Landgericht Karlsruhe:
Urteil vom 8. Februar 2005
Aktenzeichen: 8 O 327/04
(LG Karlsruhe: Urteil v. 08.02.2005, Az.: 8 O 327/04)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Die Kläger haben den Beklagten auf Schadensersatz verklagt, da er sie fehlerhaft bei einer Finanzierungsberatung beraten hat. Im Jahr 2003 wollten die Kläger einen Kredit in Höhe von 700.000 Euro aufnehmen und wandten sich deshalb an den Beklagten, der als Finanzberater tätig war. Es fanden mehrere Beratungsgespräche statt, bei denen es zunächst um Finanzierungsmöglichkeiten am Kapitalmarkt ging. Als diese nicht zustande kamen, schlug der Beklagte vor, dass die Kläger den Kredit über Herrn M. erhalten könnten. Herr M. übermittelte dem Beklagten daraufhin die Konditionen für das Darlehen und der Beklagte leitete diese Informationen an die Kläger weiter. Im Januar 2004 übergab der Beklagte den Klägern einen Darlehensvertrag, der mit einer Firma in London abgeschlossen wurde. Außerdem übergab er einen Kontoeröffnungsantrag, bei dem der Eigenkapitalanteil eingezahlt werden sollte. Die Kläger überwiesen daraufhin den Betrag von 50.000 Euro auf das angegebene Konto. Die Auszahlung des Darlehensbetrages verzögerte sich jedoch und Herr M. war nicht mehr erreichbar. Es stellte sich heraus, dass der Beklagte die Bonität und Seriosität von Herrn M. und der Firma nicht überprüft hatte. Das Gericht urteilte, dass der Beklagte seine Pflichten aus dem Beratungsvertrag verletzt hat und daher für den entstandenen Schaden haftet. Die Kläger haben Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 57.658,83 Euro. Der Beklagte muss außerdem die Kosten des Rechtsstreits tragen und das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
LG Karlsruhe: Urteil v. 08.02.2005, Az: 8 O 327/04
Die Rechtsprechung zur fehlerhaften Anlageberatung ist auf eine Finanzierungsberatung übertragbar.
Tenor
1. Der Beklagte wird als Gesamtschuldner mit Herrn B. M., sowie dessen Fa. ..., gegen die Urteil hier nicht ergeht, verurteilt, an die Kläger EUR 57.658,83 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 18.06.2004 zu bezahlen Zug um Zug gegen Abtretung von Ansprüchen der Kläger gegen die Bank .... Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Kläger verlangen vom Beklagten Schadensersatz wegen fehlerhafter Finanzierungsberatung.
Im Spätjahr 2003 beabsichtigten die Kläger, einen Kredit von EUR 700.000,00 aufzunehmen. Auf Empfehlung eines Dritten begaben sie sich zum Beklagten, der als Finanzberater tätig war. Es fanden mehrere Beratungsgespräche, teilweise bei den Klägern in Stuttgart, statt. Dabei wurden anfänglich Finanzierungsmöglichkeiten am Kapitalmarkt erörtert, zu denen es dann jedoch nicht kam. Im Folgenden verwies der Beklagte darauf, dass über Herrn B. M. eine Finanzierung zu erlangen sein könne. Dieser teilte dem Beklagten sodann die Konditionen für, so wörtlich, Ihr Projekt, mit (Anlage K 4). Danach sollte Eigenkapital von EUR 50.000,00 sowie eine Risikoprämie von 4.900,00 EUR eingezahlt werden. Der Beklagte reichte diese Informationen an die Kläger weiter. Mit der als Anlage K 29 vorgelegten Berechnung verdeutlichte er den Klägern bei einer angenommenen Tilgung von EUR 400,00 die aus dem Darlehen zu erwartende Belastung. Im Rahmen eines Besuchs des Beklagten bei den Klägern Anfang Januar 2004 übergab der Beklagte die Ausfertigung eines Darlehensvertrages, der mit einer Firma ... in