Bundespatentgericht:
Urteil vom 3. Mai 2005
Aktenzeichen: 1 Ni 20/04

(BPatG: Urteil v. 03.05.2005, Az.: 1 Ni 20/04)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat mit Urteil vom 3. Mai 2005 (Aktenzeichen 1 Ni 20/04) das europäische Patent 0 759 839 für nichtig erklärt. Der Tenor des Urteils besagt, dass das Patent im Umfang der Ansprüche 1 bis 3 für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt wird. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits und das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung.

Im Tatbestand wird erläutert, dass die Beklagte Inhaberin des Patents ist und es sich um eine "Platte, insbesondere Hartfaserplatte" handelt. Die Klägerin hat das Patent für nichtig erklärt, da die Erfindung nicht deutlich und vollständig offenbart sei und gegen den Stand der Technik verstoße. Die Beklagte verteidigt die angegriffenen Ansprüche und bringt einen Hauptantrag vor.

Das Gericht stellt fest, dass das Streitpatent eine faltbare Möbelrückwand betrifft, bei der eine Faltung in Richtung der Sichtflächen ohne Verwendung eines Klebestreifens auf der Sichtfläche möglich sein soll. Der Fachmann wird als erfahrener Meister oder Techniker aus dem Möbelbau definiert. Die Auslegung des Begriffs "Nut" im Streitpatent wird diskutiert, wobei das Gericht feststellt, dass es sich um eine vertiefte Nut mit Seitenwänden und einem Nutboden handelt. Das Gericht verweist auf den Stand der Technik, insbesondere auf eine britische Patentanmeldung, und kommt zu dem Schluss, dass die Erfindung nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

Das Gericht entscheidet, dass das Streitpatent für nichtig erklärt wird, da es über die verteidigten Ansprüche hinausgeht. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt und das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung.

Diese Zusammenfassung gibt einen Überblick über die Entscheidung des Bundespatentgerichts vom 3. Mai 2005. Es wird dargelegt, dass das Gericht das umstrittene Patent für nichtig erklärt hat und die Klage der Klägerin begründet ist. Zudem werden die Hintergründe und Argumente der Parteien, die für die Entscheidung relevant sind, erläutert.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Urteil v. 03.05.2005, Az: 1 Ni 20/04


Tenor

1.

Das europäische Patent 0 759 839 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Ansprüche 1 bis 3 für nichtig erklärt.

2.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des am 20. April 1995 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldung 44 18 274 vom 26. Mai 1994 angemeldeten europäischen Patents 0 759 839 (Streitpatent), das unter anderem mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilt worden ist und insoweit beim Deutschen Patentund Markenamt unter der Nummer 595 01 421 geführt wird.

Das in deutscher Sprache veröffentlichte Streitpatent ist im europäischen Einspruchsbeschwerdeverfahren aufrecht erhalten worden. Es betrifft eine "Platte, insbesondere Hartfaserplatte" und umfasst 15 Patentansprüche, von denen mit der Nichtigkeitsklage die Ansprüche 1 bis 3 angegriffen werden, welche folgenden Wortlaut haben:

1.

Platte, insbesondere Hartfaserplatte, dadurch gekennzeichnet, daß wenigstens eine eine Faltung der Platte (10) um eine Schwenkachse (51) ermöglichende und im Bereich der Schwenkachse (51) angeordnete Nut (40; 48) vorgesehen ist und daß die Nut (48; 40) wenigstens teilweise mit einem die zu faltenden Plattenteile verschwenkbar verbindenden Kleber (46) versehen ist.

2.

Platte, insbesondere Hartfaserplatte, nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Schenkel der Nut (48; 40) insgesamt mit einem die zu faltenden Plattenteile verschwenkbar verbindenden Kleber (46) versehen ist.

3.

Platte, insbesondere Hartfaserplatte, nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Nut wenigstens teilweise über ihre gesamte Länge mit einem die zu faltenden Plattenteile verschwenkbar verbindenden Kleber (46) versehen ist.

