Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 19. Januar 2010
Aktenzeichen: 4 U 162/09
(OLG Hamm: Urteil v. 19.01.2010, Az.: 4 U 162/09)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Oberlandesgericht Hamm hat am 19. Januar 2010 in dem Rechtsstreit zwischen einer Klägerin und der Beklagten die Berufung der Klägerin zugelassen. Die Beklagte wurde dazu verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Tierwaschmittel anzubieten oder zu bewerben, die den Stoff Kaliummonopersulfat enthalten und dazu bestimmt sind, die Klebefähigkeit von Spulwurmeiern zu beseitigen, ohne die erforderliche Registriernummer und ohne den Hinweis "Biozide sicher verwenden. Vor Gebrauch stets Kennzeichnung und Produktinformation lesen" anzugeben. Die Beklagte muss außerdem die Kosten des Rechtsstreits tragen. Das Gericht hat die Revision zugelassen. Eine ausführliche Begründung der Entscheidung und weitere Details finden sich in dem Urteil. Die Klägerin hatte die Beklagte daraufhin verklagt, da sie das Tierwaschmittel der Beklagten für ein nach der Biozid-Meldeverordnung registrierpflichtiges Biozid-Produkt hielt und in dem Verhalten der Beklagten einen Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb sah. Das Landgericht hatte die Klage jedoch abgewiesen, da es das Tierwaschmittel nicht als Biozid-Produkt im Sinne des Gesetzes ansah. Die Klägerin legte daraufhin Berufung ein und argumentierte, dass das Tierwaschmittel sehr wohl als Biozid-Produkt zu betrachten sei und dass die Auslegung des Landgerichts im Widerspruch zur deutschen Textfassung stehe. Das Oberlandesgericht gab der Berufung der Klägerin statt. Das Gericht stellte fest, dass das Tierwaschmittel ein Biozid-Produkt im Sinne des Gesetzes ist, da es den Stoff Kaliummonopersulfat enthält, der dazu bestimmt ist, Schadorganismen wie Spulwurmeier zu bekämpfen. Es entschied außerdem, dass das Tierwaschmittel der Beklagten als ein Produkt für die Hygiene im Veterinärbereich anzusehen ist. Das Gericht urteilte, dass die Beklagte gegen Marktverhaltensregelungen verstoßen hat und verurteilt wurde, das Tierwaschmittel nicht ohne die erforderlichen Angaben anzubieten oder zu bewerben. Das Gericht ließ die Revision zu, da es sich um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
OLG Hamm: Urteil v. 19.01.2010, Az: 4 U 162/09
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 07. Juli 2009 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwi-derhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs,
1.
Tierwaschmittel, die Kaliummonopersulfat enthalten und dazu bestimmt sind, die Klebefähigkeit von Spulwurmeiern zu beseitigen, ohne Regist-riernummer der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (sog. N-Nr.) anzubieten und/oder in Verkehr zu bringen;
2.
Tierwaschmittel, die Kaliummonopersulfat enthalten und dazu bestimmt sind, die Klebefähigkeit von Spulwurmeiern zu beseitigen, zu bewerben, ohne dass folgender Hinweis hinzugefügt wird :“Biozide sicher verwenden. Vor Gebrauch stets Kennzeichnung und Produktinformation lesen“, wobei das Wort „Biozide“ auch durch eine genauere Bezeichnung der Produktart ersetzt werden kann.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 70.000,- EUR abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien produzieren und vertreiben Desinfektionsmittel und Reinigungs- und Waschmittel zum Einsatz in Zucht- und Mastbetrieben. Die Beklagte vertreibt bundesweit unter der Marke "W" u.a. ein Desinfektionsmittel und ein Spezial-Tierwaschmittel. Beide enthalten den Stoff "Kaliummonopersulfat", der ein Wirkstoff im Sinne der Biozid-Richtlinie ist. Während sie das Desinfektionsmittel als Biozid-Produkt nach § 4 Biozid-Meldeverordnung bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin hat registrieren lassen und im Rahmen der Werbung für dieses Produkt einen Gefahrenhinweis nach § 15 a ChemG erteilt, ist das Spezial-Tierwaschmittel nicht registriert und die Beklagte erteilt in Zusammenhang mit der Werbung dafür auch keinen solchen Gefahrenhinweis.
Das Spezial-Tierwaschmittel bewirbt die Beklagte unter der Überschrift "W Spezial-Tierwaschmittel reinigt und entfernt Wurmeier mit gutachtlich geprüfter Leistungsformel." u.a. mit folgenden Werbeaussagen (Bl.23) :
"W Spezial-Tierwaschmittel löst das Klebeverhalten der Spulwurmeier auf. Die Eier können nach Anwendung von W Spezial-Tierwaschmittel durch einfaches Abspülen vom Tier entfernt werden.