London abgeschlossen wurde (Anlage K 1). Außerdem übergab er einen Kontoeröffnungsantrag der Bank ..., bei der der Eigenkapitalanteil einzuzahlen war (Anlage K 2). Mit E-Mail vom 14.01.2004 (Anlage K 3) mahnte der Beklagte beim Kläger zu 1 die Einzahlung des Betrages von EUR 4.900,00 an. Sodann überwiesen die Kläger vom Konto des Klägers zu 2 diesen Betrag auf ein Konto von Herrn M. bei der Stadtsparkasse Baden-Baden. Letzterer teilte den Klägern am 18.01.2004 eine Kontonummer der Bank ... mit, woraufhin die Kläger vom Konto des Klägers zu 2 dorthin am 21.01.2004 EUR 50.000,00 überwiesen. Die Auszahlung des Darlehensbetrages sollte dann kurzfristig erfolgen. Mit E-Mail vom 03.03.2004 wandte sich der Beklagte an Herrn M., um von diesem eine Bestätigung der Darlehensauszahlung zu erhalten (Anlage K 8). Herr M. bestätigte noch am selben Tage, dass die Auszahlung in dieser Woche ... durchgeführt werden solle. Der Beklagte leitete diese E-Mail weiter an die Kläger. Erstmaligen telefonischen Kontakt hatten die Kläger selbst mit Herrn M. am 05.03.2004; letzterer konnte später nicht mehr erreicht werden.
Zwischen Herrn M. und dem Beklagten bestand die mündliche Vereinbarung, wonach letzterer mit 10 % an der Rendite partizipiert hätte, die Herr M. mit dem Eigenkapitalanteil der Kläger (EUR 50.000,00) am Wertpapiermarkt erzielt hätte. Zu einer solchen Beteiligung des Beklagten ist es jedoch letztlich nicht gekommen.
Der Beklagte hat die Bonität und Seriosität des Herrn M. sowie der Firma ... nicht überprüft. Die angebliche Darlehensgeberin ... kannte er gar nicht.
Nach Hinweis des Gerichts haben die Parteien unstreitig gestellt, dass für die außergerichtliche Tätigkeit des Klägervertreters die tatsächlichen Voraussetzungen für die Geltendmachung von einer 21/10 Gebühr zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer aus einem Gegenstandswert von EUR 54.900,00 gegeben sind.
Die Kläger tragen vor, gerade auch bezüglich der über Herrn M. bzw. die Firma ... abzuwickelnden Finanzierung seien sie vom Beklagten beraten worden, wofür diesem auch eine Provision von 1 % versprochen worden sei. Der Beklagte habe versichert, dass ausschließlich der Einzahlende auf die einzubezahlende Summe Zugriff habe. Die einbezahlten Gelder seien weder von M. noch von der Bank wiederzuerlangen.
Die Kläger beantragen:
Der Beklagte wird als Gesamtschuldner mit Herrn B. M., verurteilt, an die Kläger EUR 58.471,47 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 21.01.2004 zu bezahlen Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche der Kläger gegen die Bank ... sowie gegen die Firma ... des Herrn B. M., sowie gegen Herrn B. M., selbst.
Der Beklagte beantragt
Klagabweisung.
Er bringt vor, er vermittle Finanzierungen in dieser Größenordnung nicht, was er den Klägern auch gesagt habe. Er habe lediglich angeboten, den Kontakt zu Herrn M. zu vermitteln, dessen Informationen er sodann lediglich weitergegeben habe. Eine Vermittlungsgebühr sei zwischen den Parteien kein Thema gewesen. Es habe dem an die Kläger weitergegebenen Kenntnisstand des Beklagten entsprochen, dass nur derjenige Zugriff auf das Konto habe, der den Betrag einbezahle. Herrn M. habe er als Anlageberater kennen gelernt, der über fundiertes Fachwissen verfüge, was er so auch den Klägern weitergegeben habe. Der Beklagte bestreitet, dass der Betrag von EUR 50.000,00 für die Kläger nicht mehr zu erlangen sei.
