Landgericht Bonn:
Urteil vom 26. November 2013
Aktenzeichen: 11 O 33/13
(LG Bonn: Urteil v. 26.11.2013, Az.: 11 O 33/13)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
In dieser Gerichtsentscheidung geht es um eine einstweilige Verfügung, die aufrechterhalten wurde. Der Tenor der Verfügung wird ergänzt, um klarzustellen, dass das Verbot im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gilt. Die Beklagte wird untersagt, für ein regionales DSL-Produkt zu werben, ohne auf die begrenzte Verfügbarkeit hinzuweisen. Bei Zuwiderhandlung wird ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 EUR oder Ordnungshaft angedroht. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich Telekommunikationsdienstleistungen. Die Beklagte bewirbt in einer Werbebroschüre ein Produkt namens W. Dabei wird betont, dass es ein leistungsstarkes Internet "für alle" gibt und bereits über eine Million Kunden sich für W entschieden haben. Es wird ein Tarif mit einem Aktionspreis beworben, jedoch wird in Kleindruck darauf hingewiesen, dass die individuelle Bandbreite abhängig von der Verfügbarkeit ist.
Im Juli 2013 war W nur in etwa 50 deutschen Städten verfügbar. Die Klägerin ist der Meinung, dass die Beklagte die Verbraucher irreführt, indem sie das Produkt als "für alle" bewirbt, obwohl es regional begrenzt verfügbar ist. Die Beklagte argumentiert, dass die Werbeaussage sich auf das Jahr 2016 bezieht und dass in den aktuellen Werbungen auf die eingeschränkte Verfügbarkeit hingewiesen wird.
Die Kammer hält die einstweilige Verfügung aufrecht. Sie begründet dies damit, dass durch die Werbebroschüre der Eindruck erweckt wird, dass W für jeden verfügbar ist, obwohl dies nicht der Fall ist. Die Fußnote auf Seite 4 reicht nicht aus, um diesem Eindruck entgegenzuwirken. Die Klägerin hatte von dem Verstoß bereits im August 2013 Kenntnis, weshalb die Dringlichkeit gegeben ist. Die einstweilige Verfügung wurde ordnungsgemäß vollzogen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Der Streitwert beträgt für den Antrag zu 1) und den Antrag zu 2) jeweils 30.000 EUR. Insgesamt beträgt der Streitwert bis zum 05.09.2013 60.000 EUR.
Die Entscheidung kann angefochten werden, wobei der Streitwert im Beschwerde- und Einspruchsverfahren jeweils 30.000 EUR beträgt.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
LG Bonn: Urteil v. 26.11.2013, Az: 11 O 33/13
Tenor
Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 05.09.2013 wird aufrechterhalten.
Der Tenor wird in der Hauptsache von Amts wegen zur Klarstellung um die Worte "im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs" ergänzt und lautet vollständig wie folgt:
Der Beklagten wird untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für ein nur regional begrenzt verfügbares DSL-Produkt zu werben und / oder werben zu lassen, ohne auf die eingeschränkte Verfügbarkeit hinzuweisen, wenn dies geschieht wie aus der Anlage Ast 1 ersichtlich.
Der Beklagten wird im Fall der Zuwiderhandlung die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, die Anordnung von Ordnungshaft, diese zu vollstrecken an den Geschäftsführern, angedroht.
Die weiteren Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Tatbestand
Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet der Telekommunikationsdienstleistungen.
In einer achtseitigen Werbebroschüre der Beklagten, die im August als Postwurfsendung in die Briefkästen eingeworfen wurde, bewirbt die Beklagte ein von ihr vermarktetes W-Produkt.
Auf Seite 3 der Broschüre findet sich einleitend die Werbezeile:
"EIN LEISTUNGSSTARKES INTERNET
FÜR ALLE"
in großen Buchstaben.
Auf Seite 4 der Werbebroschüre heißt es zunächst:
"IHR ANSCHLUSS AN DIE ZUKUNFT
MIT VIELEN INKLUSIVLEISTUNGEN.
Über eine Million Kunden haben sich bereits für W entschieden.
Lassen auch Sie sich überzeugen"
Anschließend wird in einem Kasten "DAS U KOMPLETTPAKET" im Tarif "Call & Surf Comfort mit W" mit einem "Aktionspreis" von 39,95 € beworben. Hinter dem Eurozeichen ist eine "1" angebracht, die mit einem Text in Kleindruck am unteren Ende der Seite aufgelöst wird. Dort heißt es u.a.:
"Call & Surf Comfort mit W ist in vielen Anschlussbereichen verfügbar; individuelle Bandbreite abhängig von Verfügbarkeit".
