Verwaltungsgericht Köln:
Urteil vom 6. November 2008
Aktenzeichen: 1 K 3194/06
(VG Köln: Urteil v. 06.11.2008, Az.: 1 K 3194/06)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Die Klägerin hat gegen die Entscheidung der Bundesnetzagentur Klage eingereicht. Die Klägerin betreibt ein öffentliches Telekommunikationsnetz und ist mit dem Netz der Deutschen Telekom AG zusammengeschaltet. Die Bundesnetzagentur hatte festgelegt, dass die Entgelte, die die Deutsche Telekom AG der Klägerin für die Leistung BT-B.1 zahlen muss, zu hoch seien und somit gegen das Telekommunikationsgesetz (TKG) verstoßen. Die Klägerin ist anderer Meinung und hat daher beim Verwaltungsgericht Köln Klage eingereicht. Das Gericht hat entschieden, dass die Bundesnetzagentur den Antrag der Klägerin erneut bescheiden muss und teilweise gegen das TKG verstoßen hat. Das Gericht hat jedoch die Klage insgesamt abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens müssen die Klägerin und die Beklagte je zur Hälfte tragen. Das Gericht hat die Revision zugelassen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
VG Köln: Urteil v. 06.11.2008, Az: 1 K 3194/06
Tenor
Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Beschlusses derBundesnetzagentur vom 31. Mai 2006 (BK 4b/06-035/E 15.03.06) verpflichtet, den Antrag auf Erlass einer Entgeltanordnung für die Zusammenschaltungsleistung BT-B.1 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin und die Beklagte je zur Hälfte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin betreibt ein öffentliches Telekommunikationsnetz und ist mit dem
Telekommunikationsnetz der Deutschen Telekom AG (DTAG) zusammengeschaltet.
Wegen der Zusammenschaltung erging in dem Jahr 2003 eine Verfügung der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post - nunmehr Bundesnetzagentur für
Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen - (Regulierungsbehörde), die mit Verfügung vom 05. April 2004 (Az. BK4c-04-009/Z 12.02.04) abgeändert
wurde. Die Klägerin wurde unter anderem verpflichtet, die Leistung BT-B.1 gegenüber der DTAG zu erbringen. Das Kürzel "BT-B.1" bezeichnet die Terminierung von
Gesprächen zu geografischen Rufnummern im Telefonnetz der Klägerin. Die DTAG
wurde im
Gegenzug verpflichtet, die für diese Leistung vorläufig genehmigten, genehmigten
oder teilgenehmigten Entgelte an die Klägerin zu zahlen. Die Zusammenschaltungsanordnung war erfolgt, weil die Klägerin die von der DTAG geforderte reziproke Abrechnung ihrer Leistungen bereits damals ablehnte.
Mit bestandskräftig gewordener Regulierungsverfügung vom 29. Mai 2006
(BK4d-05-21/R), ABl. 2006, 1651, verpflichtete die Regulierungsbehörde die Klägerin
u.a., Betreibern von öffentlichen Telefonnetzen die Zusammenschaltung mit ihrem
öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten am Vermittlungsstellenstandort der
Klägerin zu gewähren (Ziffer 1.1) und über die Zusammenschaltung Verbindungsleistungen für die Anrufzustellung in ihr öffentliches Telefonnetz an festen Standorten
einschließlich der lokalen Anrufweiterleitung zu erbringen (Ziffer 1.2). Ferner beschloss sie, dass die Entgelte für die Gewährung des Zugangs der nachträglichen
Regulierung nach §§ 30 Abs. 1 S. 2, 38 Abs. 2 bis 4 TKG unterliegen (Ziffer 4). Die
Regulierungsverfügung beruht auf der Festlegung der Regulierungsbehörde vom 12.
