Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. Mai 2003
Aktenzeichen: 17 W (pat) 701/02
(BPatG: Beschluss v. 06.05.2003, Az.: 17 W (pat) 701/02)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in seinem Beschluss vom 6. Mai 2003 (Aktenzeichen 17 W (pat) 701/02) entschieden, dass der am 14. März 2001 eingereichte Einspruch gegen das Patent unzulässig war. Nachdem die Einsprechende den Einspruch zurückgenommen hat, ist das Einspruchsverfahren beendet.
In dem Streit ging es um ein Patent für einen Schalter in SF6-Mittelspannungsanlagen. Die Patentinhaberin hatte im Februar 1999 das Patent angemeldet und im Dezember 2000 wurde es erteilt. Der Einspruch wurde am letzten Tag der Einspruchsfrist per Fax eingereicht, war jedoch unzulässig, da er nicht ausreichend begründet war. Die Einsprechende hatte zwar auf bestimmte Druckschriften verwiesen, behauptete jedoch nicht, dass diese das Patent hinderlich seien. Sie verwies stattdessen auf Vorbenutzungen durch die Einsprechende selbst.
Das Gericht stellte fest, dass die behaupteten Vorbenutzungen nicht ausreichend belegt waren. Die Einsprechende hatte zwar Anlagen vorgelegt, wie Zeichnungen und ein Angebot, jedoch wurde nicht dargelegt, dass diese der Öffentlichkeit zugänglich waren. Daher war der Einspruch unzulässig.
Da die Einsprechende den Einspruch zurückgenommen hat, ist das Verfahren nun beendet.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 06.05.2003, Az: 17 W (pat) 701/02
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass der Einspruch vom 14. März 2001 unzulässig war.
2. Nach Rücknahme des unzulässigen Einspruchs ist das Einspruchsverfahren beendet.
Gründe
I.
Die Patentinhaberin ist eingetragene Inhaberin des am 6. Februar 1999 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldeten Patents 199 04 930 mit der Bezeichnung "Schalter für den Einsatz in SF6-Mittelspannungschaltanlagen" (Streitpatent). Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 14. Dezember 2000.
Der erteilte, noch geltende Anspruch 1 lautet wie folgt:
Schalter für den Einsatz in SF6-Mittelspannungsanlagen,
- gebildet aus wenigstens einem Kontaktmesser (1) als betätigbarem Schaltkontakt,
- einem Festkontakt (2),
- und einer Lichtbogenlöscheinrichtung (3),
- wobei das Kontaktmesser (1) einen schwenkbar gelagerten Schaft (7) mit einer an einem Kontaktkopf (1) in einer Ebene im wesentlichen senkrecht zur Schwenkachse (S) ausgebildeten Kontaktfläche (8) zum Kontaktieren des Festkontakts (2) aufweist, dadurch gekennzeichnet,
- daß der Kontaktkopf (10) mit der Kontaktfläche (8) dicker ist als der Schaft (7),
- und daß der Kontaktkopf (10) in dem durch einen sich beim Schalten aus-
bildenden Lichtbogen (LB) thermisch beaufschlagten Teil (Spitzen 11, 20, 21) aus einem hochtemperaturbeständigen Werkstoff besteht.
Am 14. März 2001 hat die Einsprechende Einspruch gegen dieses Patent erhoben und dessen Widerruf in vollem Umfang beantragt. Die Patentinhaberin hat dem Einspruchsvorbringen widersprochen und sinngemäß Antrag auf Aufrechterhaltung des Streitpatents gestellt. Mit Schriftsatz vom 20. März 2003 hat die Einsprechende ihren Einspruch zurückgenommen.
II.
Der Senat hat über den vor dem 1. Januar 2002 erhobenen Einspruch zu entscheiden, nachdem dies die Einsprechende mit Schriftsatz vom 8. August 2002 beantragt hat und die Patentabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts noch nicht dies ausschließend tätig geworden ist. Dies gilt auch bei Rücknahme des Einspruchs insbesondere bezüglich der Unzulässigkeit desselben, § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 iVm § 61 Abs.1 Satz 2 PatG (vergl. BPatG Beschluß vom 4. Februar 2003, 23 W (pat) 306/02 - zur Veröffentlichung vorgesehen).
Der Einspruch ist zwar am letzten Tag der Einspruchsfrist per FAX und somit fristgerecht eingelegt worden; er ist jedoch insoweit unzulässig, als er nicht ausreichend mit nachprüfbaren Gründen versehen ist.
1. Gemäß § 59 Abs. 1 Satz 4, 5 PatG sind die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, im einzelnen innerhalb der Einspruchsfrist anzugeben. Hierunter ist nach ständiger Rechtsprechung eine so umfassende Darlegung von Tatsachen zu verstehen, dass vom Patentamt abschließende Folgerungen bezüglich des Vorliegens oder Nichtvorliegens des behaupteten Widerrufsgrundes gezogen werden können.
Im Einspruchsschriftsatz vom 14. März 2001 zitiert die Einsprechende zwar zunächst fünf von den auf dem Deckblatt der Streitpatentschrift angegebenen Druckschriften; sie behauptet jedoch nicht, daß diese patenthindernd seien.
Sie verweist vielmehr (S.3, ab le. Abs.) auf einen dem Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents "wesentlich näherkommenden Stand der Technik", der sich aus Vorbenutzungshandlungen durch die Einsprechende mit der 6) Schalt-Anlage MINEX-D und mit den 7) TSL-Schaltgerätenergebe.
