Landgericht Dortmund:
Urteil vom 11. Oktober 2013
Aktenzeichen: 3 O 207/12
(LG Dortmund: Urteil v. 11.10.2013, Az.: 3 O 207/12)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Die Klägerin hat gegen die Beklagte Klage eingereicht und fordert die Zahlung von insgesamt 32.717,61 Euro. Das Gericht gibt der Klage statt und verurteilt die Beklagte dazu, diesen Betrag an die Klägerin zu zahlen. Die Klageforderung setzt sich aus verschiedenen Rechnungen zusammen, die die Klägerin für ihre Dienstleistungen erstellt hat. Ein Teil der Klageforderung wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 20 % von der Klägerin und zu 80 % von der Beklagten getragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, allerdings kann die Klägerin die Vollstreckung nur durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, es sei denn, die Beklagte leistet vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe.
Im Tatbestand wird die Klage näher erläutert. Die Klägerin fordert unter anderem die Bezahlung von Rechnungen, die sie für verschiedene Angelegenheiten erstellt hat. Die Beklagte bestreitet die Höhe der geforderten Beträge und bringt verschiedene Argumente vor. Unter anderem behauptet sie, dass die Klägerin sie falsch beraten habe und dadurch ein Schaden von 62.880,38 Euro entstanden sei. Das Gericht hält diese Behauptung jedoch für unsubstantiiert und weist den Schadensersatzanspruch der Beklagten ab.
Die Klägerin hat demnach insgesamt einen Zahlungsanspruch in Höhe von 32.717,61 Euro gegen die Beklagte. Die Höhe der Vergütung ergibt sich entweder aus vereinbarten Stundensätzen oder aus ortsüblichen Stundensätzen. Die Klägerin hat für die einzelnen Leistungen eine angemessene Vergütung in Rechnung gestellt. Das Gericht hat ein Gutachten der Rechtsanwaltskammer eingeholt, um die Angemessenheit der Gebühren zu überprüfen. Es hat dabei festgestellt, dass die von der Klägerin berechneten Gebühren angemessen sind. Der Schadensersatzanspruch der Beklagten wurde abgewiesen, da sie nicht nachvollziehbar darlegen konnte, dass ihr ein Schaden entstanden ist.
Das Gericht gibt der Klage in Höhe von 32.717,61 Euro statt und verurteilt die Beklagte zur Zahlung dieses Betrages. Die Zinsen und die vorgerichtlichen Mahnkosten werden ebenfalls der Klägerin zugesprochen. Die Klägerin trägt 20 % der Kosten des Rechtsstreits und die Beklagte 80 %. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, aber die Klägerin kann die Vollstreckung nur abwenden, indem sie Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet, sofern die Beklagte nicht vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
LG Dortmund: Urteil v. 11.10.2013, Az: 3 O 207/12
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 32.717,61 € (i. W.: zweiunddreißigtausendsiebenhundertundsiebzehn 61/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 8.579,71 € seit dem 13.11.2010, aus weiteren 20.405,29 € seit dem 28.05.2011 und aus weiteren 3.732,61 € seit dem 06.12.2011 sowie 1.307,81 € vorgerichtliche Mahnkosten zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 20 % und die Beklagte 80 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Bezahlung folgender Rechnungen:
1.
02.09.2010, Anlage K2, Blatt 16 d. A., über 78,25 Stunden x 275,- € + 19% Umsatzsteuer in dem Zeitraum 01.01.2010 bis 31.08.2010 = 25.607,31 € abzüglich gezahlter 17.027,06 € = 8.579,71 € Klageforderung für folgende Angelegenheiten:
1.1. BA KUG: 54,75 Stunden (streitig),
1.2. AÜ-Verträge: 9,75 Stunden (streitig),
1.3. TAZ Zulassung: 3,50 Stunden (unstreitig),
1.4. Kapitalaufbringung: 0.75 Stunden (unstreitig),
1.5. TAZ Satzung/GF X 2,75 Stunden (unstreitig),
1.6. Änderung Gesellschafterverträge 6,75 Stunden (unstreitig),
2.
