Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 24. Mai 2005
Aktenzeichen: I-20 U 25/05
(OLG Düsseldorf: Urteil v. 24.05.2005, Az.: I-20 U 25/05)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat in dem Urteil vom 24. Mai 2005 (Aktenzeichen I-20 U 25/05) die Berufung des Antragsgegners angenommen und das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Krefeld vom 12.01.2005 aufgehoben. Auch die Beschlussverfügung vom 21.10.2004 wurde aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wurde zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Antragsteller auferlegt und das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Antragsteller seit September 2004 unter der Internetadresse www.XXX.de pornografische Darstellungen über das Internet vertrieben. Er klagte gegen den Antragsgegner, da dieser seiner Meinung nach ein unzureichendes Altersverifikationssystem für seine ebenfalls über das Internet verbreiteten pornografischen Darstellungen verwendet habe. Das Gericht befand, dass das vom Antragsgegner benutzte System "alterskontrolle.de" den gesetzlichen Bestimmungen entspricht. Es müsse berücksichtigt werden, dass im Internet mit einfachen Suchmethoden millionenfach Angebote mit pornografischem Inhalt erreichbar seien, ohne dass dafür Zugangssperren überwunden werden müssten.
Das Landgericht Krefeld hatte die Beschlussverfügung vom 21.10.2004 bestätigt und einen Verstoß des Antragsgegners gegen § 4 Abs. 2 JMStV (Jugendmedienschutz-Staatsvertrag) und einen Unterlassungsanspruch des Antragstellers aus § 8 Abs. 3, § 3, § 4 Nr. 11 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) angenommen. Der Antragsgegner legte Berufung ein mit dem Argument, dass kein Verstoß gegen § 4 Abs. 2 JMStV vorliege und verwies auf andere Urteile, die diese Auffassung bestätigten. Er warf dem Antragsteller rechtsmissbräuchliches Verhalten vor und behauptete, dass dieser als insolventer und im Ausland schwer zu greifender Strohmann genutzt werde, um wettbewerbswidrig andere Anbieter abzumahnen.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf entschied, dass die Berufung des Antragsgegners zulässig und begründet ist. Es stellte fest, dass die Dringlichkeit der Sache nicht gegeben ist, da das Verfütgungsbegehren des Antragstellers rechtsmissbräuchlich ist und kein berechtigtes Interesse an der beantragten Eilentscheidung besteht. Es wird vermutet, dass der Antragsteller nur vorgeschoben wird, um nicht wettbewerbsrechtlichen Zielen zu dienen. Das Gericht bezeichnete die von dem Antragsgegner vorgetragenen Umstände als Bestätigung dafür. Zudem wurde die Annahme des Antragsgegners, dass der Antragsteller insolvent sei, nicht bestritten.
Aufgrund dieser Sachlage wurde die Dringlichkeitsvermutung widerlegt und das Gericht stellte fest, dass es nicht gerechtfertigt ist, im Rahmen eines summarischen Verfahrens in die Sphäre des Antragsgegners einzugreifen und ihm die beanstandete gewerbliche Betätigung zu verbieten. Es besteht keine gesicherte Grundlage, um den Umfang der Beeinträchtigung des Antragstellers durch das wettbewerbswidrige Verhalten des Antragsgegners als gewichtig einzustufen. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Antragsteller auferlegt.
Der Streitwert in der zweiten Instanz betrug 10.000,- EUR.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
OLG Düsseldorf: Urteil v. 24.05.2005, Az: I-20 U 25/05
Tenor
Auf die Berufung des Antragsgegners wird das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Krefeld vom 12.01.2005 unter Aufhebung der Beschlussverfügung vom 21.10.2004 abgeändert und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Der Antragsteller, der seit September 2004 unter der Internetadresse www.XXX.de pornografische Darstellungen über das Internet vertreibt, rügt als wettbewerbswidriges Verhaltenes des Antraggegners, dass dieser für seine ebenfalls über das Internet verbreiteten pornografischen Darstellungen ein unzureichendes Altersverifikationssystem verwende. Das vom Antragsgegner benutzte System "alterskontrolle.de" stelle, da es sich mit einer standardisierten Abfrage der Personalausweisnummer begnüge, nicht sicher, dass Kindern und Jugendlichen der Zugriff zu den Internetseiten des Antragsgegners verwehrt werde. Der Antragsgegner hat sich unter Vorlage von Gutachten damit verteidigt, dass das von ihm verwendete Altersverifikationssystem den gesetzlichen Bestimmungen genüge. Im Rahmen des Umfeldes, auf dem sich die Parteien bewegten, sei auch zu berücksichtigen, dass im Internet mit einfachen Suchmethoden millionenfach Angebote mit pornografischem Inhalt erreichbar seien, ohne dass dafür Zugangssperren überwunden werden müssten.
