Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. November 2000
Aktenzeichen: 10 W (pat) 6/00
(BPatG: Beschluss v. 06.11.2000, Az.: 10 W (pat) 6/00)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Der Antragsteller hatte eine Frist zur Einreichung einer Abschrift einer Voranmeldung versäumt, wodurch die Prioritätsansprüche für sein Patent nicht anerkannt wurden. Der Antragsteller hatte mehrfach das Patentamt um Übertragung der Abschrift aus einer anderen Akte gebeten, jedoch keine Antwort erhalten. Das Gericht stellte fest, dass der Antragsteller die versäumte Handlung nicht innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist nachgeholt hatte und somit kein Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bestand. Das Gericht wies auch darauf hin, dass der Antragsteller selbst für die Einreichung der Abschrift verantwortlich gewesen wäre und sich nicht allein auf das Patentamt verlassen sollte. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Beschwerde des Antragstellers erfolglos war.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 06.11.2000, Az: 10 W (pat) 6/00
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Am 29. April 1998 meldete Dr. W... ein Patent mit dem Gegenstand "Einrichtung und einrichtungsbezogenes Verfahren zur Einbringung eines Diagnostikträgers oder einer Arznei unter die Haut eines Lebewesens" an.
In dem Erteilungsantrag ist die inländische Priorität aus seinen folgenden Patentanmeldungen in Anspruch genommen:
a) DE 197 19 035.9, b) DE 197 44 200.5, c) DE 198 01 845.2, d) DE 198 07 779.3.
Am 20. Mai 1998 reichte der Anmelder Abschriften der oben unter b), c) und d) genannten Voranmeldungen ein und teilte mit, daß er die Abschrift der unter a) genannten Voranmeldung unter dem Aktenzeichen der Voranmeldung b) vervollständigt und gebeten habe, diese Abschrift an die hier vorliegende Anmeldung weiterzureichen. Er bitte um Nachricht, falls dies nicht möglich sei. Ein entsprechendes Schreiben des Anmelders findet sich in der beigezogenen Akte 197 44 200.5.
Der Anmelder hatte der inländischen Priorität der Anmeldung 197 19 035.9 für die am 30. September 1997 hinterlegte Anmeldung 197 44 200.5 ebenfalls in Anspruch genommen. Die Prioritätsbeanspruchung war vom Patentamt jedoch nicht als wirksam anerkannt worden, weil innerhalb der Zwei-Monats-Frist nach § 40 Abs 4 PatG nur eine unvollständige Abschrift der Voranmeldung eingereicht worden war - es fehlten die Zeichnungsfiguren 14 und 15 - und die fehlenden Zeichnungsteile erst am 29. April 1998 und damit nach Fristablauf bei dem Patentamt eingelangt waren.
In der Folgezeit richtete der Anmelder drei Anfragen an das Patentamt dahingehend, ob die Abschrift der Voranmeldung 197 019 035.9 zum vorliegenden Verfahren gegeben worden sei. Eine Antwort hat er nicht erhalten.
Mit Bescheid vom 11. Februar 1999 forderte das Patentamt den Anmelder auf, weitere Exemplare der Anmeldeunterlagen zu übersenden, und teilte mit, daß die Prioritätserklärung hinsichtlich der unter a) genannten Voranmeldung 197 19 035.9 als nicht abgegeben gelte.
Am 9. März 1999 stellte der Anmelder Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Prioritätsfrist. Er beruft sich darauf, Regierungsdirektor E... vom Deutschen Patent- und Markenamt habe ihm tele- fonisch zugesagt, daß das Patentamt eine Abschrift der Voranmeldung 197 19 035.9 aus der Anmeldeakte 197 44 200.5 zur vorliegenden Akte geben könnte. Seine diesbezüglichen Anträge seien nicht abgelehnt worden.
Durch Beschluß vom 14. Oktober 1999 hat das Patentamt den Wiedereinsetzungsantrag mit der Begründung zurückgewiesen, daß die tatsächliche Einreichung der Unterlagen nicht durch Bezugnahmen ersetzt werden könnte.
