Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Februar 2006
Aktenzeichen: 19 W (pat) 23/04

(BPatG: Beschluss v. 15.02.2006, Az.: 19 W (pat) 23/04)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss vom 15. Februar 2006 die Beschwerde des Anmelders gegen den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse E 05 C des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 19. Januar 2004 aufgehoben und das Patent mit dem Titel "Tür- und Fensterstopper" erteilt. Das Patent basiert auf einer Anmeldung vom 11. Oktober 2002, für die die innere Priorität vom 7. Februar 2002 in Anspruch genommen wurde. Der Erteilung des Patents liegen bestimmte Unterlagen, wie z.B. Patentansprüche und Beschreibungen, zugrunde.

In der mündlichen Verhandlung hat der Anmelder neue Unterlagen vorgelegt und beantragt, den Zurückweisungsbeschluss aufzuheben und das Patent mit den neuen Unterlagen zu erteilen. Das Patent bezieht sich auf einen Tür- und Fensterstopper, der vielseitiger einzusetzen ist als bisherige Stopper und sowohl Türen als auch Fenster in verschiedenen Positionen fixieren kann.

Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass der Stopper nach den geltenden Ansprüchen patentfähig ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Ein Vergleich mit ähnlichen Entgegenhaltungen zeigt, dass der Stopper nach den geltenden Ansprüchen neu ist und eine verbesserte Funktionalität aufweist.

Zudem entscheidet das Gericht, dass die Beschwerdegebühr zurückgezahlt werden soll, da dem Anmelder der Erstbescheid erst nach Erlass des Zurückweisungsbeschlusses zugestellt wurde. Dies stellt einen erheblichen Verfahrensfehler dar, der möglicherweise vermieden worden wäre, wenn der Erstbescheid rechtzeitig zugestellt worden wäre.

Damit ist die Beschwerde erfolgreich und das Patent wird mit den neuen Unterlagen erteilt. Die Beschwerdegebühr wird zurückgezahlt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 15.02.2006, Az: 19 W (pat) 23/04


Tenor

1. Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse E 05 C des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Januar 2004 aufgehoben und das Patent 102 47 515 wie folgt erteilt:

Bezeichnung: Tür- und Fensterstopper.

Anmeldetag: 11. Oktober 2002 Die innere Priorität vom 7. Februar 2002 (202 01 887.3) ist in Anspruch genommen.

Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 bis 8, überreicht in der mündlichen Verhandlung, und Beschreibung mit zwei Seiten Einfügung, überreicht in der mündlichen Verhandlung, sowie Zeichnungen wie Offenlegungsschrift.

2. Die Beschwerdegebühr wird zurückgezahlt.

Gründe

I.

Das Deutsche Patent- und Markenamt - Prüfungsstelle für Klasse E 05 C - hat die am 11. Oktober 2002 eingereichte Anmeldung, für welche die innere Priorität vom 7. Februar 2002 (DE 202 01 887.3) in Anspruch genommen ist, durch Beschluss vom 19. Januar 2004 aus den Gründen des Bescheids vom 5. August 2003 zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Er hat in der mündlichen Verhandlung neue Unterlagen eingereicht, und beantragt:

1. den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse E 05 C des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Januar 2004 aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 8 und Beschreibung mit zwei Seiten Einfügung, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, Zeichnungen wie Offenlegungsschrift;

2. die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

"Stopper für Türen und Fenster mit den folgenden Merkmalen:

a) der Stopper (1) besteht aus einem gummielastischen Körper mit hohen Reibungskoeffizienten, b) er besitzt einen dickeren runden Bereich (2) sowie einen daran anschließenden schmalen, spitz zulaufenden Bereich (3) wobeic) die Dicke des Körpers so bemessen ist, dass er auf seinen Kanten zu stehen vermag, wobei der Körper ein Kreisscheibenausschnitt ist und der Schnitt S-förmig ist, durch den Kreismittelpunkt M geht und tangential in die Peripherie des Kreises ausläuft, undd) die dem doppelten Kreisscheibenradius entsprechende Breite (b) des Körpers (1) geringfügig größer ist, als der Abstand zwischen den senkrechten Zargen eines Fensters und dessen Rahmen."

Der Anmeldung liegt die Aufgabe zugrunde, einen neuartigen Tür- und Fensterstopper zu schaffen, der wesentlich vielseitiger einzusetzen ist als solche des Standes der Technik, d. h. mit welchem nicht nur Türen, sondern auch Fenster in großem Schwenkbereich fixiert werden können und mit dem auch ein Sichern gekippter Fenster möglich ist (Abs. 0004 der geltenden Beschreibung).

