Oberlandesgericht München:
Urteil vom 24. Juni 2010
Aktenzeichen: 6 U 4609/09

(OLG München: Urteil v. 24.06.2010, Az.: 6 U 4609/09)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Die Klägerin ist ein Unternehmen, das im Bereich der Herstellung und des Vertriebs von Hydraulikerzeugnissen tätig ist. Sie firmiert seit 1972 unter der Bezeichnung "W Hydraulik GmbH" und hält die Gemeinschaftsbildmarke "W Hydraulik". Die Beklagte handelt ebenfalls mit Hydraulikzubehör und stellt Hydraulik-Schläuche her. Sie verwendet die Bezeichnung "Weber Hydraulik" und die Internet-Domains "w-hydraulic.com" und "w-hydraulic.eu".

Die Klägerin hat die Beklagte auf Unterlassung der Benutzung der Bezeichnung "Weber Hydraulik" sowie auf Auskunft und Feststellung der Schadenersatzpflicht in Anspruch genommen. Sie verlangt außerdem die Freigabe der beiden Domains.

Das Landgericht hat der Klage größtenteils stattgegeben. Die Beklagte hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt.

Das Oberlandesgericht München hat die Berufung der Beklagten teilweise als erfolgreich angesehen. Es hat die Klage im Hinblick auf den Freigabeanspruch bezüglich der Domains "w-hydraulic.com" und "w-hydraulic.eu" abgewiesen. In Bezug auf die anderen Klageansprüche hat das Gericht das erstinstanzliche Urteil bestätigt.

Die Beklagte ist nach Ansicht des Gerichts verpflichtet, die Verwendung der Bezeichnung "Weber Hydraulik" zu unterlassen. Diese Bezeichnung greift in das unternehmenskennzeichenrechtlich geschützte Recht der Klägerin an der Bezeichnung "W Hydraulik" ein. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass unter der Bezeichnung "W Hydraulik" sowohl die vollständige Firmierung der Klägerin als auch ihr Firmenschlagwort geschützt sind.

Darüber hinaus hat das Gericht festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin den aus den Verstößen resultierenden Schaden zu ersetzen hat. Die Beklagte hat gegen das klägerische Kennzeichenrecht fahrlässig verstoßen, da sie keine zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um Verwechslungen mit dem Klagezeichen zu vermeiden.

Des Weiteren steht der Klägerin ein Auskunftsanspruch zu, um den Schaden beziffern zu können. Die Beklagte ist verpflichtet, Auskunft über ihre Verwendung der angegriffenen Bezeichnungen sowie über erzielte Umsätze und Kosten zu geben.

Der Freigabeanspruch bezüglich der Domains "w-hydraulic.com" und "w-hydraulic.eu" besteht jedoch nicht. Die Beklagte hat das Recht, diese Domains zu behalten, da sie diese nicht rechtsverletzend benutzt. Es besteht keine Verwechslungsgefahr, da die Bezeichnungen "w-hydraulic" keine Kennzeichnungsfunktion als Hinweis auf ein Unternehmen haben.

Das Gericht hat die Kosten des Rechtsstreits zwischen den Parteien geteilt. Gegen das Urteil ist keine Revision zugelassen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG München: Urteil v. 24.06.2010, Az: 6 U 4609/09


Tenor

I. Auf die Berufung der beklagten Partei wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 13. August 2009 € Az. 9 HK O 5942/09 € dahingehend abgeändert, dass die Verurteilung unter Ziffer II. entfällt und die Verurteilung in Ziffern V. und VI. wie folgt gefasst wird:

V. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 3.382,38 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20. Juni 2009 zu zahlen.

Va. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

VI. Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 1/15 zu tragen, die Beklagte hat 14/15 zu tragen.

II. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die beklagte Partei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von Euro 20.000- abwenden, sofern nicht die Klagepartei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Klagepartei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus ihrem Firmenkennzeichenrecht, hilfsweise aus einer Gemeinschaftsmarke, auf Unterlassung der Benutzung der Bezeichnung "Weber Hydraulik" für einen auf Handel mit Hydraulikzubehör für Endkunden und auf Fertigung von Hydraulik-Schläuchen, Schläuchen für Hochdruckreinigung und Hydraulikrohre ausgerichteten Geschäftsbetrieb, des Weiteren auf Auskunft und Feststellung der Schadenersatzpflicht sowie auf Freigabe der Domains www.w-hydraulic.com und www.w-hydraulic.eu in Anspruch.

Die Klägerin ist im Bereich der Herstellung und des Vertriebs von Hydraulikerzeugnissen tätig und firmiert seit ihrer Gründung im Jahr 1972 unter der Bezeichnung W Hydraulik GmbH. Des Weiteren hält sie die Gemeinschaftsbildmarke Nr. ... "W Hydraulik" (Anlage K 2), die aufgrund Anmeldung vom 01. April 1996 am 30. Oktober 1998 u. a. für Waren der Klasse 7, nämlich für Hebezeuge, Werkzeuge, Pumpen, Arbeitszylinder und Fördermaschinen, sämtliche mit hydraulischer Betätigung, eingetragen wurde.