Die auf der Stallfläche liegenden Spulwurmeier sind anschließend durch eine Desinfektion mit M endgültig abzutöten.
Mit W Spezial-Tierwaschmittel wird die Lücke zwischen Entwurmung und Stalldesinfektion durch Einbeziehung der Sau über eine ordnungsgemäße Reinigung geschlossen.
Denn: Nur durch eine systematische und integrierte Behandlungsstrategie lässt sich der Schweinespulwurm bekämpfen."
Die Klägerin hält das Spezial-Tierwaschmittel gleichfalls für ein nach der Biozid-Meldeverordnung registrierpflichtiges Biozid-Produkt nach § 3 b ChemG, für das die Beklagte auch nicht ohne einen entsprechenden Gefahrenhinweis werben dürfe. Sie hat in dem Verhalten der Beklagten einen Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 4 Biozid-Meldeverordnung und § 15 a ChemG gesehen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu
verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken
des Wettbewerbs,
Tierwaschmittel, die Kaliummonopersulfat enthalten und dazu bestimmt sind, die Klebefähigkeit von Spulwurmeiern zu beseitigen, ohne Registriernummer der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (sogenannte N-Nr.) anzubieten und/oder in Verkehr zu bringen, Tierwaschmittel, die Kaliummonopersulfat enthalten und dazu bestimmt
sind, die Klebefähigkeit von Spulwurmeiern zu beseitigen, zu bewerben,
ohne dass folgender Hinweis hinzugefügt wird: "Biozide sicher
verwenden. Vor Gebrauch stets Kennzeichnung und Produktinformation
lesen", wobei das Wort "Biozide" auch durch eine genauere
Bezeichnung der Produktart ersetzt werden kann.
Die Beklagte hat sich gegen die Klage verteidigt. Sie hat gemeint, bei dem streitgegenständlichen Tierwaschmittel handele es sich entsprechend seiner Bezeichnung um ein Reinigungsmittel, nicht um ein Biozid-Produkt. Darauf, ob es zu Reinigungszwecken einen Biozid-Wirkstoff enthalte, könne es nicht entscheidend ankommen. Es käme hinzu, dass das Mittel auch keiner Produktart zugehöre, die in Anhang V der Biozid-RL 98/8/EG aufgeführt sei. Es sei insbesondere nicht für die Hygiene im Veterinärbereich, nämlich in den Flächen und Räumen, in denen die Tiere untergebracht seien, bestimmt, sondern zur Anwendung am Tier selbst.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit der Biozid-Meldeverordnung und dem Chemikaliengesetz nicht zu.
Das von der Beklagten vertriebene Tierwaschmittel sei nämlich kein Biozid-Produkt im Sinne von § 3 b ChemG. Zwar wirke das Spezial-Tierwaschmittel auf Spulwurmeier in der Weise ein, dass es deren Klebefähigkeit beseitige oder jedenfalls erheblich vermindere. Es diene somit zumindest dazu, Schadorganismen im Sinne des weit zu fassenden Anwendungsbereiches des Biozid-Rechts zu bekämpfen. Als Biozid-Produkt unterfalle es aber nicht dem Chemikaliengesetz, weil es nicht zu einer Produktart nach Anhang V der Richtlinie 98/8/EG gehöre. Es käme insoweit nur die Hauptgruppe 1 in Frage, die neben Desinfektionsmitteln auch allgemeine Biozid-Produkte erfasse. Das Mittel der Beklagten sei zwar nicht schon als Reinigungsmittel ohne beabsichtigte biozide Wirkung ausgeschlossen. Denn nach den Aussagen in der Werbung für das Mittel diene es nicht lediglich dem Waschen und Reinigen der Tiere, sondern gemäß seiner Bestimmung gerade auch der Bekämpfung des Schweinespulwurms. Es solle die anschließende Abtötung der Eier unter Einsatz eines weiteren Mittels gezielt vorbereiten. Das Spezial-Tierwaschmittel sei aber nicht als ein Produkt zum Zwecke der Hygiene im Veterinärbereich im Sinne der Produktart 3 zu verstehen. Nach der Definition gehe es dabei um Produkte, die erkennbar räumlich auf die Herstellung von Hygiene an den Orten bezogen seien, an denen sich Tiere aufhalten. Hier handele sich aber um ein Produkt, dass nicht dazu diene, die hygienischen Voraussetzungen in den Schweineställen sicherzustellen, sondern es diene der Anwendung an den Tieren selbst.
