Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 17. März 2010
Aktenzeichen: AnwSt (R) 15/09

(BGH: Beschluss v. 17.03.2010, Az.: AnwSt (R) 15/09)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Die vorliegende Gerichtsentscheidung betrifft den Fall eines Rechtsanwalts, dem vorgeworfen wurde, anwaltliche Berufspflichten verletzt zu haben. Das Anwaltsgericht hat den Rechtsanwalt schuldig befunden und ein Vertretungsverbot von drei Jahren verhängt. Gegen dieses Urteil hat der Rechtsanwalt Berufung eingelegt, jedoch nur in Bezug auf den Maßnahmeausspruch. Der Anwaltsgerichtshof hat die Berufung als unbegründet verworfen. Dagegen hat der Rechtsanwalt Revision eingelegt und rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Die Revision des Rechtsanwalts hat mit der Sachrüge Erfolg, da der Anwaltsgerichtshof die Bindungswirkung an die nicht angefochtenen Feststellungen des Anwaltsgerichts nicht beachtet hat. Das Anwaltsgericht ist von einer Verletzung anwaltlicher Berufspflichten durch den Rechtsanwalt ausgegangen, wobei dieser "zumindest mit bedingtem Vorsatz" gehandelt haben soll. Der Anwaltsgerichtshof hingegen hat "bewusst vorsätzliches" Handeln angenommen und somit eine andere Vorsatzform zugrunde gelegt. Dadurch hat der Anwaltsgerichtshof sich in Widerspruch zu den bindenden Feststellungen des Anwaltsgerichts gesetzt.

Aufgrund dieses Rechtsfehlers wird das Urteil mit der Sachrüge aufgehoben. Es kann nicht mit ausreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Anwaltsgerichtshof bei Annahme nur bedingt vorsätzlichen Handelns eine mildere Maßnahme erkannt hätte.

Insgesamt wird das Urteil des Anwaltsgerichtshofs aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Senat des Anwaltsgerichtshofs zurückverwiesen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BGH: Beschluss v. 17.03.2010, Az: AnwSt (R) 15/09


Tenor

1. Auf die Revision des Rechtsanwalts wird das Urteil des III. Senats des Anwaltsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 4. Juli 2009 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an einen anderen Senat des Anwaltsgerichtshofs zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Anwaltsgericht hat den Rechtsanwalt mit Urteil vom 4. März 2009 der Verletzung anwaltlicher Berufspflichten für schuldig befunden und gegen ihn ein auf das Gebiet des Zivilrechts einschließlich des Familienrechts mit Ausnahme des Arbeitsrechts beschränktes Vertretungsverbot von drei Jahren Dauer verhängt. Hiergegen hat der Rechtsanwalt Berufung eingelegt und diese auf den Maßnahmeausspruch beschränkt. Der Anwaltsgerichtshof hat das Rechtsmittel als unbegründet verworfen. Hiergegen richtet sich die Revision des Rechtsanwalts, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

II.

Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg, weil der Anwaltsgerichtshof die durch die wirksame Beschränkung der Berufung auf den Maßnahmeausspruch eingetretene Bindungswirkung an die nicht angefochtenen Feststellungen in einem für den Rechtsfolgenausspruch wesentlichen Punkt nicht beachtet hat (vgl. hierzu Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., § 327 Rdn. 5 u. § 353 Rdn. 20).

Das Anwaltsgericht ist bei der Bewertung der durch den Rechtsanwalt begangenen Pflichtverletzung (nicht rechtzeitige Weiterleitung von Fremdgeldern) davon ausgegangen, dass dieser insoweit "zumindest mit bedingtem Vorsatz" gehandelt hat. Demgegenüber hat der Anwaltsgerichtshof ein "bewusst vorsätzliches" Handeln angenommen und somit seiner Entscheidung direkten Vorsatz des Rechtsanwalts zugrunde gelegt. Damit hat der Anwaltsgerichtshof sich durch die Annahme einer anderen Vorsatzform in einem für den Schuldspruch wesentlichen Punkt in Widerspruch zu den durch die Berufungsbeschränkung bindend gewordenen Feststellungen des Anwaltsgerichts gesetzt (vgl. BGHSt 10, 71; 30, 340, 343; BGH NStZ 1999, 259, 260). Hieran ändert auch nichts, dass nach den Feststellungen des Anwaltsgerichts der Rechtsanwalt "zumindest" bedingt vorsätzlich gehandelt hat. Die Bindungswirkung besteht auch dann, wenn das Erstgericht ein Geschehen nicht vollständig aufgeklärt hat oder nicht aufklären konnte und deshalb allein wegen des Grundsatzes "in dubio pro reo" (zur Geltung im anwaltsgerichtlichen Verfahren vgl. Feuerich/Weyland, BRAO, 7. Aufl., § 116 Rdn. 50) von bestimmten - dem Betroffenen günstigen - Tatsachen ausgegangen war (vgl. BGH NStZ 1988, 88; 1999, 259, 260).

Der aufgezeigte Rechtsfehler führt bereits mit der Sachrüge zur Aufhebung des Urteils. Der Senat kann auch in Anbetracht des erheblichen Gewichts der Pflichtverletzung des Beschwerdeführers nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen, dass der Anwaltsgerichtshof bei der Annahme (nur) bedingt vorsätzlichen Handelns auf eine mildere Maßnahme erkannt hätte.

Ganter Ernemann Roggenbuck Wüllrich Braeuer Vorinstanzen:

Anwaltsgericht Stuttgart, Entscheidung vom 03.03.2009 - 14 EV 17/08 -

AGH Stuttgart, Entscheidung vom 04.07.2009 - AGH 22/09 (III) -






BGH:
Beschluss v. 17.03.2010
Az: AnwSt (R) 15/09


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/208462a444fe/BGH_Beschluss_vom_17-Maerz-2010_Az_AnwSt-R-15-09




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