28.04.2011, Anlage K4, Blatt 22 d. A., über 62 Stunden x 275,- € + 19% Umsatzsteuer in dem Zeitraum 01.09.2010 bis 31.03.2011 = 20.405,29 € Klageforderung für folgende Angelegenheiten:
2.1. BA KUG: 29,50 Stunden (streitig),
2.6. Änderung Gesellschafterverträge 3,25 Stunden (unstreitig),
2.7. Beauftragter Arbeitsschutz : 0,25 Stunden (unstreitig),
2.8. K + C: 3,00 Stunden (streitig),
2.9. Grenzüberschreitende AÜ: 7,00 Stunden (unstreitig),
2.10. AÜG-Prüfung 5.1.2011: 0,75 Stunden (unstreitig),
2.11. Schriftformerfordernis AÜ-Vertr.: 0,50 Stunden (unstreitig),
2.12. Holdingfinanzierung: 7,75 Stunden (unstreitig),
2.13. Bürgschaft: 4,50 Stunden (streitig),
2.14. Kündigung Frau M: 0,50 Stunden (unstreitig),
2.15. Beiratssitzung: 5,00 Stunden (streitig),
3.
20.10.2011, Anlage K6, Blatt 26 d. A., 7,5 Stunden x 275,- € + 19% Umsatzsteuer in dem Zeitraum 01.04.2011 bis 30.09.2011 = 2.478,18 € Klageforderung.
3.1. BA KUG: 1,25 Stunden (streitig),
3.13. Bürgschaft: 1,25 Stunden (streitig),
3.16. Jahresabschlusserklärung: 0,25 Stunden (unstreitig),
3.17. Beteiligungsverkauf: 4,75 Stunden (unstreitig),
4.
20.10.2011, Anlage K24, Blatt 189 d. A., Beiratstätigkeit 2009 und 2010, 2 x 4.000,- € + 19% Umsatzsteuer = 9.520,- € Klageforderung.
Die Klägerin behauptet, Anfang 2009 hätten I und der Geschäftsführer der Beklagten in den Geschäftsräumen der Beklagten in M vereinbart, dass sämtliche Leistungen mit 275,- € zuzüglich Umsatzsteuer für jede geleistete Arbeitsstunde vergütet werden sollen. Der Stundensatz sei zudem ortsüblich und von der Beklagten in dem Zeitraum 2006 bis März 2010 (Anlagen K9 und K10 Blatt 118 und 119 d. A.) widerspruchslos bezahlt worden.
Die in den Zeiterfassungen Anlagen K1, Blatt 10 bis 15, K3, Blatt 17 bis 21, K5, Blatt 23 bis 25 und K13, Blatt 123 bis 136 seien in den dort genannten Angelegenheiten erbracht worden.
Hilfsweise berechnet die Klägerin die streitigen Angelegenheiten wie folgt:
1.1., 2.1., 3.1. BA KUG
Rechnung vom 28.2.2012, Anlage K21, Blatt 171 d. A. (Widerspruch) über 3.928,43 €
Rechnung vom 28.2.2012, Anlage K21, Blatt 172 d. A. über 32.990,85 €
In dem Zeitraum März 2009 bis Juli 2010 beantragte die Beklagte bei der Bundesagentur für Arbeit 1.782.312.05 € Kurzarbeitergeld. Gezahlt wurden 1.119.431,85 € (Anlage K16, Blatt 141 d. A.).
Das Hauptzollamt Dortmund führte in den Geschäftsräumen der Beklagten auf Grund der Prüfungsverfügung vom 10.5.2010 (Anlage K14, Blatt 137, 138 d. A.) eine Prüfung nach §§ 2 ff SchwarzArbG durch. Die Beklagte beauftragte Rechtsanwalt I (so die Beklagte) oder die Klägerin (so die Klägerin) mit der Wahrnehmung ihrer Interessen gegenüber der Bundesagentur für Arbeit.
Die Bundesagentur für Arbeit teilte der Beklagten mit Bescheid vom 12.5.2010 (Anlage K15, Blatt 140 d. A.) mit, dass sie der Beklagten vorerst kein Kurzarbeitergeld mehr auszahlen werde. Gegen diesen Bescheid legte Rechtsanwalt I Widerspruch ein. Von der Beklagten angemeldet und nicht ausgezahlt waren zu diesem Zeitpunkt für die Monate Februar und März 2010 373.351,74 € Kurzarbeitergeld (Anlage K16, Blatt 141 d. A.).