Mit der Beschwerde macht der Anmelder im wesentlichen geltend, daß ihm versprochen worden sei, eine Abschrift aus der einen Verfahrensakte könne in die andere überstellt werden.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Beschwerdeschrift vom 22. November 1999 Bezug genommen.
Der Anmelder beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Der Senat hat eine dienstliche Stellungnahme des Regierungsdirektors E... eingeholt. Auf die dienstliche Äußerung vom 19. Juli 2000 wird Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Anmelders ist zulässig, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg. Das Patentamt hat seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht zurückgewiesen.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 123 Abs 1 PatG gewährt, wenn eine dem Patentamt gegenüber einzuhaltende Frist, deren Versäumung nach gesetzlicher Vorschrift einen Rechtsnachteil zur Folge hat, ohne Verschulden versäumt worden ist.
Der Anmelder hat die Frist des § 40 Abs 4 PatG in der Fassung des Gesetzes vom 28. Oktober 1996 (= aF) versäumt. Nach dieser Vorschrift hätte er für eine wirksame Inanspruchnahme der inländischen Priorität binnen zwei Monaten nach Eingang der Anmeldung eine Abschrift der Voranmeldung einreichen müssen. Dies ist für die beanspruchte inländische Priorität der Voranmeldung mit dem Aktenzeichen 1 97 19 035.9 bis zum Ablauf der Zweimonatsfrist, d. h. bis zum 29. Juni 1998 nicht geschehen. Auch später ist eine Abschrift dieser Voranmeldung nicht zu den Akten gereicht worden.
Die Frist des § 40 Abs 4 PatG aF ist auch nicht dadurch gewahrt, daß in der Akte der Anmeldung 1 97 44 200.5 bei Einreichung der vorliegenden Anmeldung eine - inzwischen - vervollständigte Abschrift der Anmeldung 197 19 035.9 vorlag und noch innerhalb der Frist des § 40 Abs 2 PatG aF gebeten wurde, die Abschrift dieser Anmeldung aus der Akte 1 97 44 200.5 zu entnehmen und sie der vorliegenden Akte (= 1 98 20 172.9) beizufügen.
Die für die vorliegende Anmeldung erforderliche Abschrift der Voranmeldung mußte innerhalb der Prioritätserklärungsfrist in körperlicher Form im Patentamt vorliegen. Eine Entnahme der Abschrift aus anderen Akten durch das Patentamt ist selbst bei einer bereits negativ erledigten anderen Patentanmeldung unzulässig (vgl BPatGE 16, 57); denn Abschriften von Voranmeldungen müssen bei den Akten verbleiben, zu denen sie eingereicht wurden (BPatGE aaO). Dies gilt für die Anmeldung 1 97 44 200.5 in besonderem Maße, weil dort die Abschrift der Voranmeldung als Beleg für die unwirksame Inanspruchnahme der Priorität aus der Anmeldung 1 97 19 035.9 dient. Allerdings hätte die Möglichkeit bestanden, von der vervollständigten Abschrift Ablichtungen zu fertigen und zur vorliegenden Akte zu geben. Der Anmelder hat jedoch die Fertigung von Ablichtungen nicht beantragt und das Patentamt konnte insoweit auch nicht von sich aus tätig werden, da die Fertigung von Kopien Kosten verursacht, deren Übernahme durch den Anmelder gesichert sein muß.
Es hätte auch nicht ausgereicht, lediglich die Anfertigung von Ablichtungen zu beantragen, vielmehr hätten die gefertigten Ablichtungen fristgemäß der richtigen Akte beigefügt sein müssen (vgl BPatGE 15, 187), was allein im Verantwortungsbereich des Anmelders gelegen hätte. Auch eine bloße Bezugnahme auf die zu einer anderen Anmeldungsakte eingereichte Abschrift der Voranmeldung hätte nicht zur Erhaltung der Priorität genügt (vgl BGH GRUR 1979, 626). Nach alledem ist eine Abschrift der Voranmeldung nicht rechtzeitig, also innerhalb der Prioritätsfrist, zur Akte gelangt.