Wegen der weiteren Einzelheiten der Broschüre und bildlichen Darstellung der Werbebroschüre wird auf die zur Akte gereichte Kopie Bezug genommen (Anlage Ast1, Bl...-... d.A.)
Im Juli 2013 konnte die Beklagte W in etwa 50 Städten in Deutschland anbieten (s. Anlage Ast 3, Bl... d.A.). In allen anderen Städten sowie in ländlichen Bereichen war W noch nicht verfügbar.
Mit Schreiben vom 19.08.2013 (Ast 5, Bl... ff d.A.) mahnte die Klägerin die Beklagte u.a. wegen des vorstehenden Sachverhaltes ab und forderte diese zur Abgabe einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung aufgefordert. Die Beklagte reagierte hierauf mit Schreiben vom 22.08.2013 (Anlage ASt 6, Bl. ... d.A.) reagiert.
Nach dem Inhalt der eidesstattlichen Versicherung vom 03.09.2013 hat der Leiter der Rechtsabteilung der Klägerin am 12.08.2013 von der Werbebroschüre erstmals Kenntnis erlangt.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte täusche den Verbraucher über die tatsächliche Verfügbarkeit der angebotenen Dienstleistung, soweit sie das von ihr mit der Broschüre allein beworbene W-Produkt mit der Formulierung "ein leistungsstarkes Internet für alle" bewerbe. Durch die Überschrift dehne die Beklagte die angesprochenen Kunden auf "alle" aus. Diese gingen davon aus, das leistungsstarke W-Internet sei unabhängig von ihrem Wohnort auch für sie verfügbar. Die Fußnote auf Seite 4 des Prospektes könne der beanstandeten Werbung weder räumlich noch sachlich zugeordnet werden und reiche nicht aus.
Durch Beschluss vom 05.09.2013 hat die Kammer - unter Zurückweisung eines weiteren Antrages - der Beklagten untersagt, für ein nur regional begrenzt verfügbares DSL-Produkt zu werben und/oder werben zu lassen, ohne auf die eingeschränkte Verfügbarkeit hinzuweisen, wenn dies geschieht, wie aus der Anlage ASt 1 ersichtlich. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Schutzschrift der Beklagten vom 22.08.2013 nicht bei der Akte. Auch waren die Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu diesem Zeitpunkt zu vorliegendem Verfahren nicht im gerichtlichen Datensystem erfasst; dementsprechend erschienen sie auch nicht im Beschlussrubrum. Auch erfolgte keine Übermittlung einer Abschrift der Schutzschrift an die Vertreter der Klägerin.
Die Beschlussverfügung ist im Wege der Parteizustellung am 13.09.2013 der Beklagten unmittelbar zugestellt worden. Diese hat mit Schriftsatz vom 26.09.2013 Widerspruch eingelegt.
Die Klägerin beantragt nunmehr,
die einstweilige Verfügung vom 05.09.2013 aufrechtzuerhalten.
Die Beklagte beantragt,
die einstweilige Verfügung vom 05.09.2013 aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, der Antrag sei bereits zu weit gefasst, da er sich zu weit von der konkreten Verletzungsform entferne. Streitgegenständlich sei und beanstandet werde allein die Überschrift "ein leistungsstarkes Internet für alle".Zudem sei auch das ergangene Verbot zu weit und erfasse alle möglichen Werbungen, in denen der Hinweis auf die regional beschränkte Verfügbarkeit fehle. Sowohl der Antrag als auch gerichtlicher Beschluss berücksichtigten nicht, dass nur ein besonderes DLS-Produkt, nämlich das Produkt W, beworben werde. Die Beklagte ist weiter der Ansicht, eine Irreführung sei nicht gegeben. Bei der beanstandeten Angabe handele es sich allein um eine Überschrift. Aufgrund des Gesamteindrucks des gesamten Prospektes sei klar, dass die Überschrift nicht den Ist-Zustand, sondern der geplante Stand für das Jahr 2016.
Dort, wo aktuell W-Produkte beworben würden, werde auf die gegenwärtig bestehende eingeschränkte Verfügbarkeit in ausreichender Form hingewiesen.
Überdies ist sie der Ansicht, es fehle an einem wirksam Vollzug der Beschlussverfügung, da diese nur ihr persönlich und nicht ihren Prozessbevollmächtigten zugestellt worden sein.
Gründe
Die einstweilige Verfügung war auf den Widerspruch der Beklagten zu bestätigen.
Der Antrag und auch der Tenor sind durch die Umschreibung der Verletzungshandlung und die Bezugnahme auf die beanstandete Werbebroschüre, die sich unstreitig auf das Produkt "W" bezieht, ausreichend konkret gefasst.