Am 13.1.2011 schlossen die Beklagte und die Bundesagentur für Arbeit einen Vergleich. Die Beklagte verzichtete auf Kurzarbeitergeld in Höhe von 300.000,00 €.
1.2. AÜ-Verträge
Rechnung vom 28.2.2012, Anlage K21, Blatt 173 d. A. über 4.658,61 €
Am 11.05.2009 beauftragte der Geschäftsführer der Beklagten Rechtsanwalt I (so die Beklagte) oder die Klägerin (so die Klägerin) mit der Überarbeitung und Neugestaltung der Verträge zwischen der Beklagten und den Entleihern.
2.8. K + C
Rechnung vom 28.2.2012, Anlage K21, Blatt 178 über 1.641,96 € (unstreitig sind 1.268,54 €)
2.13., 3.13. Bürgschaft:
Rechnung vom 28.2.2013, Anlage K21, Blatt 180 d. A. über 1.761,08 €, korrigiert auf 1.641,96 € (Blatt 258 d. A.)
Die Beklagte beauftragte Rechtsanwalt I (so die Beklagte) oder die Klägerin (so die Klägerin) mit der Wahrnehmung ihrer Interessen gegenüber der Firma S2 GmbH (nachfolgend S2) und der S AG (so die Klägerin) oder nur gegen die S AG (so die Beklagte). Die Beklagte hatte Forderungen gegen die S2 in Höhe von 150.000,00 € (so die Klägerin) oder 92.110,29 € (Anlage B4, Blatt 235 d. A., so die Beklagte). Gesichert war diese Forderung durch eine Bürgschaft der S AG in Höhe von 50.000,00 (Anlage B5 Blatt 236 d. A.).
Die Klägerin behauptet, der Gegenstandswert in der Angelegenheit BA KUG belaufe sich auf 1.782.312,05 € nämlich das gesamte Kurzarbeitergeld. Rechtsanwältin I2 habe den Vergleichstext mit einem Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit abgestimmt und mit der Beklagten besprochen. Eine Rahmengebühr von 25/10 sei wegen des Umfangs, der rechtlichen Schwierigkeit und der Bedeutung der Angelegenheit angemessen.
Für die Beiratstätigkeit I sei ein Jahreshonorar in Höhe von 4.000,00 € zuzüglich Umsatzsteuer vereinbart worden (Anlage K7, Blatt 27 und 28 d. A., Anlage K22, Blatt 182 bis 185 d. A., K23, Blatt 186 bis 188 d. A.). I habe seinen Honoraranspruch an die Klägerin abgetreten (Anlage K25, Blatt 190 d. A.).
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 40.983,18 € nebst 8 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus 8.579,71 € seit dem 13.11.2010, aus 20.405,29 € seit dem 28.05.2011 sowie aus 11.998,18 € seit Rechtshängigkeit und vorgerichtlicher Mahnkosten in Höhe von 1.530,58 € zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, der Gegenstandswert in der Angelegenheit BA KUG belaufe sich auf 685.462,62 €. Rechtsanwältin I2 habe bei dem Abschluss des Vergleichs nicht mitgewirkt, sie sei lediglich zugegen gewesen. Allein ihr Mitarbeiter U habe der Bundesagentur für Arbeit den Vergleichsabschluss unterbreitet.
Für die Erstellung der AÜ-Verträge sei eine Vergütung in Höhe von 1.000,00 € angemessen.
Für jede Teilnahme an jeder Beiratssitzung sei ein Honorar in Höhe von 1.000,00 € zuzüglich Umsatzsteuer vereinbart worden.
Die Beklagte erklärt die Aufrechnung mit einem streitigen Schadensersatzanspruch in Höhe von 62.880,38 €.