Oktober 2005 (BK 1-04/002a), wonach die Klägerin und weitere alternative Teilnehmernetzbetreiber auf den netzweiten Märkten für Anrufzustellung in das öffentliche
Telefonnetz des jeweiligen Unternehmens an festen Standorten einschließlich der
lokalen Anrufweiterleitung jeweils im Sinne des
§ 11 TKG über beträchtliche Marktmacht verfügen (Marktfestlegung).
Die im vorliegenden Verfahren streitigen Entgelte wurden zuletzt mit der
Beschluss der Regulierungsbehörde vom 22. Dezember 2004 (BK4a-04-072/E
29.10.04) bestandskräftig angeordnet. Nachdem sich die Klägerin mit der DTAG über
den Preis auch für die Zeit ab dem 01. Juni 2006 nicht einigen konnte, beantragte die
Klägerin am 15. März 2006 bei der Regulierungsbehörde, gegenüber der DTAG eine
Entgeltanordnung nach § 25 TKG zu erlassen. Die Klägerin machte im Wesentlichen
geltend, das beantragte Entgelt sei lediglich auf Missbräuchlichkeit im Sinne des § 28
TKG zu prüfen. Beigefügt war eine "Vergleichsmarktuntersuchung
Terminierungsentgelte alternativer Teilnehmernetzbetreiber" mit Stand März 2006.
Zeitgleich gingen am 15. März 2006 bei der Beklagten über 30 weitere Anträge
von Teilnehmernetzbetreibern ein, die auf die gleiche Vergleichsmarktuntersuchung
gestützt waren. Mit einer Ausnahme beantragten alle Teilnehmernetzbetreiber dieselben Entgelte. In dem Verfahren des Betreibers B. GmbH &
Co KG (B. ), das die Regulierungsbehörde als Musterverfahren bewertete, war
die Klägerin beigeladen. Sie verzichtete mit Schriftsatz vom 02. Mai 2006 in ihrem
eigenen Verfahren auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und beantragte unter anderem, für die Terminierungsleistung BT-B.1 ab dem 01. Juni 2006
folgende Entgelte anzuordnen:
Tarif in der Zeit von 0 bis 24 Uhr (EUR pro Minute)
Tarifzone I 0,0143
Tarifzone II 0,0173
Tarifzone III 0,0219
Mit Beschlüssen vom 31. Mai 2006 entschied die Regulierungsbehörde über die
Anordnungsanträge der alternativen Netzbetreiber. Hinsichtlich der Klägerin wurden
für die Leistung BT-B.1 unter Ablehnung des weitergehenden Antrages für die Zeit
ab dem 01. Juni 2006 die folgenden Entgelte angeordnet:
Haupttarif Nebentarif
werktags (Montag-Freitag)
09.00 Uhr - 18.00 Uhr werktags 18.00 - 09.00 Uhr; sowie an
Samstagen, Sonntagen und bundeseinheit-
lichen Feiertagen 00.00 Uhr - 24.00 Uhr
EUR/Min EUR/Min
Tarifzone I 0,0069 0,0053
Tarifzone II 0,0105 0,0076
Tarifzone III 0,0153 0,0106
Daneben traf die Regulierungsbehörde weitere Regelungen, die die Klägerin
nicht angegriffen hat. Zur Begründung führte die Regulierungsbehörde unter
anderem aus, die beantragten (höheren) Entgelte hätten den Maßstäben des § 28
TKG nicht genügt, weil sie als missbräuchlich zu bewerten seien. Die
Regulierungsbehörde habe im Wege einer internationalen
Vergleichsmarktbetrachtung entsprechend § 35 Abs. 1 Nr. 1 TKG Referenztarife
ermittelt. Im Rahmen der Vergleichsmarktbetrachtung sei zunächst der "höchste
unverzerrte Wettbewerbspreis" zu bestimmen gewesen. Maßgebend seien die Preise
der Unternehmen, die entsprechende Leistungen auf vergleichbaren, dem
Wettbewerb geöffneten Märkten anböten. Dabei seien grundsätzlich die Entgelte der
alternativen Teilnehmernetzbetreiber zu berücksichtigen. Im Ergebnis seien
allerdings ausschließlich reziproke Entgelte ausgewertet worden. Denn
aussagefähige und gesicherte Daten zu nicht reziproken Tarifen hätten in der zur
Verfügung stehenden Zeit nicht ermittelt werden können. Die Durchschnittspreise
seien in drei Tarifzonen und in Peak- und Offpeaktarife aufgeschlüsselt worden. Da