Die Klägerin macht geltend: Für den Fall, dass der Begriff "Nut" wie in den europäischen Instanzen als "Trennschnitt" interpretiert werde, sei die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne.

Bei üblichem Verständnis des Begriffes "Nut" als "rinnenförmige Vertiefung mit einem Boden" sei der mit Anspruch 1 beanspruchte Gegenstand gegenüber dem Stand der Technik gemäß der deutschen Offenlegungsschrift 30 32 180 A1 (D1) nicht mehr neu, beruhe im Hinblick auf weiteren Stand der Technik jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Dazu stützt sie sich unter anderem auf die britische Patentanmeldung 2 035 057 A (D2).

Die Klägerin beantragt, das europäische Patent 0 759 839 im Umfang der Patentansprüche 1 bis 3 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Die Beklagte erklärt, sie verteidige die angegriffenen Ansprüche 1 bis 3 nur im Umfang des in der mündlichen Verhandlung überreichten "Hauptantrags" und beantragt, die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen die verteidigte Fassung richtet.

Die Patentansprüche 1 bis 3 gemäß diesem "Hauptantrag" lauten:

1. Faltbare Möbelrückwand bestehend aus einem der Werkstoffe Hartfaser, HDF, MDF, Holzersatzstoff oder Kunststoff, dadurch gekennzeichnet, -daß eine Sichtseite (27) vorgesehen ist, -daß wenigstens eine eine Faltung der Platte (10) um eine Schwenkachse ermöglichende und im Bereich der Schwenkachse angeordnete Nut (40; 48) vorgesehen ist,

-daß die Nut (40; 48) wenigstens teilweise mit einem die zu faltenden Plattenteile verschwenkbar verbindenden Kleber (46) versehen ist,

-daß der Kleber (46) eine Faltung in Richtung der Sichtseiten (27) der Plattenteile bis zum Gegeneinanderliegen der Sichtseiten und ein Auseinanderfalten ermöglicht,

- wobei der Kleber (46) eine Scharnierfunktion zwischen den zu faltenden Plattenteilen hat.

2.

Möbelrückwand nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Schenkel der Nut (48, 40) insgesamt mit einem die zu faltenden Plattenteile verschwenkbar verbindenden Kleber (46) versehen ist.

3.

Möbelrückwand nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Nut wenigstens teilweise über ihre gesamte Länge mit einem die zu faltenden Plattenteile verschwenkbar verbindenden Kleber (46) versehen ist.

Die Beklagte tritt dem Klagevorbringen entgegen. Sie versteht den Begriff "Nut" im Streitpatent im Sinne eines Trennschnittes und hält den verteidigten Gegenstand des Streitpatents für patentfähig.

Wegen Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Gründe

Die in zulässiger Weise erhobene, auf Art 138 Abs 1 Buchst a und b EPÜ gestützte Klage ist begründet.

I.

Das Streitpatent ist im angegriffenen Umfang ohne Sachprüfung insoweit für nichtig zu erklären, als es über die von der Beklagten allein noch verteidigte Fassung der Patentansprüche 1 bis 3 hinausgeht.

II.

1.

Gegen die vorgenommene Beschränkung bestehen formal keine Bedenken. Die neuen Ansprüche leiten sich aus den im Einspruchsverfahren aufrechterhaltenen Ansprüchen in Verbindung mit der Beschreibung ab.

2.