Die Beklagte behauptet in diesem Zusammenhang, Rechtsanwältin I2 habe sie am 26 März 2009 falsch beraten. Sie habe erklärt, dass die positiven Arbeitszeitguthaben der Leiharbeitnehmer vor der Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld nicht aufgelöst werden müssen. Zu Beginn der Kurzarbeit habe das Arbeitszeitguthaben 13.240,29 Stunden betragen und der Urlaubsstand 1.370 Urlaubstage x 7 Stunden. Der Wert belaufe sich auf 131.476,08 € + 95.228,70 € = 226.704,78 € (Anlage B15). Die Beklagte hätte keinen Antrag auf Kurzarbeitergeld gestellt, wenn ihr Rechtsanwältin I2 mitgeteilt hätte, dass die Urlaubs- und Zeitkonten der Mitarbeiter aufzulösen sind. Von 370 Mitarbeitern hätten sich 128 Mitarbeiter in der Probezeit befunden, deren Arbeitsverhältnisse mit einem Kostenaufwand in Höhe von 39.325,41 € + 20.794,21 hätten beendet werden können (Anlage B10). Die verbleibenden, produktiven 233 Mitarbeiter hätten nicht kurzarbeiten müssen und seien in der Lage gewesen, die vorhandenen Aufträge zu erfüllen (Anlage B13). In dem Zeitraum März 2009 bis Juli 2010 seien 772.798,88 Stunden geleistet worden. Die zu vergütende tarifliche Arbeitszeit belaufe sich auf 582.267 Stunden.
Die Klägerin behauptet, Rechtsanwältin I2 habe die Beklagte am 26. März 2009 darauf hingewiesen, dass die genauen Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld noch nicht eingeschätzt werden können und empfohlen, sich vor der erstmaligen Inanspruchnahme von Kurzarbeit von der Bundesanstalt für Arbeit beraten zu lassen. Sie habe darauf hingewiesen, dass Zeitkonten abgebaut werden müssen, Minusstunden aber nicht berücksichtigt werden müssen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrages der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen U sowie durch Einholung eines Gebührengutachtens der Rechtsanwaltskammer Hamm.
Gründe
Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 49.744,67 € - 17.027,06 € (unstreitige Zahlungen der Beklagten) = 32.717,61 €.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus eigenem Recht einen Vergütungsanspruch in Höhe von 39.034,67 € (nachfolgend 1.) und aus abgetretenem Recht einen weiteren Zahlungsanspruch in Höhe von 10.710,00 € (nachfolgend 2.). Der Beklagten steht kein Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin zu, mit dem sie gegen die Klageforderung aufrechnen kann (nachfolgend 3.).
1.Die Klägerin ist Vertragspartnerin der Beklagten geworden.
Wer einen einer Anwaltssozietät oder Partnerschaftsgesellschaft angehörenden Rechtsanwalt beauftragt schließt den Anwaltsvertrag im Zweifel nicht nur mit dem Rechtsanwalt ab, der seine Sache bearbeitet, sondern mit der Sozietät oder Partnerschaftsgesellschaft (BGH NJW 1971, 1801, NJW 1995, 1841, Fahrendorf u. a., die Haftung des Rechtsanwalts, 8. Auflage, Rn. 116 ff.). Nach der Verkehrsauffassung ist davon auszugehen, dass ein Rechtsanwalt, der wie Rechtsanwalt I einer Partnerschaftsgesellschaft angehört, ein ihm angetragenes Mandat in der Regel im Namen der Partnerschaftsgesellschaft annimmt. Anhaltspunkte für einen Ausnahmefall sind im vorliegenden Verfahren weder ersichtlich noch dargelegt.
Der Vergütungsanspruch der Klägerin berechnet sich wie folgt:
1.1. BA KUG
In dieser Angelegenheit steht der Klägerin ein Vergütungsanspruch in Höhe von 20.539,40 € zu.
Die Höhe der Vergütung ergibt sich zwar nicht aus der von der Klägerin behaupteten mündlichen Vergütungsvereinbarung, die nach § 3 a Abs. 1 S2 formunwirksam ist, aber aus Nr. 2300 VV zum S2 in Verbindung mit §§ 2, 13, 14 S2.
Nach Nr. 2300 VV zum S2 erhält der Rechtsanwalt 0,5 bis 2,5 der Gebühr nach § 13 S2 für die außergerichtliche Vertretung im Verwaltungsverfahren.
