Landgericht Köln:
Urteil vom 13. Januar 2006
Aktenzeichen: 82 O 174/05

(LG Köln: Urteil v. 13.01.2006, Az.: 82 O 174/05)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Landgericht Köln hat in einem Urteil entschieden, dass den Klägern als Aktionären der Beklagten das Bezugsrecht für die im Rahmen einer Hauptversammlung beschlossene Kapitalerhöhung zusteht. Die Kläger sind seit Frühjahr 2004 Aktionäre der Beklagten und halten 6,02% des Grundkapitals. Die Beklagte befand sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten und führte am 30.12.2003 einen Kapitalschnitt durch. Einige Aktionäre fochten die Hauptversammlungsbeschlüsse an, jedoch endete der Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht mit einem Vergleich. In diesem Vergleich wurde festgelegt, dass allen Aktionären, die am 30.12.2003 bereits Aktionäre der Beklagten waren, ein Bezugsangebot auf neue Aktien gemacht wird. Die Kläger wandten sich daraufhin schriftlich an die Beklagte, um Klarheit über ihre Bezugsberechtigung zu erhalten. Die Beklagte reagierte nicht auf das Schreiben der Kläger. Die Kläger erhoben daraufhin Feststellungsklage vor dem Landgericht Köln. Das Gericht entschied, dass die Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung haben, da die Kapitalerhöhung noch nicht durchgeführt wurde, das Bezugsrecht aber bereits beschlossen ist. Die Klage wurde für zulässig erklärt und in der Sache für begründet. Den Klägern steht das Bezugsrecht aus dem Vergleich zu, da sie die Aktien von Altaktionären erworben haben, die am 30.12.2003 bereits Aktionäre der Beklagten waren. Die Beklagte ist verpflichtet, den Klägern das Bezugsangebot zu machen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

LG Köln: Urteil v. 13.01.2006, Az: 82 O 174/05


Tenor

Es wird festgestellt, dass den Klägern als Aktionären der Beklagten für den Fall der Durchführung der im Rahmen der Hauptversammlung der Beklagten am 30.12.2003 beschlossenen Kapitalerhöhung das Bezugsrecht für die neuen Aktien zusteht, und zwar nach Maßgabe des vor dem Oberlandesgericht Köln, Az.: 18 U 116/04, im Dezember 2004 geschlossenen Vergleiches.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Nebenintervenienten tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger sind seit Frühjahr 2004 Aktionäre der Beklagten. Sie halten 3.180.000 Aktien und damit circa 6,02% des Grundkapitals der Beklagten.

Die Beklagte befindet sich seit einiger Zeit in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Im Rahmen ihrer Hauptversammlung am 30.12.2003 wurde ein so genannter Kapitalschnitt, das heißt eine Kapitalherabsetzung auf Null bei gleichzeitiger Kapitalerhöhung auf ein Stammkapital von 20 Millionen €, beschlossen. Mit Bekanntmachung vom 8.1.2004 (Anlage B 2) bot die Beklagte den Aktionären die Ausübung des Bezugsrechts an.

Dieser Hauptversammlungsbeschluss wurde von einigen Aktionären angefochten. Die Klage hatte beim Landgericht Köln Erfolg (82 O 10/04). Die Berufung beim Oberlandesgericht Köln (18 U 116/04) endete mit einem Vergleich. Danach sollte den Aktionären, die am 30.12.2003 Aktionäre der Beklagten waren, ein Bezugsangebot auf die neuen Aktien im Verhältnis von 26:10 zum Ausgabebetrag von 1,00 € je Aktie, kosten- und spesenfrei, eingeräumt werden. Den Inhalt des Vergleichs machte die Beklagte am 8.12.2004 durch eine Adhoc-Mitteilung bekannt.

Auf der Hauptversammlung der Beklagten am 31.3.2005 kam die Frage auf, ob sich das Bezugsangebot auf die neuen Aktien auch auf Aktionäre bezieht, die erst nach dem 30.12.2003 Aktionäre der Beklagten geworden sind. Der Inhalt der von der Beklagten gegebenen Antwort ist streitig.

