VerfGH des Landes Berlin:
Beschluss vom 17. März 1994
Aktenzeichen: 13/94

(VerfGH des Landes Berlin: Beschluss v. 17.03.1994, Az.: 13/94)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Der Rechtsanwalt erklärt seinem Mandanten, dass der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin in einem Beschluss vom 17. März 1994 über eine Verfassungsbeschwerde entschieden hat. Der Beschwerdeführer war als Pflichtverteidiger in einem Verfahren vor dem Landgericht Berlin tätig und machte geltend, dass sein Vergütungsanspruch gegen die Landeskasse zu niedrig bemessen worden sei. Das Kammergericht hatte den Vergütungsanspruch auf 4.120,- DM festgesetzt, während der Beschwerdeführer eine höhere Pauschvergütung gemäß § 99 BRAGO beantragt hatte.

Der Beschwerdeführer argumentierte, dass das Kammergericht den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 6 Abs. 1 VvB verletzt habe, indem es die Vergütung nur für die Tätigkeit als Pflichtverteidiger berücksichtigt habe, ohne die vorherige Tätigkeit als Wahlverteidiger miteinzubeziehen. Er sah auch eine Verletzung seines Grundrechts auf Freiheit der Berufsausübung aus Art. 11 VvB. Der Verfassungsgerichtshof stellte jedoch fest, dass das Kammergericht die vorherige Tätigkeit als Wahlverteidiger in der Bemessung der Pauschvergütung berücksichtigt hatte. Die Festsetzung der Vergütung durch das Kammergericht war somit nicht willkürlich und daher nicht verfassungswidrig.

Zudem wies der Verfassungsgerichtshof darauf hin, dass die als verletzt gerügten Grundrechte auch nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs zu beachten sind, auch wenn die angegriffene Maßnahme in Anwendung von Bundesrecht ergangen ist. Die Beschränkung der Vergütung auf die Höchstgrenze eines Wahlverteidigers wurde nicht als Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und das Grundrecht der Berufsfreiheit angesehen. Andere Oberlandesgerichte haben ebenfalls festgestellt, dass die Höchstgebühr eines Wahlverteidigers grundsätzlich die Höchstgrenze für die Pauschgebühr aus der Staatskasse darstellt.

Der Verfassungsgerichtshof wies die Verfassungsbeschwerde daher als unbegründet zurück. Die Entscheidung ist endgültig und kann nicht angefochten werden. Die Kostenentscheidung beruht auf den entsprechenden Regelungen des VerfGHG.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

VerfGH des Landes Berlin: Beschluss v. 17.03.1994, Az: 13/94


Gründe

I.

Mit der Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, der ihm aus seiner anwaltlichen Tätigkeit als Pflichtverteidiger des Angeklagten E... M..., des früheren ... der ehemaligen DDR, in einem Verfahren vor dem Landgericht Berlin (Schwurgerichtskammer) zustehende Vergütungsanspruch gegen die Landeskasse sei vom Kammergericht unter Verstoß gegen Grundrechte der Verfassung von Berlin erheblich zu niedrig bemessen worden.

Die Staatsanwaltschaft bei dem Kammergericht, wo sich der Beschwerdeführer bereits unter dem 9. April 1992 als Wahlverteidiger für E... M... gemeldet hatte, reichte unter dem 12. Mai 1992 eine umfangreiche, auch weitere Angeschuldigte betreffende Anklageschrift beim Landgericht Berlin ein. Der Beschwerdeführer wurde auf seinen Antrag vom 22. Mai 1992 durch Verfügung des Vorsitzenden der Schwurgerichtskammer vom 2. Juni 1992 als Pflichtverteidiger für E... M... beigeordnet, und zwar neben dem weiteren Pflichtverteidiger Rechtsanwalt G.... Zur Frage der Verhandlungsfähigkeit wurden medizinische Sachverständigengutachten eingeholt, und die Verteidigung überreichte in dem Zwischenverfahren eine Schutzschrift. Nach der Eröffnung des Hauptverfahrens mit Beschluß der 27. Strafkammer vom 19. Oktober 1992 begann die Hauptverhandlung am 12. November 1992. Der Angeklagte E... M... nahm lediglich an zwei relativ kurzen Sitzungstagen teil. Danach wurde das gegen ihn gerichtete Verfahren abgetrennt und vorläufig eingestellt, da er mit Rücksicht auf eine in einem gegen ihn gerichteten weiteren Strafverfahren laufende Hauptverhandlung als für diese Sache verhandlungsunfähig angesehen wurde.