die beantragten Entgelte den so ermittelten Referenztarif im Schnitt um rund 140 %
überschritten hätten, liege ein Preishöhenmissbrauch vor. Sachliche Gründe für eine
Preisgestaltung, die ein erhebliches Abweichen von einem wettbewerbsanalogen
Preis rechtfertigen und einen Missbrauchsvorwurf ausschließen könnten, seien nicht
ersichtlich. Zur Bestimmung der
anordnungsfähigen Entgelte seien die Ergebnisse der Vergleichsmarktbetrachtung
herangezogen und um einen Erheblichkeitszuschlag von 6 % erhöht worden. Dies
habe im Übrigen zur Folge, dass die absolute Differenz zwischen den Entgelten für
die Leistung T-Com-B.1 und BT-B.1 im Vergleich zu den bisher geltenden Tarifen
unverändert 0,0017 EUR/Minute betrage.
Die Klägerin hat am 05. Juli 2006 Klage erhoben.
Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend: Der angegriffene
Beschluss sei bereits in formeller Hinsicht zu beanstanden, weil die Klägerin nicht
angehört worden sei. Er sei auch materiell rechtswidrig. Bei der nachträglichen
Entgeltkontrolle müsse die Regulierungsbehörde das Entgelt unbeanstandet lassen,
so lange nicht positiv feststehe, dass das Entgelt gegen § 28 TKG verstoße. Die
Regulierungsbehörde habe eine solche hinreichend sichere Feststellung nicht zu
treffen vermocht. Die Vergleichsmarktbetrachtung sei methodisch fehlerhaft erfolgt.
Es sei evident, dass primär auf nicht reziprok abgerechnete Entgelte abzustellen
gewesen wäre. Durch die einseitige und mangelhafte Bestimmung des
Vergleichspreises unter Missachtung von Ländern und Unternehmen mit nicht reziproken Entgelten sei es sogar möglich, dass der höchste unverzerrte Wettbewerbspreis übersehen worden sei. Das Vorgehen widerspreche dem System der
Vergleichsmarktbetrachtung. Die Regulierungsbehörde habe nur den Incumbentpreis
bestimmt, der für die anstehende Bewertung unrelevant sei. Im Übrigen sei auch die
Festlegung des Erheblichkeitszuschlags nicht nachvollziehbar. Ein sachlich
rechtfertigender Grund, warum die Grenze zwischen einer "unerheblichen" und einer
"erheblichen" Überschreitung des Vergleichspreises bei 6 % liegen solle, sei nicht
ersichtlich. Ergänzend bezieht sich die Klägerin auf das Gutachten von Gerpott und
Winzer vom 25. März 2008 und macht - zusammengefasst - geltend, die von der
Beklagten angewendeten Methoden seien nach den gutachtlichen Erkenntnissen zu
beanstanden und zum Teil offenkundig fehlerhaft.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Beschlusses der
Bundesnetzagentur vom 31. Mai 2006 (BK 4b/06-035/E 15.03.06) zu
verpflichten,
1. die von der Klägerin am 15. März 2006 beantragte Entgeltanordnung für
die Zusammenschaltungsleistung BT-B.1 antragsgemäß zu erlassen,
2. hilfsweise,
den von der Klägerin am 15. März 2006 gestellten Antrag auf Erlass einer
Entgeltanordnung für die Zusammenschaltungsleistung BT-B.1 unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt den angegriffenen Bescheid und trägt unter anderem vor:
Der Bescheid sei formell rechtmäßig. Die Klägerin habe sich im Parallelverfahren
der B. äußern können, und im Übrigen habe sie auf eine öffentliche mündliche
Verhandlung verzichtet. Materiell entspreche das festgelegte Entgelt dem Maßstab
des § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TKG. Das methodische Vorgehen im Rahmen der
Vergleichsmarktbetrachtung beruhe im Grundsatz auf einer Studie der
Wirtschaftsberatungsgesellschaft ANALYSIS, die mittelbar Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Verfahren VG Köln 1 L 2602/01 und OVG Münster 13 B 34/02
gewesen sei. Die Methodik sei aufgrund gerichtlicher Vorgaben modifiziert worden.