Nachfolgend wandten sich die Kläger schriftlich am 6.7.2005 (Anlage K 3) an die Beklagte und baten um eine Klarstellung hinsichtlich ihrer Bezugsberechtigung aus der Kapitalerhöhung. Eine gleich gelagerte Frage eines anderen Aktionärs beantwortete die Beklagte per E-Mail, dass sich die Verwaltung zu ihrer Verfahrensweise noch nicht festgelegt habe. Die Kläger baten mit Schreiben vom 26.7.2005 (Anlage K 5) erneut um eine Stellungnahme der Beklagten zu der Bezugsberechtigung der Kläger. Die Beklagte reagierte auf dieses Schreiben nicht.

Die Kläger machen ein berechtigtes Interesse geltend, vor der Durchführung der Kapitalerhöhung Klarheit darüber zu haben, wie die Beklagte bezüglich des Bezugsrechtes der Aktionäre verfahren wird. Ihnen sei nicht zuzumuten, die Durchführung der Kapitalmaßnahme abzuwarten. Es sei zu befürchten, dass die Beklagte das Bezugsrecht der Kläger vereitele, indem sie Fakten schaffe.

Die Kläger behaupten, dass bei Abschluss des Vergleichs vor dem Oberlandesgericht Köln von den Vertragsparteien gewollt gewesen sei, dass sämtlichen Aktionären der Gesellschaft das Bezugsrecht zusteht, und zwar unabhängig davon, wann diese die Aktien erworben haben.

Die Kläger behaupten ferner, der Vorstand der Beklagten habe auf der Hauptversammlung am 31.3.2005 mitgeteilt, dass selbstverständlich auch den Aktionären, die nach dem 30.12.2003 die Aktien erworben haben, das Bezugsrecht zustehe. Auch gegenüber dem Aktionärsvertreter Herrn T habe der Vorstand der Beklagten nach dem 4.6.2005 mitgeteilt, dass das Bezugsrecht allen Aktionären gewährt werde. Gegenüber einem anderen Aktionär sei nachfolgend schriftlich geäußert worden, dass noch nicht entschieden sei, ob allen Aktionären das Bezugsrecht gewährt werde.

Die Kläger beantragen,

festzustellen, dass den Klägern als Aktionären der Beklagten für den Fall der Durchführung der im Rahmen der Hauptversammlung der Beklagten am 30.12.2003 beschlossenen Kapitalerhöhung die Bezugsberechtigung gemäß dem vor dem Oberlandesgericht Köln, Az.: 18 U 116/04, geschlossenen Vergleich zusteht.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Nebenintervenienten schließen sich den Anträgen der Beklagten an.

Die Beklagte ist der Meinung, die Feststellungsklage sei unzulässig. Einerseits fehle es an dem erforderlichen Feststellungsinteresse; ein Rechtsverhältnis entstehe erst bei Durchführung der Kapitalerhöhung. Andererseits stehe den Klägern die Leistungsklage in Form der Unterlassungsklage zur Verfügung.

Die Klage sei auch in der Sache unbegründet. Die Beklagte habe den Klägern das nach dem ursprünglichen Antrag geforderte gesetzliche Bezugsrecht eingeräumt. Dies sei nicht ausgeübt worden. Rechte aus dem gerichtlichen Vergleich vor dem Oberlandesgericht Köln stünden den Klägern nicht zu, da diese einerseits am Vergleich nicht beteiligt und andererseits auch am 30.12.2003 nicht Aktionäre der Beklagten gewesen seien. Der Wortlaut des Vergleiches sei eindeutig. Es sei auch gewollt gewesen, dass nur die Aktionäre, die am 30.12.2003 Aktionäre der Beklagten gewesen seien, Rechte erlangen sollten. Nachfolgend habe sich der Vorstand der Beklagten auf Fragen von Aktionären zum Bezugsrecht der Aktionäre dahingehend geäußert, dass der Wortlaut des Vergleichs klar sei und keine Veranlassung bestehe, über die Auslegung des Vergleichs zu debattieren.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien sowie auf die dazu eingereichten Anlagen Bezug genommen.