Bei der Wahrnehmung der Interessen der Beklagten gegenüber der Bundesagentur für Arbeit und in dem Widerspruchsverfahren handelt es sich um eine Angelegenheit. Die Tätigkeit im Vorverfahren und im weiteren Verwaltungsverfahren sind nach § 17 Nr. 1 S2 in der im vorliegenden Fall maßgebenden Fassung bis zum 31.07.2013 nur dann verschiedene Angelegenheiten, wenn das weitere Verwaltungsverfahren entweder eine Sachurteilsvoraussetzung für das nachfolgende gerichtliche Verfahren oder zumindest ein förmliches Vorschaltverfahren ist, in dem eine vollumfängliche Prüfung der angegriffenen behördlichen Entscheidung stattfindet (Mayer/Kroiß, S2, 6. Aufl., § 17 Rn. 7). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Der Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 12.05.2010 (Anlage K 15, Blatt 140 d. A.), gegen den die Klägerin Widerspruch eingelegt hat, enthält eine Entscheidung nach § 331 Abs. 1 SGB III und keinen Verwaltungsakt. § 331 SGB III dient dem Schutz für Überzahlungen in der Zeit, bevor die Rechtsgrundlage der Zahlung, der bisherige Verwaltungsakt, geändert oder aufgehoben worden ist. Denn selbst vorläufige Entscheidungen bedürfen der Aufhebung oder Änderung und bilden bis dahin eine gültige Rechtsgrundlage. Zu diesem Zweck räumt das Gesetz der Bundesagentur für Arbeit ausnahmsweise die Befugnis ein, die Leistung entgegen der durch den bisherigen Verwaltungsakt gestalteten Rechtslage nicht zu erbringen. Die Entscheidung der Bundesagentur für Arbeit, hiervon Gebrauch zu machen, beruht unmittelbar auf dem Gesetz und enthält eben so wenig eine eigenständige Regelung wie die darauf folgende Zahlungseinstellung, es handelt sich deshalb nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um ein faktisches Verwaltungshandeln (Gargel, SGB III, § 331 Rn. 1).
Der Gegenstandswert der Angelegenheit beläuft sich auf 1.782.312,05 €, nämlich sowohl das an die Beklagte bereits ausgezahlte als auch das beantragte und nicht ausgezahlte Kurzarbeitergeld (Einzelheiten Anlage K 16, Blatt 141 d. A.). Gegenstand der Prüfung war ausweislich der Prüfungsverfügung vom 10.05.2010 (Anlage K 14, Blatt 137 d. A.), die Prüfung, ob die Beklagte Sozialleistungen zu Recht bezogen bzw. beantragt hat.
Bei einem Gegenstandswert in Höhe von 1.782.312,05 € beträgt eine Gebühr nach § 13 S2 in der maßgebenden Fassung bis zum 31.07.2013 6.896,00 €.
Die von der Klägerin vorgenommene Gebührenbestimmung in Höhe von 25/10 entspricht unter Berücksichtigung aller Umstände der vorliegenden Angelegenheit, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beklagten billigem Ermessen und ist damit nach § 14 Abs. 1 S2 bindend. Das Gericht hat nach § 14 Abs. 2 S2 zur Angemessenheit der von der Klägerin berechneten Rahmengebühr ein Gutachten der Rechtsanwaltskammer Hamm eingeholt. Die Rechtsanwaltskammer hat die vorgenannten Bemessungskriterien beurteilt und gewichtet und die Angemessenheit der von der Klägern berechneten Rahmengebühr bejaht. Das Gericht schließt sich uneingeschränkt dieser überzeugend begründeten Beurteilung an.
Festzuhalten bleibt damit, dass der Klägerin nach Nr. 2300 VV zum S2 eine Geschäftsgebühr in Höhe von 6.896,00 € x 2,5 = 17.240,00 €, zuzüglich 20,00 € Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV zum S2) sowie 19 % USt = 20.539,40 € zusteht.