Das einzelkaufmännische Unternehmen der Beklagten ist mit dem Handel von Hydraulikzubehör für Endkunden sowie der Fertigung von Hydraulik-Schläuchen, Schläuchen für Hochdruckreinigung und Hydraulikrohren befasst. Seit 2003 hält es die Internet-Domain www.w-hydraulic.com , auf der das Unternehmen sein Leistungsangebot präsentiert (vgl. Ausdruck gemäß Anlage K 3). Dort tritt es auch unter dem Firmenschlagwort "W Hydraulik" auf (Anlage K 3, S. 3). Zur Verlinkung auf ihre Seiten benutzt die Beklagte neuerdings auch die Domain www.w-hydraulic.eu . Die Klägerin, die dies als Verstoß gegen ihre Firmen- und Markenrechte erachtet, hat die Beklagte wegen deren Internetpräsenz unter der Domain www.w-hydraulic.com zunächst mit Schreiben ihrer Patentanwälte vom 02. Februar 2009 (Anlage K 4) erfolglos zur Unterlassung und Übertragung der Domain, desgleichen zur Anerkennung der Schadenersatzpflicht aus einem Streitwert von Euro 100.000.€ aufgefordert.

Die Klägerin hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, die Beklagte sei nach Art. 98 Abs. 1 der GemeinschaftsmarkenVO i. V. m. §§ 5, 15 MarkenG zur Unterlassung, des weiteren nach Art. 98 Abs. 2 GemeinschaftsmarkenVO, §§ 14 Abs. 6, 15 Abs. 5 MarkenG zum Schadenersatz verpflichtet, habe sie es doch schuldhaft unterlassen, sich vor Aufnahme der Benutzung der angegriffenen Zeichen über die entgegenstehenden € prioritätsälteren € Rechte der Klägerin zu vergewissern. Der Anspruch auf Freigabe der Domains ergebe sich unter dem Gesichtspunkt der Beseitigung einer fortlaufenden Störung. Die Grundsätze des Rechts der Gleichnamigen seien auf den Streitfall nicht anzuwenden. Die Beklagte, die zur Verringerung der Verwechslungsgefahr verpflichtet sei, etwa indem sie den Domains € wie sonst auch im Geschäftsverkehr € den Vornamen ihres Inhabers hinzufüge, habe ohne Not das Firmenschlagwort der Klägerin "W Hydraulik" usurpiert.

Mit ihrer am 31. März 2009 bei Gericht eingegangenen Klage hat die Klägerin zunächst wegen der Verwendung der Bezeichnung "W Hydraulik" bzw. der Domain www.w-hydraulic.com Unterlassung, Auskunft, Feststellung der Schadenersatzpflicht sowie Freigabe der Domain verlangt. Mit Schriftsatz vom 05. Juni 2009, der Beklagten zugestellt am 20. Juni 2009, hat sie ihr Begehren auf die Domain www.w-hydraulic.eu sowie auf Ersatz der wegen der vorprozessualen Abmahnung vom 02. Februar 2009 (Anlage K 4) angefallenen Kosten erweitert. Zuletzt hat sie erstinstanzlich folgende Anträge gestellt:

I. Der Beklagten wird <bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel> verboten, im geschäftlichen Verkehr für einen auf Handel mit Hydraulikzubehör für Endkunden und die Fertigung von Hydraulik-Schläuchen, Schläuchen für Hochdruckreinigung und Hydraulikrohre ausgerichteten Geschäftsbetrieb die Kennzeichnung "W Hydraulik" und/oder die Domains www.w-hydraulic.com und/oder www.w-hydraulic.eu zu benutzen.

II. Die Beklagte wird verurteilt, durch Erklärungen gegenüber den zuständigen Vergabestellen in die Freigabe der Domains www.w-hydraulic.com und www.w-hydraulic.eu einzuwilligen und alle zur Freigabe erforderlichen Erklärungen abzugeben und/oder abgeben zu lassen.

III. Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin allen Schaden zu ersetzen hat, welcher dieser aus den Verletzungshandlungen gemäß Ziffer I. entstand ist und/oder noch entstehen wird.

IV. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft über den Umfang der Verletzungshandlungen gemäß Ziffer I. zu erteilen durch Vorlage eines Verzeichnisses, aus dem sich ergeben die unter den Kennzeichen "W Hydraulik" und/oder "w-hydraulic" erzielten Umsätze nach den Bruttorechnungsbeträgen und nach Erzeugnissen und/oder Dienstleistungen getrennt, ferner die unter diesen Kennzeichnungen betriebene Werbung nach Werbeträger, Auflagenzahl, Erscheinungsdatum und € ggf. € Empfängern sowie den dafür aufgewandten Kosten.

V. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 3.560,40 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und zur Begründung im Wesentlichen geltend gemacht, ein Unterlassungsanspruch ergebe sich weder aus dem Aspekt der Verwechslungsgefahr noch der Behinderung, zumal sich die Klägerin selbst systematisch alle wesentlichen Domain-Namen mit den Elementen "w" bzw. "w-hydraulik" gesichert habe. Unabhängig davon sei die Beklagte mit Rücksicht darauf, dass sie € insoweit unstreitig € den bürgerlichen Namen ihres Inhabers F W auch in der Firma führe, im Anschluss an die Entscheidung des Bundesgerichtshofes GRUR 2002, 706 € vossius.de nach dem Recht der Gleichnamigen berechtigt, ihre Leistungen unter den angegriffenen Domains anzubieten. Seit dem Jahr 2003 unterhalte sie beanstandungslos die Domain www.w-hydraulic.com , diese Gleichgewichtslage dürfe nicht zugunsten der Klägerin verändert werden. Ob die Beklagte überhaupt zur Rücksichtnahme verpflichtet sei, könne dahinstehen, da jedenfalls durch die Gestaltung ihrer Website schon unmittelbar nach Aufruf jegliche Gefahr einer Verwechslung mit der Klägerin ausgeschlossen werde. Ein Anspruch auf Freigabe der Domains bestehe nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ohnehin nicht.

Das Landgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 13. August 2009, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, antragsgemäß verurteilt.

Gegen diese Entscheidung, dem Beklagtenvertreter zugestellt am 19. August 2009, richtet sich die am 15. September 2009 (Bl. 61 f. d. A.) eingelegte und innerhalb antragsgemäß verlängerter Frist (Bl. 66 d. A.) mit Schriftsatz vom 09. November 2009 begründete Berufung der Beklagten, mit der sie weiterhin Klagabweisung erstrebt. Sie moniert, die äußerst knappen Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils würden den Mindestanforderungen des § 313 Abs. 1 Nr. 6 ZPO nicht gerecht, lasse es doch sowohl eine Identifikation des vermeintlich verletzten klägerischen Rechts ebenso vermissen wie eine Würdigung des zur Entscheidung unterbreiteten tatsächlichen Vorbringens. So sei unerfindlich, worin das Erstgericht eine Benutzung des Zeichens "W Hydraulik" ausgemacht habe, eine Begehungsgefahr bestehe insoweit ebenfalls nicht. Unbehelflich sei in diesem Zusammenhang Anlage K 3, denn dort werde der Terminus nicht kennzeichenmäßig benutzt. Dementsprechend hätte die Klage insoweit bereits als unschlüssig abgewiesen werden müssen. Hinsichtlich der verbleibenden Domain-Namen "w-hydraulic.com" und "w-hydraulic.eu" fehle jegliche Begründung der vom Erstgericht angenommenen Verwechslungsgefahr. Eine solche sei nach den Grundsätzen des Rechts der Gleichnamigen, das nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes "vossius.de" € entgegen der Ansicht des Erstgerichts € auch in Kennzeichenrechtsstreitigkeiten anzuwenden sei, ausgeschlossen, werde doch die Internet-Adresse üblicherweise nicht isoliert, sondern im Verbund mit anderen Kontaktdaten weitergegeben. Jedenfalls könnte eine bei isolierter Betrachtung des Domain-Namens etwa bestehende Verwechslungsfähigkeit durch einen Hinweis auf der ersten Seite der unter der Domain zu erreichenden Homepage beseitigt werden. Dem werde die Beklagte im Streitfall auch gerecht, insofern sie dort ihren vollständigen Firmennamen und ihre Kontaktadresse angebe. Zudem fehle es an jeder sonstigen Anlehnung an das geschäftliche Erscheinungsbild der Klägerin. Ohnehin sei im Kontext des hier anzuwendenden Rechts der Gleichnamigen eine Interessenabwägung durchzuführen, bei welcher zugunsten der Beklagten auch die durch langjährige unbeanstandete Nutzung der Domain "w-hydraulic.com" eingetretene Gleichgewichtslage, die fehlende Ähnlichkeit der beiden Internet-Auftritte sowie die geringe Kennzeichnungskraft des Allerweltsnamens "W" zu würdigen sei. Soweit das Erstgericht seine Entscheidung auf die klägerische Gemeinschaftsmarke stütze, werde vorsorglich der Einwand der Nichtbenutzung erhoben. Hinsichtlich des ebenfalls tenorierten Anspruchs auf Freigabe der Domains habe das Landgericht die vom Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung GRUR 2007, 888 € Euro Telekom entwickelten Grundsätze verkannt, wonach eine Einwilligung in die Löschung einer Domain nur dann verlangt werden könne, wenn bereits das Halten der Adresse als solches eine Rechtsverletzung darstelle, d. h. wenn eine nicht rechtsverletzende Nutzung € etwa in anderen Branchen, ohne dass dabei eine unlautere Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung des fremden Kennzeichens vorliege € unter keinem denkbaren Gesichtspunkt in Betracht komme. Dementsprechend hätte das Landgericht jedenfalls diesem Antrag nicht entsprechen dürfen.