Gründe

I.

Gegenstand der Feststellungsklage ist das Bezugsrecht der Kläger aus dem Vergleich vor dem Oberlandesgericht Köln zum Aktenzeichen 18 U 116/04. Zwar haben die Kläger ausweislich ihres Antrages in der Klageschrift zunächst auf Feststellung des gesetzlichen Bezugsrechtes aus der Kapitalerhöhung vom 30.12.2003 geklagt. Doch ergibt sich aus der Begründung und insbesondere aus der Klarstellung im Termin vom 25.11.2005, dass es den Klägern von Beginn an um die Rechte aus dem Vergleich von Dezember 2004 gegangen ist. Die Kläger haben bereits in der Klageschrift ausgeführt, dass es nach Abschluss des Vergleiches im Dezember 2004 zu Diskussionen darüber kam, wie die Gesellschaft mit Aktionären verfahren wird, die erst nach dem 30.12.2003 die Aktien erworben haben. Die Kläger haben sich diesbezüglich sowohl mündlich als auch schriftlich an die Beklagte gewandt. Mit Schreiben vom 06.06.2005 (Anlage K 3) ließen die Kläger anfragen, wie der Vergleich vom Dezember 2004 zu verstehen sei und ob auch Aktionäre, die nach dem 30.12.2003 Aktien erworben haben, das Bezugsrecht haben. Vor diesem Hintergrund war der ursprünglich gestellte Klageantrag lediglich missverständlich gefasst und entsprechend klarzustellen.

II.

Die Feststellungsklage ist zulässig.

Gemäß § 256 Abs. 1 S. 1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses geklagt werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis alsbald festgestellt wird. Unter einem Rechtsverhältnis im Sinne dieser Vorschrift wird eine hinreichend konkrete und gegenwärtige Rechtsbeziehung zwischen Personen oder Personen und Sachen verstanden. Das Feststellungsinteresse kann fehlen, wenn der Kläger seine Rechte durch eine Leistungsklage wahren kann (vgl. Musielak, ZPO, 4. Auflage 2005, § 256 Rdnr. 12 m.w.N.).

1.)

Die Kläger haben ein Interesse an der Feststellung, dass sie aus dem vor dem Oberlandesgericht Köln geschlossenen gerichtlichen Vergleich berechtigt sind, Aktien aus der beschlossenen Kapitalerhöhung zu beziehen. Das Rechtsverhältnis der Parteien besteht darin, dass die Kläger Aktionäre der Beklagten sind. Die Kläger nehmen innerhalb dieser Rechtsbeziehung das Recht für sich in Anspruch, Bezugsrechte aus dem Vergleich herzuleiten für den Fall, dass die Kapitalerhöhung durchgeführt wird. Richtig ist zwar, dass die Kapitalerhöhung noch nicht durchgeführt worden ist. Sie ist allerdings bereits beschlossen. Denn der Beschluss ist nach der Rücknahme der Anfechtungsklagen infolge des Vergleichsabschlusses auch wirksam geworden. Damit besteht für die Beklagte die Möglichkeit, die Kapitalerhöhung durchzuführen und in diesem Rahmen die Bezugsrechte anzubieten. Somit besteht ein hinreichend konkretes und gegenwärtiges Rechtsverhältnis, dass die Kläger festgestellt haben wollen. Das rechtliche Interesse der Kläger ergibt sich insbesondere auch daraus, dass ihnen ansonsten ein Rechtsverlust droht, falls die Beklagte die Kapitalerhöhung durchführt und innerhalb kurzer Fristen Bezugsrechte anbietet.

2.)

Die erhobene Feststellungsklage ist auch nicht gegenüber einer Leistungsklage subsidiär. Die von der Beklagten angeführte Leistungsklage in Form der Unterlassungsklage scheidet vorliegend aus. Einerseits sind die von der Beklagten angeführte Leistungsklage und die von den Klägern erhobene Feststellungsklage nicht deckungsgleich, andererseits steht den Klägern das mit der Leistungsklage verfolgbare Recht auch nicht zu.

