Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 23. Oktober 2013
Aktenzeichen: V ZB 190/12

(BGH: Beschluss v. 23.10.2013, Az.: V ZB 190/12)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Der Bundesgerichtshof hat in einem Beschluss vom 23. Oktober 2013 (Aktenzeichen V ZB 190/12) entschieden, dass die Rechtsbeschwerde der Kostenschuldnerin gegen einen Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 24. September 2012 abgewiesen wird. Die Kosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren wurden der Kostenschuldnerin auferlegt und betragen 42.422,91 €.

In dem zugrunde liegenden Fall hatte ein Notar am 20. November 2009 einen Verpfändungsvertrag beurkundet, in dem die Kostenschuldnerin ihren Geschäftsanteil an einer GmbH an eine Vielzahl von Banken verpfändete. Die GmbH selbst hatte kurz zuvor einen Kaufvertrag über sämtliche Geschäftsanteile eines deutschen Kabelnetzbetreibers abgeschlossen. Zur Sicherung der Kreditforderungen der Banken verpfändete die Kostenschuldnerin ihren Geschäftsanteil an der GmbH. Der Notar erhob für diese Beurkundung eine Gebühr in Höhe von 42.846,25 €. Die Kostenschuldnerin beantragte daraufhin eine Überprüfung der Kostenrechnung, jedoch ohne Erfolg. Das Landgericht und das Oberlandesgericht wiesen die Beschwerde der Kostenschuldnerin ebenfalls zurück.

Der Bundesgerichtshof kam zu dem Schluss, dass der Notar bei der Bestimmung des Geschäftswerts des Verpfändungsvertrags keinen Ermessensfehler gemacht hat. Die Bewertung erfolgte nicht anhand des Kaufpreises, den die Kostenschuldnerin für den Erwerb des Geschäftsanteils gezahlt hatte, sondern anhand des Gesamtwerts der GmbH, der sich aus einem geplanten Unternehmenskauf ergab. Der Notar hat dabei den Wert des verpfändeten Geschäftsanteils auf 20 Millionen € geschätzt.

Weiterhin entschied der Bundesgerichtshof, dass die Kostenberechnung des Notars den gesetzlichen Anforderungen entspricht, obwohl er in seiner Berechnung nicht explizit auf die maßgebliche Vorschrift verwiesen hat. Der Notar hatte jedoch ein Begleitschreiben beigefügt, in dem er ausführlich erläuterte, wie er den Geschäftswert ermittelt hat. Dadurch wurde die Kostenschuldnerin in die Lage versetzt, die Berechnung nachzuvollziehen und zu überprüfen.

Als Ergebnis wurde die Rechtsbeschwerde der Kostenschuldnerin abgewiesen und die Kosten des Verfahrens wurden ihr auferlegt. Die Festsetzung des Geschäftswerts erfolgte gemäß den gesetzlichen Bestimmungen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BGH: Beschluss v. 23.10.2013, Az: V ZB 190/12


Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Kostenschuldnerin gegen den Beschluss des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 24. September 2012 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 42.422,91 €.

Gründe

I.

Der Kostengläubiger (fortan: Notar) beurkundete am 20. November 2009 einen Verpfändungsvertrag, in welchem die Kostenschuldnerin den von ihr gehaltenen Geschäftsanteil von 100% an der U. GmbH an eine Vielzahl von Banken verpfändete.

Die U. GmbH war am 15. Oktober 2009 mit einem Stammkapital von 25.000 € als Vorratsgesellschaft gegründet worden. Am 6. November 2009 erwarb die Kostenschuldnerin deren einzigen Geschäftsanteil zu einem Kaufpreis von 28.000 €. Am 12./13. November 2009 schloss die U. GmbH einen Kaufvertrag über sämtliche Geschäftsanteile des deutschen Kabelnetzbetreibers Un. GmbH zu einem Kaufpreis von 3,65 Milliarden €, dessen Durchführung der Freigabe durch die Europäische Kommissi-1 on bedurfte. In Höhe von rd. 2,5 Milliarden € sollte der Kaufpreis durch Bankkredite finanziert werden, hinsichtlich des Restbetrages sollte die U. GmbH konzernintern mit Kapital ausgestattet werden. Zur Sicherung der Kreditforderungen der Banken verpfändete die Kostenschuldnerin - neben anderen Sicherheiten - am 20. November 2009 mit dem oben genannten Verpfändungsvertrag den finanzierenden Banken ihren Geschäftsanteil an der U. GmbH. Nachdem die Europäische Kommission die Übernahme freigegeben hatte und der Kaufpreis gezahlt war, wurde am 28. Januar 2010 die Un. GmbH von der U. GmbH übernommen.