Das Streitpatent geht davon aus, dass bei der Herstellung von Schrank-Rückwänden häufig auf der Sichtseite mit einer Kunststofffolie veredelte Hartfaserplatten benutzt wurden. Die aus Hartfasermaterial bestehende Rückseite dieser Platten konnte unterteilt werden, um während der Weiterverarbeitung, der Lagerung oder beim Transport aus Gründen der Platzersparnis zweiteilig gefaltet zu werden. Eine andere Möglichkeit der Platzersparnis z. B. bestand darin, eine zweiteilige Möbelrückwand über ein Kunststoffverbindungsstück beim Einbau in den Schrank miteinander zu verbinden. Aus Umweltschutzgründen sollen mit Kunststofffolie beschichtete Rückwände nicht mehr benutzt werden und eine sichtbare Fuge oder eine mit einem Kunststoffverbindungsstück verbundene Rückwand ist unschön. Man hat daher auf der Rückseite der Hartfaserplatten im Teilungsbereich eine Klebefolie aufgebracht und die beiden Rückseiten gegeneinander gefaltet, was eine gesonderte Verpackung der Sichtseiten erforderte. Ausgehend von den Nachteilen dieser Praxis (vgl dazu in der Streitpatentschrift EP 0 759 839 B2 die Absätze 0002 bis 0007) liegt dem Streitpatent im hier angegriffenen Umfang daher die Aufgabe zugrunde, eine Möbelrückwand bereitzustellen, bei welcher eine Faltung in Richtung der Sichtflächen ohne Verwendung eines auf die Sichtfläche aufzubringenden Klebestreifens möglich ist, und dies bei hoher Stabilität der Möbelrückwand im auseinandergefalteten Zustand und gleichzeitig geringen Erstellungskosten (Abs 0008).

3.

Hierzu schlägt das Streitpatent nach dem verteidigten Anspruch 1 einen Gegenstand vor, der sich folgendermaßen in Merkmale gliedern lässt:

1a Faltbare Möbelrückwand, 1b bestehend aus einem der Werkstoffe Hartfaser, HDF, MDF, Holzersatzstoff oder Kunststoff;

2 bei der faltbaren Möbelrückwand ist eine Sichtseite vorgesehen;

3 es ist wenigstens eine eine Faltung der Möbelrückwand (Platte) um eine Schwenkachse ermöglichende und im Bereich der Schwenkachse angeordnete Nut vorgesehen;

4 die Nut ist wenigstens teilweise mit einem die zu faltenden Plattenteile verschwenkbar verbindenden Kleber versehen;

5 der Kleber ermöglicht eine Faltung in Richtung der Sichtseiten der Plattenteile bis zum Gegeneinanderliegen der Sichtseiten und ein Auseinanderfalten;

6 zwischen den zu faltenden Plattenteilen hat der Kleber eine Scharnierfunktion.

4.

Als Fachmann, der sich mit dem Gegenstand der hier angegriffenen Patentansprüche befasst, ist ein erfahrener Meister oder Techniker aus dem Möbelbau anzunehmen.

5.

Zur Auslegung des Begriffes "Nut" im Streitpatent:

Der hier zuständige Fachmann versteht ganz allgemein unter einer Nut eine längliche Vertiefung mit Seitenwänden und einem Nutboden und nicht, wie die Patentinhaberin und auch das Europäische Patentamt, einen die Plattenteile vollständig trennenden Zwischenraum. Die von der Beklagten in diesem Zusammenhang zitierten Abschnitte aus der Beschreibung des Patents bringen sämtlich keine neue Definition des Begriffes Nut. Der Gegenstand der hier in Rede stehenden Ansprüche 1 bis 3 wird weder in der Offenlegungsschrift noch in der Patentschrift näher beschrieben. Lediglich der Gegenstand des hier nicht angefochtenen Anspruchs 4 wird in der Beschreibungseinleitung sowie in dem Ausführungsbeispiel (vgl insb die Absätze 0053 bis 0071) in Verbindung mit den Figuren 3 und 4 erläutert. Gerade dieses Beispiel bestätigt jedoch die übliche Auslegung des Begriffes Nut. Demnach wird nämlich zunächst die in Figur 4 mit 48 bezeichnete obere Nut gefräst; dabei entstehen ersichtlich Nutseitenwände und ein Nutboden. Anschließend wird diese Nut mit Füllmasse ausgefüllt. Nachfolgend wird dann die untere Nut 40 gefräst, die bis zur Unterkante bzw zur Grundlinie der oberen Nut 48 reichen soll. Somit entsteht auch hierbei wieder eine Nut mit Seitenwänden und einem Nutboden. Die Platte 10 ist somit zu keinem Zeitpunkt vollständig durchtrennt.