Die Streitgegenstände von Leistungs- und Feststellungsklage wären nicht identisch. Mit der Feststellungsklage wird die Feststellung des Bezugsrechtes begehrt, die Leistungsklage wäre auf die Unterlassung der Kapitalerhöhung gerichtet.

Die Kläger könnten zudem nicht untersagen, dass die Kapitalerhöhung durchgeführt wird, selbst wenn sie einen Anspruch auf das Bezugsrecht haben. Folglich muss die Leistungsklage auch aus diesem Grund außer Betracht bleiben.

3.)

Die Klage ist auch in der Sache begründet.

Den Klägern steht ein Bezugsrecht aus der Kapitalerhöhung vom 30.12.2003 nach Maßgabe des gerichtlichen Vergleichs vor dem Oberlandesgericht Köln zu dem Aktenzeichen 18 U 116/04 zu.

Nachdem die Hauptversammlungsbeschlüsse der Beklagten vom 30.12.2003, mit denen ein sogenannter Kapitalschnitt durchgeführt wurde, von einigen Aktionären vor der erkennenden Kammer erfolgreich angefochten worden waren, trafen die Parteien des vorgenannten Rechtsstreites vor dem Oberlandesgericht Köln einen Vergleich, wonach sich die Beklagte verpflichtete, allen Aktionären, die am 30.12.2003 Aktionäre der I waren, ein erneutes Bezugsangebot auf neue Aktien im Verhältnis 26:10 zum Ausgabebetrag von 1,00 € je Aktie, Kosten und Spesen frei, einzuräumen. Die Bezugsfrist sollte 14 Tage betragen. Die Beklagte verpflichtete sich, im Bezugsangebot mitzuteilen, welche Investoren die von den Aktionären nicht gezeichneten neuen Aktien zeichnen und übernehmen. Die Beklagte garantierte ferner einen Bezugsrechtshandel.

Die Kläger haben die in diesem Vergleich angesprochene Bezugsberechtigung erworben. Zwar waren die Kläger weder an dem Vergleich beteiligt noch waren sie am 30.12.2003 Aktionäre der Beklagten. Dennoch haben sie mit dem Erwerb der Aktien im Jahre 2004 das Bezugsrecht aus dem Vergleich erlangt. Im Einzelnen:

Entsprechend dem klaren Wortlaut und dem Sinn und Zweck des Vergleichs sollten sämtliche Aktionäre, die am 30.12.2003, dem Tag der Hauptversammlung, Aktionäre der Beklagten waren, das Bezugsrecht aus dem Vergleich erhalten. Es handelt sich ohne Zweifel um einen Vergleich zugunsten Dritter gem. § 328 BGB, aus dem die Aktionäre selbständig Rechte herleiten können. Erfasst werden sollten sämtliche am 30.12.2003 vorhandene Aktionäre der Beklagten und nicht nur die Aktionäre, die gegen die Hauptversammlungsbeschlüsse vom 30.12.2003 Widerspruch eingelegt bzw. geklagt hatten. Üblicherweise werden derartige Vergleiche zugunsten sämtlicher Aktionäre vereinbart, und zwar schon aus Gründen der Gleichbehandlung, § 53 a AktG.

Folglich wollte die Beklagte allen Aktionärin vom 30.12.2003 durch den gerichtlichen Vergleich, d.h. auf schuldrechtlicher Basis, Bezugsrechte einräumen. Dies stellt die Beklagte selbst auch nicht in Abrede.