Die Beklagte beantragt nunmehr,

das Urteil des Landgerichts München I vom 13.08.2009 (az. 9 HK O 5942/09) abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt ,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Ziffer II. des Tenors des landgerichtlichen Urteils wie folgt gefasst wird:

Die Beklagte wird verurteilt, in die Löschung der Domain "w-hydraulic.eu" bei der EURid und der Domain "w-hydraulic.com" bei der VeriSign, Inc. einzuwilligen und alle dazu erforderlichen Erklärungen abzugeben und/oder abgeben zu lassen.

hilfsweise

dass Ziffer II. des Tenors folgende Fassung erhält:

Die Beklagte wird verurteilt, in die Löschung der Domain "w-hydraulic.eu" bei der EURid und der Domain "w-hydraulic.com" bei der VeriSign, Inc. einzuwilligen,

weiter hilfsweise

Zulassung der Revision für den Fall, dass dem Freigabeanspruch nicht entsprochen wird.

Auf Nachfrage des Senats hat sie in der mündlichen Verhandlung vom 24.06.2010 zunächst klargestellt, dass sie ihr Begehren primär auf ihr Unternehmenskennzeichenrecht und nur hilfsweise auf die Gemeinschaftsmarke Nr. ... stützt (was die Beklagte als teilweise Klagerücknahme wertet). Im Übrigen verteidigt sie die angegriffene Entscheidung als in der Sache zutreffend und weist insbesondere zu der beklagtenseits vermissten Verwendung des Zeichens "W Hydraulik" für den Geschäftsbetrieb der Beklagten auf deren Homepage hin, wo sie sich nicht nur im Kontext eines Routenplaners als "W Hydraulik" vorstellt (vgl. den Ausdruck nach Anlage K 3, dort 3. Blatt), sondern die Bezeichnung auch in der Kopfzeile eines jeden Seitenausdrucks verwendet. Eine Verwechslungsgefahr habe das Landgericht angesichts des Umstands, dass beide Parteien in derselben Branche tätig seien und identische sowie ähnliche Waren vertreiben, zutreffend bejaht, zumal das für sie nach § 5 Abs. 2 MarkenG geschützte prioritätsältere Firmenschlagwort "W-Hydraulik" mit den von der Beklagten verwendeten Bezeichnungen "W Hydraulik" bzw. "w hydraulic.com"/"w-hydraulic.eu" identisch bzw. hochgradig ähnlich sei. Aus dem Umstand, dass die letztgenannten Zeichen als Domain benutzt werden, ergebe sich entgegen der Ansicht der Beklagten keinerlei Besonderheit für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr. Insbesondere sei auch, wie das Landgericht zutreffend befunden habe, kein Fall der Gleichnamigkeit gegeben, firmiere die Beklagte doch nicht unter "W Hydraulik", sondern als "F W Hydraulik und Technikvertrieb". Auch laute sein bürgerlicher Name "F W" und nicht etwa "W Hydraulik". Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes "vossius.de", die ohnehin einen Ausnahmefall betreffe und daher nicht als maßgeblich im Bereich des Gleichnamigenrechts eingestuft werden könne, sei daher gar nicht einschlägig. Aus demselben Grunde sei auch die beklagtenseits angemahnte Interessenabwägung nicht geboten. Die erstmals im Berufungsverfahren erhobene Einrede der Nichtbenutzung sei nach § 531 ZPO als verspätet zurückzuweisen, jedenfalls aber sei die Klagemarke ausweislich Anlagen K 11 € K 22, K 24 umfangreich für hydraulische Geräte, auf denen sie angebracht worden sei, benutzt worden. Hieraus sei in der Zeit von 2004 bis 2009 jährlich ein Umsatz in zwei- bis dreistelliger Millionenhöhe erzielt worden. Auch ein Freigabeanspruch sei gegeben. Denn allein das Halten der Domain verletze die Rechte der Klägerin: der Inhaber der Beklagten könne die Domain nämlich auch nicht im rein privaten Bereich nutzen, da er nun mal nicht "W Hydraulik" heiße. Der Domainname gebe zwingend eine Verknüpfung mit seinem Geschäftsbetrieb vor. Zudem habe er (anders als im Fall GRUR 2009, 685 € ahd) kein berechtigtes Interesse, die Internetadresse für ein branchenfremdes Unternehmen zu nutzen. Die restriktive, auf hypothetischen Erwägungen basierende Linie des Bundesgerichtshofes nach der Entscheidung GRUR 2007, 888 € Telekom könne, wie in der Literatur ausgeführt (Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 15 Rdnr. 95), nicht für tätigkeitsbeschreibende Domains gelten, die im privaten Bereich nicht sinnvoll einsetzbar seien. Die Sachlage sei insoweit der Löschung von Firmenbezeichnungen vergleichbar, die auch nicht mit der Erwägung, der Betroffene könne unter der Firmierung in einer anderen Branche tätig werden, versagt werde. Zutreffenderweise sei der Freigabeanspruch als Annex in Form der Folgenbeseitigung zum kennzeichenrechtlichen Unterlassungsanspruch zu gewähren.