Die Klägerin greift das Urteil mit der Berufung an. Sie verfolgt ihre erstinstanzlichen Klageanträge weiter und ist nach wie vor der Auffassung, dass es sich bei dem Spezial-Tierwaschmittel der Beklagten um ein Biozid-Produkt im Sinne des § 3 b ChemG handele. Auch das Landgericht habe zu Recht die biozide Wirkung des Mittels bejaht. Nach den eigenen Angaben der Beklagten ziele das Mittel auf eine nachhaltige Bekämpfung der Spulwurmeier ab. Diese sollten wesentliche Körperfunktionen und damit ihre Klebefähigkeit an dem Tierfell verlieren. Erst dadurch werde ein Abspülen der veränderten Eier vom Tier möglich gemacht. Diese Art der Bekämpfung der Spulwurmeier gehe über eine reine Waschfunktion hinaus. Zum Zeitpunkt des Abspülens dürften vielmehr die meisten Spulwurmeier bereits abgetötet sein. Die anschließende Stalldesinfektion diene dann allein einer sicheren Abtötung aller Eier. Das Biozid-Produkt könne aber entgegen der Einschätzung des Landgerichts auch dem Produktbereich für die Hygiene im Veterinärbereich (Produktart 3) zugeordnet werden. Die Klägerin meint, dass die Auslegung des Anhangs der Richtlinie durch das Landgericht im Widerspruch zur deutschen Textfassung stehe. Der Begriff "Veterinärbereich" schließe zwar als Oberbegriff auch die räumlich bezogenen Bereiche, in denen Tiere untergebracht sind, gehalten oder befördert werden, mit ein. Er erschöpfe sich darin aber nicht, sondern umfasse alle im Veterinärbereich denkbaren Anwendungen. Darunter fielen auch die Bekämpfung von Eiern von Parasiten auf dem Tierfell. Das werde besonders deutlich, wenn man die englische und französische Textfassung zum Vergleich heranziehe. Nach der weiteren Ansicht der Klägerin widerspricht die restriktive Auslegung des Landgerichts auch der Intention des Richtliniengebers, ein hohes Schutzniveau für Mensch, Tier und Umwelt sicherzustellen. Diese Intention erfordere, gerade auch in Zweifelsfällen von einem Biozid-Produkt im Sinne des Chemikaliengesetzes auszugehen. Es führe zu einem widersinnigen Ergebnis, wenn die gesetzlichen Vorgaben für den Einsatz des Mittels in räumlichen Anwendungsbereichen wesentlich strenger seien als bei der Anwendung am Tier selbst.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und nach den in erster
Instanz gestellten Klageanträgen zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Sie weist zunächst darauf hin, dass es sich bei dem Stoff Kaliummonopersulfat zwar um einen Inhaltsstoff des Spezial-Waschmittels handele, aber nicht um einen Wirkstoff. Die Meldepflicht bestehe aber ebenso wie die Hinweispflicht ohnehin nicht für Biozid-Wirkstoffe, sondern nur für Biozid-Produkte. Ein Produkt, welches einen oder mehrere Biozid-Wirkstoffe enthalte, müsse deshalb noch kein Biozid-Produkt sein. Insoweit sei entscheidend, wofür das Produkt bestimmungsgemäß eingesetzt werden solle. Das hier streitgegenständliche Tierwaschmittel sei aber ausschließlich für die Reinigung der Tierhaut und des Fells und zum Waschen, also zum Lösen oder Ablösen von organischen oder anorganischen Schmutzpartikeln von Haut und Fell bestimmt. Zu diesen gehörten zwangsläufig auch Partikel mit Spulwurmeiern. Es handele sich somit um ein Reinigungsmittel im Sinne des Freistellungsprivilegs in der Präambel der Regelung betreffend die Hauptgruppe 1 im Anhang V der Biozid-Richtlinie, bei dem eine biozide Wirkung nicht beabsichtigt sei. Da das Mittel auch ausdrücklich nur zur Anwendung am Tier zweckbestimmt sei, gehöre es auch nicht zu den Produkten für die Hygiene im Veterinärbereich. Mit dem Veterinärbereich seien Flächen und Räume gemeint, in denen Tiere untergebracht sind, gehalten oder befördert werden. Am Tier direkt anwendbare wirksame "Biozide" seien dagegen zulassungspflichtig und deshalb dem Anwendungsbereich des Arzneimittelgesetzes zugewiesen.
II.
Die Berufung der Klägerin ist begründet. Ihr steht der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung gegen die Beklagte zu, weil diese gegen Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG verstoßen hat.