Für die Beurkundung des Verpfändungsvertrages erhob der Notar eine Gebühr von 42.846,25 €. Dabei bewertete er - unter Berücksichtigung des Kaufpreises für die geplante Übernahme der Un. GmbH sowie des Finanzierungsvolumens - den Unternehmenswert der U. GmbH im Zeitpunkt der Verpfändung mit 100 Millonen € und setzte hiervon 20% als Geschäftswert des Verpfändungsvertrages an. Die von der Kostenschuldnerin, nach deren Ansicht der Geschäftswert allenfalls 28.000 € beträgt, beantragte Überprüfung der Kostenrechnung ist vor dem Landgericht ohne Erfolg geblieben. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Kostenschuldnerin.

II.

Nach Ansicht des Beschwerdegerichts hat der Notar den - gemäß § 23 Abs. 1 KostO maßgeblichen - Wert des verpfändeten Geschäftsanteils an der U. GmbH ermessensfehlerfrei bestimmt. Eine Bewertung anhand des Nenn- bzw. Nominalwerts der U. GmbH in Höhe von 25.000 € scheide aus, da diese im Zeitpunkt des Verpfändungsvertrages bereits den Kaufvertrag über die Un. GmbH geschlossen habe. Ebenso wenig sei der von der Kostenschuldnerin für den Erwerb des Gesellschaftsanteils an der 3 U. GmbH gezahlte Kaufpreis von 28.000 € maßgeblich. Der Verpfändungsvertrag, der ausschließlich der Sicherung und Finanzierung der Akquisition der Un. GmbH durch die U. GmbH gedient habe, zeige, dass die Banken der U. GmbH bereits im Zeitpunkt der Verpfändung des Geschäftsanteils einen erheblichen Wert beigemessen hätten, der mit dem von der Kostenschuldnerin zuvor für den Erwerb des Anteils aufgewendeten Kaufpreis von 28.000 € offenkundig nicht mehr in Einklang gestanden habe. Der bevorstehende Wertzuwachs der U. GmbH habe zum Inhalt des beurkundeten Sicherungsgeschäfts gehört und damit berücksichtigt werden müssen. Es sei daher nicht ermessensfehlerhaft, dass der Notar unter Zugrundelegung eines Kaufpreises von 3,5 Milliarden € und eines Finanzierungsvolumens von 2,5 Milliarden € den Unternehmenswert auf 100 Millionen € geschätzt und angesichts der bestehenden Unwägbarkeiten einen Geschäftswert des Verpfändungsvertrages von 20 Millionen € angenommen habe. Eine Aufhebung der Notarberechnung wegen Verstoßes gegen das Zitiergebot gemäß § 154 Abs. 2 KostO komme nicht in Betracht, weil der Notar den Geschäftswert in einem Begleitschreiben zur Rechnung schriftlich erläutert habe und die einschlägigen Kostenvorschriften im nachfolgenden Gerichtsverfahren und anwaltlichen Schriftverkehr Gegenstand der rechtlichen Erörterungen der Beteiligten gewesen seien.

III.

Die nach der Regelung des § 156 Abs. 4 Satz 1 KostO (die am 31. Juli 2013 außer Kraft getreten ist, hier gemäß § 136 Abs. 1 Nr. 2 GNotKG aber noch Anwendung findet) statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Beschwerdegericht hat eine Abänderung der Kostenberechnung zu Recht versagt. 5 1. Das Beschwerdegericht geht zutreffend davon aus, dass der von dem Notar in der Kostenberechnung zugrunde gelegte Geschäftswert des Verpfändungsvertrages mit 20 Millionen € nicht als zu hoch anzusehen ist.