So sei nunmehr nicht auf den Durchschnittspreis, sondern auf den höchsten
unverzerrten Wettbewerbspreis abgestellt worden (vgl. VG Köln 1 K 8432/04). Die
Vergleichsmarktbetrachtung stütze sich im Übrigen auf den erweiterten EU-
Vergleich. Dabei habe die Regulierungsbehörde - mangels belastbarer
Datengrundlagen zu nichtreziproken Entgelten - zunächst auf die Daten
zurückgegriffen, die in dem Verfahren BK4b-06-005/E02.02.06 (Antrag der Deutschen Telekom AG auf Genehmigung der Entgelte T-Com-B.1 und T-Com-B.2;
Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Verfahren 21 L 1413/06, 21 K 2451/06,
21 K 2619/06 und 21 K 2520/06) von den nationalen Regulierungsbehörden
übermittelt worden seien. Daneben hätten nur acht nationale Regulierungsbehörden
Datenmaterial geliefert. Lediglich für zwei der Länder habe es Angaben über nichtreziproke Entgelte gegeben, wobei die Daten nicht belastbar gewesen seien. Auf
einen Sicherheitszuschlag habe verzichtet werden können. Wie im Bescheid
dargelegt, sei eine Regressionsanalyse mit dem Ergebnis durchgeführt worden, dass
der Referenzwert um etwa
5 % über den tatsächlichen Tarifen in dem Referenzland liege.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug
genommen.
Gründe
Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Der Beschluss der Bundesnetzagentur vom 31. Mai 2006 (BK 4b/06-035/E
15.03.06) ist teilweise rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Da die
Sache nicht spruchreif ist, war die Beklagte zu verpflichten, den Antrag der Klägerin
auf Erlass einer Entgeltanordnung für die Zusammenschaltungsleistung BT-B.1
unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden, § 113
Abs. 5 Satz 2 VwGO. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
Mit dem angegriffenen Beschluss hat die Regulierungsbehörde den am 15. März
2006 gestellten Antrag der Klägerin auf Genehmigung eines bestimmten Entgelts für
die Zusammenschaltungsleistung BT-B.1 zum Teil abgelehnt. Bei dieser Entscheidung hat die Beklagte die zu beachtenden gesetzlichen Vorschriften fehlerhaft
angewendet.
Die Regulierungsbehörde hat den Beschluss grundsätzlich zutreffend auf die
§ 25 Abs. 1, 5 und 6 des Telekommunikationsgesetzes in der hier maßgeblichen
Fassung vom 22. Juni 2004, BGBl. I S. 1190 - TKG - i.V.m. §§ 30 Abs. 1 S.2, 38, 28
TKG gestützt.
Nach § 25 Abs. 1 TKG ordnet die Regulierungsbehörde den Zugang an, wenn
eine Zugangsvereinbarung nach § 22 oder eine Vereinbarung über Zugangsleistungen nach § 18 ganz oder teilweise nicht zustande kommt und die nach diesem
Gesetz erforderlichen Voraussetzungen für eine Verpflichtung zur
Zugangsgewährung vorliegen. Nach Absatz 6 der Vorschrift soll die
Regulierungsbehörde hinsichtlich der Bedingungen und der Entgelte jeweils
Teilentscheidungen treffen, wenn die Bedingungen einer Zugangsvereinbarung und
die zu entrichtenden Entgelte für nachgefragte Leistungen streitig sind.
