Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. November 2006
Aktenzeichen: 28 W (pat) 45/06
(BPatG: Beschluss v. 15.11.2006, Az.: 28 W (pat) 45/06)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in seinem Beschluss vom 15. November 2006 (Aktenzeichen 28 W (pat) 45/06) die Beschwerde der Markeninhaberin gegen den Beschluss der Markenstelle für die Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. März 2006 zurückgewiesen. Die Markeninhaberin hatte die Wortmarke "Appetiter" beim Deutschen Patent- und Markenamt zur Marke angemeldet und diese wurde am 8. Dezember 2004 in das Register eingetragen. Die Widersprechende hatte hiergegen Widerspruch aus der deutschen Marke "Happetizer" erhoben. Die Markenstelle hatte daraufhin die angegriffene Marke für bestimmte Waren gelöscht und den weitergehenden Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen.
Der Markeninhaber hatte in seiner Beschwerde vor dem Bundespatentgericht die Aufhebung des Beschlusses beantragt und argumentiert, dass zwischen den Vergleichsmarken keine hohe klangliche Ähnlichkeit bestehe. Er führte an, dass die angegriffene Marke auf das deutsche Wort "Appetit" zurückgehe, während bei der Widerspruchsmarke mit einer englischen Aussprache gerechnet werde. Die Vokalfolgen seien deutlich verschieden und es gebe auch einen wesentlichen klanglichen Unterschied im Anfangsbuchstaben der letzten Silbe. Zudem seien die sachlichen Anklänge beider Marken unterschiedlich.
Das Bundespatentgericht hat die Beschwerde des Markeninhabers jedoch zurückgewiesen. Es stellte fest, dass zwischen den Vergleichsmarken klangliche Verwechslungsgefahr bestehe. Zwar gebe es einige Unterschiede zwischen den Marken, insgesamt seien aber die Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen größer. Auch der mögliche begriffliche Anklang der Widerspruchsmarke an den englischen Begriff "happy" könne eine klangliche Verwechslungsgefahr nicht sicher ausschließen.
Das Bundespatentgericht hat die Entscheidung im schriftlichen Verfahren getroffen, da keine mündliche Verhandlung beantragt wurde. Es entschied, dass die Waren der Vergleichsmarken, die laut Register identisch oder ähnlich sind, eine geringe Markenähnlichkeit zur markenrechtlichen Verwechslungsgefahr führen können. Außerdem wies das Gericht darauf hin, dass es den Parteien obliegt, sich zu dem Vorbringen der Gegenseite zu äußern, und dass das Gebot des rechtlichen Gehörs gewahrt werden muss.
Das Bundespatentgericht legte außerdem fest, dass die Kosten nicht aus Billigkeitsgründen auferlegt werden.
Insgesamt bleibt die Beschwerde des Markeninhabers ohne Erfolg, da zwischen den Vergleichsmarken im Umfang der Feststellungen des angegriffenen Beschlusses klangliche Verwechslungsgefahr besteht.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 15.11.2006, Az: 28 W (pat) 45/06
Tenor
Die Beschwerde der Markeninhaberin gegen den Beschluss der Markenstelle für die Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. März 2006 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Das Wort Appetiterwurde am 15. April 2004 beim Deutschen Patent- und Markenamt zur Marke angemeldet und am 8. Dezember 2004 in das Register eingetragen. Im Laufe des sich anschließenden Widerspruchsverfahrens hat der Inhaber der angegriffenen Marke auf die Eintragung für eine Reihe der Waren verzichtet, so dass die Marke jetzt noch für die folgenden Waren der Klassen 39, 30 und 35 eingetragen ist:
"Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte;
Salz, Senf; Essig, Saucen (Würzmittel); Gewürze;
Werbung, Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten."
Gegen diese Eintragung ist u. a. Widerspruch erhoben worden aus der deutschen Marke 302 33 233 Happetizerdie seit dem 18. Oktober 2002 in das Register eingetragen ist für die folgenden Waren der Klassen 29, 30 und 32:
"FIeisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten; Konfitüren, Kompotte; Eier, Milch und Milchprodukte; Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Essig, Saucen (Würzmittel); Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken".
Wegen dieses Widerspruchs hat die Markenstelle für die Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts mit Beschluss vom 29. März 2006 die angegriffene Marke für die Waren
"Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; Salz, Senf; Essig, Saucen (Würzmittel); Gewürze;"
gelöscht und den weitergehenden Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. In diesem Beschluss hat die Markenstelle die Auffassung vertreten, dass zwischen den Vergleichsmarken im Umfang der angeordneten Löschung klangliche Verwechslungsgefahr i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG bestehe.
