Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. April 2001
Aktenzeichen: 28 W (pat) 279/00
(BPatG: Beschluss v. 04.04.2001, Az.: 28 W (pat) 279/00)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Eine Gruppe von Antragstellern hat die Löschung einer Marke beantragt, die für verschiedene Fleisch- und Wurstwaren eingetragen ist. Sie argumentieren, dass die Marke entgegen dem Markengesetz eingetragen wurde und daher nichtig ist. Der Markeninhaber hält dem entgegen, dass die Bezeichnung nicht generisch ist und auch keine Täuschungsgefahr besteht. Das Deutsche Patent- und Markenamt hat den Antrag auf Löschung abgelehnt, da die Beweise der Antragsteller nicht ausreichen, um zu zeigen, dass die Marke eine Gattungsbezeichnung ist. Der Antragsteller haben Beschwerde eingelegt und weitere Beweise vorgelegt, die ihrer Ansicht nach zeigen, dass die Bezeichnung vor der Eintragung bereits eine Gattungsbezeichnung für eine bestimmte Art von Rohwurst war. Das Bundespatentgericht hat entschieden, dass die Marke nicht entgegen dem Markengesetz eingetragen wurde und daher nicht gelöscht werden kann. Es konnte nicht eindeutig festgestellt werden, dass die Bezeichnung eine Gattungsbezeichnung ist. Auch der Vorwurf der Täuschung konnte nicht belegt werden. Daher wurde die Beschwerde der Antragsteller zurückgewiesen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 04.04.2001, Az: 28 W (pat) 279/00
Tenor
Die Beschwerde der Löschungsantragsteller wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Antragsteller haben mit Schreiben vom 27. Juli 1999 die Löschung der Marke 398 44 413 Schinkenbeisserbeantragt, die für die Waren Fleisch- und Wurstwaren, insbesondere Würste aus Schweinefleisch mit einem hohen Schinkenfleischanteil, Schinken, Mettwürste, alle vorstehenden Waren insbesondere luftgetrocknet und/oder geräuchert; Fleischextrakte, Fleisch-, Wurst- und Fischkonserven; Fleisch- und Geflügelsalate; Speiseöle und Fette, Schmalzzubereitungen; Ragouts und Fertiggerichte in konservierter Form, im wesentlichen bestehend aus einem Fleischanteil und mit einer Gemüse-, Kartoffel-, Reis- oder Nudelbeilage; Geflügelerzeugnisse, nämlich verarbeitetes Geflügel in eßfertig zubereiteter Form, als Geflügelwurst oder -aspik; Imbißprodukte und Fertiggerichte, im wesentlichen bestehend aus Fleisch; 30: auf pflanzlicher Basis hergestellte verzehrfertige Mischungen, Imbißprodukte und Fertiggerichte, im wesentlichen bestehend aus Fleisch und/oder Gemüse und/oder zubereiteten Früchten und/oder Reis und/oder Kakao und/oder Pflanzeneiweiß und/oder Kartoffeln und/oder Teigwaren und/oder Backwaren; Backwaren, einschließlich Vollkornbackwaren und Snackartikeln; Senf, Saucen, einschließlich Salatsaucen; Imbißprodukte in Form von mit Fleisch- oder Wurstwaren gefüllten oder belegten Backwaren; Müsliriegel, im wesentlichen bestehend aus zubereiteten Getreidekörnern, Nüssen, Trockenfrüchten und Schokoladezubereitungen; 42: Verpflegung und Bewirtung von Gästen; Partyservice.
am 6. August 1998 angemeldet und seit dem 30. November 1998 eingetragen ist.
Sie begründen ihren Antrag damit, die Eintragung der angegriffenen Marke sei nichtig, da sie entgegen § 8 Abs 2 Nr 1 und 3 MarkenG eingetragen worden sei (§ 50 Abs 1 Nr 3 MarkenG). Der Bezeichnung "Schinkenbeißer" sei ohne weiteres zu entnehmen, daß die so gekennzeichneten Würstchen aus Schinkenfleisch hergestellt und "zum Reinbeißen" geeignet seien. Sie werde von einer Vielzahl von Herstellern zur Kennzeichnung einer aus magerem Schweinefleisch hergestellten Rohwurst im Saitling (Schafdarm) benutzt, wie den eingereichten Kassenbons und einer Warenverpackung zu entnehmen sei. Hinsichtlich der übrigen Waren und Dienstleistungen sei die Marke "Schinkenbeißer" täuschend nach § 8 Abs. 1 Ziffer 4 MarkenG.
Der Markeninhaber hat dem Löschungsantrag rechtzeitig widersprochen und darauf hingewiesen, bei der Bezeichnung "Schinkenbeißer" handele es sich nicht um eine Gattungsbezeichnung; allenfalls im Wege einer unzulässigen analysierenden Betrachtung käme man zu einer beschreibenden Aussage. Hinsichtlich der Täuschungsgefahr fehle es an deren Ersichtlichkeit.
