Bundespatentgericht:
Urteil vom 25. November 2003
Aktenzeichen: 3 Ni 56/01
(BPatG: Urteil v. 25.11.2003, Az.: 3 Ni 56/01)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
In der vorliegenden Gerichtsentscheidung geht es um das Streitpatent 42 24 575, welches eine Vorrichtung zum verspannenden Verbinden von Bauteilen betrifft. Die Klägerin greift bestimmte Patentansprüche des Streitpatents an, da sie der Meinung ist, dass der Gegenstand des Patents nicht patentfähig ist und aufgrund einer offenkundigen Vorbenutzung der Beklagten selbst neuheitsschädlich vorweggenommen wurde. Die Klägerin legt verschiedene Unterlagen vor, um ihre Behauptungen zu belegen. Die Beklagte verteidigt das Streitpatent und tritt den Vorwürfen der Klägerin entgegen. Das Bundespatentgericht kommt zu dem Ergebnis, dass das Streitpatent in dem angegriffenen Umfang nicht patentfähig ist, da es an der Neuheit gegenüber der offenkundigen Vorbenutzung fehlt. Der Zeuge Sch... hat im Rahmen seiner Vernehmung ein vorbenutztes Verstellelement vorgelegt und erläutert, welches den Merkmalen der angegriffenen Patentansprüche entspricht. Das Verstellelement wurde an die B... AG geliefert und von dieser an die V... AG weitergeliefert. Die Beklagte räumt ein, dass die gelieferten Verstellelemente die Merkmale der angegriffenen Patentansprüche aufweisen. Das Gericht ist somit davon überzeugt, dass eine offenkundige Vorbenutzung vorliegt und das Streitpatent in dem angegriffenen Umfang nicht patentfähig ist. Das Urteil lautet, dass das Streitpatent im genannten Umfang für nichtig erklärt wird und die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits tragen muss. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages. Die Kostenentscheidung beruht auf dem Patentgesetz in Verbindung mit der Zivilprozessordnung.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Urteil v. 25.11.2003, Az: 3 Ni 56/01
Tenor
Das Patent 42 24 575 wird im Umfang der Patentansprüche 1, 2 und 5 bis 7, soweit diese nicht auf die Patentansprüche 3 oder 4 zurückbezogen sind, für nichtig erklärt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 24. Juli 1992 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldung 41 28 269 vom 26. August 1991 angemeldeten Patents 42 24 575 (Streitpatent). Das Streitpatent betrifft in der erteilten Fassung 12 Patentansprüche. Die Klägerin greift allein die Patentansprüche 1, 2, 5, 6 und 7 an, mit der Maßgabe, dass sich die Klage nicht gegen Verwendungsansprüche richtet, die sich auf eine Verwendungsweise des Gegenstandes der angegriffenen Ansprüche beziehen, bei der nach Erreichen der Abstützstellung der Distanzscheibe die Abstützhöhe zwischen den Bauteilen durch die Spannkraft der Verbindungsschraube um ein vorbestimmtes Maß verkleinert wird. Die Patentansprüche 1, 2, 5, 6 und 7 lauten wie folgt:
"1. Vorrichtung zum verspannenden Verbinden von mit Abstand zueinander liegenden Bauteilen mittels Verbindungsschraube und mittels im Abstandsraum angeordneter, sich mit der äußeren Breitseite an dem einen Bauteil abstützender Distanzscheibe, welche mit wendelgangförmig liegenden Steigungs-Stützflächen ausgestattet ist, denen formpassende wendelförmige, dem anderen Bauteil zugeordnete Gegensteigungs-Stützflächen gegenüberliegen und wobei die Drehung der Stützflächen zueinander das eingenommene Axialmaß bestimmt derart, dass die Distanzscheibe durch Verbindung zur Mantelfläche der Verbindungsschraube in die Abstützstellung mitgeschleppt ist, dadurch gekennzeichnet, dass nach Erreichen der Abstützstellung der Distanzscheibe die Abstützhöhe (A1, B1, C1, D1) zwischen den Bauteilen (18, 23) durch die Spannkraft der Verbindungsschraube (4 bzw 31 bzw 51) um ein vorbestimmtes Maß verkleinerbar ist.
2. Vorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Verkleinerung der Abstützhöhe (A1, B1, C1) kleiner ist als das Verlagerungsmaß der Distanzscheibe (1 bzw 33 bzw 42).
5. Vorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüchen, dadurch gekennzeichnet, dass die Verkleinerung der Abstützhöhe (A1) durch reibschlüssige Axialverschiebung eines die Gegensteigungs-Stützflächen (25) als Gewinde tragenden Ringteiles (7) in einer Fassung (10) erzielt ist.
6. Vorrichtung nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass sich das Ringteil (7) in der Fassung (10) bis in die bündige Stellung der Unterseite (11) der Fassung (10) verschiebt.
7. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 5 oder 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Fassung (10) mit Halteelementen, z.B. Haken (15), zur Fesselung an dem einen Bauteil (18) ausgestattet ist."
Die Klägerin macht geltend, der Gegenstand des Streitpatents in dem angegriffenen Umfang sei nicht patentfähig, weil er insoweit durch eine offenkundige Vorbenutzung der Beklagten selbst neuheitsschädlich vorweggenommen sei. Verbindungsvorrichtungen mit allen gegenständlichen Merkmalen der Ansprüche 1, 2, 5, 6 und 7 seien vor dem Prioritätstag des Streitpatents an die B... AG, P... geliefert worden. Zum Nachweis hat sie ua folgende Unterlagen vorgelegt:
1. Schreiben der Nichtigkeitsbeklagten an die B... AG v. 13. Juni 1991 mit Zeichnung 1 HO 857 049 der V... AG vom 2. Juli 1990 (Anlage NK3), 2. eine DIN A3-Kopie der V...-Zeichnung nach 1. (NK3a), 3. eine Kopie der im Schreiben nach 1. erwähnten "Nachberechnung", Rechnung Nr. 39 556 vom 13.6.91 (NK3b), 4. Schreiben der B... AG vom 14. Februar 1991, 5. Lieferbestätigung der Fa. W... vom 14. Februar 1991 Dafür, dass das Verstellelement gemäß der V...-Zeichnung durch die B... AG von der Nichtigkeitsbeklagten bezogen wurde und zur Befestigung eines Montageträgers diente, den die B... AG mit den zugehörigen Verstellelementen an die V... AG geliefert hat und der in das Fahrzeug ... eingebaut wurde, hat die Klägerin Beweis durch Einvernahme des Herrn Sch...
B... GmbH & Co. KG, A...
P...
als Zeugen angeboten.
Die Klägerin beantragt, das Patent 42 24 575 im Umfang der erteilten Patentansprüche 1, 2, 5, 6 und 7 für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent in der Fassung der Patentansprüche 1 bis 11 gemäß Schriftsatz vom 3. Januar 2002.
Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und hält das Streitpatent auch in dem angegriffenen Umfang für patentfähig.
Zu der von der Klägerin behaupteten offenkundigen Vorbenutzung hat sie ihrerseits Beweis durch Einvernahme des Herrn K..., D... in W...
als Zeugen angeboten und ferner in der mündlichen Verhandlung noch folgende Unterlagen vorgelegt:
a) Bestellung der B... AG vom 19. Dezember 1990 mit Vertragsauszug und Zeichnung, b) Besprechungsbericht der Fa. W... vom 20. Oktober 1992, c) Besprechungsbericht der Fa. W... vom 13. November 1991.
Der Senat hat über die offenkundige Vorbenutzung gemäß Beweisbeschluss vom 22. Mai 2003, ergänzt durch Beschluss vom 14. Juli 2003, berichtigt durch Beschluss vom 29. Juli 2003, durch Vernehmung der Zeugen Sch... und K... Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 25. November 2003 verwiesen.