Mit seiner Beschwerde verfolgt der anwaltlich vertretene Markeninhaber die Aufhebung des angegriffenen Beschlusses, soweit darin die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet wurde. Dass die Waren der Vergleichsmarken im Umfang der Feststellungen der angegriffenen Beschlusses miteinander identisch oder einander ähnlich sind, hat der Inhaber der angegriffenen Marke nicht ernsthaft in Zweifel gezogen, auch nicht, dass es zwischen den Vergleichsmarken eine ganze Reihe von Übereinstimmungen und Ähnlichkeiten gibt. Er meint jedoch, dass zwischen den Marken keine hohe klangliche Ähnlichkeit bestehe und führt zur Begründung aus: Die angegriffene Marke gehe offenkundig auf das deutsche Wort "Appetit" zurück, nicht auf ein englisches. Dagegen müsse bei der Widerspruchsmarke mit einer englischen Aussprache gerechnet werden mit der Folge, dass sich klanglich die deutsche Vokalfolge "aeie" in der angegriffenen Marke und die englische Vokalfolge der Widerspruchsmarke (phonetisch:) "äeeie" gegenüberstünden. Beide Vokalfolgen hält der Inhaber der angegriffenen Marke für deutlich verschieden. Einen weiteren wesentlichen klanglichen Unterschied sieht der Markeninhaber in der englischen Aussprache des Buchstaben "z" am Anfang der letzten Silbe in der Widerspruchsmarke als stimmhaftes "s" im Vergleich zu dem korrespondierenden Konsonanten "t" in der angegriffenen Marke. Die Erkennbarkeit dieser Unterschiede werde verstärkt durch die Unterschiede in den sachlichen Anklängen beider Marken. Die Widerspruchsmarke "Happetizer" sei an den englischen Begriff "Happy" angelehnt, der in Deutschland allgemein bekannt sei. Dagegen gehe die angegriffene Marke klar erkennbar auf das deutsche Wort Appetit zurück. Diese Umstände stellten sicher, dass der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher die Vergleichsmarken ohne Weiteres voneinander unterscheiden könne.
Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. März 2006 insoweit aufzuheben, als darin wegen des Widerspruchs aus der Wortmarke 302 33 233 "HAPPETIZER" die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet wurde, und den Widerspruch auch insoweit zurückzuweisen.
Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke zurückzuweisen.
Sie hält den angegriffenen Beschluss für zutreffend.
II.
Die zulässige Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil zwischen den Vergleichsmarken im Umfang der Feststellungen des angegriffenen Beschlusses klangliche Verwechslungsgefahr i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.
Diese Entscheidung konnte im schriftlichen Verfahren ergehen. Das Patentgericht entscheidet über Beschwerden in Markensachen grundsätzlich ohne mündliche Verhandlung, § 69 MarkenG. Eine mündliche Verhandlung ist lediglich vorgeschrieben, wenn einer der Beteiligten sie beantragt, Beweis erhoben werden soll oder wenn das Patentgericht eine solche für sachdienlich hält. Die Beteiligten des Beschwerdeverfahrens haben also zu gewärtigen, dass das Beschwerdegericht ohne mündliche Verhandlung entscheidet. Das Gericht ist bei seiner Beschlussfassung im schriftlichen Verfahren nicht an einen bestimmten Termin gebunden. Die Parteien können deshalb nicht darauf vertrauen, dass das Gericht sie über einen Termin zur Beschlussfassung unterrichtet. Das Gericht ist als Beschwerdegericht grundsätzlich auch nicht gehalten, den Beteiligten Äußerungsfristen zu setzen oder einen beabsichtigten Termin zur Beschlussfassung mitzuteilen. Das Gebot zur Wahrung des rechtlichen Gehörs gebietet lediglich, dass für die Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit besteht, sich zu dem Vorbringen der Gegenseite zu äußern. Insoweit genügt in der Regel ein Zeitraum von zwei Wochen (vgl. BGH GRUR 1997, 223, 224 - "Ceco"). Hier hat der anwaltlich vertretene Inhaber der angegriffenen Marke keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt. Auf den entsprechenden Hilfsantrag der Widersprechenden und Beschwerdegegnerin kommt es nicht an, weil dieser Antrag nur für den Fall gestellt worden war, dass der Senat den Anträgen der Widersprechenden nicht bereits im schriftlichen Verfahren stattgeben wollte. Die Inhaberin der angegriffenen Marke hatte seit Einreichung ihrer Beschwerdeschrift am 21. April 2006 mehr als sechs Monate Zeit, ihre Beschwerde zu begründen und ihre Anträge zu stellen. Für eine Stellungnahme zu der Beschwerdeerwiderung der Widersprechenden vom 17. August 2006 hatte sie über zwei Monate Zeit. Einer Entscheidung des Gerichts im schriftlichen Verfahren stand daher nichts im Wege.