Wegen des Parteivorbringens im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll des Termins vom 24. Juni 2010 Bezug genommen.

II.

Die nach § 511 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§§ 519 Abs. 1, Abs. 2; 517 ZPO) und begründete (§ 520 Abs. 3, Abs. 2 Satz 3 ZPO) Berufung der Beklagten hat in der Sache nur hinsichtlich des erstinstanzlich tenorierten Freigabeanspruchs betreffend die von der Beklagten gehaltenen Domains "w-hydraulic.com" und "w-hydraulic.eu" Erfolg. Im Übrigen hat das Erstgericht dem Klagebegehren im Ergebnis zu Recht entsprochen. Im Einzelnen:

1. Wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich erklärt hat (vgl. Protokoll vom 24. Juni 2010, S. 3 oben = Bl. 124 d. A.), stützt sie ihr Begehren primär auf ihr Firmenkennzeichenrecht i. S. d. § 5 Abs. 2 MarkenG und nur hilfsweise auf Rechte aus ihrer Gemeinschaftsmarke Nr. 233 262. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist dies nicht als teilweise Klagerücknahme mit der Kostenfolge des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu qualifizieren. Denn mit dieser Erklärung hat die Klägerin ihr Rechtsschutzziel nicht etwa teilweise aufgegeben, sondern lediglich klargestellt, in welchem Verhältnis das Gericht die € von Anfang an nicht kumulativ € geltend gemachten Anspruchsgründe prüfen möge.

2. Im Ergebnis zutreffend hat das Erstgericht befunden, dass die Beklagte zunächst nach § 15 Abs. 4 MarkenG verpflichtet ist, die Verwendung der Bezeichnung "Weber Hydraulik" für ihren Geschäftsbetrieb bzw. die Darstellung dieses Unternehmens unter den Domains "w-hydraulic.com" und "w-hydraulic.eu" zu unterlassen. Denn mit der Benutzung dieser Zeichen greift sie in das für die Klägerin nach § 5 Abs. 2 MarkenG geschützte, angesichts ihrer Firmengründung im Jahr 1972 prioritätsältere Recht an deren Unternehmenskennzeichen "W Hydraulik" ein:

29a. Wie die Beklagte im Berufungsverfahren nicht mehr in Abrede stellt, kann die Klägerin, die seit dem Jahr 1972 im Geschäftsverkehr unter der Bezeichnung "W Hydraulik GmbH" auftritt, nach § 5 Abs. 2 MarkenG nicht nur für ihre vollständige Firmierung "W Hydraulik GmbH" kennzeichenrechtlichen Schutz verlangen: Ausgehend von der Erwägung, dass der Verkehr grundsätzlich dazu neigt, längere Bezeichnungen in einer die Merkbarkeit erleichternden Weise zu verkürzen (vgl. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., § 15 Rdnr. 46), ist in der Rechtsprechung seit langem anerkannt, dass der von § 5 Abs. 2 MarkenG gewährte Schutz sich auch auf unterscheidungskräftige Bestandteile des Firmennamens erstreckt (vgl. Nachweise bei Ingerl/Rohnke, a. a. O., § 5 Rdnr. 23). Vor dem Hintergrund, dass allein das Firmenschlagwort "W Hydraulik", nicht hingegen der die bloße Rechtsform bezeichnende Zusatz "GmbH" eine (originäre durchschnittliche) Eignung aufweist, das Unternehmen von anderen zu unterscheiden, steht mithin die Schutzfähigkeit des von der Klägerin genutzten Firmenschlagworts "W Hydraulik" außer Zweifel.

30b. Die angegriffenen Bezeichnungen "W Hydraulik", "w-hydraulic.com" und "w-hydraulic.eu" stehen dem Unternehmenskennzeichen der Klägerin in verwechslungsfähiger Weise gegenüber, § 15 Abs. 2 MarkenG.

31aa. Wie zwischen den Parteien nicht mehr im Streit steht, sind sie jedenfalls teilweise € nämlich hinsichtlich des von der Beklagten betriebenen Handels mit Hydraulikzubehör sowie der Fertigung von Hydraulikschläuchen, Hochdruckschläuchen und Hydraulikrohren € im identischen Geschäftsfeld tätig. Damit ist die für das Tatbestandsmerkmal der Verwechslungsgefahr (§ 15 Abs. 2 MarkenG) erforderliche Branchennähe € die für Domains nach den gleichen Grundsätzen zu bestimmen ist wie im Offline-Bereich, vgl. OLG Karlsruhe, MMR 2002, 814, 815 € Intel; OLG Düsseldorf, MMR 2002, 827, 828 € exes € gegeben.

bb. Auch die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen begegnet keinen Bedenken:

Dies gilt zunächst für die ausweislich Anlage K 3, dort S. 3 von der Beklagten verwendete Bezeichnung "W Hydraulik". Denn sie ist in jeder Hinsicht € nämlich klanglich, schriftbildlich und begrifflich € mit dem Klagezeichen identisch.