Diese Voraussetzungen sind gegeben. Es ist im Ergebnis nicht zu beanstanden,
dass der angegriffene Beschluss im Wesentlichen nur die Entgelthöhe für einen
bestimmten Zeitraum regelt und keine Zugangs- oder
Zusammenschaltungsanordnung zum Inhalt hat. Vielmehr fehlt sogar eine
Zusammenschaltungsanordnung, von deren Vorliegen die Beklagte, die Klägerin
und die DTAG ausgegangen sind. Denn die von den Beteiligten als wirksam
behandelte Zusammenschaltungsanordnung aus dem Jahr 2003 in der Fassung der
Verfügung vom 05. April 2004 (BK4c-04-009/Z 12.02.04) ist nach der
zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
vgl.: BVerwG, Urteil vom 14. Februar 2007 - 6 C 28.05 -, CR 2007,
431,
als gegenstandslos zu betrachten. Das Bundesverwaltungsgericht hat in dieser
Entscheidung die Übergangsvorschrift des § 150 TKG mit dem Ergebnis ausgelegt,
dass fortbestehende Verpflichtungen nach dem bisher geltenden Recht in dem
Zeitpunkt außer Kraft treten, in welchem die in § 150 Abs. 1 Satz 1 TKG bezeichnete
neue Regulierungsentscheidung wirksam wird. Dazu bedarf es keiner ausdrücklichen
Aufhebung fortbestehender Verpflichtungen. Vielmehr genügt das Wirksamwerden
einer Regulierungsentscheidung nach dem aktuell geltenden
Telekommunikationsgesetz.
Vgl. BVerwG a.a.O., Rz. 33.
§ 150 Abs. 1 Satz 1 TKG und die so verstandene Folge einer Regulierungsverfügung finden nach Satz 3 der Vorschrift entsprechend auch für
Zusammenschaltungsanordnungen nach § 37 des Telekommunikationsgesetzes
vom 25. Juli 1996 (BGBl. I S. 1120) - TKG 1996 - Anwendung. Daher ist die für die
Klägerin und die DTAG ursprünglich geltende Zusammenschaltungsanordnung mit
dem Wirksamwerden der inzwischen bestandskräftigen Regulierungsverfügung vom
29. Mai 2006 (BK4d-05-21/R) gegenstandslos geworden. Diese Wirkungen traten mit
der Bekanntgabe des Beschlusses (§ 43 Abs. 1 VwVfG) und damit vor Erlass des
hier streitigen Beschlusses vom 31. Mai 2006 ein, sodass es an einer von § 25
Abs. 1, 5 und 6 TKG regelmäßig vorgesehen gemeinsamen oder stufenweisen
Entscheidung über die Zusammenschaltung und die Entgelte fehlt. Allerdings gehen
die Beteiligten davon aus, dass die Zusammenschaltung selbst und somit die
Bedingungen einer diesbezüglichen Zugangsvereinbarung nicht umstritten sind,
sodass es insoweit keiner eigenständigen Regelung bedurfte. Wie in der mündlichen
Verhandlung nochmals dargelegt, ist vielmehr nur die Höhe der Entgelte streitig,
sodass von der Möglichkeit des § 25 Abs. 6 TKG Gebrauch gemacht werden konnte,
nur über die Entgelthöhe zu entscheiden.
Hinsichtlich der festzulegenden Entgelte gelten nach § 25 Abs. 5 Satz 3 TKG die
§§ 27 bis 38. Die Verweisung in § 25 Abs. 5 Satz 3 TKG ist eine Rechtsgrundverweisung.
Vgl. VG Köln, Urteil vom 15. September 2005 - 1 K 8432/04 - .