Das Landgericht hat die Beschlussverfügung vom 21.10.2004, durch die dem Antragsgegner untersagt worden ist, im geschäftlichen Verkehr insbesondere im Internet Abbildungen mit pornografischem Inhalt besonders solche mit der Altersfreigabe FSK 18 zu verkaufen oder zu vertreiben, ohne vorher die Volljährigkeit des Bestellers/Erwerbers in ausreichender und in zweifelsfreier Weise verifiziert zu haben, durch Urteil vom 12.01.2005 bestätigt und einen Verstoß des Antraggegners gegen § 4 Abs. 2 JMStV und einen Unterlassungsanspruch des Antragstellers aus § 8 Abs. 3, § 3, § 4 Nr. 11 UWG bejaht. Wegen der weiteren Einzelheiten und tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 ZPO auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.
Mit der Berufung rügt der Antragsgegner, dass kein Verfügungsgrund gegeben sei und verweist diesbezüglich auf die Senatsbeschlüsse vom 24.11.2004 in den Verfahren 20 U 183/04 und 20 U 184/04. Zur Bestätigung seiner auch in zweiter Instanz vertretenen Auffassung, dass kein Verstoß gegen § 4 Abs. 2 JMStV angenommen werden könne, gibt der Antragsgegner in Auszügen die Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf vom 28.07.2004 in der Sache 12 O 19/04 wieder. Des weiteren fehle es an der wettbewerblichen Relevanz, wie auch das Landgericht Wuppertal in einem vergleichbaren Verfahren (Urteil vom 19.10.2004 - 14 O 112/04 -) festgestellt habe. Schließlich beruft sich der Antragsgegner auf rechtsmissbräuchliches Verhalten des Antragstellers, der als insolventer und im Ausland schwer zu greifender Strohmann von den Rechtsanwälten B. und Sch. aus H. für einen Internetauftritt benutzt werde, durch den ein Wettbewerbsverhältnis konstruiert werden solle, um vermeintliche Wettbewerber im großen Stil abmahnen und Gebührentatbestände schaffen zu können.
Der Antragsgegner beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Krefeld die einstweilige Verfügung vom 21. Oktober 2004 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt,
die Berufung des Antragsgegners zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass sich das Verbot darauf richten solle,
im geschäftlichen Verkehr im Internet Abbildungen mit pornografischem Inhalt mit der Altersfreigabe FSK 18 anzubieten, wenn das Altersverifikationssystem nutzerseitig auf der Eingabe der Personalausweis- oder Reisepassnummer - auch in Kombination mit der Durchführung einer Kontobewegung und/oder der Abfrage einer Postleitzahl - sowie der hierauf beruhenden Verifikation des Alters basiert, ohne dass dabei die persönliche Identifikation mit Altersüberprüfung des Nutzers, etwa im Rahmen des Postidentverfahrens, bei seiner Registrierung erfolgt.
Der Antragsteller wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen, dass das vom Antragsgegner eingesetzte Altersverifikationssystem nicht das Merkmal des "Sicherstellens" im Sinne von § 4 Abs. 2 JMStV erfülle und verweist darauf, dass die Unzulänglichkeit des vom Antragsgegner verwendeten Systems inzwischen bereits mehrfach gerichtlich - auch in einem Hauptsacheverfahren - festgestellt worden sei. Dem Antragsteller entgingen Nutzer, weil die an Pornografie interessierten Kunden lieber auf ein einfaches und schnell zur Verfügung stehendes System, wie der Antragsgegner es verwende, zugreifen würden, statt auf ein langwieriges Identifikationsverfahren, wie es der Antragsteller einsetze, sich verweisen zu lassen. Er unterliege nach dem sog. Marktortprinzip den deutschen Jugendschutzbestimmungen und stehe mit dem Antragsgegner auf dem gleichen Markt im Wettbewerb.