Hinsichtlich der weiter angegriffenen Domains "w-hydraulic.com" und "w-hydraulic.eu" ist keine abweichende Beurteilung angezeigt: Die vom Klagezeichen marginal abweichende Schreibweise der beiden durch einen Bindestrich verbundenen Termini in Kleinbuchstaben sowie "hydraulic" an Stelle von "Hydraulik" ist im Hinblick auf die klangliche wie die begriffliche Identität nicht geeignet, aus der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Bezeichnungen "W Hydraulik" einerseits sowie "w-hydraulic" andererseits herauszuführen. Soweit in der Rechtsprechung erwogen wurde, im Zusammenhang mit Domains strengere Maßstäbe an die Zeichenähnlichkeit dergestalt zu stellen, dass die Verwechslungsgefahr bereits bei geringfügigen Abweichungen zu verneinen sei (vgl. KG GRUR-RR 2002, 180, 181), sind die Stimmen zu Recht vereinzelt geblieben (vgl. Ingerl/Rohnke, a. a. O., nach § 15 Rdnr. 97). Dass die Zusätze "com" bzw. "eu" die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit außer Betracht zu bleiben haben, bedarf keiner vertieften Erörterung: der Verkehr identifiziert sie ohne Weiteres als lediglich den jeweiligen Domainlevel bezeichnend und damit rein technische Markierung, ohne ihnen eine Kennzeichnungsfunktion als Hinweis auf ein Unternehmen zuzuordnen.

c. Die für den Unterlassungsanspruch nach § 15 Abs. 4 Satz 1 MarkenG erforderliche Wiederholungsgefahr ist angesichts der in der Vergangenheit stattgehabten Benutzung hinsichtlich aller drei angegriffenen Termini gegeben. In Bezug auf die Domains "w-hydraulic.com" und "w-hydraulic.eu" stellt dies auch die Beklagte nicht in Abrede. Soweit sie für das ausweislich Anlage K 3, dort Seite 3 verwendete Zeichen "W Hydraulik" einen vorangegangenen Verstoß mit der Erwägung verneinen möchte, auf dem Ausdruck ihrer Internetseite bzw. im Kontext eines Routenplaners werde es nicht kennzeichenmäßig benutzt, ist eine Begründung für diese Ansicht weder dargetan noch sonst erfindlich: Im Gegenteil dient die Angabe gerade im Zusammenhang mit der Wegbeschreibung dazu, das Unternehmen der Beklagten zu identifizieren und damit auf es hinzuweisen. Bei dieser Sachlage ist die Beklagte nach § 15 Abs. 4 Satz 1 MarkenG verpflichtet, die Verwendung aller drei angegriffenen Bezeichnungen für ihren Geschäftsbetrieb, nämlich den Handel mit Hydraulikzubehör für Endkunden sowie die Fertigung von Hydraulikschläuchen, Hochdruckschläuchen und Hydraulikrohren, zu unterlassen.