Der Anmelder vertritt die Ansicht, der Stopper nach Anspruch 1 sei neu und erfinderisch. Die Beschwerdegebühr sei zurückzuzahlen, weil der im Zurückweisungsbeschluss erwähnte Bescheid erst nach dem Beschluss zugestellt worden sei.

Hinsichtlich des Wortlauts der Ansprüche 2 bis 8 sowie wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und hat mit dem geänderten Patentbegehren Erfolg, weil der Stopper nach Anspruch 1 patentfähig ist.

1. Offenbarung und Zulässigkeit der geltenden Patentansprüche Die Patentansprüche 1 bis 8 sind zulässig.

Der gültige Anspruch 1 setzt sich aus Merkmalen der ursprünglichen Ansprüche 1 und 2 zusammen, wobei das ursprüngliche Merkmal c) als Wiederholung zu streichen war und der Begriff "Breite" aus der Beschreibung klar zu stellen war. Die geltenden Ansprüche 2 bis 7 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 3 bis 8.

Der geltende Anspruch 8 geht auf Seite 2, Absatz 3 der ursprünglichen Beschreibung zurück.

Dass der Körper nach Merkmal c) "auf seinen Kanten" zu stehen vermag, wird nach Überzeugung des Senats der Fachmann - unter Berücksichtigung von Absatz 0012 der Beschreibung Seite 2, letzter Absatz der ursprünglichen Unterlagen - als "hochkant standfest stehend" interpretieren.

2. Fachmann Der zuständige Fachmann ist ein Schreinermeister mit Berufserfahrung im Tür- und Fensterbau.

3. Neuheit Der Stopper nach dem Anspruch 1 ist neu, denn keine der Entgegenhaltungen zeigt einen Kreisscheibenausschnitt als (Stopper-)Körper, wobei der Schnitt S-förmig ist, durch den Kreismittelpunkt geht und tangential in die Peripherie des Kreises ausläuft, nach Merkmal c).

Die folgenden Entgegenhaltungen zeigen lediglich teilweise Entsprechungen zum Patentanspruch 1 in Gestalt und Funktion:

Das Gebrauchsmuster DE 1 839 016 zeigt einen Stopper, dessen Material nicht erwähnt ist. Er besitzt nach Merkmal b) einen dickeren, (halb-) runden Bereich - Keile 1, 2 -, und einen daran anschließenden schmalen Bereich - Griff 3. Der Griff 3 ist aber nicht spitz zulaufend. Der Stopper vermag auch "auf seinen Kanten" zu stehen nach Merkmal c) (Fig. 5). Die Breite nach Merkmal d) dürfte dem Abstand zwischen Zarge und Rahmen etwas oberhalb der in der Fig. 4 eingezeichneten Lage entsprechen.

Diese Entgegenhaltung zeigt als einzige einen mehrfach verwendbaren Stopper mit unterschiedlichen Klemmarten (dort Fig. 4 und 5), mit dem auch ein Sichern gekippter Fenster möglich ist. Eine Klemmung entsprechend Figuren 3 und 4 der Anmeldung ist aber nicht möglich. Als Türstopper ist der bekannte Stopper nicht geeignet.

Die WO 01/69024 A1 zeigt einen Türstopper mit einem dickeren runden Bereich 7, 8, 9 und einem daran anschließenden schmalen, spitz zulaufenden Bereich 6 nach Merkmal b), aber nur letzterer aus gummielastischen Material mit hohem Reibungskoeffizienten nach Merkmal a) (S. 13). Die Dicke des Körpers dürfte ausreichen, dass er nach Merkmal c) "auf seinen Kanten" zu stehen vermag Die "Breite" (die Ersteckung in der Richtung 5, S. 5 Z 14 bis 19) dürfte dem Abstand zwischen den senkrechten Zargen eines Fenster und dessen Rahmen nach Merkmal d) entsprechen; jedoch ist der bekannte Stopper aufgrund der gestreckten Spitze dort nicht stoppend einsetzbar.

Dieser Körper ist nur für eine Klemmart ähnlich Figur 4 der Anmeldung vorgesehen.

Die GB-PS 211 017 zeigt einen herzförmigen gummielastischen Körper 1 mit hohem Reibungskoeffizienten nach Merkmal a) (S. 1, Z. 27 bis 35), mit zwei etwa symmetrischen Schenkeln. Die Dicke des Körpers dürfte ausreichen, dass er nach Merkmal c) "auf seinen Kanten" zu stehen vermag.