Dem Vortrag der Beklagten zum Begriff "Nut" steht auch der hier nicht angegriffene Anspruch 4 des Streitpatents entgegen, worin von "zwei ... Nuten (40; 48)" die Rede ist. Nach der Definition der Beklagten müsste der Bereich der Schwenkachse 51 als eine Nut bezeichnet werden, die (vgl Fig 3, 4) speziell ausgeführte Nutwangen aufweist.

6. Der Gegenstand des nunmehr auf eine faltbare Möbelrückwand beschränkten Anspruchs 1 mag neu und auch gewerblich anwendbar sein. Er beruht jedoch nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

a) Ausgangspunkt für die vorliegende Erfindung ist, wie beim Stand der Technik nach der britischen Patentanmeldung 2 035 057 A (D2), die Problematik, Möbelbauteile platzsparend im ansonsten fertigen Zustand lagern und transportieren zu können (vgl Abs 0002 der Streitpatentschrift; S 1 Z 16-31 der D2-Schrift). In der D2-Schrift wird ein zusammenlegbares L-förmiges Möbelstück beschrieben und dargestellt, dessen faltbare Möbelseitenwand (entsprechend der faltbaren Möbelrückwand gemäß Merkmal 1a des Streitpatents) üblicherweise aus einem Holzoder Holzersatzoder Kunststoff-Werkstoff besteht (entsprechend Merkmal 1b). Bei der bekannten faltbaren Möbelseitenwand ist auch (mindestens) eine Sichtseite vorgesehen (entsprechend Merkmal 2), die mit einem passenden natürlichen oder künstlichen Furnier beschichtet ist. Und es ist dort (vgl insb Figuren 2-7) wenigstens eine eine Faltung der Platte (Möbelseitenwand) um eine Schwenkachse ermöglichende und im Bereich der Schwenkachse angeordnete Nut vorgesehen (Merkmal 3).

Die Scharnierfunktion zwischen den zu faltenden Plattenteilen wird bei diesem Stand der Technik ganz allgemein durch ein flexibles Verbindungsglied (flexible hinge connection member, vgl S 2 Z 50ff und Anspruch 1) ausgebildet. Dieses kann, wie in Figur 4A dargestellt ist, eine flexible Beschichtung der äußeren Oberfläche 9 sein, die an der Gelenkstelle noch durch ein Klebeband 11 verstärkt werden kann (S 2 Z 59-78). Bei starrer Oberfläche kann auch nur ein Klebematerial 14 die Scharnierfunktion ausüben (Fig 4B iVm S 2 Z 85-98).

Der Möbelfachmann erkennt aus diesem Stand der Technik, dass es möglich ist, Möbelteile (wie die einer Rückwand) mit den Sichtseiten gegeneinander zu falten, wenn die in der Schwenkachse angeordnete Nut im Bereich des Nutbodens durch ein flexibles Verbindungsglied (zB eine flexibel beschichtete Oberfläche, ggf noch verstärkt durch ein Klebeband, entsprechend Fig 4A) ausgebildet ist. Er konnte diese Lehre (Nut auf der Rückseite der Platte bis knapp unter die Sichtseite) bei einer faltbaren Möbelrückwand zB aus Hartfaser oder Kunststoff ausprobieren und wäre damit schon zu einem fast befriedigenden Ergebnis gekommen.

Der Stand der Technik nach der D2-Schrift ist somit objektiv Ausgangspunkt für die streitpatentgemäße Lehre, was sich auch in der Aufgabenstellung im Abschnitt 0008 der Streitpatentschrift ausdrückt, "...eine Platte, insbesondere Hartfaserplatte, bereitzustellen, bei der eine Faltung in Richtung der Sichtflächen ohne Verwendung eines auf die Sichtfläche aufzubringenden Klebestreifens möglich ist und dies bei gleichzeitig hoher Stabilität der Platten im auseinandergefalteten Zustand und gleichzeitig geringen Erstellungskosten".