Gründe
Die zulässige Klage erweist sich als begründet.
Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund führt zur Nichtigkeit des Streitpatents in dem im Tenor genannten Umfang (§ 22 Abs 1, § 21 Abs 1 Nr 1 PatG).
I.
1. Das Streitpatent betrifft eine Vorrichtung zum verspannenden Verbinden von mit Abstand zueinander liegenden Bauteilen mittels Verbindungsschraube und mittels im Abstandsraum angeordneter, sich mit der äußeren Breitseite an dem einen Bauteil abstützender Distanzscheibe, welche mit wendelgangförmig liegenden Steigungs-Stützflächen ausgestattet ist, denen formpassende wendelförmige, dem anderen Bauteil zugeordnete Gegensteigungs-Stützflächen gegenüberliegen und wobei die Drehung der Stützflächen zueinander das eingenommene Axialmaß bestimmt derart, dass die Distanzscheibe durch Verbindung zur Mantelfläche der Verbindungsschraube in die Abstützstellung mitgeschleppt ist. Nach den Angaben in der Streitpatentschrift ist eine Vorrichtung der vorgenannten Art aus der EP 0 176 663 B1 bekannt, wobei nach Erreichen der Abstützstellung der Distanzscheibe die Abstützhöhe unveränderlich ist (Streitpatentschrift Sp 1 Z 16 bis 18).
2. Vor diesem Hintergrund ist es Aufgabe des Streitpatents, eine gattungsgemäße Vorrichtung in herstellungstechnisch einfacher Weise so auszugestalten, dass nach Erreichen der Abstützstellung der Distanzscheibe eine vorbestimmte Ergänzungsverspannung ermöglicht ist (StrPS Sp 1 Z 19 bis 23).
3. Zur Lösung beschreibt Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung eine Vorrichtung zum verspannenden Verbinden von mit Abstand zueinander liegenden Bauteilen 1. mittels Verbindungsschraube, 2. mittels im Abstandsraum angeordneter Distanzscheibe, 2.1. die sich mit der äußeren Breitseite an dem einen Bauteil abstützt und 2.2. die mit wendelförmig liegenden Steigungs-Stützflächen ausgestattet ist, 3. denen formpassende wendelförmige Gegensteigungs-Stützflächen gegenüber liegen, 3.1. die dem anderen Bauteil zugeordnet sind, 4. wobei durch Drehung der Stützflächen zueinander das angenommene Axialmaß bestimmt ist, 5. die Distanzscheibe durch Verbindung zur Mantelfläche der Verbindungsschraube in die Abstützstellung mitgeschleppt ist, 6. und nach Erreichen der Abstützstellung der Distanzscheibe die Abstützhöhe zwischen den Bauteilen durch die Spannkraft der Verbindungsschraube um ein vorbestimmtes Maß verkleinerbar ist.
II.
Der Gegenstand des Streitpatents, soweit durch die Nichtigkeitsklage angegriffen, stellt keine patentfähige Erfindung iSd §§ 1 bis 5 PatG dar, denn ihm fehlt die Neuheit gegenüber einem offenkundig vorbenutzten Gegenstand.
Der Zeuge Sch..., Mitarbeiter der B... AG, dessen Aussagen glaubhaft erscheinen, hat im Rahmen seiner Vernehmung ein bei der B... AG vorbenutztes Verstellelement zum verspannenden Verbinden von mit Abstand zueinander liegenden Bauteilen vorgelegt und erläutert. Danach entspricht das vorbenutzte Verstellelement, das an einen für den ... (Fahrzeug) bestimmten Montageträger montiert worden sei, den Verstellelementen, die gemäß Nachberechnung der Beklagten vom 13. Juni 1991 erstmalig am 10. April 1991 an die Fa. B... geliefert wurden, mit der Einschränkung, dass der Anschlagring des vorliegenden Musters aus Metall besteht, der der damals gelieferten Verstellelemente dagegen aus Kunststoff (Polyamid - PA6.6) bestanden habe.