Im Übrigen wird verwiesen auf die Sitzungsniederschrift vom 29.09.2004 sowie die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
Gründe
Die zulässige Klage ist weitgehend begründet.I.1.
Nach insoweit unstreitigem Prozessvortrag sind beide Kläger aktivlegitimiert, da das Geld vom Konto des einen mit Einverständnis des anderen und zugleich zu dessen Nutzen/Lasten überwiesen wurde, ebenso wie alle Verträge zugleich zugunsten und zulasten beider Kläger geschlossen wurden.2.
Der Beklagte hat durch sein Verhalten Pflichten des zwischen den Parteien zustande gekommenen Beratungsvertrages verletzt, weswegen er nach § 280 Abs. 1 BGB haftet.
a) Ein Beratungsvertrag ist zwischen den Parteien stillschweigend geschlossen worden.
Beim stillschweigenden Abschluss eines Beratungsvertrages ist eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls erforderlich (BGH NJW 1991, 32). Allgemein ist die Vereinbarung einer Vergütung Indiz für rechtsgeschäftlichen Bindungswillen (Palandt, BGB, 64. Auflage, § 675 Rdn. 30). Wesentliches Indiz ist desweiteren, dass, für die Gegenseite erkennbar, die Auskunft/Beratung für die Nachfragerseite von erheblicher Bedeutung ist und zur Grundlage wesentlicher Entscheidungen gemacht werden soll (BGH NJW 1989, 2882). Das gilt insbesondere dann, wenn für die Auskunft/Beratung eine besondere Sachkunde und/oder - etwa aufgrund einer erwarteten Provision - ein wirtschaftliches Interesse besteht (BGHZ 100, 117). Speziell für den Fall des Anlageberaters/vermittlers hat die Rechtsprechung entschieden, dass ein Auskunfts- bzw. Beratungsvertrag dann zustande kommt, wenn der Interessent deutlich macht, dass er bezogen auf eine bestimmte Anlageentscheidung die besonderen Kenntnisse und Verbindungen der Gegenseite in Anspruch nehmen will und der Berater sodann mit der gewünschten Tätigkeit beginnt (BGHZ 123, 126; NJW-RR 2003, 1690).
Nach diesen Grundsätzen lag im vorliegenden Fall schon nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien ein Beratungsvertrag vor. Die Kläger wollten die besonderen Kenntnisse des Beklagten als Finanzberater, an den sie von dritter Seite verwiesen worden waren, nutzen. Dies war für den Beklagten erkennbar, schon allein aus der großen Summe, die die Kläger finanzieren wollten. Schon daraus erhellt die erhebliche wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger, die mit ihrer Druckfirma - auch insoweit dem Beklagten bekannt - im gesamten Jahr 2003 einen Umsatz von EUR 1.000.000,00, also nur geringfügig mehr als das angefragte Darlehen gemacht hatten. Der Beklagte entfaltete darüber hinaus erhebliche Aktivitäten. Es kam zu mehreren Gesprächen, darunter einige in den Räumlichkeiten der Kläger in Stuttgart, zu denen der in Mühlacker ansässige Beklagte anreisen musste. Dass es sich jedenfalls bei den ersten beiden Gesprächen um eine Beratung gehandelt hat, hat selbst der Beklagte nicht in Zweifel gezogen. Er hat auch eingeräumt, dass diese beiden Gespräche Finanzierungsmöglichkeiten am Kapitalmarkt betrafen, die dann aber nicht in Frage kamen. Unstreitig handelte es sich bei dem Finanzierungsproblem, das sodann durch die Einschaltung des Herrn M. gelöst werden sollte, nach wie vor um dasselbe Problem, das die Kläger zum Beklagten geführt hatte. Schon von diesem Hintergrund ist es lebensfremd anzunehmen, zu irgendeinem Zeitpunkt