Die weitergehende Interpretation des Vergleichs seitens der Beklagten, dass die Rechte zudem nur solche Aktionäre erhalten sollten, die auch zum Zeitpunkt des Vergleichs noch Aktionäre der Beklagten waren, wird von der Kammer nicht geteilt. Dazu fehlt zunächst im Wortlaut des Vergleichs jeglicher Anhaltspunkt. Im Gegenteil deutet der Wortlaut gerade darauf hin, dass es nicht darauf ankommt, dass die Aktionäre zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses noch Aktionäre der Beklagten sind. In diesem Falle hätte eine andere Formulierung nahe gelegen, nämlich sämtlichen Aktionären, die auch bereits am 30.12.2003 Aktionäre der Beklagten waren, ein Bezugrecht anzubieten. Stattdessen haben die Parteien eine abweichende Formulierung gewählt, nämlich allen Aktionären, die am 30.12.2003 Aktionäre der I AG waren, ein Bezugsrecht anzubieten. Abgesehen davon ist es nach Sinn und Zweck nicht zwingend, dass nur die Aktionäre ein Bezugrecht erlangten sollten, die sowohl am 30.12.2003 als auch noch ein Jahr später zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses Aktionäre der Beklagten waren. Denn Gegenstand des damaligen Anfechtungsprozesses waren die Beschlüsse vom 30.12.2003. Betroffen waren daher in erster Linie die Personen, die seinerzeit Aktionäre der Beklagten waren. Im übrigen ist des weiteren nicht davon auszugehen, dass die Beklagte bezüglich ihrer Aktionäre differenzieren wollte und das Bezugsrecht aus der Vergleichsregelung auf solche Aktionäre beschränken wollte, die ihr seit dem 30.12.2003 "die Treue gehalten" haben. Dafür gibt es keine sachgerechten Gründe. Betroffen waren nämlich sämtliche am 30.12.2003 vorhandene Gesellschafter. Die Beklagte liefert schließlich selbst eine zusätzliche Begründung dafür, dass sämtliche Aktionäre, die zum 30.12.2003 Aktionäre der Beklagten waren, aus dem Vergleich berechtigt werden sollten. Denn mit dieser Regelung habe verhindert werden sollen, dass Personen begünstigt werden, die erst nachträglich von dem Klageverfahren und von dem Vergleich erfahren haben ("Trittbrettfahrer"). Diese Intention erfordert aber nicht, nur diejenigen zu begünstigen, die sowohl am 30.12.2003 als auch bei Abschluss des Vergleichs im Dezember 2004 Aktionäre der Beklagten waren. Letztlich haben die Vertragsparteien mit der tatsächlich getroffenen Regelung klarstellen wollen, dass nicht sowohl Altaktionäre als auch Neuaktionäre nebeneinander Rechte aus dem Vergleich herleiten können. Denn ohne zeitliche Beschränkung auf den 30.12.2003 wäre unklar gewesen, ob auch Aktionäre, die danach erworben haben, ein originäres Bezugsrecht aus dem Vergleich haben. Durch die zeitliche Datierung ist klar, dass Neuaktionäre, unter anderem auch die Kläger, ein derartiges originäres Bezugsrecht aus dem Vergleich nicht haben.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist damit aber ein Bezugsrecht der Kläger aus dem Vergleich nicht ausgeschlossen. Denn letztlich haben sie ein abgeleitetes Recht erworben. Richtig an der Darstellung der Beklagten ist lediglich, dass die Kläger aus dem gerichtlichen Vergleich vor dem Oberlandesgericht Köln nicht unmittelbar berechtigt wurden. Allerdings haben sämtliche Altaktionäre zum 30.12.2003 rückwirkend ein schuldrechtliches Bezugsrecht erworben. Die Kläger haben ihre Aktien in einer Veräußerungskette von den Altaktionären zum 30.12.2003 erworben. Dabei kann offen bleiben, ob ein oder mehrere Verkaufsvorgänge dazwischen lagen. Jedenfalls leiten die Kläger ihre Aktien im Ergebnis von Altaktionären zum 30.12.2003 ab. Die Aktaktionäre haben mit der Übertragung der Aktien analog § 401 BGB auch die nachträglich durch Vergleich gewährten Bezugsrechte auf die Erwerber der Aktien übertragen. Auch wenn das Bezugsrecht nach allgemeiner Auffassung gegenüber der Aktie eigenständig ist und auch selbständig übertragbar ist, ist das Bezugsrecht vorliegend als Annex zur Aktie auf die Neuaktionäre übergegangen. Dass das vertragliche Bezugsrecht im Falle der Veräußerung bei dem Altaktionär zwecks anderweitiger Verfügung verbleiben sollte, d.h. nur die Aktie isoliert übertragen werden sollte, ist hingegen nicht anzunehmen. Dafür sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Aus der Sicht der Parteien des gerichtlichen Vergleichs war beabsichtigt, sämtlichen Aktionären das Bezugsrecht zukommen zu lassen, lediglich beschränkt auf den Status 30.12.2003, um insbesondere zu verhindern, dass sowohl Altaktionäre als auch Neuaktionäre ein originäres Bezugsrecht geltend machen können, was den Kreis der Bezugsberechtigten unvertretbar und in einer für die Beklagten belasteten Weise ausgeweitet hätte. Bei dem Übergang des vertraglichen Bezugsrechtes im Falle der Veräußerung von Aktien durch Altaktionäre an Neuerwerber ist hingegen sichergestellt, dass entsprechend der Absicht der Beklagten die Anzahl der Bezugsrechte nicht über die Anzahl der ausgegebenen Aktien hinausgeht. Die Beklagte hat jedenfalls durch diese Regelung keine Nachteile zu befürchten. Andererseits haben auch die Altaktionäre zum 30.12.2003, die durch die Übertragung der Aktien das vertraglich gewährte Bezugsrecht verloren haben, keinen Nachteil erlitten. Aus den nachfolgenden Gründen ist auszuschließen, dass die Aktie im Hinblick auf ein ausstehendes Bezugsrecht an der Börse niedriger bewertet wurde.