a) Der Geschäftswert des Verpfändungsvertrages bestimmt sich gemäß § 23 Abs. 1 KostO nicht nach dem Betrag der gesicherten Forderung, sondern nach dem unstreitig geringeren Wert des verpfändeten Geschäftsanteils der Kostenschuldnerin an der U. GmbH. Dieser bemisst sich, da die Kostenordnung keine speziellen Regelungen für Beteiligungen an Kapitalgesellschaften enthält, nach §§ 141, 30 Abs. 1 KostO (vgl. BGH, Urteil vom 17. April 1975 - III ZR 171/72, NJW 1975, 1417 zu § 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO; BayObLG, JurBüro 1992, 183, 184; Korinthenberg/Reimann, KostO, 18. Aufl., § 30 Rn. 12; Notarkasse München, Streifzug durch die Kostenordnung, 9. Aufl., Rn. 994) und ist daher - mangels Feststehens eines bestimmten Wertes - von dem Notar unter Verwendung aller für die Bewertung maßgeblichen Anhaltspunkte nach freiem, d.h. pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen. Bei der Ermessensbildung soll ein Wert angenommen werden, der mit den im Wirtschaftsleben zugrunde gelegten Werten möglichst übereinstimmt (BayObLG, JurBüro 1985, 583; Korinthenberg/Reimann, aaO., § 30 Rn. 12 f.; Tiedtke, MittBayNot 2011, 429).

Die von dem Notar gemäß § 30 Abs. 1 KostO vorgenommene Bewertung kann im Rahmen der Beschwerde gemäß § 156 Abs. 1 KostO nur eingeschränkt überprüft werden, nämlich darauf, ob er von seinem Ermessen Gebrauch gemacht, alle wesentlichen Umstände beachtet und die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens eingehalten hat (vgl. Senat, Beschluss vom 23. Oktober 2008 - V ZB 89/08, NJW-RR 2009, 228, 229 f. Rn. 10).

b) Zu Recht kommt das Beschwerdegericht zu dem Ergebnis, dass der Notar bei der Bewertung des verpfändeten Geschäftsanteils der Kostenschuld-6 nerin an der U. GmbH das ihm gemäß § 30 Abs. 1 KostO eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat.

aa) Es ist nicht zu beanstanden, dass der Notar den von der Kostenschuldnerin gehaltenen Geschäftsanteil an der U. GmbH nicht mit dem von ihr für dessen Erwerb aufgewandten Kaufpreis von 28.000 € bewertet, sondern den Vertrag über die Übernahme der Un. GmbH bei der Schätzung des Unternehmenswertes der U. GmbH bzw. des Wertes des von der Kostenschuldnerin gehaltenen Anteils werterhöhend berücksichtigt hat. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde musste der Notar den wirtschaftlichen Vorteil der U. GmbH aus diesem Rechtsgeschäft nicht mit Null bemessen. Zwar besteht bei einem synallagmatischen Austauschverhältnis die Vermutung, dass Leistung und Gegenleistung gleichwertig sind (Senat, Urteil vom 31. März 2006 - V ZR 51/05, BGHZ 167, 108, 116 Rn. 24). Zu Recht hat der Notar aber berücksichtigt, dass der vertraglich festgelegten Unternehmensübernahme - und damit dem vereinbarten Zufluss eines Vermögenswertes von über 3,5 Milliarden € - nur eine tatsächliche wirtschaftliche Belastung der U. GmbH in Höhe von 2,5 Milliarden € gegenüber stehen sollte, da der Kaufpreis nur in dieser Höhe durch Kredite finanziert wurde. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte durfte der Notar davon ausgehen, dass hinsichtlich des restlichen Betrags von mehr als 1 Milliarde € bei der U. GmbH kein Finanzierungsbedarf bestand, und dies in seine Bewertung einbeziehen.

bb) Dem Umstand, dass der Kaufvertrag unter dem Vorbehalt der Freigabe durch die Europäische Kommission stand und damit lediglich eine Erwerbschance bestand, hat der Notar ermessensfehlerfrei dadurch Rechnung getragen, dass er den mit dem Rechtsgeschäft verbundenen Vermögensvorteil der U. GmbH nicht in Höhe von 1 Milliarde €, sondern lediglich mit 10 einem Bruchteil hiervon bewertet hat. Das Beschwerdegericht weist zutreffend darauf hin, dass der Notar mangels gegenteiliger Anhaltspunkte davon ausgehen durfte, dass die Erteilung der Genehmigung jedenfalls nicht ausgeschlossen war, zumal nicht anzunehmen ist, dass die Vertragsbeteiligten ein mit einem Kapitaleinsatz im Milliardenbereich verbundenes Geschäft abgeschlossen hätten, wenn die Erteilung der Genehmigung von vorneherein als aussichtslos erschienen wäre. Unter diesen Umständen ist die von dem Notar vorgenommene Bewertung der - im Ansatz bereits geschaffenen - Erwerbschance mit 10% jedenfalls nicht zu hoch angesetzt.