hätten die Parteien von einem bis dato offensichtlich schon geschlossenen Beratungsvertrag wieder Abstand genommen, um das identische Problem nunmehr im Sinne einer bloßen Weitergabe von Informationen durch den Beklagten zu lösen. Dass sich der Beklagte selbst möglicherweise nach der Einschaltung von Herrn M. nur noch als Poststelle betrachtete, stellt lediglich einen mentalen Vorbehalt seinerseits dar, der für die Einordnung der Rechtsbeziehung zwischen den Parteien ohne Belang ist. Entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Gestaltung der Beziehung der Parteien. So hat der Beklagte nicht nur die als Anlage K 4 vorgelegten Darlehensbedingungen des Herrn M. an die Kläger weitergereicht, sondern im Zuge einer eigenen Berechnung (Anlage K 29) die daraus hervorgehenden Konditionen auf die Bedürfnisse der Kläger (Höhe der Tilgung) abgestimmt. Auch aus den übrigen vorgelegten Anlagen, unter anderem E-Mail-Verkehr, geht hervor, dass der Beklagte durchaus selbst tätig wurde und nicht etwa lediglich Post weiterleitete. Nachdem Herr M. zumindest damals seine Adresse nicht verleugnete, hätte auch wenig Grund bestanden, den gesamten Postverkehr, jedoch nichts Weiteres (keine Beratungsleistungen) über den Beklagten abzuwickeln. Vielmehr wird es so gewesen sein, wie zwischen Anlagenberatern bzw. Finanzvermittlern üblich und gerichtsbekannt, dass zwischen Herrn M. und dem Beklagten abgestimmt war, dass letzterer durchaus im Geschäft bleiben sollte, sprich Beratungsleistungen erbringen, um sich damit eine Provision für die Vermittlung zu verdienen. Folgerichtig hat der Beklagte die ihm von Herrn M. versprochene Innenprovision gegenüber den Klägern auch nicht offen gelegt und sie erst im Rahmen der Güteverhandlung auf Frage des Gerichts zugegeben.
Demgegenüber scheidet eine Bewertung aus, wonach die zunächst entfaltete Beratungstätigkeit des Beklagten als (letztlich erfolglose) Akquise einzuordnen wäre, bevor man sich dann sozusagen nach neuem Anlauf wieder gefunden hätte, wobei dann der Beklagte nur noch einen Kontakt vermittelt hätte. Dies wäre eine alles andere als lebensnahe Aufsplittung und Einordnung eines Sachverhalts, der in der Gesamtschau nur den Schluss zulässt, dass die Kläger beim Beklagten gezielt eine Beratung nachgefragt und im Rahmen eines stillschweigend geschlossenen Beratungsvertrages auch erhalten haben.
Schließlich streitet hierfür auch das Indiz, dass der Beklagte, wie er im Rahmen der Güteverhandlung einräumte, durchaus eine verdeckte Innenprovision von Herrn M. erhalten sollte, und zwar (immerhin) 10 % aus der Rendite, die Herr M. mit dem Betrag von EUR 50.000,00 am Wertpapiermarkt erzielen sollte. Bei einem endfälligen Darlehen mit einer Laufzeit von 10 Jahren - so der als Anlage K 1 vorgelegte Darlehensvertrag - hätte sich diese Provision auf einen Betrag von mehreren Tausend Euro belaufen können. Insofern kann dahinstehen, ob darüber hinaus eine weitere, unmittelbar von den Klägern zu zahlende Provision vereinbart war. Allein der Umfang der vom Beklagten entfalteten Tätigkeit legt jedenfalls nahe, dass der Beklagte dies letztlich nicht kostenlos tun wollte, und dies wiederum bestätigt den Abschluss eines Beratungsvertrages.
b) Der Beklagte hat die aus dem Beratungsvertrag resultierende Hauptpflicht, die Kläger ordnungsgemäß zu beraten, verletzt.
