Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. Februar 2006
Aktenzeichen: 14 W (pat) 38/03
(BPatG: Beschluss v. 02.02.2006, Az.: 14 W (pat) 38/03)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat mit Beschluss vom 2. Februar 2006 (Aktenzeichen 14 W (pat) 38/03) einen angefochtenen Beschluss aufgehoben und die Sache zur weiteren Behandlung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
In dem angefochtenen Beschluss vom 8. April 2003 hat die Prüfungsstelle für Klasse A 61 K des Deutschen Patent- und Markenamtes die Patentanmeldung 101 58 036.3-41 mit der Bezeichnung "Antiallergisches Mittel und dessen Verwendung" aus den Gründen des Bescheides vom 11. Juni 2002 zurückgewiesen. Dem Beschluss liegen die ursprünglich eingereichten Patentansprüche 1 bis 9 zugrunde, von denen die Patentansprüche 1 und 9 wie folgt lauten:
1. Pharmazeutisches Mittel auf Basis wenigstens eines antiallergischen Wirkstoffs, dadurch gekennzeichnet, dass das Mittel Lactalbuminhydrolysat oder eine Fraktion davon enthält.
9. Verwendung eines pharmazeutischen Mittels nach einem der vorhergehenden Ansprüche zur Behandlung von allergischen Erkrankungen.
Im Bescheid vom 11. Juni 2002 wurden die genannten Patentansprüche aufgrund mangelnder Neuheit bzw. mangelnder erfinderischer Tätigkeit für nicht gewährbar erachtet. Die Anmelderin hat gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt und ihr Patentbegehren in unveränderter Form weiterverfolgt.
Das Bundespatentgericht hat festgestellt, dass das beanspruchte pharmazeutische Mittel neu ist und die Argumentation der Prüfungsstelle hinsichtlich des Patentanspruchs 9 ihre Grundlage verliert. Da weitere Untersuchungen zur Frage der erfinderischen Tätigkeit noch nicht erforderlich waren und die Prüfungsstelle besser auf vorhandene Recherche-Möglichkeiten zugreifen kann, wurde die Sache zur weiteren Behandlung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
Das Bundespatentgericht sieht es als angebracht an, die zuständige Prüfungsstelle mit der Durchführung des weiteren Verfahrens zu betrauen, und folgt daher dem Antrag der Anmelderin zur Vermeidung eines Instanzenverlustes.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 02.02.2006, Az: 14 W (pat) 38/03
Tenor
1. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.
2. Die Sache wird zur weiteren Behandlung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
Gründe
I.
Mit dem angefochtenen Beschluß vom 8. April 2003 hat die Prüfungsstelle für Klasse A 61 K des Deutschen Patent- und Markenamtes die Patentanmeldung 101 58 036.3-41 mit der Bezeichnung
"Antiallergisches Mittel und dessen Verwendung"
aus den Gründen des Bescheides vom 11. Juni 2002 zurückgewiesen.
Dem Beschluß liegen die ursprünglich eingereichten Patentansprüche 1 bis 9 zugrunde, von denen die Patentansprüche 1 und 9 wie folgt lauten:
1. Pharmazeutisches Mittel auf Basis wenigstens eines antiallergischen Wirkstoffs, dadurch gekennzeichnet, dass das Mittel Lactalbuminhydrolysat oder eine Fraktion davon enthält.
9. Verwendung eines pharmazeutischen Mittels nach einem der vorhergehenden Ansprüche zur Behandlung von allergischen Erkrankungen.
Im Bescheid vom 11. Juni 2002 waren im Hinblick auf die Entgegenhaltungen
(1) US 39 97 663
(2) US 39 89 598
(3) DE 38 29 552 A1 aufgrund mangelnder Neuheit der Patentanspruch 1, aufgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit der Patentanspruch 9 für nicht gewährbar erachtet worden.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, die ihr Patentbegehren in unverändertem Umfang weiterverfolgt.
Sie macht insbesondere geltend, dass nach den inhaltlich weitgehend übereinstimmenden Entgegenhaltungen (1) und (2), Proteine, wie Kasein, Lactalbumin, Gluten und Hydrolysate davon, lediglich Edukte darstellten, die entweder während des Fermentationsprozesses verbraucht würden oder im Zuge der Gewinnung des Verfahrensproduktes, wie des Daunorubicins, abgetrennt würden. Diese Verfahrensprodukte seien es jedoch sodann, die im weiteren als mögliche Bestandteile pharmazeutischer Zusammensetzungen beschrieben würden. Somit beziehe sich auch die in (1) erwähnte Verabreichung des antiallergischen Wirkstoffes Prednison einzig und allein auf die Kombination mit diesen Verfahrensprodukten.
Das beanspruchte pharmazeutische Mittel werde auch nicht durch eine Zusammenschau der Entgegenhaltungen (1) und (2) mit der Entgegenhaltung (3) nahegelegt, weil der Fachmann angesichts dieses Standes der Technik nicht erwarten konnte, dass die Wirkung eines antiallergischen Wirkstoffes, wie Prednison, durch eine Kombination mit Lactalbuminhydrolysat oder einer Fraktion davon - aus ihren als Anlage zum Beschwerdeschriftsatz beigefügten Studien zur Wirksamkeit erfindungsgemäßer pharmazeutischer Mittel hervorgehe - verstärkt werden könne.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
- den angefochtenen Beschluß aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage der ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen zu erteilen.
- hilfsweise den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt Patentamt zurückzuverweisen Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig. Sie hat insofern Erfolg, als sie zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens an das Deutsche Patent- und Markenamt führt.