Die Einsprechende erläutert die geltend gemachten Vorbenutzungen anhand der dem Einspruchsschriftsatz beigefügten Anlagen 6.1 bis 6.5 bezüglich der Schalt-Anlage MINEX-D und anhand der Anlagen 7.1 bis 7.6 und 8 bezüglich der TSL-Schaltgeräte.
Zu einer als Widerrufsgrund geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (z.B. in GRUR 1997, 740 - Tabakdose) Angaben in dreierlei Hinsicht erforderlich:
Die Einspruchsbegründung muß einen bestimmten Gegenstand der Benutzung bezeichnen, damit überprüft und festgestellt werden kann, ob und gegebenenfalls inwieweit er den patentgemäßen Gegenstand vorwegnimmt oder nahelegt.
Ferner ist die Angabe bestimmter Umstände der Benutzung dieses Gegenstandes im Sinne des § 3 Abs.1 PatG erforderlich, damit überprüft und festgestellt werden kann, ob er der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist. Schließlich bedarf es einer nachprüfbaren Angabe dazu, wann der Gegenstand in dieser Weise benutzt worden ist, weil nur dann ermittelt und gegebenenfalls festgestellt werden kann, ob der Gegenstand zum Stand der Technik gehört, von dem aus Neuheit und erfinderische Leistung der patentierten Lehre zu beurteilen sind.
Diesen Anforderungen wird das von der Einsprechenden innerhalb der Einspruchsfrist eingereichte Vorbringen nicht gerecht.
Die behauptete Vorbenutzung der Schalt-Anlage MINEX-D wird auf die Schriftsatzanlagen 6.1 Zeichng. HB55757-001 MINEX-D plus kompl., Bearb. 6.10.92 6.2 Zeichng. HB 55884-001 Erder kompl., Bearb. 13.10.92 6.3 Zeichng. 14HB56068 Kontaktmesser, Bearb.14.10.92 - Ersatz für 4E8082 6.4 Zeichng. HB54065-001 Niet, Bearb. 28.6.89 und auf 6.5. Angebot der PIEL + ADEY KG für Herstellung Kontaktmesser nach Zeichng.
4E8082 vom 23.6.92.
gestützt.
Die Zeichnungen gemäß den Anlagen 6.2 bis 6.4. sind als vertraulich gekennzeichnet. Ein solcher Aufdruck ist auch der Zeichnung gemäß Anlage 6.1 - die in der eingereichten Form ersichtlich lediglich einen Zeichnungsausschnitt darstellt- zuzuordnen. Auch ein Angebot wie jenes nach Anlage 6.5 bezüglich Lieferung des zur Schalt-Anlage MIDEX-D gehörenden Kontaktmessers wird üblicherweise vertraulich behandelt (vergl. BGH in Mitt. 1999, 369 - Anschraubscharnier, insbes. S.370, 3. Abschn.). Demnach kann der auf die Anlagen 6.1 bis 6.5 gestützte Vortrag die geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung nicht belegen, da keinerlei Tatsachen vorgebracht wurden, die sich auf die öffentliche Zugänglichkeit der Benutzung beziehen. Bei dieser Sachlage kann dahingestellt bleiben, ob für den Fachmann - einen FH-Ingenieur der Starkstromtechnik mit mehrjähriger einschlägiger Berufserfahrung - aus den genannten Anlagen ein Schalter mit den Merkmalen des Anspruchs 1 des Streitpatents überhaupt entnehmbar wäre.
Auch mit Bezug auf die Anlagen 7.1 Zeichng. (Ausschnitt) 11HB51284 7.2 Zeichng. 13HB14094 Trennkontakt,Bearb. 26.3.75 7.3 Zeichng. 14HB11373 TrennspitzeBearb. 24.4.67 7.4 Zeichng. 12HB51119 Strombahn Bearb. 18.3.81 7.5 Zeichng. 13HB51120 KontaktmesserBearb. 5.3.81 7.6 Zeichng. HB11394-001 Wolframeinsatz Bearb. 10.3.92 läßt sich eine der Öffentlichkeit zugänglich gewordene Benutzung eines Schalters mit den Merkmalen des Anspruchs 1 des Streitpatents nicht nachweisen. Die Einsprechende macht zwar mit der Angabe, seit ca. 1970 TSL-Schaltgeräte gebaut und vertrieben zu haben, in rechtlich zulässiger Weise (BGH in GRUR 1997, S.740, amtl. Leitsatz - Tabakdose) Ausführungen zum Zeitraum der Benutzung; sie nennt jedoch keine Tatsachen, die eine für die Öffentlichkeit zugängliche Benutzung im Sinne des § 3 Abs. 1 PatG belegen. Es braucht folglich auch hier nicht geklärt werden, inwieweit die Beschreibung des angeblich vorbenutzten TSL-Schaltgerätes anhand der Anlagen 7.1 bis 7.6 sich überhaupt auf ein Schaltgerät bezieht und inwieweit dieses Schaltgerät gegebenenfalls Merkmale des Gegenstandes des Anspruchs 1 des Streitpatents aufweist.
Das weitere Vorbringen der Einsprechenden nach dem 14. März 2001 war nicht zu berücksichtigen, da es erst nach Ablauf der Einspruchsfrist eingegangen ist.
Der am 14. März 2001 eingegangene Einspruch war aus den genannten Gründen unzulässig.
2. Das Verfahren ist nach Rücknahme des unzulässigen Einspruchs beendet.
Grimm Dr. Schmitt Bertl Schuster Bb
BPatG:
Beschluss v. 06.05.2003
Az: 17 W (pat) 701/02
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/19f07793b762/BPatG_Beschluss_vom_6-Mai-2003_Az_17-W-pat-701-02