cc) Schließlich hat der Notar berücksichtigt, dass der von ihm beurkundete Vertrag nicht die Übertragung der von der Kostenschuldnerin gehaltenen Gesellschaftsanteile, sondern lediglich deren Verpfändung an die Kreditgeber zum Gegenstand hatte. Dem hat er ermessensfehlerfrei dadurch Rechnung getragen, dass er als Geschäftswert des Verpfändungsvertrages lediglich 20% des Unternehmenswerts der U. GmbH, mithin 20 Millionen € angesetzt hat.

2. Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Ansicht des Beschwerdegerichts, dass die Kostenberechnung des Notars den Anforderungen des § 154 Abs. 2 KostO genügt.

a) Nach § 154 Abs. 2 KostO muss der Notar in der Kostenberechnung den Geschäftswert, die Kostenvorschriften, eine kurze Bezeichnung des jeweiligen Gebührentatbestands, die Bezeichnung der Auslagen, die Beträge der angesetzten Gebühren und Auslagen sowie etwa verauslagte Gerichtskosten und empfangene Vorschüsse angeben. Durch diese Angaben soll die Kostenberechnung transparent gemacht und der Kostenschuldner in die Lage versetzt werden, den Kostenansatz anhand der zugrunde liegenden Bestimmungen zu prüfen. Das Zitiergebot des § 154 Abs. 2 KostO erstreckt sich auch auf die für den Geschäftswert maßgeblichen Bestimmungen. Die Angabe dieser Vorschrif-12 ten ist auch dann erforderlich, wenn der angesetzte Geschäftswert aus der Urkunde ersichtlich oder nachvollziehbar berechnet ist (Senat, Beschluss vom 23. Oktober 2008 - V ZB 89/08, NJW-RR 2009, 228, 231 Rn. 25 aE).

b) Dem genügt die Kostenberechnung des Notars. Er hat darin zwar nicht die von ihm herangezogene Vorschrift des § 30 KostO benannt, wonach der Wert in bestimmten Fällen nach freiem Ermessen zu bestimmen ist. Die der Kostenschuldnerin mitgeteilte Berechnung (vgl. Senat, aaO, Rn. 22) erlaubte dieser gleichwohl aber eine Überprüfung. Denn der Notar hat seiner Kostenberechnung ein an den anwaltlichen Vertreter der Kostenschuldnerin gerichtetes Begleitschreiben beigefügt, in dem er eingehend erläutert, wie er - in Ausübung seines Ermessens - den von ihm angesetzten Geschäftswert von 20 Millionen € ermittelt hat. Hierdurch wurde die anwaltlich beratene Kostenschuldnerin in die Lage versetzt, auch ohne Hinweis auf die maßgebliche Ermessensvorschrift des § 30 KostO die Berechnung insoweit nachzuvollziehen und auf ihre Berechtigung zu überprüfen. In einem solchen besonderen Ausnahmefall wäre es bloße Förmelei, die Kostenberechnung wegen des fehlenden Hinweises auf die Vorschrift des § 30 KostO, die dem Kostenschuldner keinen über die schriftliche Erläuterung hinausgehenden Erkenntnisgewinn verschafft hätte, für unwirksam zu erklären. Das Zitiergebot besteht nicht um seiner selbst willen und darf daher nicht von seinem Zweck gelöst werden (Senat, Beschluss vom 3. April 2008 - V ZB 115/07, NJW 2008, 2192, 2193 Rn. 15).

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamG.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 131 Abs. 4, § 30 Abs. 1 KostO.

Stresemann Lemke Schmidt-Räntsch Brückner Weinland Vorinstanzen:

LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 11.04.2011 - 2/27 T 35/10 -

OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 24.09.2012 - 20 W 253/11 - 16






BGH:
Beschluss v. 23.10.2013
Az: V ZB 190/12


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/1de4869a9b90/BGH_Beschluss_vom_23-Oktober-2013_Az_V-ZB-190-12




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