Aus der in der Nachberechnung genannten V...-Zeichnung 1HO 857 049, die bis auf eine geänderte Oberflächenangabe ("c170", s. Pos.1 am Grundelement) das vorbenutzte Verstellelement Stand 20. Dezember 1990 bis mindestens 13. Mai 1991 zeigt, und dem vorliegenden, baulich mit dem nach Zeichnung weitgehend übereinstimmenden Muster ergibt sich iVm den Ausführungen des Zeugen folgender Aufbau der vorbenutzten Verstellelemente (den Begriffen gemäß V...-Zeichnung sind in Klammern die gemäß Streitpatent angefügt):
Das Verstellelement umfasst ein ringzylindrisches, metallisches Grundelement (Ringteil 7) mit Innengewinde (Gegensteigungs-Stützflächen 25) und ein ringzylindrisches, metallisches Ausgleichselement (Distanzscheibe 1) mit Außengewinde (Steigungs-Stützflächen 2) und mit einem endseitig angeformten, über das Außengewinde radial vorspringenden ringförmigen Kragen, an dessen äußerer Umfangsfläche ein Anschlagring (Anschlagscheibe 20) mit einem radialen Vorsprung (Nase 21) aufgepresst ist, der gemäß Zeichnung aus Kunststoff (Polyamid - PA 6.6), gemäß Muster aus Stahl besteht. Das Grundelement (Ringteil) ist mit Presssitz in der zentralen Öffnung (Loch 9) eines mit Haltehaken versehenen Halterings (Fassung 10 mit Haken 15 und Anschlag 22) aus Polyamid aufgenommen, wobei der Haltering eine Sicherungszunge aufweist, an der der Vorsprung (Nase 21) des Anschlagrings im Vormontagezustand anliegt. Der Anschlagring erlaubt daher einen definierten Vormontagezustand des Verstellelements einzustellen. In die zentrale Öffnung des Ausgleichselements (Distanzscheibe) ist ein ringzylindrisches, in Längsrichtung geschlitztes und an der Mantelfläche anliegendes Federelement (Klemmring 5) eingebracht, das einen Klemmsitz zwischen der Mantelfläche einer in die Öffnung des Ausgleichselements eingeführten Verbindungsschraube und dem Ausgleichselement (Distanzscheibe) ermöglicht.
Nach den glaubhaften Ausführungen des Zeugen K..., Mitarbeiter der Beklagten, sind 1991 an die B... AG Verstellelemente in zusammengeschraubtem und zusammengedrücktem Zustand ausgeliefert worden. Einen solchen Zustand zeigt die V...-Zeichnung in der Figur oben links. Das Ausgleichselement (Distanzscheibe) ist vollständig in das Grundelement (Ringteil) eingeschraubt und das Grundelement und der Haltering (Fassung) sind an ihren Bauteilanlageflächen bündig angeordnet.
Die Beklagte hat eingeräumt, dass die damals gelieferten Verstellelemente die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 nach Streitpatent, dh die Merkmale 1 bis 5 gemäß der vorstehenden Merkmalsgliederung aufwiesen. Mit dem Einstecken und Drehen der Schraube kann demnach in streitgegenständlicher Weise das Ausgleichselement (Distanzscheibe) mitgeschleppt und aus dem Grundelement herausgeschraubt werden, bis das vorgegebene Abstandsmaß zweier zu verbindender Bauteile überbrückt, das Ausgleichselement (Distanzscheibe) also in seine Abstützstellung gelangt ist. Mit dem weiteren Eindrehen der Schraube können sodann die Bauteile in dieser Abstützstellung gegeneinander verspannt werden.