Das Gericht ist der Auffassung, dass die Rechtsprechung zur Anlageberatung auf die vom Beklagten durchgeführte Finanzierungsberatung entsprechend anwendbar ist. Hierfür spricht, dass die Beteiligten bei der Finanzierungsberatung in gleicher Weise wie bei der Anlageberatung finanziell weitreichende, den Investor/Darlehensempfänger oft auf viele Jahre hinaus bindende Entscheidungen zu treffen haben, wobei ebenso wie bei der Anlageberatung typischerweise ein Wissensvorsprung des Beraters auf einem hochkomplexen und schnellem Wandel unterworfenen Markt besteht. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass Herr M. den Eigenkapitalanteil von EUR 50.000,00 unstreitig zur Erzielung einer Rendite am Anlagemarkt verwenden sollte, sodass der vom Beklagten vorgeschlagenen Finanzierung über Herrn M. bzw. die Fa. ... eine Geldanlage inhärent war. Nach einem zutreffenden Urteil des OLG Celle (WM 1993, 2082, 2085) muss eine Bank bei der Erteilung von Auskünften und Ratschlägen mit der gebotenen Sorgfalt vorgehen; im Rahmen einer Finanzierungsberatung muss sie alle aufgrund der ihr bekannten Tatsachen in Betracht kommenden Finanzierungsmodelle vorstellen und dem Kunden - auf dessen Bedürfnisse, Situationen und Kenntnisse zugeschnitten - deren Vor- und Nachteile umfassend, richtig und verständlich erläutern sowie ihn auf etwaige Bedenken aufmerksam machen. Schlagwortartig schuldet die Bank somit eine anlegergerechte (allgemeiner: kundengerechte) und objektgerechte Beratung (BGHZ 123, 126). Auf die Beratung durch einen freiberuflichen Anlage- oder Finanzierungsberater ist die aus nahe liegenden Gründen größtenteils in Bezug auf die Beratung durch Banken gemünzte Rechtsprechung ohne weiteres übertragbar, jedenfalls wenn, wie hier, der Berater in vergleichbarer Weise Kompetenz und Vertrauen in Anspruch nimmt.
Objektgerecht ist die Beratung im einzelnen dann, wenn sie über alle Umstände und Risiken, die für die Entscheidung des Interessenten Bedeutung haben, richtig und vollständig informiert (BGHZ 74, 103). Ist der Berater zu einer eigenen Bonitätsprüfung nicht in der Lage, muss er den Kunden hierüber unzweideutig informieren (OLG Braunschweig ZIP 1996, 1242). Selbst der Anlagevermittler, an den von der Rechtsprechung geringere Anforderungen als an den Anlageberater gestellt werden, ist verpflichtet, das Konzept auf wirtschaftliche Plausibilität zu überprüfen (BGH NJW-RR 2000, 998). Schuldhaft handelt er etwa dann, wenn er verschweigt, dass eine von ihm abgegebene positive Beurteilung auf nicht überprüften Informationen des Kapitalsuchenden (d.h. hier, mutatis mutandis, des Darlehensgebers, M. bzw. ...) beruht (BGH NJW-RR 1993, 1114; ZIP 2003, 1928).
Nach diesen Grundsätzen hat der Beklagte als Berater, aber auch wenn man ihn lediglich als Finanzvermittler einstufen wollte, gegen seine Pflichten verstoßen. Seine Beratung war jedenfalls nicht objektgerecht. Wesentliche Umstände des von ihm vermittelten und in die Wege geleiteten und begleiteten Geschäfts, so die Identität und Bonität der Darlehensgeberin, Fa. ..., und die wirtschaftlichen Hintergründe und Referenzen des Herrn M. selbst waren dem Beklagten überhaupt nicht bekannt. Die positive Bewertung des Projekts durch den offensichtlich eigeninteressierten Initiator M. hat er ohne eigene Überprüfung weitergegeben. Seine mangelnden Kenntnisse hat er gegenüber den Klägern nicht offen gelegt. Nach eigenem Prozessvortrag hat er jeweils seinen Kenntnisstand weitergegeben.
Diese Umstände wiegen umso schwerer, als es sich bei der gewählten Konstruktion um eine - für den Beklagten als Fachmann erkennbar - risikoreiche Angelegenheit handelte.
