Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Januar 2010
Aktenzeichen: 21 W (pat) 26/07
(BPatG: Beschluss v. 28.01.2010, Az.: 21 W (pat) 26/07)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss vom 28. Januar 2010 entschieden, dass die Beschwerde der Anmelderin erfolgreich ist. Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse A 61 B des Deutschen Patent- und Markenamts vom 27. April 2007, mit dem die Anmeldung eines Patents zurückgewiesen wurde, wurde aufgehoben und das Patent wurde erteilt.
Die Patentanmeldung wurde am 6. April 2006 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht. Die Anmeldung betrifft eine tragbare Pulsmesseinrichtung mit einer Sensorschicht zur Pulsmessung und einem Feuchtigkeitsspeicherelement. Der ursprünglich eingereichte Patentanspruch 1 wurde von der Prüfungsstelle zurückgewiesen, da er nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Der Zurückweisung lag der Patentanspruch 1 vom 23. April 2007 zugrunde, der geringfügige Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Patentanspruch 1 enthielt.
Die Anmelderin hat gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt und ihre Patentanmeldung aufgrund eines geänderten Patentanspruchs 1 vom 31. August 2007 weiterverfolgt. Das Bundespatentgericht hat festgestellt, dass der geänderte Anspruch 1 neu ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Der geänderte Anspruch 1 enthält gegenüber dem Stand der Technik aus einer Druckschrift (D1) eine Verklebung der Sensorschicht und des Feuchtigkeitsspeicherelements mit einer teilflächenförmigen Elastomerschicht. Diese Verklebung ist in der Druckschrift nicht bekannt und stellt daher eine erfinderische Lehre dar.
Das Bundespatentgericht hat die Beschwerde der Anmelderin somit als erfolgreich bewertet und den Beschluss der Prüfungsstelle aufgehoben. Das Patent wurde entsprechend dem geänderten Patentanspruch 1 erteilt.
Darüber hinaus wurde angeordnet, dass die Beschwerdegebühr zurückerstattet wird. Die Prüfungsstelle hatte der Anmelderin ihr Äußerungsrecht in fehlerhafter Weise abgeschnitten, daher ist es aus Gründen der Billigkeit gerechtfertigt, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.
Insgesamt hat das Bundespatentgericht die Patentfähigkeit des geänderten Anspruchs 1 festgestellt und die Beschwerde der Anmelderin erfolgreich bewertet. Das Patent wurde daraufhin erteilt und die Beschwerdegebühr wird zurückerstattet.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 28.01.2010, Az: 21 W (pat) 26/07
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse A 61 B des Deutschen Patentund Markenamts vom 27. April 2007 aufgehoben und das Patent erteilt.
Bezeichnung: Tragbare Pulsmesseinrichtung Anmeldetag: 6. April 2006 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:
Patentanspruch 1, eingegangen bei Gericht am 4. September 2007 und die ursprünglichen Patentansprüche 2 bis 10 vom Anmeldetag, Beschreibung Seiten 1 bis 8 vom Anmeldetag und Zeichnungen mit Figuren 1 und 2 vom Anmeldetag.
2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
Gründe
I Die Patentanmeldung wurde am 6. April 2006 unter der Bezeichnung "Tragbare Pulsmesseinrichtung" beim Deutschen Patentund Markenamt eingereicht. Die Offenlegung erfolgte am 17. Januar 2008.
Der ursprünglich eingereichte Patentanspruch 1 lautet (mit Merkmalsgliederung):
M1 Tragbare Pulsmesseinrichtung, M2 mit einer Sensorschicht (3) zur Pulsmessung und M3 einem Feuchtigkeitsspeicherelement (5), das die Sensorschicht (3) auf einer Seite bedeckt, dadurch gekennzeichnet, M4a dass die Sensorschicht (3) über eine abschnittsweise aufgebrachte Elastomerschicht (4) mit dem Feuchtigkeitsspeicherelement (5) verklebt ist.
