Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. Oktober 2003
Aktenzeichen: 28 W (pat) 116/03

(BPatG: Beschluss v. 01.10.2003, Az.: 28 W (pat) 116/03)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat die Beschwerde einer Anmelderin gegen die Zurückweisung ihrer Markenanmeldung abgewiesen. Die Anmeldung wurde für die Waren "Gleitlager, Magnetlager" eingereicht. Die Markenstelle für Klasse 7 hatte die Anmeldung abgelehnt, da der Buchstabe "V" als Abkürzung für "Volumen" verwendet werde, was für die beanspruchten Waren wegen ihres "Lagervolumens" von Bedeutung sein könne. Die Anmelderin habe den Buchstaben außerdem für eine bestimmte Baureihe verwendet, was darauf hinweise, dass der maßgebliche Verkehr darin keine Kennzeichnung sehe. In diesem Warengebiet würden typischerweise Buchstaben und/oder Zahlen zur Benennung von Serien verwendet. Das Zeichen sei daher ohne Unterscheidungskraft und müsse für Mitbewerber zur freien Verwendung offen bleiben.

Die Anmelderin hatte Beschwerde eingelegt, diese jedoch nicht begründet. Sie hatte zunächst einen Verhandlungsantrag gestellt, diesen aber zurückgenommen und um eine "gutachterliche" Entscheidung gebeten. Das Gericht wies die Anmelderin darauf hin, dass eine Eintragung der Marke aufgrund bestehender "V-Lager" nicht zu erwarten sei.

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin war nicht begründet, da die Marke ohne jegliche Unterscheidungskraft sei und für Mitbewerber zur freien Nutzung offen stehen müsse. Die Frage, ob ein Buchstabe als Marke eingetragen werden könne, richtet sich nach den üblichen Bezeichnungsgewohnheiten auf dem jeweiligen Warengebiet. Es müsse festgestellt werden, ob das angemeldete Zeichen vom Verkehr als Kennzeichnung akzeptiert werde und vom Mitbewerber als nicht beschreibende Angabe geduldet werden müsse.

Zusätzlich müssen die Schutzhindernisse des Markenrechts unter dem Aspekt des Allgemeininteresses an unverfälschtem Wettbewerb betrachtet werden. Ein ausschließliches und unbefristetes Recht zur Monopolisierung könne zu einem erheblichen Wettbewerbsvorteil führen und müsse daher in bestimmten Warenbereichen verhindert werden.

Im vorliegenden Fall wurde die Schutzfähigkeit des Buchstabens "V" verneint. Bei Gleit- und Magnetlagern spielten technische Eigenschaften wie Werkstoff, Ausrichtung, Lagerart, Verschleiß, Schmierung und Wartungsbedarf eine Rolle. Um die Auswahl zu erleichtern, würden Abkürzungen wie "St" für Stahl, "Al" für Aluminium und "Bz" für Bronze verwendet. Zudem nutzten viele Hersteller Buchstaben und Zahlen zur Bezeichnung von Baureihen und Serien. Der Buchstabe "V" habe zudem mehrere technische Bedeutungen, die alle bei Lagern relevant sein könnten. Aufgrund der üblichen Bezeichnungsgewohnheiten auf diesem Markt werde der Buchstabe "V" in erster Linie als Baureihe wahrgenommen und nicht als Hinweis auf ein bestimmtes Produkt.

Die angemeldete Marke sei daher ohne Unterscheidungskraft und es bestehe ein Freihaltebedürfnis der Mitbewerber. Die Beschwerde der Anmelderin wurde zurückgewiesen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 01.10.2003, Az: 28 W (pat) 116/03


Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Angemeldet zur Eintragung in das Markenregister für die Waren "Gleitlager, Magnetlager" ist der Buchstabe V Die Markenstelle für Klasse 7 hat die Anmeldung mit der Begründung zurückgewiesen, V werde als Abkürzung für "Volumen" gebraucht, was für die beanspruchten Waren wegen ihres "Lagervolumens" von Bedeutung sein könne. Im übrigen verwende die Anmelderin diesen Buchstaben für eine bestimmte Baureihe, womit sie zu erkennen geben, dass der maßgebliche Verkehr darin keine Kennzeichnung sehe. In diesem Warengebiet sei es üblich, dass Typen und Serien mit Buchstaben und/oder Zahlen benannt werde. Das Zeichen sei damit ohne Unterscheidungskraft und müsse für die Mitbewerber zur freien Verwendung offen bleiben.