Wie der Zeuge Sch... ausgesagt hat, ist es vorgekommen, dass im Auslieferungszustand der Verstellelemente das Grundelement (Ringteil) axial zum Haltering (Fassung) verschoben war. Weil hierdurch die Funktion des Anschlagringes nicht mehr gewährleistet gewesen sei - die Nase des Anschlagringes konnte selbst bei voll eingeschraubtem Ausgleichselement nicht mehr in Kontakt mit dem Anschlag bzw. der Sicherungszunge des Halterings kommen - habe man die Bündigkeit von Grundelement und Haltering an der Bauteilanlagefläche wieder hergestellt und zwar durch Zusammendrücken der verschobenen Teile von Hand.
In der damals als fehlerhaft angesehenen Ausgangsstellung mit aus der bündigen Stellung in die Fassung hinein verschobener Bauteilanlagefläche des Ringteils entsprach das vorbenutzte Verstellelement der in der Figur 2 des Streitpatents dargestellten Stellung des Gegenstands des Streitpatents. Wären Fassung und Ringteil nicht vor dem Einsatz unter Überwindung der Reibung zwischen ihnen axial zusammengedrückt worden, wäre dies nach Erreichen der Abstützstellung durch die Spannkraft der Verbindungsschraube geschehen und dadurch die Abstützhöhe um den Abstand der Bauteilanlageflächen von Fassung und Ringteil verkleinert worden. Dies hat man offenbar seinerzeit erkannt aber nicht gewollt; sonst hätte man die Verstellelemente mit gegenüber der Fassung verschobenem Ringteil nicht vor dem Einsatz in die gewünschte Ausgangsstellung zusammengedrückt. Das vorbenutzte Verstellelement wies somit ungeachtet der Tatsache, dass davon kein Gebrauch gemacht wurde, in einer bestimmten Ausgangsstellung, die sich gelegentlich von selbst einstellte, in die es jedenfalls ohne weiteres gebracht werden konnte, auch das kennzeichnende Merkmal des Gegenstands des Anspruchs 1 des Streitpatents (Merkmal 6 der vorstehenden Merkmalsgliederung) auf und stellt daher einen neuheitsschädlichen Stand der Technik dar.
Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, ist auch die Ausbildung gemäß dem Anspruch 5 des Streitpatents, wonach die Verkleinerung der Abstützhöhe durch reibschlüssige Axialverschiebung eines die Gegensteigungs-Stützflächen als Gewinde tragenden Ringteils in einer Fassung erzielt wird, bei dem vorbenutzten Verstellelement bereits vorhanden gewesen.
Aufgrund der vorgegebenen Längenmaße von Grundelement, Ausgleichselement und Haltering (s. V...-Zeichnung) kann auch das Verschiebungsmaß beim vorbenutzten Verstellelement nur kleiner als das Verlagerungsmaß des Ausgleichselements (Distanzscheibe) gewählt werden (Anspruch 2 des Streitpatents). Das Merkmal gemäß Anspruch 6 des Streitpatents, wonach sich das Ringteil bzw das Grundelement in der Fassung bzw im Haltering bis in die bündige Stellung der Unterseite verschiebt, ergibt sich im Verwendungsfall des vorbenutzten Verstellelements zwangsläufig, da üblicherweise von einer ebenen Bauteilfläche an der Unterseite des Verstellelements auszugehen ist. Der Haltering bzw die Fassung des vorbenutzten Verstellelements weist auch Halteelemente bzw. Haken gemäß Anspruch 7 nach Streitpatent auf. Folglich erfüllt das vorbenutzte Verstellelement auch die Lehren der Ansprüche 2, 6 und 7 nach Streitpatent.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass eine technische Lehre mit den Merkmalen der angegriffenen Patentansprüche 1, 2, 5, 6 und 7 im Prioritätszeitpunkt durch die Beklagte selbst auch offenkundig vorbenutzt gewesen ist, da entsprechende Verstellelemente vor dem Prioritätstag des Streitpatents an die B... AG geliefert, von dieser mit anderen Kfz-Einbauteilen montiert und die Montageeinheiten an die V... AG weitergeliefert worden sind. Die Klägerin hat zum Beleg hierfür Dokumente vorgelegt, ua eine Lieferbestätigung der Beklagten vom 14. 02. 1991 und ein Schreiben der B... AG an die Beklagte vom 14. 02. 1991 betreffend die Reklamation von Schwierigkeiten und Verzögerungen bei der vereinbarten Lieferung der Verstellelemente. Diese Lieferungen erfolgten auch ohne eine zwischen der Beklagten und der B... AG ausdrücklich vereinbarte Geheimhaltungspflicht. Zumindest hat die Beklagte dies nicht behauptet oder gar den Beweis hierfür angetreten.