36d. Das Verbietungsrecht der Klägerin scheitert entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht daran, dass sie die Benutzung der angegriffenen Bezeichnungen unter dem Gesichtspunkt der Gleichnamigkeit zu dulden hätte: Nach den von der Rechtsprechung (bereits vor ihrer nunmehrigen Kodifizierung in § 15 Abs. 2 MarkenG € so BGH WRP 1997, 751, 755 € B. Z./Berliner Zeitung € bzw. § 23 Nr. 1 MarkenG, vgl. Ingerl/Rohnke, a. a. O., § 23 Rdnr. 22) entwickelten Grundsätzen zum Recht der Gleichnamigen € die entgegen den Ausführungen des Erstgerichts nach einhelliger Ansicht auch im Kennzeichenrecht beachtlich sind, vgl. Nachweise bei Ingerl/Rohnke, a. a. O., § 23 Rdnr. 19 € kann es einem älteren Namensträger zumutbar sein, eine Namenskollision im Geschäftsverkehr hinzunehmen, wenn der jüngere Namensträger an der Benutzung ein schutzwürdiges Interesse hat, redlich handelt und, im Rahmen des Zumutbaren, das Geeignete und Erforderliche tut, um Verwechslungen nach Möglichkeit zu begegnen (vgl. Rechtsprechungsnachweise bei Ingerl/Rohnke, a. a. O., § 23 Rdnr. 18). Hintergrund hierfür ist die Erwägung, dass das Recht, seinen € nicht frei wählbaren € bürgerlichen Namen auch im geschäftlichen Verkehr zu führen, grundrechtlichen Schutz genießt. Liegt ein Fall der Namensgleichheit vor, so ist aufgrund einer umfassenden Abwägung der involvierten beiderseitigen Interessen zu bestimmen, wer welche Maßnahmen zur Verringerung der Verwechslungsfähigkeit zu ergreifen hat. Dies erlaubt indes im Streitfall keine der Beklagten günstigere Beurteilung: Denn weder lautet der bürgerliche Name ihres Inhabers "W Hydraulik" bzw. "w-hydraulic" noch firmiert sie unter dieser Angabe. Vielmehr tritt sie im Geschäftsverkehr unter der Bezeichnung "F W Hydraulik und Technikvertrieb" auf. Im Übrigen hätte sie auch ein schutzwürdiges Interesse gerade an der Verwendung des Schlagworts "W Hydraulik", das bei Benutzungsaufnahme durch die Beklagte bereits 30 Jahre für die Klägerin stand, nicht dargetan. Jedenfalls aber hätte sie es verabsäumt, durch zumutbare Maßnahmen € etwa die Hinzufügung des Vornamens ihres Inhabers zu den Domains € einen die Verwechslungsgefahr minimierenden Abstand zum Klagezeichen zu schaffen. Unter diesen Umständen ist die Klägerin nicht gehalten, die Verwendung der mit ihrem Unternehmenskennzeichen verwechslungsfähigen Angaben durch die Beklagte zu dulden. Soweit die Beklagte aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofes GRUR 2002, 706 € vossius.de herleiten möchte, der ihr als Namensjüngeren obliegenden Pflicht zur Rücksichtnahme durch die jede Verwechslungsgefahr ausschließende Gestaltung ihres Internetauftritts genügt zu haben, dringt sie damit nicht durch: Unabhängig von der Frage, inwieweit diese Rechtsprechung (die insofern einen Sonderfall betrifft, als dort der ältere Namensträger seine Rechte selbst nur von einer Gestattung durch den Jüngeren herleiten konnte) verallgemeinerungsfähig ist, sind bereits die tatsächlichen Voraussetzungen der beiden Fallkonstellationen nicht vergleichbar. Denn anders als bei "vossius.de" verwendet die Beklagte nicht ihre Firmierung oder den bürgerlichen Namen ihres Inhabers als Domain (der Senat hat also nicht über die Benutzung des Familiennamens "W" in Alleinstellung zu befinden), sondern den Familiennamen in Verbindung mit der den Geschäftsbetrieb beschreibenden Angabe "hydraulic". Für eine analoge Anwendung der in der Entscheidung "vossius.de" entwickelten Grundsätze auch auf den Streitfall ist schon mangels Regelungslücke kein Raum. Dementsprechend hat es bei der unter oben, Ziffer II. 2. c. dargelegten Unterlassungsverpflichtung sein Bewenden.

3. Der im Wege der Feststellungsklage € im Hinblick auf die derzeit fehlende Bezifferbarkeit der Forderung ohne Verstoß gegen den in § 256 Abs. 1 ZPO normierten Vorrang der Leistungsklage und damit in zulässiger Weise € erhobene Schadenersatzfeststellungsanspruch ist nach § 15 Abs. 5 Satz 1 MarkenG begründet. Danach hat die Beklagten der Klägerin den aus den stattgehabten Verstößen resultierenden Schaden zu ersetzen. Das dafür erforderliche Verschulden begegnet keinen Bedenken: Dass die Beklagte entsprechend den im gewerblichen Rechtsschutz anzulegenden strengen Maßstäben mit der gebotenen Sorgfalt Maßnahmen ergriffen hätte, um eine Beeinträchtigung des klägerischen Rechts zu vermeiden € etwa in Form von (Handelsregister-) Recherchen, trägt sie selbst nicht vor. Damit fällt ihr jedenfalls Fahrlässigkeit zur Last.

4. Der vom Erstgericht weiter tenorierte Auskunftsanspruch ergibt sich aus § 242 BGB: Zur Bezifferung des zu liquidierenden Schadens bzw. um fundiert zwischen den ihr zur Verfügung stehenden drei Berechnungsmethoden wählen zu können, ist die Klägerin auf die begehrten Informationen, über die sie schuldlos nicht verfügt, die indes der Beklagten unschwer zugänglich sind, angewiesen.

5. Die Berufung der Beklagten ist hingegen erfolgreich, soweit sie sich gegen den der Klägerin vom Erstgericht unter Ziffer II. des Tenors zuerkannten Freigabeanspruch betreffend die Domains "w-hydraulic.com" und "w-hydraulic.eu" richtet.