Die Prüfungsstelle für Klasse A 61 B hat die Anmeldung mit Beschluss vom 17. April 2007 zurückgewiesen, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gegenüber dem durch die Druckschrift D1 WO 02/071935 A1 verkörperten Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Der Zurückweisung lag der Patentanspruch 1 vom 23. April 2007 zugrunde, der lautet (mit Merkmalsgliederung und hervorgehobenen Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Patentanspruch 1):
M1 Tragbare Pulsmesseinrichtung, M2 mit einer Sensorschicht (3) zur Pulsmessung und M3 einem Feuchtigkeitsspeicherelement (5), das die Sensorschicht (3) auf einer Seite bedeckt, dadurch gekennzeichnet, dass M4b die unmittelbar aufeinander liegenden Seiten der Sensorschicht (3) und des Feuchtigkeitsspeicherelement (5) über eine abschnittsweise aufgebrachte, teilflächenförmige Elastomerschicht (4) miteinander verklebt sind.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Sie verfolgt ihre Patentanmeldung auf der Grundlage des am 4. September 2007 eingegangenen Patentanspruchs 1 und der ursprünglichen Patentansprüche 2 bis 10 weiter.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet (mit Merkmalsgliederung und hervorgehobenen Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Patentanspruch 1):
M1 Tragbare Pulsmesseinrichtung, M2 mit einer Sensorschicht (3) zur Pulsmessung und M3 einem Feuchtigkeitsspeicherelement (5), das die Sensorschicht (3) auf einer Seite bedeckt, dadurch gekennzeichnet, M4c dass die unmittelbar aneinander liegenden Seiten der Sensorschicht (3) und des Feuchtigkeitsspeicherelements (5) über eine abschnittsweise aufgebrachte, teilflächenförmige Elastomerschicht (4) miteinander verklebt sind.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse A 61 B des Deutschen Patentund Markenamts vom 27. April 2007 aufzuheben und das Patent mit dem neu eingereichten Patenanspruch 1 vom 31. August 2007, den ursprünglichen Patentansprüchen 2 bis 10 und im Übrigen mit den ursprünglichen Unterlagen, zu erteilen sowie die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.
Wegen der abhängigen Unteransprüche und weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist begründet, denn der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist neu und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Unteransprüche betreffen Ausgestaltungen des Gegenstands nach dem Anspruch 1, die übrigen Unterlagen erfüllen ebenfalls die an sie zu stellenden Anforderungen.
Die Erfindung betrifft eine tragbare Pulsmesseinrichtung mit einer Sensorschicht und einem Feuchtigkeitsspeicherelement, wie sie aus der D1 bekannt ist.
Gemäß der Beschreibung soll der Sensor gegenüber diesen bekannten Ausführungen verbessert werden und insbesondere eine verbesserte Schweißabsorption gewährleistet sein (siehe Offenlegungsschrift, Absätze [0002, 0003, 0004]).
Die Lösung dieser Aufgabe erfolgt durch eine Vorrichtung mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1, die gegenüber dem Stand der Technik neu ist und sich für den Fachmann, einem mit der Entwicklung von derartigen (Sport-)Geräten vertrauten Dipl.-Ing. der Fachrichtung Elektrotechnik oder Maschinenbau auch nicht in naheliegender Weise ergibt.
Der Patentanspruch 1 ist zulässig. Die geänderten Merkmale in Merkmalsgruppe M4c sind in der ursprünglichen Beschreibung S. 7, 1. Absatz (= Offenlegungsschrift Absatz [0020] ("unmittelbar aneinander liegende Seiten")), S. 3 le. Absatz (= Offenlegungsschrift Absatz [0008] ("teilflächenförmig")) und S. 7, 1. Absatz (= Offenlegungsschrift Absatz [0020] ("miteinander verklebt")) offenbart.
Patentfähigkeit des Anspruchs 1:
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu gegenüber der Druckschrift D1.