Eine Verpflichtung zur Verschwiegenheit käme allenfalls aufgrund stillschweigender Vereinbarung wegen eines Treue- oder Vertrauensverhältnisses in Betracht. Auch eine solche hat aber nach Auffassung des Senats nicht bestanden.
Nach der Rechtsprechung kommt es für die Feststellung der Offenkundigkeit einer Vorbenutzung im wesentlichen darauf an, ob sich aus den gesamten Umständen des Einzelfalles nach der Lebenserfahrung der Schluss ziehen lässt, dass die Benutzung die nicht zu entfernt liegende Möglichkeit eröffnet, dass beliebige Dritte und damit auch Sachverständige eine zuverlässige und ausreichende Kenntnis von dem vorbenutzten Gegenstand erhalten. Dies kann entweder unmittelbar dadurch geschehen, dass ein unbegrenzter Personenkreis die Benutzung wahrnimmt oder wahrnehmen kann, oder mittelbar dadurch, dass nur einzelne sie wahrnehmen, unter denen sich bereits nicht zur Geheimhaltung verpflichtete Sachverständige befinden oder bei denen zumindest die Möglichkeit besteht, dass ihre Kenntnis an beliebige Dritte und damit über den engen Kreis einzelner Personen hinaus auch an andere Sachverständige weiterdringt (vgl. BGH GRUR 1963, 311 - Stapelpresse -; 1966, 484 - Pfennigabsatz -; 1992, 430 - Tauchcomputer -; BPatGE 33, 207; 34, 38). Diese für die offenkundige Vorbenutzung im Sinn des § 2 PatG 1968 entwickelte Rechtsprechung gilt auch für die Zugänglichkeit für die Öffentlichkeit im Sinn von § 3 Abs 1 PatG 1981 (vgl dazu BGH GRUR 1997, 892 - Leiterplattennutzen).
Aus den gesamten Umständen des Einzelfalles, insbesondere unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Beweisaufnahme, lässt sich der Schluss ziehen, dass eine Verschwiegenheit über die Benutzung der hier maßgeblichen Lehre des Streitpatents durch die B... AG von dieser letztlich nicht (mehr) erwartet werden konnte. Nach der Aussage des Zeugen Sch... unter Bezugnahme auf die Nachberechnung vom 13. Juni 1991 ist davon auszugehen, dass die B... AG bis zum 17. Mai 1991 über 23.000 Verstellelemente von der Beklagten erhalten und ihrerseits die Montageeinheiten mit den Verstellelementen erstmals etwa im Mai/Juni 1991 an die V... AG geliefert hat. Unabhängig von der Frage, ob die B... AG bis zu diesen Zeitpunkten im Hinblick auf eine zwischen der Beklagten und der V... AG bestehende Zusammenarbeit bei der Entwicklung und Weiterbildung der hier streitgegenständlichen Verbindungsvorrichtungen einer Geheimhaltungsverpflichtung unterlag oder sich an eine solche gebunden fühlte, kann nach der Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, dassjedenfalls ab diesen Zeiträumen eine entsprechende Bindung nicht mehr angenommen werden kann. Denn bei Lieferung von Gegenständen, hier der Verstellelemente, in einer Größenordnung von ca 23.000 Stück in einem Monat erscheint die Annahme, es handele sich noch um bloße Versuchsgegenstände bzw Muster für die technische Erprobung, bei der eine vertrauliche Behandlung zu erwarten sei, nicht gerechtfertigt. Vielmehr sprechen diese Umstände und die Auslieferung der die Verstellelemente enthaltenden Montageeinheiten im Mai / Juni 1991 an die V... AG dafür, dass hier bereits eine Serienfertigung vorlag und damit jedenfalls die Möglichkeit bestand, dass beliebige Dritte und Sachverständige von der technischen Ausgestaltung der Verstellelemente Kenntnis erlangen konnten.