1) Der Antrag ist bestimmt genug im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es ist zwischen den Parteien klar, dass ein Tierwaschmittel mit den beschriebenen Eigenschaften weder ohne die unterlassene Registrierung angeboten oder in Verkehr gebracht werden darf noch ohne den gesetzlich vorgeschriebenen Gefahrhinweis beworben werden darf, und zwar generell nicht. Deshalb bedarf es hier auch nicht der Einbeziehung des konkreten Mittels und der konkreten Werbung, die vor allem für die Einordnung des Mittels von Bedeutung ist.
2) Der Klägerin steht als Mitbewerberin im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V. m. §§ 4 Biozid-Meldeverordnung und 15a Abs. 2 ChemG zu. Bei den vorgenannten gesetzlichen Vorschriften handelt es sich als Verbraucherschutzbestimmungen im Bereich des Angebots von Bioziden oder der Werbung dafür zugleich um Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG (vgl. OLG Hamburg GRUR-RR 2008, 94 zu § 15a ChemG). Gegen diese beiden Marktverhaltensregelungen hat die Beklagte auch verstoßen, weil es sich auch bei dem W Spezial-Tierwaschmittel um ein Biozid-Produkt im Sinne von § 3 b Abs. 1 ChemG handelt.
a) Biozid-Produkte nach der gesetzlichen Definition sind zunächst Biozid-Wirkstoffe und Zubereitungen, die einen oder mehrere Biozid-Wirkstoffe enthalten, die dazu bestimmt sind, auf chemischem oder biologischem Wege Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, Schädigungen durch sie zu verhindern oder sie in anderer Weise zu bekämpfen. Das Spezial-Tierwaschmittel der Beklagten ist eine Zubereitung, bei der das zugehörige Pulver unstreitig Kaliummonopersulfat enthält. Dieser Inhaltsstoff ist ein Biozid-Wirkstoff im Sinne des § 3 b Abs. 2 ChemG, weil er als Stoff mit spezifischer Wirkung gegen Spulwurmeier zur Verwendung als Wirkstoff in dem Spezial-Tierwaschmittel bestimmt ist, Schädigungen von Schweinen durch solche Schadorganismen zu verhindern. Gerade die Werbung der Beklagten macht deutlich, dass es bei dem bestimmungsgemäßen Gebrauch des Spezial-Tierwaschmittels gerade nicht nur um die Reinigung der Tiere, sondern insbesondere um die Entfernung der Wurmeier gehen soll. Gerade die Eigenschaft des Produkts, das Klebeverhalten der an dem Haarkleid und auf der Haut festsitzenden Spulwurmeier beeinflussen zu können, die anschließend deren Entfernung durch einfaches Abspülen und sicheres Abtöten durch eine anschließende Stalldesinfektion ermöglicht, wird in der Werbung besonders herausgestellt. Insoweit wird das Prüfungsergebnis einer Begutachtung durch die I-Universität in C in die Werbung einbezogen. Nicht auf die gleichfalls erfolgende Reinigung der Tiere kommt es bei dem Einsatz des Mittels entscheidend an. Entscheidend ist vielmehr der wichtige Beitrag zur Entfernung der schädlichen Spulwurmeier. Das Mittel dient nicht nur zur Reinigung, sondern soll nach den Angaben in der Werbung die Lücke zwischen Entwurmung und Stalldesinfektion im Rahmen einer systematischen und integrierten Behandlungsstrategie zur Bekämpfung des Schweinespulwurms schließen. Gerade zu diesem bestimmenden Zweck wird das Kaliummonopersulfat dem Waschmittel zugesetzt. Der Wirkstoff, der gegen die Spulwurmeier wirken kann, indem er sie aus ihrer klebrigen Hülle löst, soll somit an der Bekämpfung dieser Schadorganismen entscheidend mitwirken. Jedenfalls aber soll der Einsatz des Mittels Schädigungen durch Spulwürmer, die sich aus den Eiern entwickeln können, verhindern. Die Bezeichnung als Spezial-Tierwaschmittel vermag daran nichts zu ändern. Die Spezialität gegenüber anderen Tierwaschmitteln ergibt sich gerade aus der zusätzlichen Wirkung in Zusammenhang mit der besseren Bekämpfung der für die Schweine gefährlichen Spulwurmeier. Das macht der Bericht der I-Universität über die vergleichende Untersuchung mit 3 Waschmitteln in Bezug auf deren Wirkung gegen Spulwurmeier (Bl.48 ff.) besonders deutlich.
