Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. März 2010
Aktenzeichen: 35 W (pat) 4/09

(BPatG: Beschluss v. 03.03.2010, Az.: 35 W (pat) 4/09)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in seinem Beschluss vom 3. März 2010 (Aktenzeichen 35 W (pat) 4/09) über eine Beschwerde gegen einen Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patent- und Markenamts entschieden. In dem Fall ging es um die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für die Aufrechterhaltungsgebühr eines Gebrauchsmusters. Der Antragsteller hatte bereits Verfahrenskostenhilfe für das Anmeldeverfahren erhalten und beantragte nun auch für die Aufrechterhaltungsgebühr. Die Gebrauchsmusterstelle forderte den Antragsteller auf, Nachweise für ernsthafte Verwertungsversuche innerhalb des letzten Jahres vorzulegen, um die Vermutung der Mutwilligkeit auszuräumen. Der Antragsteller führte aus, dass er aufgrund von Sehproblemen nicht in der Lage gewesen sei, das Gebrauchsmuster zu vermarkten. Die Gebrauchsmusterstelle lehnte den Antrag auf Verfahrenskostenhilfe daraufhin ab. Gegen diese Zurückweisung richtete sich die Beschwerde des Antragstellers. Das Bundespatentgericht entschied, dass die Beschwerde zulässig, aber in der Sache nicht erfolgreich sei.

Das Gericht stellte fest, dass die Rechtswahrnehmung des Antragstellers nicht der einer nicht bedürftigen Person entspricht. Bei der Entscheidung über die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe müsse berücksichtigt werden, ob eine nicht bedürftige Person in derselben Situation ihr Recht in derselben Weise wahrnehmen würde wie der Antragsteller. Da das Ziel eines Gebrauchsmusters in erster Linie dessen wirtschaftliche Verwertung sei, müsse ein nicht bedürftiger Inhaber ernsthafte Verwertungsversuche unternehmen, sofern keine besonderen Umstände dies unmöglich oder zeitweilig aussichtslos machten. Der Antragsteller habe jedoch nicht ausreichend vorgetragen, warum seine Sehbehinderung ernsthafte Verwertungsversuche unmöglich oder unzumutbar gemacht habe. Das Gericht wies die Beschwerde daher zurück.

Diese Entscheidung zeigt, dass die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für die Aufrechterhaltungsgebühr eines Gebrauchsmusters an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist. Es muss plausibel gemacht werden, dass der Antragsteller ernsthafte Verwertungsversuche unternommen hat und diese aufgrund besonderer Umstände nicht erfolgreich waren.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 03.03.2010, Az: 35 W (pat) 4/09


Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patentund Markenamts vom 27. November 2008 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden: Beschwerdeführer) ist Inhaber des am 6. Oktober 2005 angemeldeten Gebrauchsmusters ..., das unter der Bezeichnung "Wassersparanlage" in das Register beim Deutschen Patentund Markenamt eingetragen worden ist.

Dem Beschwerdeführer ist von der Gebrauchsmusterstelle bereits Verfahrenskostenhilfe für das Anmeldeverfahren gewährt worden. Mit am 2. September 2008 beim Deutschen Patentamt eingegangenem undatiertem Schriftsatz beantragte er nunmehr auch Verfahrenskostenhilfe für die Aufrechterhaltungsgebühr für das vierte bis sechste Schutzjahr und legte eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie einen Bescheid über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vor.

Mit Bescheid vom 29. September 2008 forderte die Gebrauchsmusterstelle den Beschwerdeführer dazu auf, Nachweise für ernsthafte Verwertungsversuche innerhalb des letzten Jahres einzureichen, um die Vermutung auszuräumen, dass die Aufrechterhaltung des Gebrauchsmusters mutwillig sei. Der Antragsteller führte daraufhin mit Schriftsatz vom 4. November 2008 aus, er habe sich wegen starker Sehprobleme, die eine Operation mit Nachbehandlung erforderlich gemacht hätten, nicht um die Verwertung des Gebrauchsmusters kümmern können, was der beigefügte Bericht des Charite Campus Virchow-Klinikums vom 20. September 2007 belege.