Auf den ohne Bezifferung gestellten Antrag des Beschwerdeführers, ihm für seine Tätigkeit als Pflichtverteidiger in dieser besonders umfangreichen und schwierigen Strafsache eine Pauschvergütung gemäß § 99 BRAGO zu bewilligen, setzte der 4. Strafsenat des Kammergerichts mit Beschluß vom 29. November 1993 den Vergütungsanspruch auf 4.120,- DM fest und wies in der Begründung darauf hin, daß die Pauschvergütung keinesfalls höher ausfallen dürfe als diese Höchstgebühr eines Wahlverteidigers.

Gegen diesen am 3. Dezember 1993 zugegangenen Beschluß wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner am 3. Februar 1994 eingegangenen Verfassungsbeschwerde.

Er führt zur Begründung im wesentlichen aus:

Das Kammergericht habe den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 6 Abs. 1 VvB verletzt, indem es in Abweichung von der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte die Vergütung nur nach der Tätigkeit in dem Verfahrensabschnitt nach der Beiordnung als Pflichtverteidiger bemessen habe, ohne die schon vor Anklageerhebung erbrachte Tätigkeit als Wahlverteidiger miteinzubeziehen. Soweit das Kammergericht eine die Höchstgebühr für den Wahlverteidiger übersteigende Vergütung für "keinesfalls" angemessen halte, sei ebenfalls der Gleichheitsgrundsatz verletzt, ferner auch das durch Art. 11 VvB garantierte Grundrecht auf Freiheit der Berufsausübung. Er - der Beschwerdeführer - habe wegen seiner Tätigkeit insbesondere im Vor- und Zwischenverfahren in der Sache gegen E... M... viele Mandate ausschlagen müssen, und die Begrenzung der Vergütung auf den bisher bewilligten Betrag würde für ihn zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Berufsausübung führen.

II.

Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Entgegen der Annahme des Beschwerdeführers hat das Kammergericht bei der Festsetzung seiner Pflichtverteidigervergütung die vor Eröffnung des Hauptverfahrens erbrachte Tätigkeit als Wahlverteidiger im Rahmen der Bemessung der Pauschvergütung nach § 99 BRAGO berücksichtigt. Auf der vom Kammergericht gewählten Grundlage der Vergütung eines Wahlverteidigers setzt sich der festgesetzte Betrag von 4.120,- DM - die Gebühren eines Pflichtverteidigers würden demgegenüber 1.355,- DM betragen - aus folgenden Bestandteilen zusammen:

Für die Tätigkeit im vorbereitenden Verfahren gem. § 84 Abs. 1BRAGO die Hälfte des Höchstsatzes nach § 83 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO 1030,-- DMFür die Hauptverhandlung der in § 83 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO genannte

Höchstbetrag von 2.060,-- DM

sowie gemäß § 83 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BRAGO für den zweiten

Verhandlungstag weitere 1.030,-- DM 4.120,-- DM

Da somit die Tätigkeit des Beschwerdeführers im vorbereitenden

Verfahren vom Kammergericht berücksichtigt worden ist, liegt der

von dem Beschwerdeführer insoweit gerügte Verstoß gegen den

Gleichheitssatz schon aus tatsächlichen Gründen nicht vor.

2. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die Beschränkung

der ihm gewährten Vergütung auf die höchstmögliche gesetzliche

Vergütung eines Wahlverteidigers verletze den

Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 6 Abs. 1 VvB und das

Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 11 VvB, ist die

Verfassungsbeschwerde ebenfalls nicht begründet. Zwar sind die

als verletzt gerügten Grundrechte inhaltsgleich mit den in Art. 3

Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG enthaltenen bundesrechtlichen

Verbürgungen und sind daher nach der ständigen Rechtsprechung des

Verfassungsgerichtshofs durch die öffentliche Gewalt des Landes

Berlin zu beachten sowie in Verfassungsbeschwerdeverfahren beim

Verfassungsgerichtshof rügefähig, auch wenn die angegriffene

Maßnahme - wie im vorliegenden Fall - in Anwendung von

Bundesrecht ergangen ist (vgl. die Entscheidungen VerfGH, NJW

1993, 513 und 1994, 436). Eine Verletzung dieser Grundrechte bei

der Bemessung der dem Beschwerdeführer vom Kammergericht

bewilligten Pauschvergütung ist jedoch nicht ersichtlich. Eine

Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes kann schon im Ansatz nicht

darin liegen, daß ein Gericht bei der Auslegung eines Gesetzes

der Auffassung anderer Gerichte nicht folgt, es sei denn, seine

Entscheidung ist nicht mehr verständlich und beruht offenbar auf

sachfremden Erwägungen (Beschluß vom 23.2.1993 - VerfGH 43/92-),

ist also willkürlich. Einen Fehler dieser Art läßt die

beanstandete Festsetzung der Pauschvergütung nicht erkennen.

Jedenfalls im Grundsatz entnehmen auch andere Oberlandesgerichte

seit jeher der Regelung in § 100 Abs. 1 BRAGO, daß die

Staatskasse bei der Vergütung eines Pflichtverteidigers nach §§

97, 99 BRAGO die Erstattung echter Auslagen des Angeklagten

übernimmt und daher die Höchstgebühren des Wahlverteidigers

grundsätzlich auch die Höchstgrenze bei der Bemessung der

Pauschgebühr aus der Staatskasse darstellen (vgl. BayObLG,

JurBÜRO 1977, 690). Hiermit stimmt überein, daß nach dem

Kostenverzeichnis (GKG Anlage 1) unter Nr. 1906 die an

Rechtsanwälte zu zahlenden Beträge in voller Höhe dem zur

Kostentragung verpflichteten Verurteilten zur Last fallen. Ob

entgegen der Auffassung des Kammergerichts für bestimmte Fälle

außergewöhnlich umfangreicher und schwieriger Strafsachen eine

Überschreitung dieser Höchstgrenze in Auslegung des einfachen

Rechts möglich oder einfachgesetzlich gar geboten ist, hat der

Verfassungsgerichtshof nicht zu entscheiden. Jedenfalls kann die

Auslegung des Kammergerichts, wonach eine absolute Grenze

zwingend vorgegeben ist, nicht als willkürlich und damit nicht

als Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 VvB angesehen werden.

Auch eine Verletzung des Grundrechts der Berufsfreiheit (Art. 11

VvB) liegt nicht vor. Der Beschwerdeführer hat hierzu

substantiiert nichts vorgetragen. Sein Vortrag, eine

Nichtberücksichtigung des Verteidigeraufwands im Vor- und

Zwischenverfahren - der, wie dargelegt, in Wirklichkeit vergütet

wurde - führe angesichts der Tatsache, daß er in dieser Zeit sein

Büro weiter habe finanzieren und viele Mandate ausschlagen

müssen, zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung seiner

Berufsausübung, reicht für die Annahme einer Verletzung des

Grundrechts der Berufsfreiheit nicht aus. Das

Bundesverfassungsgericht hat in der von dem Beschwerdeführer zur

Stützung seiner Auffassung herangezogenen Entscheidung BVerfGE

54, 251, die die Vergütung eines mit einer Vormundschaft

betrauten Rechtsanwalts betraf, eine Verletzung des Grundrechts

der Berufsfreiheit nur angenommen, weil dem dortigen

Beschwerdeführer zugemutet wurde, in großem Umfang

Vormundschaften ohne jegliches Entgelt und nur gegen Erstattung

einer geringfügigen Unkostenpauschale zu führen. Der vorliegende

Fall ist damit nicht vergleichbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 33, 34 VerfGHG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.






VerfGH des Landes Berlin:
Beschluss v. 17.03.1994
Az: 13/94


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