Als erfahrener Berater hätte der Beklagte die Kläger darauf hinweisen müssen, dass sie ein besonders hohes Risiko eingehen, wenn sie über den Privatmann M. an eine dem Beklagten unbekannte Institution (...) im Ausland (das heißt auch: nicht dem deutschen Einlagensicherungsfonds angeschlossen) Geld überweisen. Auch sollte die Tilgung endfällig nach 10 Jahren erfolgen, und zwar teilweise durch den Eigenkapitalanteil der Kläger, wobei es Herrn M. bzw. der Fa. ... offensichtlich völlig freigestellt war, wie sie in der Zwischenzeit mit diesem Betrag verfährt. Durch die Anlage des Eigenkapitalanteils im Ausland waren die Darlehensnehmer zudem Währungsrisiken unterworfen. Auch darüber hat der Beklagte nicht aufgeklärt. Demgegenüber war der Darlehenszinssatz mit 3,8 % jährlich - gerichtsbekannt - marktunüblich niedrig und hätte schon insofern beim Beklagten zur Vorsicht gemahnen sollen.
Dem Beklagten war auch bekannt, dass unmittelbar zwischen den Klägern und Herrn M. keinerlei Gespräche oder Beratung stattfanden, sodass die Intensität der von ihm geschuldeten Beratung sich an dem anderweitig nicht befriedigten Informationsbedürfnis der Kläger bemessen musste. Insofern handelte der Beklagte auch nicht kundengerecht. Unstreitig sind die Kläger nämlich nicht als wohlinformierte Experten an den Beklagten herangetreten. Es wäre deswegen dessen Aufgabe gewesen, den Umfang der von ihm geschuldeten Beratung am Fachwissen und an den Bedürfnissen der Kläger zu orientieren (vgl. BGHZ 123, 126), woran es fehlte.
Es sei erneut darauf hingewiesen, dass diese Pflichtverletzung(en) auch dann zu bejahen wären, wenn der Beklagte (lediglich) als Anlagevermittler gehandelt haben und zwischen ihm und den Klägern ein Auskunftsvertrag zustande gekommen sein sollte (vgl. BGHZ 74, 103, 106; NJW-RR 2003, 1690).3.
Der Beklagte hat sich nicht nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB exkulpiert. Insbesondere genügt es nicht, dass der Beklagte meint, er habe ja lediglich seinen Kenntnisstand bezüglich der Verfügungsbefugnis über das Konto und der Seriosität von Herrn M. weitergegeben.
Für ein Mitverschulden der Kläger liegen keine Anhaltspunkte vor. Die Konditionen des vermittelten Geschäfts sind nicht in einer Weise auffällig, dass schon die Kläger als Laien hätten Verdacht schöpfen müssen. Anlass zum Misstrauen, was grundsätzlich Mitverschulden begründen könnte (BGH NJW 1982, 1095), bestand somit für die Kläger nicht (wohl aber für den Beklagten, wie oben ausgeführt). Im Übrigen gilt der Rechtsgrundsatz, dass derjenige, der eine unrichtige Auskunft erteilt, dem anderen Teil in der Regel nicht entgegen halten kann, dass dieser auf die Auskunft vertraut hat (BGH NJW-RR 1988, 855; NJW 2004, 1868, 1870).4.
Somit können sich die Kläger auf die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens berufen und Ersatz des negativen Interesses verlangen. Die Kläger sind daher so zu stellen, als hätten sie die auf der falschen Beratung beruhenden nachteiligen Dispositionen nicht getroffen (vgl. BGH NJW 2004, 1868).