b) Auf der Suche nach Lösungsansätzen zur Stabilisierung der Schwenkachse von Plattenteilen ohne Verwendung eines auf die Sichtfläche der Plattenteile aufzubringenden Klebestreifens, konnte der hier vorauszusetzende Durchschnittsfachmann die deutsche Offenlegungsschrift 30 32 180 (D1) nicht übersehen, in der es gerade um die Verstärkung der Deckschicht der Sichtseite von im Bereich einer Gehrungsnut verschwenkbaren Holzwerkstoffplatten-Teilen geht, ohne dabei Verstärkungsstreifen an der Deckschicht anzubringen (S 6 vorle Abs bis S 7 Abs 1). Als Lösung wird dort (vgl S 7 Abs 3 iVm Fig 12) vorgeschlagen, nach dem Einbringen der Gehrungsnut in deren der Deckschicht benachbarten Eckbereich einen nach dem Abbinden elastischen Kleber als Film aufzubringen. Dadurch entsteht dort eine Kleberschicht, welche für die Versteifung des durch die Nut geschwächten Bereichs der Deckschicht sorgt und ein Abreißen der Deckschicht verhindert, jedoch das anschließende Umfalten der Teile der Holzwerkstoffplatte ermöglicht (S 10 Z 3 von unten bis S 11 Mitte). Dies entspricht den Merkmalen 4 bis 6 des verteidigten Anspruchs 1, denn es ist unbestritten, dass diese mit einem elastischen Klebstofffilm versehene Nut nicht nur ein Umfalten in Richtung der Gehrungsnut, sondern ebenso in Richtung der Sichtseiten der Plattenteile bis zum Gegeneinanderliegen der Sichtseiten und auch ein Auseinanderfalten ermöglicht. Somit übt der Kleber zwischen den zu faltenden Plattenteilen zusammen mit dem verbleibenden Steg der Deckschicht auch eine Scharnierfunktion aus.

Der einzige Unterschied in dem in D1 beschriebenen, in Figur 12 dargestellten und mit einem elastischen Klebstofffilm versehenen Bauteil besteht in seiner Verwendung. Dort für die Herstellung einer Eckverbindung und hier für die Faltbarkeit einer Möbelrückwand. Das Ausprobieren der bekannten verstärkten Schwenkverbindung für dessen Eignung bei der Faltung einer Möbelrückwand war zumindest im Lichte des bereits erläuterten Standes der Technik nach der Entgegenhaltung D2 naheliegend und bedurfte daher keiner erfinderischen Tätigkeit.

c) Auch das von der Beklagten geltend gemachte Zeitargument überzeugt nicht. Es trifft zwar zu, dass bei der vorliegenden Erfindung die Kenntnis aus dem Stand der Technik gemäß der Druckschrift D1 erst nach mehr als 10 Jahren verwertet worden ist. Die Anforderungen an den Möbelfachmann, insbesondere der Wunsch, bei der Aufteilung von Möbelrückwänden auf ein Kunststoffverbindungsstück ebenso zu verzichten wie auf einen auf die Sichtseite aufzubringenden Klebestreifen, und auch das Umweltbewusstsein (keine PVC-beschichteten Platten) sind erst im Laufe der Jahre gewachsen. Es kann daher nicht die Rede davon sein, dass sich die Fachwelt über viele Jahre vergeblich um eine entsprechende Lösung bemüht hätte.

d) Bei der dargelegten Sichtweise des Senates brauchte nicht darauf eingegangen zu werden, ob die Erfindung bei einer anderen Interpretation des Begriffes "Nut" nicht so deutlich und vollständig offenbart gewesen wäre, dass ein Fachmann sie hätte ausführen können.

7. Die Gegenstände der Unteransprüche 2 und 3 weisen zutreffend auch nach Sicht der Beklagten keinen erfinderischen Eigengehalt auf. Diese Ansprüche fallen damit mit dem Anspruch 1.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 91 Abs 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs 1 PatG iVm § 709 ZPO.

Dr. Landfermann Dr. Barton Dr. Frowein Rauch Pontzen Pr






BPatG:
Urteil v. 03.05.2005
Az: 1 Ni 20/04


Link zum Urteil:
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