Schon der Wortlaut der Norm spricht dafür. Demgegenüber wäre für eine bloße
Rechtsfolgenverweisung die Anordnung einer "entsprechenden" Geltung zu erwarten
gewesen. Zudem ist nicht ersichtlich, weshalb für Entgelte im Rahmen einer
Zugangsanordnung nicht dieselbe Systematik bezüglich der Regulierungsverfahren
und -maßstäbe gelten sollte wie für sonstige Entgelte. Schließlich scheidet eine
Rechtsfolgenverweisung aus rechtssystematischen Gründen aus, weil ohne
Verweisung auch auf die Tatbestandsvoraussetzungen der Entgeltregulierungsvorschriften jegliche Regelung dazu fehlen würde, wann welches Verfahren und
welcher Maßstab zur Anwendung kommt.
Einer Entscheidung nach § 30 Abs. 1 Satz 2 TKG, ob die Voraussetzungen für
eine nachträgliche Regulierung nach § 38 Abs. 2 bis 4 TKG gegeben sind, bedarf es
in diesem Zusammenhang allerdings nicht. Denn Ziffer 4 des Tenors der
bestandskräftigen Regulierungsverfügung vom 29. Mai 2006 gibt vor, dass die
Entgelte für die Gewährung des Zugangs nach Maßgabe des § 38 Abs. 2 bis 4 TKG
zu bestimmen sind. Zwar handelt es sich bei einer Entgeltanordnung nach § 25 Abs.
5 TKG nicht um eine nachträgliche Regulierung, sondern um einen eher der
Entgeltgenehmigung vergleichbaren Vorgang. Doch kann Ziffer 4 der vorgenannten
Regulierungsverfügung auch im Falle der Entgeltanordnung nur so verstanden
werden, dass der Maßstab und die Methode der Expost-Regulierung nach Maßgabe
des § 38 Abs. 2 bis 4 TKG anzuwenden sind. Denn es wäre sachwidrig, die mangels
Einigung der Beteiligten anzuordnenden Entgelte inhaltlich anders zu regulieren als
vereinbarte Entgelte.
Soweit die Regulierungsbehörde die beantragte Entgelthöhe anhand des Maßstabs des hier allenfalls in Betracht kommenden § 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Nr. 1
TKG geprüft und in diesem Zusammenhang zur notwendigen Feststellung der
Missbrauchsgrenze eine Vergleichsmarktbetrachtung angestellt hat, ist der angegriffene Beschluss rechtswidrig. Zwar sieht § 38 Abs. 2 Satz 3 TKG sogar vorrangig
eine Überprüfung nach dem Vergleichsmarktprinzip entsprechend § 35 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 TKG vor. Doch ist eine solche Überprüfung - wie unten dargelegt wird - im
vorliegenden Falle nicht möglich. Unter diesen Umständen hätte die Regulierungsbehörde gemäß § 38 Abs. 2 Satz 3 TKG nur nach § 33 TKG vorgehen können.
Das bedeutet, dass sie die am Maßstab des § 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Nr. 1 TKG
auszurichtende Entgeltbeurteilung methodisch auf der Grundlage von - erst noch
anzufordernden - Kostenunterlagen der Klägerin hätte durchführen müssen.
§ 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TKG erfordert einen Vergleich der beantragten Entgelte
mit den Preisen solcher Unternehmen, die entsprechende Leistungen auf
vergleichbaren, dem Wettbewerb geöffneten Märkten anbieten; dabei sind die
Besonderheiten der Vergleichsmärkte zu berücksichtigen. Zwar muss es sich -
anders als im Rahmen des § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB - nicht unbedingt um Märkte mit
wirksamem Wettbewerb handeln. Vielmehr sind unter "dem Wettbewerb geöffneten
Märkten" auch regulierte Märkte zu verstehen .
vgl.: VG Köln, Urteil vom 15. September 2005 - 1 K 8432/04 -
unter Verweis auf BT-Drs. 755/03, S. 95, Begründung zu § 33
des Regierungsentwurfs, der § 35 TKG entspricht.
