
3. In welchem Umfang der Antragsteller seiner Fortbildungspflicht nachgekommen ist, hat die Antragsgegnerin nicht aufgeklärt. Hierauf kommt es aber auch nicht an, weil die Antragsgegnerin ihre Ermahnung nicht auf ein ihrer Auffassung nach nicht ausreichend umfangreiches Eigenstudium gestützt hat. Sie hat die Ermahnung vielmehr ausgesprochen, weil ihrer Auffassung nach das Eigenstudium generell mit den Richtlinien nicht in Einklang zu bringen sei. Das ist aber auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen nicht zutreffend. Unabhängig hiervon wäre ein entsprechender Vortrag des Antragstellers zum Umfang seines Eigenstudiums auch kaum überprüfbar. Unter diesen Umständen kann offen bleiben, ob in diesem Zusammenhang an das Eigenstudium quantitative oder doch eher qualitative Maßstäbe anzulegen sind und ob allein aus einer in zeitlicher Hinsicht möglicherweise nur geringen Eigenleistung Rückschlüsse auf die fehlende Eignung dieser Leistung im Sinne von Ziffer X Abs. 1 RL gezogen werden können.
Im Übrigen fehlt auch eine tragfähige Grundlage für die Annahme der Antragsgegnerin, der Antragsteller beschränke sich auf die "Lektüre der Pflichtpublikationen". Der Antragsteller hat bereits vor Erteilung der Ermahnung darauf hingewiesen und dies später wiederholt, dass er die Pflichtlektüre besonders intensiv studiere und sich auch darüber hinaus "eingehend mit juristischer Literatur beschäftige". Er bevorzuge schon seit Studienzeiten erfolgreich die Methode, "lediglich lesend zu lernen". Mit dieser Arbeitsweise habe er, ohne ein Repetitorium besucht zu haben, beide Staatsexamina erfolgreich absolviert. Die Antragsgegnerin hat keine Feststellungen getroffen, die die Darlegungen des Antragstellers widerlegen. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die individuelle Fortbildungsmethode des Antragstellers ungeeignet wäre. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass sich eine unzureichende Fortbildung konkret in einer Verletzung der Dienstpflichten niedergeschlagen hätte.
4. Die Ermahnung lässt sich schließlich auch nicht darauf stützen, dass der Antragsteller keinen Nachweis über die Erfüllung seiner Fortbildungsverpflichtung beigebracht hat. Abgesehen davon, dass sich aus Ziffer X RL nur eine Berichtspflicht, aber - jedenfalls ohne konkrete Anhaltspunkte für eine unzureichende Fortbildung - keine Nachweispflicht hinsichtlich vorgenommener Fortbildungsmaßnahmen ergibt, hat die Antragsgegnerin konkret nur den Beleg für die Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung verlangt. Wenn den Antragsteller aber aufgrund der RL keine Verpflichtung traf, gerade eine notarrechtliche Fortbildungsveranstaltung zu besuchen, kann auch das Fehlen eines diesbezüglichen Nachweises nicht disziplinarrechtlich geahndet werden.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 75 Abs. 5 Satz 4 und 5 BNotO in Verbindung mit § 77 Abs. 1 BDG und § 154 Abs. 1 VwGO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 75 Abs. 5 S. 3 BNotO.
OLG Celle:
Beschluss v. 30.11.2011
Az: Not 15/11
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