II.
Die Berufung des Antragsgegners ist zulässig und begründet. Der Antragsteller kann sein Unterlassungsbegehren nicht im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens vorläufig geltend machen, weil die dafür erforderliche Dringlichkeit der Sache nicht gegeben ist. Zwar wird in Wettbewerbsstreitigkeiten wie der vorliegenden die Dringlichkeit nach § 12 Abs. 2 UWG vermutet. Diese Vermutung ist hier jedoch als widerlegt zu erachten, weil nach dem unbestrittenen Vorbringen des Antragsgegners davon auszugehen ist, dass das Verfügungsbegehren rechtsmissbräuchlich ist und kein berechtigtes Interesse des Antragstellers an der beantragten Eilentscheidung besteht. Vielmehr ergeben die vom Antragsgegner im Schriftsatz vom 02.05.2005 dargelegten und vom Antragsteller in der Verhandlung nicht bestrittenen Umstände, dass hier keine dringlichen wettbewerbsrechtlichen Interessen des Antragstellers im Vordergrund stehen, sondern er nur von Dritten vorgeschoben wird, um deren nicht wettbewerbsrechtlichen Zielen zu dienen.
Der Antragsgegner hat vorgetragen, dass die Website www.XXX.de von den Rechtsanwälten B. und Sch. erstellt und die entsprechende Domain bis zum 25.02.2005 unter der Anschrift von Rechtsanwalt B. bei der Denic registriert wurde. Rechtsanwalt B. wiederum hat - wie sich aus seinem Briefpapier (Anlage AG 2, Bl. 96 GA) ergibt - einen Fax-Anschluss XXX, der der ebenfalls pornografische Inhalte anbietenden Domain E. zuzuordnen ist, und deren Internetangebot von der Firma I., die ebenfalls unter seiner (Rechtsanwalt B.) Kanzleianschrift angesiedelt ist, zu verantworten ist. Diese Konstellation bekräftigt die Annahme des Antragsgegners, dass Rechtsanwalt B. den Antragsteller für den Internetauftritt unter www.XXX.de nur vorgeschoben hat, um ein Wettbewerbsverhältnis zu anderen im Internet Pornografie Anbietenden zu konstruieren und sich die Ausgangslange für wettbewerbliche Abmahnungen zu schaffen. Solche versendet Rechtsanwalt B. (im Auftrag des Antragstellers) in erheblichem Umfang und verfolgt damit sein Interesse an der Schaffung von Gebührentatbeständen. Zudem ist die Annahme des Antragsgegners, dass der Antragsteller insolvent sei, von diesem nicht bestritten worden, was ebenfalls für dessen Strohmanneigenschaft spricht, da aus den von ihm angestrengten Verfahren resultierende Schadensersatz- oder Kostenerstattungsansprüche seiner Gegner nicht erfolgreich durchgesetzt werden könnten und damit das wirtschaftliche Risiko seines Vorgehens minimiert worden ist.
In Anbetracht dieser Sachlage ist die Dringlichkeitsvermutung widerlegt und zugleich im Rahmen der Interessenabwägung über den Verfügungsgrund festzustellen, dass die zuvor dargelegten Umstände es nicht rechtfertigen, aufgrund eines bloß summarischen Verfahrens in die Sphäre des Antragsgegners einzugreifen und ihm die beanstandete gewerbliche Betätigung zu verbieten, zumal keine gesicherte Grundlage besteht, um den Umfang der Beeinträchtigung, die der Antragsteller durch das seines Erachtens wettbewerbswidrige Verhalten des Antragsgegners erleidet, als gewichtig einzustufen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es nicht, da das Urteil kraft Gesetzes nicht revisibel ist, § 542 Abs. 2 ZPO.
Streitwert 2. Instanz: 10.000,- EUR
Sch. F.
OLG Düsseldorf:
Urteil v. 24.05.2005
Az: I-20 U 25/05
Link zum Urteil:
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