Der Verfügungsantrag ist auch begründet.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte der tenorierte Unterlassungsanspruch gestützt auf §§ 3, 6 UWG zu.
Der maßgebliche durchschnittliche Verbraucher, der die Broschüre liest, geht aufgrund deren Inhalt irrig davon aus, das Angebot, nämlich einen Vertrag "mit W" abzuschließen und dann auch W zu bekommen, richte sich an alle und sei aktuell verfügbar. Dies ist aber tatsächlich nicht der Fall, da W unstreitig im Juli 2013 nur in 50 Städten in Deutschland verfügbar war.
Im Einzelnen:
Bereits auf Seite 1 der Broschüre wird durch den Text in dem rechteckigen Kasten auf ein konkretes Angebot "mit W" "zum Aktionspreis 39,95 €" hingewiesen. Nach der drucktechnisch auffälligen, im Tatbestand bereits dargestellten Formulierung auf Seite 3 soll das "leistungsstarke Internet" "FÜR ALLE" sein. "Für alle" heißt grundsätzlich für jedermann und eben nicht "Für die, die in bestimmten 50 Städten Deutschlands wohnen". Dem nachfolgenden Text, in dem der weitere Ausbau des Netzes in den nächsten Jahren beschrieben wird, ist nichts dahin zu entnehmen, dass W erst "nach Abschluss" dieses Ausbaus "Allen" zur Verfügung stehen wird und derzeit noch nicht. Zudem wird hier ausgeführt, dass sich für die meisten "auch dann" - dies bezieht sich auf die bedarfsgerechte Anpassung der Tarifstruktur ab 2016 - nichts ändert. Das heißt, dass auch "jetzt" W als Leistung zu bekommen ist.
Daran anschließend werden Leistungsmerkmale von W dargestellt, und zwar gleichfalls ohne Hinweis darauf, dass der Verbraucher diese erst künftig bzw. nach dem Ausbau des Netzes bekommen kann.
Auf Seite 4 der Broschüre wird der Verbraucher schließlich in der zweiten Zeile konkret und jetzt aufgefordert, sich - wie bereits über eine Million andere - auch überzeugen zu lassen. Diese Aufforderung ist gegenwärtig - und nicht zukunftsgerichtet - und richtet sich an alle die, die W noch nicht haben.
Die genannten Werbesätze enthalten alle keinen Hinweis auf die eingeschränkte Verfügbarkeit; vielmehr wird durch sie der den Verbraucher anziehende - unzutreffende - Eindruck erweckt, "W" sei aktuell für jeden, der es noch nicht hat, zu bestellen.
Der Fußnotentext auf Seite 4 der Broschüre reicht nicht aus, diesem Eindruck entgegenzuwirken. Die "1" befindet sich allein bei dem "Aktionspreisangebot" auf den Seiten 1 und 4 hinter dem Preis, nicht aber an den exponierten Stellen der Broschüre, an denen und aufgrund derer der o.g. unzutreffende Eindruck bei dem Verbraucher entsteht.
Die Wiederholungsgefahr ergibt sich aus dem Erstverstoß.
Die Dringlichkeit ist gegeben. Die Klägerin hatte von dem Wettbewerbsverstoß am 12.08.2013 Kenntnis. Dies ist durch Vorlage der ergänzenden eidesstattlichen Versicherung des Leiters der Rechtsabteilung der Klägerin vom 03.09.2013 (Anlage ASt 7, Bl. ... d.A.) glaubhaft gemacht.
Die einstweilige Verfügung ist auch ordnungsgemäß vollzogen.
Die Beschlussverfügung war im Parteibetrieb zuzustellen. Die Klägerin hatte von der Schutzschrift und der Bestellung der Prozessbevollmächtigten der Beklagten in dieser keine Kenntnis. Die Zustellung an die Beklagte persönlich war - ausgehend vom maßgeblichen Kenntnisstand der Klägerin - geboten und ausreichend (vgl. hierzu OLG Köln, 6 U 131/00 Tz. 3 f; OLG Hamburg, 3 U 84/94 und 5 U 199/05; OLG Hamm, 22 U 18/00 Tz.35 f.). Die Einschaltung ihrer anwaltlichen Vertreter bereits im Abmahnverfahren reichte für eine Bestellung im hiesigen gerichtlichen Verfahren nicht aus.
Die Nebenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Streitwerte:
Antrag zu 1): 30.000 €
Antrag zu 2): 30.000€
Gesamt: 60.000€ (bis zum 05.09.2013)
Beschwerdeverfahren: 30.000 €
Einspruchsverfahren: 30.000 €
LG Bonn:
Urteil v. 26.11.2013
Az: 11 O 33/13
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