Die geltend gemachte Einigungsgebühr steht der Klägerin nicht zu. Nach Nr. 1000 Abs. 2 VV zum S2 erhält der Rechtsanwalt 1,5 der Gebühr nach § 13 S2 für die Mitwirkung bei Vergleichsverhandlungen, es sei denn, dass diese für den Abschluss des Vergleiches nicht ursächlich war. Die Beklagte bestreitet ausdrücklich, dass die Mitwirkung durch Rechtsanwältin I2 für den Abschluss des Vergleiches mitursächlich war. Die beweisbelastete Klägerin hat für ihren Vortrag keinen Beweis angetreten.
1.2. AÜ-Verträge
In dieser Angelegenheit steht der Klägerin ein Vergütungsanspruch in Höhe der Klageforderung von 9,75 Stunden x 275,00 € = 2.681,25 € + 19 % USt = 3.190,68 € zu. An die Klageforderung ist das Gericht nach § 308 ZPO gebunden.
Die Höhe der Vergütung ergibt sich entweder aus der von der Klägerin behaupteten streitigen Gebührenvereinbarung oder aus § 34 S2 in Verbindung mit § 612 Abs. 2 BGB. In beiden Fällen erfolgt eine Abrechnung nach einem Stundensatz von 275,00 €, weil dieser entweder vereinbart oder ortsüblich (§ 612 Abs. 2 BGB) ist.
Zur Ortsüblichkeit des Stundensatzes hat das Gericht nach § 73 Abs. 2 Nr. 8 BRAO ein Gutachten der Rechtsanwaltskammer eingeholt. Danach ist ein Stundensatz von 275,00 € ortsüblich und angemessen. Das Gericht schließt sich dieser nachvollziehbaren und überzeugenden Beurteilung an.
Die Klägerin hat in dieser Angelegenheit unstreitig 9,75 Stunden gearbeitet.
Der Einwand der Beklagten der Zeitaufwand sei übersetzt und eine Vergütung in Höhe von 1.000,00 € üblich und angemessen ist unsubstantiiert. Der Unternehmer ist zwar verpflichtet, auf eine wirtschaftliche Betriebsführung zu achten und keinen unbeschränkt vergütungspflichtigen Zeitaufwand zu betreiben (BGH NJW 2009, 3426, NJW 2000, 1107). Es obliegt jedoch dem Auftraggeber, hier der Beklagten, konkrete Tatsachen vorzutragen und zu beweisen, aus denen sich ein Verstoß der Klägerin gegen die Pflicht zur wirtschaftlichen Betriebsführung ergibt. Solche Tatsachen hat die Beklagte nicht vorgetragen.
1.3. TAZ Zulassung
In dieser Angelegenheit steht der Klägerin ein Vergütungsanspruch in Höhe der Klageforderung von 3,5 Stunden (unstreitig) x 275,00 € (vereinbarter oder ortsüblicher Stundensatz) = 962,50 € + 19 % USt = 1.145,37 € zu.
1.4. Kapitalaufbring
In dieser Angelegenheit steht der Klägerin ein Vergütungsanspruch in Höhe der Klageforderung von 0,75 Stunden (unstreitig) x 275,00 € (vereinbarter oder ortsüblicher Stundensatz) = 206,25 € + 19 % USt = 245,43 € zu.
1.5. TAZ Satzung/Geschäftsführerwechsel
In dieser Angelegenheit steht der Klägerin ein Vergütungsanspruch in Höhe der Klageforderung von 2,75 Stunden (unstreitig) x 275,00 € (vereinbarter oder ortsüblicher Stundensatz) = 756,25 € + 19 % USt = 899,93 € zu.
1.6. Änderung Gesellschaftsverträge
In dieser Angelegenheit steht der Klägerin ein Vergütungsanspruch in Höhe der Klageforderung von 6,75 Stunden (unstreitig) + 3,25 Stunden (unstreitig) + 3,25 Stunden (unstreitig) = 10 Stunden x 275,00 € (vereinbarter oder ortsüblicher Stundensatz) = 2.750,00 € + 19 % USt = 3.272,50 € zu.
1.7. Beauftragter Arbeitsschutz
In dieser Angelegenheit steht der Klägerin ein Vergütungsanspruch in Höhe der Klageforderung von 0,25 Stunden (unstreitig) x 275,00 € (vereinbarter oder ortsüblicher Stundensatz) = 68,75 € + 19 % USt = 81,81 € zu.