Keine der drei in der Anmeldung gezeigten Klemmarten ist angesprochen. Der Körper ist nämlich mit einer Achse an der Tür angebracht.

Die US 3 706 112 zeigt einen Tür-Stopper mit einem spitz zulaufenden, (gekrümmten) Bereich nach Merkmal b), der jedoch an einen eckigen dickeren Bereich anschließt. Der Körper besteht aus Hartholz oder Hartplastik (Sp. 3, Z. 1 bis 6) mit einem gummiartigen Material auf der Unterseite (Sp. 2, Z. 45 bis 50) und einer polierten Metalloberfläche auf der Oberseite (Sp. 2, Z. 67, 68).

Eine Klemmung nach Figur 4 der Anmeldung ist in Figur 3 gezeigt. Eine Klemmung entsprechend Figuren 2 und 3 der Anmeldung ist wegen der fehlenden Elastizität nicht möglich.

Das Gebrauchsmuster DE 86 10 466 zeigt einen Stopper für Fenster, bestehend aus einem gummielastischen Körper (Anspruch 1) mit niedrigem Reibungskoeffizienten an der Gleitfläche 6 und mit höherem Reibungskoeffizienten an der Stand- und Anstellfläche 2, 7 (Anspruch 5: "gering(er)e Haftreibungskraft als die.."). Der Körper hat Polygonform. Einen runden oder spitz zulaufenden Bereich gibt es nicht.

Nur die in den Figuren 2 und 3 der Anmeldung dargestellten Klemmarten wären grundsätzlich möglich. Die Klemmart nach Figur 4 ist nicht möglich.

Die übrigen, in der Verhandlung nicht aufgegriffenen Entgegenhaltungen liegen noch weiter ab. Auf sie braucht nicht eingegangen zu werden.

4. Erfinderische Tätigkeit Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Ausgehend von der Anordnung nach dem Gebrauchsmuster DE 1 839 016 mag der Fachmann zwar daran denken, den Stopper teilweise oder ganz aus gummiartigem Material mit hohem Reibungskoeffizienten zu fertigen wie beispielsweise nach der GB-PS 211 017 oder der WO 01/69024 A1. Denn dort würde der Stopper sicherer in den dort gezeigten Klemmpositionen ruhen. Für eine Form als Kreisscheibenausschnitt mit einem S-förmigen Schnitt, der durch den Kreismittelpunkt geht und tangential in die Peripherie des Kreises ausläuft, nach Merkmal c), gibt es jedoch keinerlei Anregung oder Hinweis in irgendeiner der Entgegenhaltungen.

Gerade diese Raumform ergibt aber einen bei Türen und Fenstern vielseitig einsetzbaren Tür- und Fensterstopper, der mit seiner unterschiedlichen Elastizität in verschiedene Richtungen (Abs. 0011) und der spiraligen Außenkontur für sehr unterschiedlich große Klemmspalte jeweils gut angepasst ist.

Um zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu kommen, bedurfte es somit erfinderischer Überlegungen.

5. Nachdem der Stopper nach Anspruch 1 patentfähig ist, trifft dies auch für den Stopper nach den Ansprüchen 2 bis 8 zu.

6. Die beantragte Zurückzahlung der Beschwerdegebühr (§ 80 Abs. 3 PatG) entspricht der Billigkeit.

Das Deutsche Patent- und Markenamt - Prüfungsstelle für Klasse H 02 K - hat die am 11. Oktober 2002 eingereichte Anmeldung durch Beschluss vom 19. Januar 2004 "aus den Gründen des Bescheids vom 5. August 2003" zurückgewiesen. In den Akten findet sich dieser Bescheid, jedoch ohne Zustellungsvermerk. In einer Anfrage vom 29. Januar 2004, sowie im Beschwerdeschriftsatz vom 4. Februar 2004 hat der Vertreter des Anmelders erklärt, den Bescheid nicht erhalten zu haben. Der Bescheid wurde gemäß Sendeprotokoll vom 3. Februar 2004 dem Anmeldervertreter nachträglich zugefaxt. Für den Senat steht damit fest, dass der Erstbescheid dem Anmelder erst nach Erlass des Zurückweisungsbeschlusses zur Kenntnis gebracht worden ist. Damit liegt ein erheblicher Verfahrensfehler vor, der auch für die Erhebung der Beschwerde ursächlich war. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Beschwerde hätte vermieden werden können, wenn dem Anmelder vor Erlass des Zurückweisungsbeschlusses der Erstbescheid zugestellt worden wäre.






BPatG:
Beschluss v. 15.02.2006
Az: 19 W (pat) 23/04


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