40Zwar begegnet die Zulässigkeit dieses Begehrens in der Fassung des ersten Hilfsantrages unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO € anders als der nunmehrige Hauptantrag, der nicht erkennen lässt, welches die "erforderlichen Erklärungen" sein sollen € keinen Bedenken. Der Anspruch ist jedoch nicht begründet. Denn insoweit ist weder eine (von der Klägerin ohnehin nicht geltend gemachte) lauterkeitsrechtliche Anspruchsgrundlage gegeben noch liegen die Voraussetzungen eines markenrechtlichen Beseitigungsanspruchs vor. Zwar kann der von einem Kennzeichenrechtsverstoß Betroffene € sei es entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB (so Hacker in Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 14 Rdnr. 331), sei es gewohnheitsrechtlich (so Ingerl/Rohnke, a. a. O., vor §§ 14-19, Rdnr. 101) € vom Verletzer grundsätzlich auch Beseitigung der fortdauernden Störung verlangen. Besteht die Störung indes in der Verwendung einer mit dem Klagezeichen verwechslungsfähigen Angabe als Internet-Domain, kommt ein Anspruch auf Abgabe einer Verzichtserklärung gegenüber der Registrierungsstelle nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (GRUR 2002, 706, 708 € vossius.de; GRUR 2007, 888 € Euro Telekom; GRUR 2009, 685 € ahd.de; GRUR 2010, 235 € AIDA/AIDU) nur dann in Betracht, wenn jede Belegung der unter der Domain gehaltenen Website notwendig die Voraussetzungen einer Kennzeichenrechtsverletzung erfüllt, so dass das Halten der Domain schlechthin als Rechtsverletzung zu qualifizieren ist. Wie der Bundesgerichtshof in der Entscheidung GRUR 2007, 888 Tz. 13 € Euro Telekom befunden hat, ist dies nicht schon dann zu bejahen, wenn es sich bei dem Domaininhaber (hier: der Beklagten) um eine € stets im geschäftlichen Verkehr, nicht etwa potentiell auch privat agierende € juristische Person handelt. Denn eine Markenverletzung stellt die Benutzung der angegriffenen Bezeichnung als Domain nur dann dar, wenn neben der Zeichenähnlichkeit auch die weiteren Voraussetzungen des § 15 MarkenG vorliegen, wenn also insbesondere identische Waren oder Dienstleistungen unter der Domain angeboten werden. Ist dagegen € wie im Streitfall € auch eine (nicht rechtsverletzende) Benutzung, etwa im Bereich anderer Branchen, möglich, scheidet ein Freigabeanspruch grundsätzlich aus. Soweit die Klägerin im Anschluss an Hacker in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 15 Rdnr. 95 hiergegen anführt, diese Erwägungen könnten keine Gültigkeit beanspruchen, wenn der Sinngehalt der in Rede stehenden Domain im Wesentlichen lediglich das Tätigkeitsfeld des Unternehmens beschreibe (hier: "hydraulic"), bleibt dies unbehelflich. Denn ebendiese Konstellation lag auch der Entscheidung des Bundesgerichtshofes GRUR 2007, 888 € Euro Telekom zugrunde. Der Bundesgerichtshof hat im Gegenteil erst jüngst in der Entscheidung GRUR 2010, 235 € AIDA/AIDU betont, dass es für den Beseitigungsanspruch nicht darauf ankomme, ob eine rechtsverletzende Verwendung nach den Umständen des Einzelfalles näher liege als eine rechtmäßige. Dass jedwede potentielle Nutzung der streitgegenständlichen Domains nach § 15 MarkenG unterbunden werden könnte, hat die Klägerin nicht dargelegt. Fehlt es mithin an den Voraussetzungen eines Freigabeanspruchs, war das Ersturteil in Ziffer II. des Tenors abzuändern und die Klage insoweit abzuweisen. Dies gilt auch, soweit sich die Klägerin für ihr Begehren hilfsweise auf ihre Gemeinschaftsmarke Nr. 233 262 stützt. Gesonderte Ausführungen hierzu sind daher nicht veranlasst.

6. Auch zum Ersatz der vorprozessual für das Abmahnschreiben vom 02. Februar 2009 (Anlage K 4) angefallenen Kosten ist die Beklagte (sei es unter dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes, § 15 Abs. 5 MarkenG, sei es nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag, §§ 683, 677, 670 BGB) nur insoweit verpflichtet, als die Abmahnung berechtigt war. Hinsichtlich des damals geltend gemachten Übertragungsanspruchs betreffend die Domain "w-hydraulic.com" ist dies, wie dargelegt, nicht der Fall. Entsprechend den klägerseits angegebenen Teilgegenstandswerten war daher die Ersatzforderung auf den tenorierten Betrag zu kürzen.

7. Die Kosten des Rechtsstreits waren nach § 92 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 ZPO im Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens zu teilen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit entspricht §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Eine klägerseits angeregte Zulassung der Revision war nicht veranlasst: Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) noch liegen die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO vor: Wie die Ausführungen unter Ziffer II. 5. zeigen, erfordert die Rechtssache lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze zu Frage der Domainfreigabe auf den vorliegenden Einzelfall.






OLG München:
Urteil v. 24.06.2010
Az: 6 U 4609/09


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/08d9b8985a3f/OLG-Muenchen_Urteil_vom_24-Juni-2010_Az_6-U-4609-09




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