Für die Frage der Warenähnlichkeit kommt es allein auf die Registerlage an, weil sich keine Benutzungsfragen stellen. Danach sind die Waren der Klasse 29 "Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte" sowie die Waren der Klasse 30 "Essig, Saucen (Würzmittel)" aus dem Warenverzeichnis der angegriffenen Marke identisch mit den Waren der Widerspruchsmarke in denselben Klassen. Die Waren der Klasse 29 "Salz, Senf", für die die angegriffene Marke außerdem eingetragen ist, sind den Waren "Essig, Saucen (Würzmittel)" aus dem Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke ähnlich, denn alle diese Zutaten werden häufig als Würzmittel eingesetzt (vgl. Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 13. Aufl., S. 159 zum Stichwort "Kochsalz" und S. 278 zum Stichwort "Senf").
Bei dieser Ausgangslage kann auch eine geringe Markenähnlichkeit zur markenrechtlichen Verwechslungsgefahr führen. Denn die Faktoren der Verwechslungsgefahr - Ähnlichkeit der Waren, Schutzumfang der Widerspruchsmarke und Ähnlichkeit der Marken - stehen in einem Verhältnis der Wechselwirkung zueinander, so dass ein geringerer Grad eines Faktors durch einen höheren Grad eines anderen Faktors ausgeglichen werden kann (std. Rspr., vgl. z. B. EuGH GRUR 1998, 387, 389 - Sabel/Puma; BGH GRUR 2005, 513, 514 - MEY/Ella May). Die angegriffene Marke muss daher einen deutlichen Abstand zur Widerspruchsmarke halten. Diese Anforderung ist hier schon deswegen nicht erfüllt, weil es zwischen den Vergleichsmarken eine ganze Reihe von klanglichen Übereinstimmungen und Ähnlichkeiten gibt und die wenigen Unterschiede für den jeweiligen Gesamteindruck unwesentlich bleiben.
Identisch sind in den Wortmarken "Happetizer" und "Appetiter" die Vokalfolge, die Silbenzahl und deren Betonung sowie vier von insg. fünf bzw. sechs Konsonanten, darunter das charakteristische verdoppelte "p" als Verbindung zwischen der ersten und der zweiten Silbe. Dagegen entwickelt der von Natur aus schwache Hauchlaut "h" am Anfang der Widerspruchsmarke neben dem nachfolgenden "a" kein eigenes Gewicht und als einziger echter klanglicher Unterschied verbleibt der Unterschied zwischen den Konsonanten "s" und "t", mit denen die jeweils vierte Silbe der beiden Wörter beginnt. Angesichts der überwiegenden Übereinstimmungen reicht dieser Unterschied nicht aus, um eine klangliche Verwechslung sicher auszuschließen. Das gilt auch dann, wenn - wie die Markeninhaberin annimmt - die angegriffene Marke regelmäßig deutsch, die Widerspruchsmarke regelmäßig englisch ausgesprochen werden sollte, also phonetisch etwa "häppeneiser". Bei dieser Konstellation werden zwar die jeweils ersten ("a") und dritten ("i") Vokale unterschiedlich ausgesprochen, bleiben sich aber deutlich ähnlich. So stehen sich dann am Wortanfang "a" und "ä" gegenüber und in der dritten Silbe "i" und "ei". Für eine sichere Unterscheidung reicht das nicht aus.
Der denkbare begriffliche Anklang der Widerspruchsmarke an den in Deutschland allgemein bekannten englischen Ausdruck "happy" - "glücklich", "zufrieden" - ist nicht dazu geeignet, eine klangliche Verwechslungsgefahr sicher auszuschließen. Denn eine regelmäßige Assoziation der Widerspruchsmarke mit diesem Begriff setzt voraus, dass ein Überhören des Anfangsbuchstabe "h" der Widerspruchsmarke in der Regel nicht zu erwarten steht. Das Umgekehrte ist jedoch der Fall. Denn der Hauchlaut "h" ist von Natur aus kein starker Klang und kann am Wortanfang leicht überhört werden, weil sich da die Wahrnehmung im Deutschen auf den nachfolgenden Vokal konzentriert. Besondere Umstände, die im Fall der Widerspruchsmarke "Happetizer" ein solches Verhören weniger wahrscheinlich machen könnten, sind nicht erkennbar.
Eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 MarkenG war nicht veranlasst.
BPatG:
Beschluss v. 15.11.2006
Az: 28 W (pat) 45/06
Link zum Urteil:
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