1.8. K und N
In dieser Angelegenheit steht der Klägerin ein Vergütungsanspruch in Höhe der Klageforderung von 3 Stunden x 275,00 € (vereinbarter oder ortsüblicher Stundensatz) = 825,00 € + 19 % USt = 981,75 € zu.
Die Höhe der Vergütung ergibt sich zwar nicht aus der von der Klägerin behaupteten mündlichen Vergütungsvereinbarung, die nach § 3 a Abs. 1 S2 formunwirksam ist, aber aus Nr. 2300 VV zum S2 in Verbindung mit §§ 2, 13, 14 S2.
Der Gegenstandswert beläuft sich unstreitig auf 50.000,00 €. Bei diesem Gegenstandswert beträgt die Gebühr nach § 13 S2 in der maßgebenden Fassung bis zum 31.07.2013 1.046,00 €.
Dahinstehen kann die Billigkeit der in Rechnung gestellten 13/10 Gebühr, denn auch die von der Beklagten zugestandene 10/10 Gebühr übersteigt die Klageforderung, die nach § 308 ZPO bindend ist.
1.9. Grenzüberschreitende AÜ
In dieser Angelegenheit steht der Klägerin ein Vergütungsanspruch in Höhe der Klageforderung von 7 Stunden (unstreitig) x 275,00 € (vereinbarter oder ortsüblicher Stundensatz) = 1.925,00 € + 19 % USt = 2.290,75 € zu.
1.10. AÜG-Prüfung, 05.01.2011
In dieser Angelegenheit steht der Klägerin ein Vergütungsanspruch in Höhe der Klageforderung von 0,75 Stunden (unstreitig) x 275,00 € (vereinbarter oder ortsüblicher Stundensatz) = 206,25 € + 19 % USt = 245,43 € zu.
1.11. Schriftformerfordernis AÜ-Vertrage
In dieser Angelegenheit steht der Klägerin ein Vergütungsanspruch in Höhe der Klageforderung von 0,5 Stunden (unstreitig) x 275,00 € vereinbarter oder ortsüblicher Stundensatz = 137,50 € + 19 % USt = 163,62 € zu.
1.12. Holdingfinanzierung
In dieser Angelegenheit steht der Klägerin ein Vergütungsanspruch in Höhe der Klageforderung von 7,75 Stunden (unstreitig) x 275,00 € (vereinbarter oder ortsüblicher Stundensatz) = 2.131,25 € + 19 % USt = 2.536,18 € zu.
1.13. Bürgschaft
In dieser Angelegenheit steht der Klägerin ein Vergütungsanspruch in Höhe von 1.641,96 € zu.
Die Höhe der Vergütung ergibt sich zwar nicht aus der von der Klägerin behaupteten mündlichen Vergütungsvereinbarung, die nach § 3 a Abs. 1 S2 formunwirksam ist, aber aus Nummer 2300 VV zum S2 in Verbindung mit §§ 17, 13, 14 S2.
Der Gegenstandswert beläuft sich unstreitig auf 50.000,00 €. Bei diesem Gegenstandswert beträgt die Gebühr nach § 13 S2 in der maßgebenden Fassung bis zum 31.07.2013 1.046,00 €.
Die von der Klägerin in Rechnung gestellte Mittelgebühr von 13/10 entspricht unstreitig der Billigkeit und ist daher nach § 14 Abs. 1 S2 bindend, denn es sind keinerlei Gesichtspunkte ersichtlich oder dargelegt, die Angelegenheit als unterdurchschnittlich zu bewerten.
1.14. Kündigung Frau M
In dieser Angelegenheit steht der Klägerin ein Vergütungsanspruch in Höhe der Klageforderung von 0,5 Stunden (unstreitig) x 275,00 € (vereinbarter oder ortsüblicher Stundensatz) = 137,50 € + 19 % USt = 163,62 € zu.
1.15. Beiratssitzung
Dazu unter 2..
1.16. Jahresabschlusserklärung
In dieser Angelegenheit steht der Klägerin ein Vergütungsanspruch in Höhe der Klageforderung von 0,25 Stunden (unstreitig) x 275,00 € (vereinbarter oder ortsüblicher Stundensatz) = 68,75 € + 19 % USt = 81,81 € zu.