Doch unabhängig davon kommt es hier ebenso wie im Rahmen des gemäß §§ 2
Abs. 3 Satz 1 und 123 Abs. 1 Satz 4 TKG zu berücksichtigenden GWB-
Vergleichsmarktkonzepts darauf an, den "wettbewerbsanalogen", d.h. höchsten
unverzerrten Wettbewerbspreis zu ermitteln.
Vgl.: BGH, Beschluss vom 28. Juni 2005 -KVR 17/04, juris, Rn. 26;
Bechtold, GWB, Kommentar, 3. Aufl., Rn. 74 zu § 19; Möchel in:
Immenga/Mestmäcker, GWB, Kommentar, 3. Aufl., Rn. 165; Schultz in:
Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen
Kartellrecht, Band I, 10. Aufl., Rn. 98 zu § 19.
Eine diesen Kriterien entsprechende Vergleichsmarktbetrachtung kann vorliegend
nicht angestellt werden.
Dem Markt der Klägerin vergleichbar sind nur die Märkte für Anrufzustellung
(Terminierungsmärkte) anderer alternativer Teilnehmernetzbetreiber in Europa, nicht
jedoch die Terminierungsmärkte der früheren Monopolisten (Incumbent).
Das folgt für Deutschland aus der Marktfestlegung der Regulierungsbehörde vom
24. Juni 2005 (BK 1-04/002) . Danach besteht mangels homogener
Wettbewerbsbedingungen kein gemeinsamer Markt für Terminierungen in alle
Festnetze; vielmehr ist im Falle von Terminierungsleistungen jedes
Teilnehmerfestnetz als
eigener Markt zu betrachten. Dementsprechend hat die Regulierungsbehörde auch
die bereits erwähnte Marktfestlegung vom 12. Oktober 2005 (BK 1-04/002a)
auf
alternative Teilnehmernetze und -betreiber beschränkt.
An diese im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Entgeltanordnung gültigen
Festlegungen
- veröffentlicht als Anhänge der jeweiligen
Regulierungsverfügungen unter http://www.bundesnetzagentur.de
(Suchbegriffe: Einheitliche Informationsstelle, Regulierungsverfügung)
ist das Gericht gebunden, da sie gemäß § 13 Abs. 3 TKG zusammen mit den darauf
beruhenden Regulierungsverfügungen als Verwaltungsakte ergangen und - soweit
nicht ohnehin bestandskräftig - sofort vollziehbar sind (§ 137 Abs. 1 TKG).
Was die Marktverhältnisse im europäischen Ausland angeht, gilt nichts anderes.
Denn im Hinblick darauf, dass die o.g. Marktfestlegungen maßgeblich von der EU-
Kommission beeinflusst sind und vorher eine Konsultation der nationalen
Regulierungsbehörden der anderen Mitgliedstaaten nach § 12 Abs. 2 Nrn. 1 und 2
TKG stattgefunden hat, spricht nichts dafür, dass in diesen Mitgliedstaaten die
Incumbent-Terminierungsmärkte und die entsprechenden Märkte der jeweiligen
alternativen Teilnehmernetzbetreiber als einheitliche gemeinsame Märkte festgelegt
wurden.
Die mithin für einen Vergleich allein in Betracht kommenden
Terminierungsmärkte
alternativer Teilnehmernetzbetreiber sind nach dem in der Marktfestlegung vom
12. Oktober 2005 vertretenen Prinzip "Ein-Netzein-Markt" ihrerseits jeweils sachlich
und räumlich selbständig. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte gilt dies auch für die
entsprechenden Märkte im europäischen Ausland.