Aus der Druckschrift D1 (siehe insbesondere die Fig. 1 bis 4 mit zugehöriger Beschreibung) ist eine tragbare Pulsmesseinrichtung bekannt, mit einer Kontaktschicht 2, 22, 32, 42 (contact layer, sensor part) als Sensorschicht und einer Feuchtigkeitsschicht (moisture layer), die als Abdeckschicht 3, 23, 33, 41 (seal layer) oder als Feuchtigkeitsspeicherelement (layer with moisture absorption) ausgebildet ist (Merkmalsgruppen M1 bis M3). Aus der D1 sind somit zwei Ausführungsformen bekannt: Eine wasserdichte Abdeckschicht, die die Kontaktschicht feucht halten soll (siehe Seite 4, vorletzter Absatz) oder eine Absorptionsschicht, die als Speicherelement Feuchtigkeit absorbiert (siehe Seite 2, Zeile 2 und Anspruch 4) und so ebenfalls die Kontaktschicht feucht halten soll. Zur ordnungsgemäßen Funktion des Sensors muss offensichtlich die Kontaktschicht feucht gehalten werden (siehe Seite 4, vorletzter Absatz, letzter Satz). Die beiden Schichten, Kontaktschicht und Feuchtigkeitsschicht, liegen zwar unmittelbar aneinander gemäß Merkmalsgruppe M4c, aber eine Verklebung mit einer teilflächenförmigen, abschnittsweise aufgebrachten Elastomerschicht ist aus der D1 nicht bekannt.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Gemäß der D1 wird zum Stand der Technik die Befestigung eines Sensors an einem Körper durch Klebebänder als problematisch bezeichnet (siehe Seite 1, Absatz 3, "Strips, ...") und soll durch einen in ein Kleidungsstück integrierten Sensor verbessert werden. Dazu wird bevorzugt die Kontaktschicht durch Einnähen, Einweben (Webware) oder Einstricken (Maschenoder Wirkware) von leitfähigen Fasern erzeugt (siehe Seite 2, Absatz 3). Die Feuchtigkeitsschicht kann ebenfalls durch Einnähen, Einweben, Einsticken oder mittels Klebeband mit dem Stoff des Kleidungsstücks verbunden werden (siehe Seite 2, Absatz 4). Gemäß den Ausführungsbeispielen nach den Fig. 1 bis 6 werden beide Schichten ausschließlich eingewebt und die Feuchtigkeitsschicht ist eine wasserdichte Abdeckschicht. Der Fachmann wird daher gemäß der D1 integrierte, eingewebte Schichten bevorzugen, wobei eine Feuchtigkeitsschicht als wasserdichte Abdeckschicht ausgebildet ist. Die erwähnte Möglichkeit der Befestigung mit Klebeband (sticker tape) macht bei einem normalerweise wasserundurchlässigen Klebeband nur mit einer wasserdichten Abdeckschicht als Feuchtigkeitsschicht Sinn und nicht mit einer speicherfähigen Absorptionsschicht. Der Fachmann wir gemäß der Druckschrift D1 somit höchstens angeregt, eine wasserdichte Abdeckschicht mit einem Klebeband an einem Kleidungsstück mit integrierter Sensorschicht zu befestigen. Für einen Fachmann ist die Befestigung mit einem Klebeband aber wegen der Bewegung beim Sport problematisch, wie es in der D1 für die Befestigung eines Sensors bereits erwähnt wird (siehe Seite 1, Absatz 3). Der Fachmann wird daher durch die Druckschrift D1 nicht veranlasst, ein Feuchtigkeitsspeicherelement über eine abschnittsweise aufgebrachte, teilflächenförmige Elastomerschicht mit einer Sensorschicht zu verkleben. Darüber hinaus ist eine Klebeverbindung mit einem Klebeband keine Klebeverbindung mit einer Elastomerschicht.
Die im Zurückweisungsbeschluss aufgeführte Begründung, dass die Befestigung aus der Druckschrift D1 notwendigerweise durchlässig für Feuchtigkeit sein muss (siehe Seite 3, Absatz 2), ist unzutreffend, da dies für die bevorzugt angegebenen wasserundurchlässigen Abdeckschichten nicht notwendig ist.
Rückzahlung der Beschwerdegebühr:
Da die Prüfungsstelle der Anmelderin ihr Äußerungsrecht in verfahrensfehlerhafter Weise abgeschnitten hat, ist es aus Gründen der Billigkeit angezeigt, die Beschwerdegebühr zurückzuerstatten § 80 Abs. 3 PatG (Schulte, PatG, 8. Auflage, § 73, Rdn. 132, 135).
Die Zurückweisung einer Anmeldung darf nach § 48 S. 2 i. V. m. § 42 Abs. 3 S. 2 PatG nicht auf "Umstände" oder "Gründe" gegründet werden, die dem Anmelder noch nicht mitgeteilt waren (vgl. auch Schulte, PatG, 8. Auflage, § 48, Rdn. 14). Ein neuer Anspruch stellt ein neues Patentbegehren dar, zu dessen Nichtgewährung ein Anmelder sich äußern können muss. Gegenüber dem ursprünglichen Patentanspruch 1 wurde mit dem Patentanspruch 1 vom 23. April 2007 beansprucht, dass die Sensorschicht und die Feuchtigkeitsspeicherschicht "unmittelbar aufeinander liegen" und über eine "teilflächenförmige" Elastomerschicht miteinander verklebt sind. Der Anspruch wurde somit hier weder rein redaktionell noch formal, z. B. einteilig anstatt zweiteilig, geändert. Da die vorgenommenen Änderungen, auch wenn sie nur gering waren, nicht unter diese Kategorien fallen, sondern inhaltlicher Art waren, wäre der geänderte Anspruch erneut zu bescheiden gewesen.
Dr. Winterfeldt Baumgärtner Dr. Morawek Bernhart Ko
BPatG:
Beschluss v. 28.01.2010
Az: 21 W (pat) 26/07
Link zum Urteil:
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