Oberlandesgericht Hamm:
Beschluss vom 9. März 2010
Aktenzeichen: I-4 W 22/10
(OLG Hamm: Beschluss v. 09.03.2010, Az.: I-4 W 22/10)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Oberlandesgericht Hamm hat in einer Entscheidung vom 9. März 2010 (Aktenzeichen I-4 W 22/10) eine sofortige Beschwerde abgelehnt. Der Antragsteller hatte in einem einstweiligen Verfügungsverfahren die fehlende Grundpreisangabe und die unzureichende Erklärung einer beworbenen Garantie gerügt. Das Landgericht hatte ihm jedoch die Kosten des Verfahrens auferlegt, da seine Anträge voraussichtlich wegen Rechtsmissbrauchs zurückgewiesen worden wären. Das Oberlandesgericht bestätigte diese Entscheidung. Es stellte fest, dass die abgemahnten Verstöße keine falsche Information des Verbrauchers zur Folge hatten, sondern lediglich klärende Angaben vermissen ließen. Zudem sei die geforderte Vertragsstrafe von 5.100 Euro pro Verstoß unangemessen hoch und zeige, dass es dem Antragsteller vorrangig um die Generierung von Forderungen ging. Auch die Tatsache, dass die Vertragsstrafe selbst bei fehlendem Verschulden verwirkt werden sollte, zeige, dass der Antragsteller die Vertragsstrafe zum Selbstzweck gemacht habe. Das Gericht betonte außerdem, dass der Antragsteller eine große Anzahl von Abmahnungen verschickt habe, die mit einer zweckgerechten Wirtschaftsführung nur schwer in Einklang zu bringen seien. Diese Abmahnungen dienten offenbar vor allem dazu, hohe Vertragsstrafenforderungen zu generieren. Insgesamt wurde die sofortige Beschwerde aus diesen Gründen zurückgewiesen und der Antragsteller zur Kostentragung verurteilt.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
OLG Hamm: Beschluss v. 09.03.2010, Az: I-4 W 22/10
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird kostenpflichtig nach einem Beschwerdewert in Höhe der in erster Instanz angefallenen Kosten zurückgewiesen.
Gründe
Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das Landgericht hat zu Recht gemäß § 91 a ZPO dem Antragsteller als mutmaßlich unterlegener Partei die Kosten des Verfügungsverfahrens auferlegt. Denn es ist zu Recht davon ausgegangen, dass bei einer streitigen Entscheidung in der Sache das Verfügungsbegehren des Antragstellers wegen Rechtsmissbrauchs nach § 8 Abs. 4 UWG zurückgewiesen worden wäre. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.
Im Hinblick auf die Beschwerdebegründung wird ergänzend Folgendes ausgeführt:
Im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren ging es dem Antragsteller um zwei Verbote, nämlich einmal um die Rüge der fehlenden Grundpreisangabe und zum anderen um die Rüge der unzureichenden Erklärung dessen, was die beworbene 2jährige Garantie beinhalten sollte. Beide Verstöße bewirkten keine falsche Information des Verbrauchers. Die erteilten Informationen ließen lediglich die vom Gesetz geforderte Klarheit und Ausführlichkeit vermissen. Wenn der Antragsteller in seiner Abmahnung gleichwohl eine Vertragsstrafe von 5.100,00 € forderte, und zwar für jeden Verstoß einzeln, und die noch dazu auch im Falle fehlenden Verschuldens verwirkt sein sollte, so zeigt schon allein diese Ausgestaltung der Vertragsstrafe, dass es dem Antragsteller in erster Linie um die Generierung von Forderungen gegangen ist. Denn eine Vertragsstrafe in Höhe von 5.100,00 € mag bei Wettbewerbsverstößen von durchschnittlichem Gewicht angemessen sein. Von einer solchen Bedeutung der abgemahnten Verstöße kann hier aber nicht ausgegangen werden. Denn sie betreffen nicht den Kern von Verbraucherschutzrechten. Zudem wurde die Vertragsstrafe bei Wiederholung der beanstandeten Werbung sogar doppelt fällig.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Vertragsstrafe sogar bei fehlendem Verschulden verwirkt wäre. Angesichts der strengen Anforderungen an eine Exkulpation des Schuldners (vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren Kap. 20 Rz. 15 m.w.N.) ist eine solche Abbedingung des Verschuldenserfordernisses zur Sicherheit des Gläubigers nicht erforderlich. Sie lässt vielmehr erkennen, dass die Generierung von Vertragsstrafen zum Selbstzweck geworden ist.