1.17. Beteiligungsverkauf
In dieser Angelegenheit steht der Klägerin ein Vergütungsanspruch in Höhe der Klageforderung von 4,75 Stunden (unstreitig) x 275,00 € (vereinbarter oder ortsüblicher Stundensatz) = 1.306,25 € + 19 USt = 1.554,13 €.
Die Summe der Positionen 1.11 bis 1.17 ergibt 39.034,67 €.
2.
Rechtsanwalt I hat der Klägerin in der Klage vom 22.11.2011 (Seite 9) seine Honorarforderungen für seine Beiratstätigkeit abgetreten. Ein Zugang der Annahmeerklärung der Klägerin war nach § 151 BGB entbehrlich, weil es sich für die Klägerin lediglich um ein vorteilhaftes Geschäft handelt (Palandt § 151 Rn. 4).
Die Höhe des Honoraranspruchs beläuft sich für die Jahre 2009 und 2010 jeweils auf 4.000,00 € zuzüglich 19 % Umsatzsteuer und für das Jahr 2011 zeitanteilig für das 1. Quartal auf 4.000,00 € : 4 = 1.000,00 € + 19 % USt insgesamt mithin 10.710,00 €.
Rechtsanwalt I und die Beklagte haben für die Beiratstätigkeit ein Jahreshonorar in Höhe von 4.000,00 € zuzüglich Umsatzsteuer vereinbart.
Dies folgt ohne weiteres aus den Anlagen K 7, K 22 und K 23.
Unerheblich ist die Anzahl der Beiratssitzungen, an denen Rechtsanwalt I teilnahm. Der Zeuge U hat die Behauptung der Beklagten, für jede Teilnahme an einer Beiratssitzung sei ein Honorar in Höhe von 1.000,00 € zuzüglich Umsatzsteuer vereinbart worden, nicht bestätigt. Er konnte sich an die Einzelheiten der entscheidenden Beiratssitzung vom 07.04.2008 nicht erinnern.
3.
Die Beklagte hat gegen die Klägerin keinen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 62.880,38 € gemäß § 280 BGB, der allein als Rechtsgrundlage in Betracht kommt.
Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang, ob der Klägerin die von der Beklagten behauptete Falschberatung zur Last fällt. Die Beklagte hat nicht nachvollziehbar dargelegt, dass ihr durch diese Pflichtverletzung und die unterbliebene Kündigung von 128 Mitarbeitern ein Schaden in Höhe von 62.880,38 € entstanden ist. Nach ihrem eigenen Vortrag wurden in dem Zeitraum März 2009 bis Juli 2010, in dem Kurzarbeitergeld gezahlt wurde von 370 Mitarbeitern 772.798,88 Arbeitsstunden geleistet (Seite 5 und 6 des Schriftsatzes vom 07.01.2013, Blatt 281 und Blatt 282 d. A., Anlage B 13).
Die nach Kündigung aller Probearbeitsverhältnisse verbleibenden 233 produktiven Mitarbeiter hätten jedoch nach dem eigenen Vortrag der Beklagten nur 582.267 tarifliche Arbeitsstunden leisten können (Seite 6 und 7 des Schriftsatzes) vom 07.01.2013, Blatt 282 und 283 d. A.), mithin ein Verlust von 190.531 Arbeitsstunden. Den sich aus der unterbliebenen Kündigung von 128 Mitarbeitern ergebenden Vorteil, nämlich dem Umsatz und Gewinn von 190.531 Arbeitsstunden berücksichtigt die Beklagte bei ihrer im Übrigen nicht nachvollziehbaren Schadensberechnung nicht. Dies gilt auch für das Kurzarbeitergeld von mehr als 1,1 Mio. Euro, das die Beklagte von der Bundesagentur für Arbeit erhalten hat.
Festzuhalten bleibt damit, dass die Klage in Höhe von 32.717,61 € begründet ist.
Der Zinsanspruch der Klägerin folgt aus §§ 286, 288 BGB, der Anspruch auf Ersatz der anteiligen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus § 280 BGB, die Kostenentscheidung aus § 92 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
LG Dortmund:
Urteil v. 11.10.2013
Az: 3 O 207/12
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