Die Anmelderin hat hiergegen Beschwerde eingelegt, diese aber nicht begründet. Sie hatte zunächst Verhandlungsantrag gestellt, diesen aber zurückgenommen und um eine "gutachterliche" Entscheidung gebeten. Zusammen mit der Ladung hat das Gericht die Anmelderin darauf hingewiesen, dass mit einer Eintragung der Marke nicht gerechnet werden könne, denn nach dem bisherigen Ermittlungsstand gebe es sogenannte "V-Lager".

II.

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist nicht begründet, denn die Marke ist ohne jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG) und sie muss auch für die Mitbewerber zur freien Verfügung offen stehen (§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG).

Die Entscheidung der Frage, ob ein Buchstabe in Alleinstellung als Marke eingetragen werden kann, richtet sich nach dem auf dem jeweiligen Warengebiet üblichen Bezeichnungsgewohnheiten. Erst diese tatsächlichen Feststellungen erlauben es zu beurteilen, ob das angemeldete Zeichen, wenn es in der als Marke herausgestellten Form verwendet wird, vom Verkehr als Kennzeichnung akzeptiert wird und vom Mitbewerber als eine die Eigenschaften der Ware nicht unmittelbar beschreibende Angabe geduldet werden muss.

Hinzu kommt, dass die Schutzhindernisse des § 8 Abs 2 MarkenG unter dem Aspekt des Allgemeininteresses an einem unverfälschten Wettbewerb zu beurteilen sind (vgl EuGH MarkenR 2003/227 orange, Rdz 48 ff). Alle sich aus einer Marke für den Inhaber ergebenden Rechte und Befugnisse sind anhand dieses Zieles zu prüfen, denn die eingetragene Marke gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches und unbefristetes Recht zur Monopolisierung. Hier spielt - ebenso wie bei dem vom EuGH entschiedenen Fall über die Eintragbarkeit der Farbe orange für Waren und Dienstleistungen der Telekommunikation - die nur beschränkte Verfügbarkeit der Einzelbuchstaben eine erhebliche Rolle. Denn mit nur wenigen Eintragungen könnte ein Wirtschaftsteilnehmer in Warenbereichen, in denen Einzel-Buchstaben eine beschreibende Funktion haben, den Bestand ausschöpfen und einen erheblichen Wettbewerbsvorteil erhalten. Die Aufrechterhaltung eines freien Wettbewerbs erfordert es aber, für derartige Warenbereiche die Zuerkennung dieses Ausschließlichkeitsrechts an nur einen Mitbewerber zu verhindern.