b) Das beworbene Tierwaschmittel gehört auch einer Produktart zu, die im Anhang V der Biozid-Richtlinie 98/8/EG vom 16. Februar 1998 aufgeführt ist. Dabei kommt der Präambel zur Hauptgruppe 1 aus Desinfektionsmitteln und allgemeinen Biozid-Produkten nicht die Bedeutung zu, die die Beklagte ihr beilegen will. Es handelt sich nicht um eine gesonderte Auschlussklausel mit eigenem Regelungsgehalt, sondern um eine Klarstellung. Reinigungsmittel, bei denen eine biozide Wirkung nicht beabsichtigt ist, sind schon nach den obigen Ausführungen keine Biozid-Produkte. Denn solche Mittel sind gerade nicht dazu bestimmt, Schadorganismen zu bekämpfen, selbst wenn sie es könnten und beiläufig sogar täten. Es wird nur klargestellt, dass es auf den bestimmungsgemäßen Einsatz der Möglichkeit zur Bekämpfung der Schadorganismen in der Auslobung in der Werbung -wie hier- entscheidend ankommt. Entscheidend ist, ob das Spezial-Tierwaschmittel als Produkt für die Hygiene im Veterinärbereich anzusehen ist. Das ist entgegen der Einschätzung des Landgerichts zu bejahen.
aa) Der Wortlaut des Anhangs zur Richtlinie lässt nicht darauf schließen, dass unter Produkten zur Hygiene für den Veterinärbereich nur solche Produkte verstanden werden können, die für die Verwendung in räumlichen Bereichen, in denen sich die Tiere aufhalten, bestimmt sind. Die Produkte für die Hygiene im Veterinärbereich sollen vielmehr von den Produkten für die menschliche Hygiene (PA 1) abgegrenzt werden. Auch die Erläuterung macht ausreichend deutlich, dass zu dieser Produktgruppe allgemein alle Produkte für Zwecke der Hygiene im Veterinärbereich gezählt werden sollen, somit auch für für die Hygiene der Tiere bestimmte Produkte, die zur Anwendung am Tier selbst, nämlich zur vorbeugenden Reinigung von Fell und Haut dienen. Es wird dann ausdrücklich klargestellt, dass dazu auch Produkte für die Verwendung in den Aufenthaltsbereichen zu zählen sind. Das Wort "einschließlich" macht deutlich, dass es nicht nur um solche Produkte gehen soll, sondern auch um solche Produkte neben anderen Produkten zur Anwendung ganz allgemein für Hygienezwecke bei Tieren des Veterinärbereichs.
bb) Der Sinn und Zweck der Regelungen des Biozid-Rechts bestätigt dieses Ergebnis. Sowohl die Biozid- Richtlinie 98/8/EG als auch die Regelung des § 3 b ChemG haben einen weiten Biozid-Begriff gewählt, um betroffene biologisch oder chemisch wirkende Produkte einem geordneten Zulassungsverfahren zu unterwerfen und mit entsprechenden Warnhinweisen zu versehen, um Menschen und die Umwelt vor dem schädlichen Einfluss gefährlicher Stoffe und Zubereitungen zu schützen (vgl. OLG Hamburg, a.a.O. S. 95). Dass es sich aber bei dem hier in Rede stehenden Produkt um eine solche gefährliche Zubereitung handelt, zeigt schon das vorgelegte EG-Sicherheitsdatenblatt (Bl.29 ff.). Ist das Produkt wegen seines Inhaltsstoffs Kaliummonopersulfat aber gefährlich, kann nicht entscheidend sein, ob es zur Anwendung in den Ställen oder sonstigen Aufenthaltsbereichen für das Vieh bestimmt ist oder zur (reinigenden) Einwirkung auf das Fell oder die Haut des Tieres.
c) Das Produkt unterfällt schließlich auch nicht einem in Artikel 1 Abs. 2 der Biozid-Richtlinie aufgeführten Ausnahmebereiche. Es ist insbesondere auch kein Tierarzneimittel. Bei dem Mittel geht es nicht um die medizinische Wirkung, sondern um den zur Vorsorge bestimmten Reinigungseffekt. Darüber besteht zwischen den Parteien auch ernsthaft kein Streit.
3) Es steht außer Frage und wird auch zu Recht von keiner Seite problematisiert, dass ein solcher Verstoß gegen diese Marktverhaltensregelungen zum Schutz der Verbraucher und der Umwelt auch nach altem wie nach neuem UWG keine Bagatelle darstellt.
Zur Fortbildung des Rechts ist die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
OLG Hamm:
Urteil v. 19.01.2010
Az: 4 U 162/09
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/21512965299a/OLG-Hamm_Urteil_vom_19-Januar-2010_Az_4-U-162-09