Dem danach von der Klägerin zumindest prima facie erbrachten Beweis des Nichtbestehens einer beachtlichen Geheimhaltungsverpflichtung steht das Bestreiten dieses Sachverhalts seitens der Beklagten nicht entgegen. Zunächst ist festzustellen, dass der Vortrag der Beklagten, es sei wegen der Einbindung der B... AG in eine zwischen der Beklagten und der V... AG bestehende Entwicklungstätigkeit von einer stillschweigenden Geheimhaltungspflicht auszugehen, erst nach Beendigung der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung vom 25. November 2003 erfolgte, so dass eine Befragung der vernommenen Zeugen hierzu mangels eines entsprechenden Vorbringens bzw Beweisantritts nicht veranlasst war. Entscheidend ist jedoch, dass die von der Beklagten zur Stützung ihres Vorbringens vorgelegten Schriftstücke nicht geeignet sind, den von der Klägerin zur Überzeugung des Senats erbrachten Anscheinsbeweis insoweit zu erschüttern, als nunmehr von einer die öffentliche Zugänglichkeit der gelieferten Gegenstände ausschließenden Verschwiegenheitsverpflichtung auszugehen wäre. Die von der Beklagten vorgelegten Besprechungsberichte lassen allenfalls den Schluss zu, dass eine gemeinsame Entwicklungstätigkeit hinsichtlich der gegenständlichen Verstellelemente allein zwischen der Beklagten und der V... AG stattfand. Gegen eine - uU eine Verschwiegenheitspflicht begründende - Einbindung der B... AG in diese Gemeinschaftsentwicklung spricht gerade der von der Beklagten vorgelegte Bericht vom 20. Oktober 1992 über die Besprechung zwischen Mitarbeitern ihres Unternehmens und der B... AG am 19. Oktober 1992. Denn dort wurde von dem hier als Zeugen vernommenen Mitarbeiter der B... AG, Herrn Sch..., unter Berufung auf den zwischen der B... AG und der Beklagten bestehenden Vertrag zur Abnahme der Verstellelemente ausdrücklich moniert, dass zwischen der Beklagten und der V... AG vereinbarte Änderungen und Verbesserungen an dem Verstellelement nicht mit der B... AG abgesprochen worden seien, was darauf schließen lässt, dass eine entsprechende Entwicklungsgemeinschaft eben nur zwischen der Beklagten und der V... AG bestand.
Auch der Umstand, dass die B... AG ausweislich einer von der Beklagten vorgelegten Bestellung vom 19. Dezember 1990 die Werkzeugkosten für zwei zur Herstellung der Verstellelemente bestimmte Serienwerkzeuge übernommen hat, spricht entgegen der Ansicht der Beklagten nicht für eine zur Geheimhaltung verpflichtende Zusammenarbeit. Nach Überzeugung des Senats entspricht eine derartige Kostenübernahme den in der Kfz-Zulieferindustrie durchaus üblichen Gepflogenheiten und kann keinesfalls als Indiz für eine ein besonderes Vertrauensverhältnis begründende gemeinschaftliche Entwicklungstätigkeit gewertet werden.
Bei dieser Sachlage erübrigte sich ein Eingehen auf den Hilfsantrag, der nur darauf ausgerichtet war, gegebenenfalls vorhandene Unklarheiten in der erteilten Fassung der Ansprüche auszuräumen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 91 Abs 1 Satz 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht auf Grund von § 99 Abs 1 PatG iVm § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
Hellebrand Köhn Dr. Pösentrup Brandt Frühauf Pr
BPatG:
Urteil v. 25.11.2003
Az: 3 Ni 56/01
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