Gerade auch im Zusammenhang mit diesem Verfall der Vertragsstrafe auch bei schuldlosem Verstoß gewinnt die zeitnahe Überprüfung der beanstandeten Werbung durch den Antragsteller, wie sie vom Landgericht festgestellt worden ist, besondere Bedeutung. Denn durch den Ausschluss der Exkulpationsmöglichkeit ist dem Schuldner der Einwand abgeschnitten, den Wettbewerbsverstoß so kurzfristig nicht abstellen zu können. Diese Ausgestaltung der Vertragsstrafe in Verbindung mit einer zeitnahen Überprüfung des weiteren Internetauftritts des Schuldners wird so für den Schuldner zu einer gewissermaßen unentrinnbaren Falle. Soweit sich der Antragsteller in dem Verfahren 12 O 242/09 LG Bochum darauf beruft, der Schuldner habe die ihm angebotene Aufbrauchfrist abgelehnt, gibt dies keine Rechtfertigung für eine so kurzfristige Überprüfung. Auch hier hätte der Antragsteller zunächst abwarten können, wenn es ihm wirklich nur um die Sicherung des rechtskonformen Wettbewerbs ginge.
Dass die eigentliche Verfolgung des Wettbewerbsverstoßes in den Hintergrund getreten ist, zeigt sich auch daran, dass Unterlassungsanspruch und Kostenforderung bei der Frage der Fristverlängerung miteinander verquickt worden sind. Zwar sagt die Abmahnung zu Recht, dass die Abgabefrist für die Unterlassungserklärung wegen der Dringlichkeit der Angelegenheit nicht verlängert werden könne. Unverständlich bleibt aber, weshalb in diese fehlende Verlängerungsmöglichkeit auch die Zahlungsfrist einbezogen wird. Für den Schuldner muss dies den Eindruck erwecken, dass er die Gefahr gerichtlicher Anspruchnahme nur dadurch verhindern kann, dass er neben der Unterlassungserklärung auch die Abmahnkosten umgehend erstattet.
Zu Recht hat das Landgericht auch auf weitere Umstände im Umfeld der hier in Rede stehenden Abmahnung abgestellt. Auch wenn der Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung detailliert zu den einzelnen Verfahren Stellung genommen und den Verfahrensgang geschildert hat, so ändert dies doch nichts an der Gesamtzahl der Abmahnungen, die im Hinblick auf den zugestandenen Umsatz von ca. 1,5 Mio. € so hoch ist, dass dies mit einer zweckgerechten Wirtschaftsführung nur schwer in Einklang zu bringen ist, der es in erster Linie um den Schutz des lauteren Wettbewerbs geht. Mögen zahlreiche Abmahnungen dadurch veranlasst sein, dass der Antragsteller seinerseits in Wettbewerbsstreitigkeiten verwickelt ist, so bleiben immer noch eine erhebliche Anzahl unveranlasster Abmahnungen, die sich nicht mehr in eine wirtschaftlich sinnvolle Verfolgungsstrategie einordnen lassen.
Dies wird dadurch unterstützt, dass der Antragsteller in der Abmahnung gegenüber Frau C (Anlage 3 zur Beschwerdebegründung) wiederum eine Vertragsstrafe von 5.100,00 € auch bei schuldloser Zuwiderhandlung gefordert hat. Die vorgeschlagene Unterwerfungsklausel umfasst dabei nicht nur die vorgeworfenen Falschbelehrungen, sondern sanktioniert allgemein jedweden Verstoß gegen die Angabepflichten nach § 312 c Abs. 1 BGB.
Das zeigt, dass es auch in diesem Fall dem Antragsteller nicht in erster Linie um das Abstellen der konkret aufgedeckten Falschbelehrungen gegangen ist, sondern darum, sich eine geeignete Plattform für hohe Vertragsstrafenforderungen zu schaffen.
Diese Absicht, Forderungen zu generieren, zeigt sich auch darin, dass auch hier wieder bei der Frage einer möglichen Fristverlängerung Unterlassungsanspruch und Kostenerstattung miteinander verquickt worden sind.
Diese Verquickung findet sich auch wiederum in der Abmahnung gegenüber Autoteile AMeN (vgl. Anlage 5 zur Beschwerdebegründung). Aus der Unterwerfungserklärung dieser Schuldnerin ergibt sich, dass der Antragsteller auch hier 5.100,00 € für jeden auch schuldlosen Verstoß gefordert hat. Angesichts der auch hier weit gefassten Verbotsformel, die u.a. wiederum jeden Verstoß gegen die Belehrungspflicht nach § 312 c Abs. 1 BGB sanktioniert, ist damit wiederum eine breite Plattform zur Erzielung von Vertragsstrafenansprüchen gegeben.
In der Abmahnung gegenüber Herrn L (vgl. Anlage 19 zur Beschwerdebegründung) wird neben der Verquickung der Fristverlängerungsmöglichkeiten für die Unterwerfungserklärung und die Kostenerstattung wiederum eine Vertragsstrafe von 5.100,00 € auch bei schuldlosem Verstoß gefordert.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
OLG Hamm:
Beschluss v. 09.03.2010
Az: I-4 W 22/10
Link zum Urteil:
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