Auf den einzelnen alternativen Terminierungsmärkten sind die jeweiligen Netzbetreiber nicht nur beträchtlich marktmächtig. Entscheidend kommt hinzu, dass auf
ihnen die jeweiligen Netzbetreiber alleinige Anbieter von Terminierungsleistungen
sind. Das bedeutet, dass dort keinerlei Wettbewerb besteht. Die
Regulierungsbehörde stellt dementsprechend in ihrer Marktfestlegung vom 12.
Oktober 2005 (S. 18) fest, dass die alternativen Teilnehmernetzbetreiber auf ihrem
Terminierungsmarkt "über einen vom Wettbewerb unkontrollierten Verhaltensspielraum" verfügen. Unter diesen Umständen scheidet eine Beurteilung dieser Märkte
als gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TKG "dem Wettbewerb geöffnet" aus.
Vgl. auch: Schuster/Ruhle in: Beck`scher TKG-Kommentar, 3. Aufl.,
Rdn. 21 zu § 35; a.A.: Mayen/Lünenbürger in: Scheurle/Mayen,
Telekommunikationsgesetz, Kommentar, 2. Aufl., Rn. 19 zu § 35.
Dafür spricht nicht nur der klare Wortlaut dieser auf Art. 13 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002,
ABl. EG Nr. L 108 S. 7,
- vgl auch die das Wettbewerbserfordrnis noch deutlicher zum
Ausdruck bringende französische (marchés concurrentiels) und
englische (competitive markets) Fassung -
beruhenden Regelung, sondern auch der Sinn und Zweck der
Vergleichsmarktbetrachtung im Rahmen des § 38 Abs. 2 Satz 3 TKG. Wie bereits
ausgeführt, soll die Preismissbrauchsgrenze durch einen Vergleich mit tatsächlichen
Wettbewerbsverhältnissen ermittelt werden, wobei Schätzungen nur in begrenztem
Umfang zulässig sind.
Vgl. BGH, Beschluss vom 12. Februar 1980 -KVR 3/79-, BGHZ 76,
142 (153); Beschluss vom 28. Juni 2005, a.a.O. .
Wenn aber keinerlei Wettbewerb besteht (und bestehen kann), ist ein solcher Vergleich nicht möglich. Die fehlende Wettbewerbsgrundlage kann nicht durch einen
Rückgriff auf die bislang auf den Alternativmärkten geltenden Entgelte ersetzt
werden, da diese nur das Ergebnis der jeweiligen Regulierungspraxis wiedergeben.
Die Beklagte kann bei dieser Sachlage nur zur erneuten Bescheidung des Antrags auf Erlass einer Entgeltanordnung verpflichtet werden. Die begehrte -
weitergehende -Verpflichtung zum Erlass einer bestimmten Entgeltgenehmigung
kam nicht in Betracht, sodass die Klage insoweit abzuweisen war. Das Gericht kann
bei dieser Sachlage keine eigene Bewertung vornehmen, ob die beantragten
Entgelte als missbräuchlich im Sinne des § 28 TKG zu bewerten sind und die Höhe
des zulässigen Entgelts gegebenenfalls selbst bestimmen. Erfordert nämlich eine im
verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreit angegriffene Behördenentscheidung eine hoch
komplexe, nicht unerheblich aufwändige Abwägung, ist das Verwaltungsgericht von
der aus dem Amtsermittlungsgrundsatz folgenden Pflicht zur Herbeiführung von
Spruchreife befreit. Das Gericht braucht sich die erforderliche Fachkenntnis auch
nicht unter Einschaltung von Gutachtern zu verschaffen,
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 01. Juli 2004 - 13 A 1703/02 -;
VG Köln, Urteil vom 15. September 2005 - 1 K 8432/04 -.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO.
Die Revision war zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung
hat, § 135 S. 2 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
VG Köln:
Urteil v. 06.11.2008
Az: 1 K 3194/06
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/15506106b4d1/VG-Koeln_Urteil_vom_6-November-2008_Az_1-K-3194-06