Mit Beschluss vom 27. November 2008 hat die Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patentund Markenamts den Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für die erste Aufrechterhaltungsgebühr zurückgewiesen. Der Antragsteller habe keine Nachweise für die Erfolg versprechende Verwertung des Gebrauchsmusters geliefert und eine wirtschaftliche Verwertung in absehbarer Zeit sei nicht wahrscheinlich. Die Bescheinigung der Klinik für Augenheilkunde über zwei Behandlungstage stelle keinen Nachweis von Verwertungsversuchen dar.

Gegen diese Zurückweisung richtet sich die Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer seinen Antrag auf Verfahrenskostenhilfe weiterverfolgt. Er weist darauf hin, er habe lange auf die Operation warten müssen und aufgrund seiner Erkrankung an Grauem Star anderthalb Jahre lang unscharf wie durch Milchglas gesehen. Es sei ihm daher unmöglich gewesen, unter diesen Umständen das Gebrauchsmuster zu vermarkten.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die Gebrauchsmusterstelle hat den Antrag auf Verfahrenskostenhilfe im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.

1.

Dem Inhaber eines Gebrauchsmusters kann auf Antrag gemäß § 21 Abs. 1 GebrMG i. V. m. § 130 Abs. 1 S. 2 PatG Verfahrenskostenhilfe für Aufrechterhaltungsgebühren gewährt werden. Bei der Entscheidung über die Bewilligung ist -wie in allen Fällen der Verfahrenskostenhilfe -§ 114 ZPO entsprechend anzuwenden. Nach dieser Vorschrift muss die mit dem Verfahrenskostenhilfeantrag beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung Erfolg versprechend sein und darf nicht mutwillig erscheinen. Diese Einschränkungen sind erforderlich, um den Einsatz öffentlicher Mittel zur Verfahrensführung nur in rechtlich und wirtschaftlich sinnvollen Fällen zu gewährleisten. Denn das im Grundgesetz verankerte Rechtsstaatsprinzip gebietet es nur, die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes einander anzunähern. Verfassungsrechtlich ist keine vollständige Gleichstellung geboten, sondern nur eine weitgehende Angleichung. Wirtschaftlich schwache Personen sollen nicht allein aufgrund ihrer Vermögensverhältnisse von der Verwirklichung des Rechtsschutzes ausgeschlossen werden.

2.

Ob Mutwilligkeit vorliegt, entscheidet sich nach h. M. danach, ob auch eine nicht bedürftige Person bei verständiger Würdigung der Sachund Rechtslage ihr Recht im Verfahren in derselben Weise wahrnehmen würde wie der Antragsteller (vgl. Busse, Patentgesetz, 6. Aufl., § 130 Rn. 34 m. w. N.; Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl., § 130 Rn. 54, 55; vgl. auch BPatG BlPMZ 1997, 443 m. w. N.). Mutwilligkeit ist danach ein unbestimmter Rechtsbegriff, der nicht von einem fest umrissenen Sachverhalt ausgefüllt wird, sondern stets fallbezogen wertend überprüft werden muss. Kann auf Grund der vorliegenden Tatsachen nicht angenommen werden, dass ein vermögender Gebrauchsmusterinhaber wie der Antragsteller handeln würde, ist in wertender Erkenntnis auf das Vorliegen mutwilligen Verhaltens zu schließen. Ein exakter Nachweis ist dabei nicht erforderlich, wie sich aus der gesetzlichen Formulierung "nicht mutwillig erscheint" ergibt (BPatG a. a. O.

m. w. N.).

3.