a) Zumindest im Sinne einer schadensgleichen Gefährdung ist der Schaden vorliegend eingetreten. Bis heute ist das Geld nicht an die Kläger zurückgeflossen. Wie die Kläger unwidersprochen vorgetragen haben, wurden sie von Herrn M. hinsichtlich der Auszahlung des Darlehensbetrages mehrfach vertröstet. Die Rückzahlung des einbezahlten Eigenkapitals und des zusätzlichen Betrages für die Kreditausfallversicherung von EUR 4.900,00 machte Herr M. im März 2004 von einer Freigabe abhängig und antwortete auf Nachfrage nicht mehr. Das Geld war offensichtlich ins Ausland transferiert worden. Auch gegenüber den Klägervertretern versprach Herr M. die Rückzahlung, machte insoweit aber wiederum unklare - offensichtlich gelogene - Angaben (aus banktechnischen Gründen erst am 19.03.2004). Auch mehrfacher Kontakt der Klägervertreter mit der Bank ... führte nicht zu einer Auszahlung des Geldes, welches darüber hinaus nach Mitteilung der Bank auf dem gesperrten Konto nicht mehr in voller Höhe vorhanden sei. Vor dem Hintergrund der jeweils in Anlage vorliegenden Korrespondenz genügt das Bestreiten des Beklagten insoweit nicht. Offensichtlich liest er auch eine E-Mail der Bank (Anlage K 17) falsch, wenn er davon ausgeht, den Klägervertretern sei darin mitgeteilt worden, ein Betrag von EUR 43.443,77 sei nach wie vor auf dem Konto des Klägers zu 1 vorhanden. Vielmehr hat die Bank mitgeteilt, dieser Betrag befinde sich auf einem Konto des Herrn M. Es spricht im Übrigen nichts dafür, dass die Kläger den Betrag von Herrn M. selbst erlangen könnten, der offensichtlich betrügerisch vorgegangen ist. Letzteres ist freilich aus Rechtsgründen ohnehin unerheblich, weil der Beklagte mit dem weiteren Schädiger, Herrn M., die Rückzahlung des von den Klägern aufgewendeten Betrages gleichstufig, d. h. gesamtschuldnerisch schuldet. Das gleiche gilt für die Gesamtschuldnerschaft mit der wohl von Herrn M. geführten Firma ... (vgl. Palandt, a. a. O, § 421 Rdn. 10 m. w. N.).
b) Teilweise abzuweisen war die Klage unter anderem hinsichtlich der geforderten Rechtsanwaltsgebühren. Die Parteien haben insoweit auf Hinweis des Gerichts unstreitig gestellt, dass der Klägervertreter im Vorfeld des Prozesses eine Tätigkeit entfaltet hat, die insgesamt aus einem Streitwert von EUR 54.900,00 Gebühren in Höhe von 21/10 gemäß BRAGO zuzüglich Auslagenpauschale gemäß § 26 BRAGO und Mehrwertsteuer rechtfertigen. Da diese Gebühren ebenfalls aufgrund der Pflichtverletzung des Beklagten angefallen sind, schuldet er insoweit Schadensersatz in Höhe von EUR 2.758,83 und nicht den mit der Klage geltend gemachten geringfügig hören Betrag.
c) Ebenfalls auf Hinweis des Gerichts haben die Kläger ihre Klage insoweit teilweise zurückgenommen, als sie nur noch eine Verurteilung Zug um Zug gegen Abtretung von Ersatzansprüchen geltend machen. Der Beklagte hatte zuvor das ihm gemäß in §§ 255, 273 BGB zustehende Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht. Die Abtretung der Ersatzansprüche kommt freilich nur insoweit zum Tragen, als der Beklagte nicht schon als Gesamtschuldner neben weiteren Schädigern (M./...) haftet (s.o.).5.
Bezüglich der Zinsforderung hatte ebenfalls eine Teilabweisung zu erfolgen. Zwar dürfte der Schaden bei den Klägern durch Überweisung des Betrages am 21.01.2004 entstanden sein. Es fehlt jedoch an Vortrag, dass mit diesem Tage Verzug ohne Mahnung eingetreten wäre (§ 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB). Insbesondere haben die Kläger nicht dazu vorgetragen, dass der Beklagte wissentlich eine fehlerhafte Leistung erbracht, die geschuldete Leistung aber gleichwohl nicht bewirkt habe (vgl. BGH NJW 1970, 1502). Auch der Vortrag zu einer evtl. Erfüllungsverweigerung des Beklagten genügt nicht. Insofern hat das Gericht Prozesszinsen ab Zustellung der Klage zugesprochen.II.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
LG Karlsruhe:
Urteil v. 08.02.2005
Az: 8 O 327/04
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