Dem Anmelder kommt auch nicht zugute, daß § 40 Abs 4 PatG in der Fassung des 2. PatÄndG vom 16. Juni 1998 (BGBl 19987, Teil I, S 1827 ff) die Einreichung einer Abschrift der Voranmeldung nicht mehr als Wirksamkeitsvoraussetzung einer Prioritätserklärung verlangt; denn das 2. PatÄndG ist erst am 1. November 1998 in Kraft getreten. Es sieht eine Rückwirkung auf die vor seinem Inkrafttreten abgeschlossenen Sachverhalte nicht vor. Für die hier vorliegende Anmeldung war die Frist zur Abgabe einer - wirksamen - Prioritätserklärung jedoch bereits mit dem 29. Juni 1998 abgelaufen, so daß - auch wenn nach Inkrafttreten der neuen Fassung des § 40 Abs 4 PatG über eine Wiedereinsetzung zu befinden ist - die bis zum Ablauf der Prioritätserklärungsfrist zu beachtenden Förmlichkeiten einzuhalten sind.
Der Wiedereinsetzungsantrag vom 8. März 1999 ist unzulässig. Der Anmelder hat von der Fristversäumung durch den Bescheid vom 11. Februar 1999 erfahren und am 9. März 1999, also innerhalb der Zweimonatsfrist des § 123 Abs 2 Satz 1 PatG, Wiedereinsetzung beantragt. Er hat jedoch weder innerhalb dieser Frist die Abschrift der Voranmeldung nachgereicht noch dies später getan. Er hat damit die versäumte Handlung nicht innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist nachgeholt. Auf diesen Umstand ist der Anmelder durch den Bescheid des Patentamts vom 4. Mai 1999 hingewiesen worden. Er hat auch darauf nicht in der gebotenen Weise reagiert sondern lediglich darauf verwiesen, was ihm von Regierungsdirektor E... zugesagt worden sei, von diesem jedoch nicht bestätigt wird.
Soweit der Anmelder in seiner Eingabe vom 1. Juni 1999 ausführt, er habe nach einem nach dem 8. März 1999 erfolgten Anruf des Patentamts sofort die Abschrift gefertigt und zur Post gegeben, und damit geltend machen will, diese Abschrift der Voranmeldung sei auf dem Postweg verlorengegangen, begehrt er zwar Wiedereinsetzung in die Nachholungsfrist nach § 123 Abs 2 Satz 3 PatG, auch dieser Antrag scheitert aber, weil die Abschrift immer noch nicht eingereicht worden ist und der Anmelder spätestens seit dem Zugang des Bescheids vom 4. Mai 1999 weiß, daß ein Transfer der Abschrift der Voranmeldung aus der einen Akte in die andere nicht möglich ist und seine versuchte Nachholung der versäumten Handlung nicht erfolgreich war.
Im übrigen liegt auch ein Verschulden des Anmelders bei der Versäumung der Einreichungsfrist nahe. Er hatte das Patentamt gebeten, die Abschrift der Voranmeldung aus einer anderen Anmeldeakte heranzuziehen. Er hätte sich daher, nachdem er vom Patentamt eine Bestätigung seiner Anfrage nicht umgehend erhalten hatte, nicht darauf verlassen dürfen, daß das Patentamt seinem Ersuchen nachkommen werde und das auch noch fristgemäß. Er hätte sich daher selbst darum kümmern müssen. Diese Frage kann jedoch dahinstehen, da letztlich eine Abschrift der Voranmeldung überhaupt nicht eingereicht wurde. Es muß auch nicht entschieden werden, ob das Patentamt die mehrfachen Anfragen des Anmelders hätte beantworten müssen und wie sich ein Verstoß des Patentamts gegen eine etwaige Pflicht zum Handeln hätte auswirken können.
Bühring Dr. Schermer Schuster Pr
BPatG:
Beschluss v. 06.11.2000
Az: 10 W (pat) 6/00
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