Bei zusammenfassender Betrachtung kann daher festgestellt werden, dass es sachgerecht ist, dass die Neuaktionäre nach dem 30.12.2003 das vertragliche Bezugsrecht aus dem Vergleich von Dezember 2004 erworben haben, soweit nicht zuvor gesondert darüber verfügt wurde.

Vorliegend kann ausgeschlossen werden, dass die Altaktionäre zum 30.12.2003 über ihre Bezugsrechte aus dem Vergleich isoliert vor der Veräußerung der Aktien an die Kläger verfügt haben. Unter den Parteien ist streitig, ob die Bezugsrechte gehandelt wurden. Eine Veräußerung der Bezugsrechte aus dem Vergleich kann aber schon aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen werden. Denn das schuldrechtlich durch Vergleich im Dezember 2004 gewährte Bezugsrecht war zum Zeitpunkt der Veräußerung von Aktien an die Kläger, d.h. ab April 2004, noch gar nicht existent. Dieses vertragliche Bezugsrecht ist erst im Dezember 2004 mit Rückwirkung für die Altaktionäre entstanden. Frühestens ab diesem Zeitpunkt hätte auch darüber verfügt werden können. Dies war jedenfalls für die Aktionäre, die ihre Aktien vor Abschluss des Vergleichs an die Kläger verkauft haben, selbstredend nicht möglich.

Die vorstehende Auslegung des gerichtlichen Vergleichs stellt letztlich T, dass alle Aktionäre der Beklagten zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses im Dezember 2004 entsprechend § 53 a AktG gleichbehandelt werden. Berechtigt sind entweder Personen, die bereits am 30.12.2003 Aktionär der Beklagten waren, oder Neuaktionäre, die ihr Recht zwangsläufig von den Altaktionären ableiten. Diese Lösung ist sachgerecht und lebensnah und erweist sich auch deshalb als richtig, da die Beklagte nach ihrer Meinung im Extremfall keinem Aktionär ein Bezugsrecht zu gewähren hätte. Denn falls die Altaktionäre zum 30.12.2003 bis zum Vergleichsabschluss im Dezember 2004 ihre Aktien komplett veräußert hätten, und folglich bei Vergleichsabschluss der Bestand der Aktionäre völlig verändert gewesen wäre, wäre auch das vergleichsweise eingeräumte Bezugsrecht völlig leergelaufen. Das kann nicht richtig sein.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 101, 709 S. 1 ZPO.

Streitwert: 50.000,00 €.






LG Köln:
Urteil v. 13.01.2006
Az: 82 O 174/05


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/0c82e707c3a1/LG-Koeln_Urteil_vom_13-Januar-2006_Az_82-O-174-05




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