Unter Anwendung dieser Grundsätze muss hier die Schutzfähigkeit des Einzelbuchstabens verneint werden. Gleit- und Magnetlager werden vom Fachverkehr und technisch interessierten Laien gekauft und verwendet. Es handelt sich um Produkte, bei denen allein technische Eigenschaften wie Werkstoff (Stahl, Bronze, Weißmetall, Polyamid, Sinterbronze, Kupferlegierungen, MF und EP-Compounds, PTFE - Gewebe, GAR-MAX, gewickelte Glasfaser usw), Ausrichtung (vertikal, axial, Stehlager), Lagerart, Wellendurchmesser, Lagerbreite, Passgenauigkeit, Verschleiß, Schmierung, Wartungsbedarf udgl von Bedeutung sind. Wegen der Vielfalt der angebotenen Produkte wird versucht die Auswahl mittels Abkürzungen zu erleichtern, so zB bei den Werkstoffen St für Stahl, Al für Aluminium, Bz für Bronze, GAR-MAX für gewickelte imprägnierte Glasfaser, PTFE-Gewebe, oder bei der Lagerart AKL für Axialkugellager, ARL für Axialrollenlager, TRL für Trockenradiallager, GL für Gelenklager, GK für Gelenkkopf oder G für das Gehäuse, W für den Walzenkörper und Z für Zubehör (vgl Vereinigte Fachverlage, Die Antriebstechnik, Sonderausgabe 2002, Lager und Führungen). Hinzu kommt, dass viele Hersteller Buchstaben (und Zahlen) zur Bezeichnung von Baureihen oder Serien verwenden (hierzu zählt auch die Anmelderin, die ua die Baureihen E, HG, I, M, D, EV und V anbietet), so zB die Firma Maschinenlager mit BK090, BK1 und BK2, die Fa Hepco mit den Baureihen CM, DLS, DTS usw, die Firma IBC mit DY, X und Y, die Firma NSK mit den Reihen LH, LY, LL uvam. Die Fa AMTAG Alfred Merkelbach AMS verwendet V für Lager "mit Bund" und die Fa Main Metall bezeichnet ihr Produkt TEGO mit "V 38" und "V 841". Dies allein schon zeigt, dass der betroffenen Verkehr es gewohnt ist auf diesem Warengebiet Buchstaben und Zahlen als Hinweis auf Serien- und Modellbezeichnungen und nicht als Marke anzutreffen (vgl hierzu BGH, MarkenR 2000, 426 - K) Der Buchstabe "V" steht aber auch für mehrere technische Begriffe, die sämtliche bei Lagern eine Rolle spielen können, nämlich für das Lagervolumen, den relativen Verschleiß von Gleitlagern, die Geschwindigkeit (bedeutend im Zusammenhang mit der Berechnung der Reibung), vertikal (Vertikallager) und der elektrischen Spannung (im Zusammenhang mit aktiven Magnetlagern). Schließlich fanden sich auch Hinweise, dass Vertikallager mitunter als V-Lager bezeichnet werden (Homepage der Fa Schab Schwingungstechnik AG, auf der unter der die Bauweise von V-Lagern ausführlich dargestellt und beschrieben ist, sowie Koller, Konstruktionslehre für den Maschinenbau, 1994, Seite 258: V-Lager, angewandt in Theodoliten). Zuletzt gibt es eine DIN Vorschrift für Gehäusegleitlager (DIN 31 690, von der Anmelderin im Verfahren 28 W (pat) 117/03 vorgelegt), in der V als Abkürzung für "Vierflächenlager ohne Schmierung" gebraucht wird.

Diese Vielzahl der Bedeutungsinhalte führt nicht dazu, dass der Buchstabe V nunmehr mehrdeutig, interpretationsbedürftig und damit schutzfähig wäre. Eine schutzbegründende Mehrdeutigkeit setzt eine Kenntnis und Bereitschaft des Verkehrs zur Interpretation voraus, was aber hier aufgrund der oben dargelegten Bezeichnungsgewohnheiten auf diesem speziellen Markt ausgeschlossen ist. Der Buchstabe V wird in erster Linie als Baureihe gesehen werden, vom technischen Fachmann zudem noch als Hinweis auf eine technische Eigenart, in keinem Fall aber als Hinweis auf ein bestimmtes Produkt.

Damit ist die angemeldete Marke ohne Unterscheidungskraft.

Wegen des unmittelbaren Sachbezugs des Buchstaben mit technischen Funktionen und Eigenschaften der Waren besteht auch ein Freihaltebedürfnis der Mitbewerber.

Die Beschwerde der Anmelderin war daher zurückzuweisen.

Stoppel Paetzold Schwarz-Angele Na






BPatG:
Beschluss v. 01.10.2003
Az: 28 W (pat) 116/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/1044b39474b0/BPatG_Beschluss_vom_1-Oktober-2003_Az_28-W-pat-116-03




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