Die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Löschungsantrag zurückgewiesen und ausgeführt, für die Annahme einer Gattungsbezeichnung reichten die von den Antragstellern vorgelegten Unterlagen und ein Beleg aus dem Internet nicht aus. Die weiteren Schutzversagungsgründe des § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 lägen ebensowenig vor, wie eine ausschließlich täuschende Verwendung der Marke (§§ 8 Abs 2 Nr 4 iVm 50 Abs 1 Nr 3, Abs 3 MarkenG) festzustellen sei.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsteller, die zuletzt beantragt haben, nach Lage der Akten zu entscheiden.
Sie überreichen zum Nachweis, daß es sich bei "Schinkenbeißer" bereits vor dem Anmeldezeitpunkt um eine Gattungsbezeichnung für eine Rohwurst nach Art einer Mettwurst gehandelt habe, weitere Unterlagen. Die Marke hätte auch deshalb nicht eingetragen werden dürfen, da sie nur aus Angaben bestehe, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art und der Beschaffenheit der Ware "Rohwurst" diene. Die Löschung sei darüberhinaus wegen § 50 Abs 2 Ziffer 4 MarkenG begründet, da der Markeninhaber - was erst nach Stellung des Antrags bekannt geworden sei - nicht nur sie, sondern alle Verwender der Bezeichnung "Schinkenbeißer" planmäßig nach Eintragung der Marke abgemahnt habe. Dieses Verhalten sei rechtsmißbräuchlich.
Der Markeninhaber stellt den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht er sich auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses der Markenabteilung sowie auf eine Entscheidung des LG Bochum (15 O 78/99), das in einem Verfahren zwischen den Beteiligten ausgesprochen habe, die Bezeichnung "Schinkenbeißer" besitze Unterscheidungskraft und es könne nicht festgestellt werden, daß sie sich zu einer Gattungsbezeichnung entwickelt habe.
Die Antragssteller sind ihrer schriftsätzlichen Ankündigung folgend im Termin nicht erschienen.
II.
Die Beschwerde der Antragsteller ist zulässig, aber nicht begründet. Auch nach Ansicht des Senats ist die angegriffene Marke nicht entgegen § 8 MarkenG eingetragen worden, so daß sie nicht wegen Nichtigkeit gelöscht werden kann (§ 50 Abs 1 Nr 3 MarkenG).
Im kontradiktorischen Löschungsverfahren kann die Löschung der angegriffenen Marke nur angeordnet werden, wenn das Vorliegen von Eintragungshindernissen nachgewiesen ist. Bloße Zweifel an der Eintragungsfähigkeit genügen insoweit nicht (Althammer/ Ströbele, MarkenG, § 54 Anm 16) und müssen im Ergebnis zu Lasten der Antragsteller gehen, die ohnehin gehalten sind, im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht die von Amts wegen erfolgende Erforschung des Sachverhalts zu unterstützen.
1. Weder die Ausführungen der Antragsteller noch die Ermittlungen des Senats können vorliegend mit Sicherheit die Annahme rechtfertigen, "Schinkenbeißer" sei eine Gattungsbezeichnung für eine "Rohwurst". Was die von den Antragstellern im Verfahren vor der Markenabteilung eingereichten Unterlagen betrifft, sprechen die Kassenbons der Firmen Penny und Rewe über Testkäufe von "Schinkenbeißer" vom 15./19. April 1999 und vom 12. Juni 1999 nicht für eine Löschungsreife der angegriffenen Marke, da sie üblicherweise auch markenmäßig verwendete Produktbezeichnungen enthalten können und ihr Ausstellungsdatum nach dem Eintragungszeitpunkt liegt. Die vorgelegte Verpackung der Firma Mühlenhof (Anlage 2 zum Schriftsatz vom 27. Juli 1999) schließt eine markenmäßige Benutzung als Zweitkennzeichen neben dem Firmenlogo "Mühlenhof" nach der Art der Etikettgestaltung zumal verbunden mit dem Hinweis "Spitzenqualität nach Art einer Mettwurst" nicht aus. Gleiches gilt für das nach Angaben der Antragsteller von der Firma Interfresh Food GmbH verwendete Etikett "Schlemmen & Sparen, Schinkenbeißer nach Art einer Mettwurst". Die im Beschwerdeverfahren überreichten Unterlage belegen ebenfalls nicht eindeutig eine gattungsmäßige Verwendung der angegriffenen Bezeichnung: so weist insbesondere die Sortimentsliste der Firma Zimbo mit Datum 6/96 neben zahlreichen rein generischen Wurstbezeichnungen wie Bierschinken, Salami, Schinkenspeck, Knackwurst im Ring etc auch Bezeichnungen auf, bei denen jedenfalls zweifelhaft ist, ob sie nicht - als möglicherweise nicht eingetragene Marke gemäß § 4 MarkenG - eingesetzt werden. Hierzu zählen Bezeichnungen wie "Räucherling", "Ratsherren-Pastete" aber auch "Schinkenbeißer", da diesen Wortverbindungen von Haus aus nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden kann. Diese Einschätzung des von den Antragstellern eingereichten Materials steht im Einklang mit den Feststellungen des Senats, der beispielsweise dem offiziellen "Verzeichnis der DLG-Preisträger 1998/1999 der neuen Bundesländer" sowohl ausschließlich gattungsmäßig verwendete Wurstbezeichnungen entnehmen konnte als auch die beanstandete Bezeichnung selbst sowie ähnlich gebildete wie "Schinkenknacker" oder "Pfefferbeißer". Ermittlungen des Senats wie der Markenabteilung im Internet ergaben neben einem Hinweis auf eine "herzhafte Nudelsuppe mit Schinkenbeißer" (http:// home.tonline.de/home/C.u.H.Streich/nudel. htm) lediglich Verweise auf den Betrieb des Markeninhabers.