1. Das beanspruchte pharmazeutische Mittel ist neu.
Die Entgegenhaltung (1) betrifft die Bereitstellung von Wirkstoffen mit antibiotischen Eigenschaften über einen fermentativen Prozess, wobei als geeignete assimilierbare Stickstoffquellen für das Nährmedium ua Proteine, wie Casein, Lactalbumin, Gluten und Hydrolysate davon, genannt werden (vgl. Sp. 1, Z. 11 bis 14 und Sp. 12, Z. 65 bis Sp. 13, Z. 11 und Z. 49 bis 57). Beschrieben wird in der Entgegenhaltung (1) ferner die kombinierte Verabreichung des als antiallergen bekannten Wirkstoffes Prednison mit dem antibiotischen Wirkstoff (vgl. Sp. 23, Z. 34 bis 41). Hinweise auf ein pharmazeutisches Mittel jedoch, wie es im Patentanspruch angegeben wird, d. h. auf Basis wenigstens eines antiallergischen Wirkstoffs, das Lactalbuminhydrolysat oder eine Fraktion davon enthält, finden sich in diesem Dokument nicht. Vielmehr werden die vorstehend genannten Proteine im Herstellungsverfahren gemäß (1) als Stickstoff liefernde Komponenten des Nährmediums entweder während des Fermentationsprozesses verbraucht oder im Zuge der Isolierung und Reindarstellung der Wirkstoffe, von diesen abgetrennt (vgl. Sp. 14, Z. 16 bis Sp. 15, Z. 49, Sp. 17, Beispiel 4, Sp. 18/19, Beispiel 7 sowie Sp. 20/21, Beispiele 13 und 14). Zum Einsatz kommen die antibiotischen Wirkstoffe demnach nur in reiner Form (vgl. Sp. 15, Z. 50 bis 54).
Die Entgegenhaltung (2) geht über den Inhalt der Entgegenhaltung (1) nicht hinaus. Sie betrifft ebenfalls die Bereitstellung der in (1) genannten antibiotischen Wirkstoffe, wobei die gleichen Verfahrensmaßnahmen zur Anwendung kommen (vgl. Patentanspruch 1 i. V. m. Sp. 1, Z. 11 bis 14, Sp. 12, Z. 53 bis 66, Sp. 13, Z. 25 bis 33, Sp. 13, Z. 60 bis Sp. 15, Z. 30, Sp. 17, Beispiel 4, Sp. 18, Beispiel 7, und Sp. 20/21, Beispiele 13 und 14). Damit wird auch in dieser Entgegenhaltung nur eine Kombination des gemäß (2) hergestellten antibiotischen Wirkstoffes mit dem als antiallergisch wirksamen Prednison beschrieben (vgl. Sp. 23, Z. 6 bis 13), nicht aber ein Mittel, das neben Prednison auch Laktalbuminhydrolysat oder eine Fraktion davon enthält.
2. Nachdem somit die Neuheit des mit Patentanspruch 1 beanspruchten pharmazeutischen Mittels gegenüber den Entgegenhaltungen (1) und (2) gegeben ist, verliert die Argumentation der Prüfungsstelle im Zusammenhang mit dem Patentanspruch 9, mit der sie unter Bezugnahmen auf das Dokument (3) das Fehlen der erfinderischen Tätigkeit begründet hatte, ihre Grundlage.
3. Zur beantragten Erteilung sieht sich der Senat aus nachfolgend genannten Gründen, nicht in der Lage.
Nachdem die Prüfungsstelle in ihrem Erstbescheid die fehlende Neuheit gerügt hatte, waren weitere Untersuchungen zur Frage der erfinderischen Tätigkeit im Verfahren vor dem deutschen Patent- und Markenamt noch nicht erforderlich, zumal die Anmelderin selbst sich zu den Ausführungen der Prüfungsstelle nicht geäußert hat. Im Zusammenhang mit der Beurteilung dieser weiteren Patentierungsvoraussetzung ist es aber nicht auszuschließen, dass die Ermittlung zusätzlichen Materials erforderlich werden könnte. Diese kann jedoch von der Prüfungsstelle aufgrund der ihr zur Verfügung stehenden Recherche-Möglichkeiten besser durchgeführt werden als vom Senat. Dabei wird die Prüfungsstelle auch die Druckschrift
(4) WO 86/04217 A2, die auf die in den Erstunterlagen, Seite 1, Zeile 24 genannte Internationale Anmeldung zurückgeht, zu berücksichtigen haben. Diese beschreibt nicht nur die Herstellung des anmeldungsgemäß genannten Lactalbuminhydrolysats, sondern auch dessen Verwendung in pharmazeutischen Mitteln, die zur Behandlung von z. B. Neurodermitis, bekanntlich einer allergischen Erkrankung, eingesetzt werden (vgl. z. B. Patentansprüche 1 und 13 i. V. m. Beschreibung, S. 6, Abs. 5).
Bei dieser Sachlage hält es der Senat für angezeigt, mit der Durchführung des weiteren Verfahrens die zuständige Prüfungsstelle zu betrauen. Daher war dem hilfsweise gestellten Antrag der Anmelderin zu folgen und die Sache - auch zur Vermeidung eines Instanzenverlustes - ohne eigene Sachentscheidung gemäß
PatG § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 zur weiteren Behandlung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.
BPatG:
Beschluss v. 02.02.2006
Az: 14 W (pat) 38/03
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/1689306eaa31/BPatG_Beschluss_vom_2-Februar-2006_Az_14-W-pat-38-03