Nach den hier zur Bewertung vorliegenden Umständen scheidet eine weitere Aufrechterhaltung des Gebrauchsmusters im Wege der Verfahrenskostenhilfe aus. Die Rechtswahrnehmung des Beschwerdeführers entspricht bei objektiver Betrachtung nicht der einer vermögende Person in derselben Situation. Die Gebrauchsmusterstelle hat insoweit zu Recht darauf abgestellt, ob der Beschwerdeführer bisher ernsthaft versucht hat, das Streitgebrauchsmuster wirtschaftlich zu verwerten. Denn im Fall der Aufrechterhaltungsgebühren geht es um den weiteren Bestand des Schutzrechts, so dass sich die Frage, ob die Beantragung von Verfahrenskostenhilfe mutwillig ist oder nicht, danach beurteilt, wie sich ein nicht bedürftiger Gebrauchsmusterinhaber bei verständiger Würdigung der Sachund Rechtslage hinsichtlich seines Schutzrechts während dessen bisheriger Laufzeit verhalten hätte. Das Ziel eines technischen Schutzrechts ist in erster Linie dessen wirtschaftliche Verwertung. Dies spiegelt sich u. a. in der Schutzvoraussetzung der gewerblichen Anwendbarkeit (§ 3 Abs. 2 GebrMG) und auch in den mit der Eintragung verbundenen Benutzungsund Verbietungsrechten (§ 11 GebrMG) wider.

Deshalb wird sich ein nicht hilfsbedürftiger Gebrauchsmusterinhaber insbesondere in der ersten Zeit nach Eintragung seines Schutzrechts ernsthaft um dessen Vermarktung bemühen, sofern nicht besondere Umstände dies vorübergehend unmöglich, unzumutbar oder zeitweilig aussichtslos erscheinen lassen. Hierzu enthalten die Eingaben des Beschwerdeführers aber keinen hinreichenden Tatsachenvortrag.

4.

Zwar hat der Antragsteller eine Augenerkrankung und die dadurch erforderliche Operation im September 2007 dargelegt. Er hat aber weder detailliert vorgetragen noch belegt, weshalb diese Erkrankung ernsthafte Verwertungsversuche unmöglich oder unzumutbar gemacht haben sollte. Zunächst ist nicht ersichtlich, wie stark die Sehkraft durch die krankheitsbedingte Trübung beeinträchtigt war und inwieweit diese Behinderung Verwertungshandlungenunzumutbar erschwert haben soll. Die Aussage, der Antragsteller habe anderthalb Jahre lang unscharf wie durch Milchglas gesehen, erlaubt insoweit keine zwingenden Folgerungen. Im Übrigen sind heute selbst Blinde durch technische Hilfsmittel oder durch die Unterstützung anderer Personen in der Lage, am Berufsleben und am öffentlichen Leben teilzunehmen. So wäre es dem Antragsteller selbst im Falle einer ganz massiven Sehbehinderung möglich gewesen, Verwertungsversuche auf telefonischem Wege zu unternehmen oder sich durch Familienangehörige oder Freunde unterstützen zu lassen bzw. diese mit den Verwertungsversuchen zu beauftragen. Ob und inwieweit der Antragsteller dies getan hat, hat dieser weder vorgetragen noch ist dies dem Senat ersichtlich. Vor allem aber hat der Antragsteller nicht vorgetragen, dass er Verwertungshandlungen in der Zeit nach der Operation im September 2007 bis zur Antragstellung im November 2008 später vorgenommen habe. Es erscheint nach der Lebenserfahrung und der Kenntnis des Senats wenig wahrscheinlich, dass die Sehbehinderung nach der Operation noch ein Jahr angedauert hat.

Angesichts dieser Sachlage kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller sich verhalten hat, wie sich ein nicht bedürftiger Gebrauchsmusterinhaber bei verständiger Würdigung der Sachund Rechtslage hinsichtlich seines Schutzrechts während dessen bisheriger Laufzeit verhalten hätte. Die Beschwerde ist darum zurückzuweisen.

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BPatG:
Beschluss v. 03.03.2010
Az: 35 W (pat) 4/09


Link zum Urteil:
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