Im Ergebnis ist daher festzuhalten, daß die im vorliegenden Verfahren getroffenen Feststellungen nicht zwingend die Annahme zulassen, bei der beanstandeten Marke handele es sich um einen Gattungsbegriff für Wurstwaren, so daß deren Löschungsreife aufgrund des Schutzhindernisses des § 8 Abs 2 Nr 2 und 3 MarkenG nicht nachgewiesen ist.
2. Bei der angegriffenen Marke handelt es sich entgegen der Auffassung der Antragsteller auch nicht um ein Zeichen, dem jegliche betriebskennzeichnende Eignung fehlt (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG). Sie besteht vielmehr aus einem aus zwei Substantiven der deutschen Sprache zusammengesetztem Wort, das weder als Fachausdruck für einschlägige Waren nachweisbar ist, noch zum gängigen Sprachschatz gehört und dem nach einigem Nachdenken allenfalls der Aussagegehalt entnommen werden kann, es benenne eine Person, die in einen Schinken hineinbeißt. Eine unmittelbar einen Teil der beanspruchten Waren, insbesondere Wurst, beschreibende Bedeutung besitzt die Bezeichnung daher nicht, so daß der auch Schutzausschließungsgrund des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG nicht vorliegt. Daß gegebenenfalls bei einer sprachlichen Analyse des Markenwortes dem Bestandteil "Schinken" ein Hinweis speziell auf eine bei einer Wurstware häufig verwendete Zutat entnommen werden kann und das Wort "Beißer" über die Aussage, daß "in etwas gebissen" wird, hinaus das Merkmal "knackig" assoziieren könnte, läßt - als ohnehin materiellrechtlich unzulässige Betrachtungsweise - weder für sich genommen noch in der Zusammenschau der Markenbestandteile den Schluß zu, der Marke komme eine rein beschreibende und damit schutzunfähige Bedeutung zu (BGH GRUR 2001, 162,163 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).
3. Anhaltspunkte für die Annahme, die angegriffene Marke sei für alle Waren, die keinen Schinken enthalten, täuschend und daher entgegen § 8 Abs 2 Nr 4 MarkenG eingetragen worden, haben weder die Markenabteilung ermitteln können noch die Antragsteller im einzelnen vorgetragen, so daß vor dem Hintergrund einer für diesen Löschungsgrund erforderlichen Ersichtlichkeit eine Täuschungsgefahr nicht in Betracht kommt. (§ 50 Abs 3 Nr 3 MarkenG).
4. Soweit die Antragssteller erstmals im Beschwerdeverfahren vortragen, der Löschungsantrag sei auch nach § 50 Abs 2 Ziffer 4 MarkenG begründet, ist bereits zweifelhaft, ob dieser quasi nachgeschobene Löschungsgrund der Bösgläubigkeit des Markeninhabers überhaupt zum Streitgegenstand dieses Verfahrens gehört. Davon abgesehen erschöpft sich der Vortrag der Antragsteller in der Behauptung, der Markeninhaber habe alle Verwender der Bezeichnung "Schinkenbeißer" nach Eintragung seiner Marke planmäßig abgemahnt, was sie durch Vorlage entsprechender Schreiben dokumentieren. Diese Tatsache belegt jedoch nicht zwingend die wettbewerbswidrige Behinderungsabsicht des Markeninhabers bei der Anmeldung, selbst wenn dieser von einer Vorbenutzung der Marke durch Dritte Kenntnis hatte, zumal die Verteidigung der (eingetragenen) Markenrechte zu den ureigensten Aufgaben eines Markeninhabers gehört.
Nach allem hat daher der Löschungsantrag keinen Erfolg, so daß die Beschwerde der Antragsteller zurückzuweisen war, ohne daß Anlaß zu einer Kostenauferlegung bestand.
Stoppel Martens Kunze Wa/prö
BPatG:
Beschluss v. 04.04.2001
Az: 28 W (pat) 279/00
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