Bundesgerichtshof:
Urteil vom 31. März 2015
Aktenzeichen: X ZR 38/13
(BGH: Urteil v. 31.03.2015, Az.: X ZR 38/13)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil entschieden, dass die Berufung gegen das Urteil des Bundespatentgerichts zurückgewiesen wird. Es wurde festgelegt, dass in Patentanspruch 1 des angefochtenen Urteils die Formulierung "in an encoder" durch "said encoder being capable of converting wideband digital signals of different formats" eingefügt wird und dass Patentanspruch 23 in dieser Fassung entfällt. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Hintergrund der Entscheidung ist das europäische Patent 660 540 der Beklagten, das eine Einrichtung zum Decodieren eines digitalen Signals betrifft. Das Patentgericht erklärte das Patent teilweise für nichtig, da der Gegenstand des Patents über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinausgeht. Die Beklagten verteidigten das Patent im Berufungsverfahren erneut und schlugen vor, Patentanspruch 1 entsprechend anzupassen.
Der Bundesgerichtshof bestätigte im Wesentlichen die Entscheidung des Patentgerichts. Er argumentierte, dass der Gegenstand des Patents nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinausgeht und dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung patentfähig ist. Er sah keine nahegelegte Veranlassung, die in einer anderen Entgegenhaltung offenbarten Lösungen zu übernehmen. Daher wurde die Berufung zurückgewiesen.
Das Urteil des Patentgerichts bleibt somit im Wesentlichen bestehen. Die Klägerin muss die Kosten des Berufungsverfahrens tragen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BGH: Urteil v. 31.03.2015, Az: X ZR 38/13
Tenor
Die Berufung gegen das am 15. November 2012 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird nst der Maßgabe zurückgewiesen, dass in Patentanspruch 1 in der Fassung des angefochtenen Urteils nach den Wörtern "in an encoder," eingefügt wird: "said encoder being capable of converting wideband digital signals of different formats," und dass Patentanspruch 23 dieser Fassung entfällt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Beklagten sind Inhaber des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 660 540 (Streitpatents), das am 29. Mai 1990 unter Inanspruchnahme der Priorität von zwei niederländischen Anmeldungen vom 2. Juni 1989 und 13. Februar 1990 angemeldet wurde und eine Einrichtung zum Decodieren eines digitalen Signals betrifft. Patentanspruch 1 lautet in der erteilten Fassung in der Verfahrenssprache:
A decoder for decoding an encoded digital signal that has been obtained by encoding a wideband digital signal of a specific sampling frequency FS, for example a digital audio signal, in an encoder, the encoded digital signal comprising consecutive frames, each frame comprising a plurality of information packets (IP), each information packet comprising N bits, N being Iarger than 1, a frame comprising at least a first frame portion including synchronization information, the decoder having an input (10) for receiving the encoded digital signal, the decoder being adapted to convert the encoded digital signal into a replica of the wideband digital signal, the decoder having an output (8) to supply the replica of the wideband digital signal, characterized in that the number B of information packets in one frame has a relation to a value P, such that, if P in the formula P = BR x nS / (N x FS)
is an integer, where BR is the bitrate of the encoded digital signal and nS is the number of samples of the wideband digital signal whose corresponding information in the encoded digital signal is included in one frame of the encoded digital signal, the number B of information packets in one frame is P, or that, if P is not an integer, the number B of information packets in a number of frames is P', where P' is the next lower integer following P, and the number of information packets in the other frames is equal to P'+1 so as to exactly comply with the requirement that the average framerate of the encoded digital signal is substantially equal to FS/nS, the decoder being provided with means (13-24) for decoding the said encoded digital signal into said replica of the wideband digital signal.
Patentanspruch 19 betrifft sinngemäß einen Empfänger, der einen Decoder der genannten Art aufweist, Patentanspruch 23 ein Decodierverfahren mit den in Patentanspruch 1 genannten Merkmalen. Die übrigen zwanzig Patentansprüche sind auf einen dieser Ansprüche zurückbezogen.
Die Klägerin, die von dritter Seite wegen Verletzung des Streitpatents in Anspruch genommen wird, hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus und sei nicht patentfähig. Die Beklagten haben das Streitpatent mit einem Hauptantrag und sieben Hilfsanträgen in geänderter Fassung verteidigt. In der Fassung des Hauptantrags ist der Ausdruck "digital signal" jeweils ersetzt durch "digital audio signal".
Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt, soweit dessen Gegenstand über die mit dem Hauptantrag verteidigte Fassung hinausgeht, und die weitergehende Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich die Berufung der Klägerin, die weiterhin die vollständige Nichtigerklärung des Streitpatents anstrebt. Die Beklagten treten dem Rechtsmittel mit der Maßgabe entgegen, dass in Patentanspruch 1 in der Fassung des angefochtenen Urteils nach den Wörtern "in an encoder," eingefügt werden soll: "said encoder being capable of converting wideband digital signals of different formats," und dass Patentanspruch 23 dieser Fassung entfallen soll.
Gründe
Die zulässige Berufung führt nur insoweit zu einer Abänderung des angefochtenen Urteils, als die Beklagten das Streitpatent im Berufungsverfahren in abermals geänderter Fassung verteidigen. Das weitergehende Rechtsmittel ist unbegründet.
I. Das Streitpatent betrifft in der verteidigten Fassung eine Einrichtung zum Decodieren eines digitalen Audiosignals.
1. In der Streitpatentschrift wird ausgeführt, im Stand der Technik seien Einrichtungen bekannt gewesen, um ein digitales Breitbandsignal zu codieren und durch Decodieren des so erhaltenen Signals eine Replik des ursprünglichen Signals wiederherzustellen.
In der Streitpatentschrift wird nicht im Einzelnen dargelegt, welches technische Problem das Streitpatent betrifft. Aus dem Zusammenhang ergibt sich, dass es darum geht, den Decodiervorgang vorteilhaft auszugestalten.
2. Zur Lösung dieses Problems schlägt Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung eine Einrichtung vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:
a) Die Einrichtung dient dem Decodieren eines codierten digitalen Audiosignals.
b) Dieses Signal wurde durch Codieren eines digitalen Audio-Breitbandsignals c) mit einer spezifischen Abtastfrequenz FS in einem Codierer erhalten, der zur Konvertierung von Breitbandsignalen verschiedener Formate geeignet ist.
d) Das codierte Signal weist aufeinanderfolgende Rahmen (frames) auf.
e) Jeder Rahmen umfasst mehrere Informationspakete (IP).
f) Jedes Informationspaket umfasst N Bit, wobei N größer ist als 1.
g) Ein Rahmen umfasst mindestens einen ersten Rahmenteil mit Synchronisationsinformationen.
h) Der Decoder hat einen Eingang (10) zum Empfangen des codierten Signals, i) ist so ausgestaltet, dass er dieses Signal in ein Replikat des Breitbandsignals umwandeln kann, j) und verfügt über einen Ausgang, um dieses Replikat zur Verfügung zu stellen.
k) Die Anzahl B der Informationspakete in einem Rahmen ist gleich dem Wert P in der nachfolgenden Formel, sofern P eine ganze Zahl ist: Hierbei ist BR die Bitrate des codierten Signals und nS die Anzahl von Abtastwerten des Breitbandsignals, dessen korrespondierende Information in dem codierten Signal in einem Rahmen des codierten Signals enthalten ist.
l) Wenn P keine ganze Zahl ist, ist B gleich P', wobei P' die nächst kleinere ganze Zahl ausgehend von P ist.
m) In diesem Fall ist die Anzahl der Informationspakete in anderen Rahmen gleich P'+1, damit die durchschnittliche Rahmenrate des codierten Signals im Wesentlichen gleich dem Quotienten FS/nS ist.
n) Der Decoder ist mit Mitteln versehen, um das codierte Signal in die Replik des Breitbandsignals zu decodieren.
3. Im Zentrum der geschützten Lehre steht das Format der codierten Audiodaten. Dieses besteht aus aufeinanderfolgenden Rahmen, die Informationspakete aus je N Bits enthalten. Die Anzahl von Informationspaketen pro Rahmen ergibt sich aus den in den Merkmalen k bis m definierten Regeln.
Hierzu wird zunächst ein Wert P ermittelt, und zwar nach der in Merkmal k definierten Formel, die in der Beschreibung des Streitpatents (Abs. 8, 20, 42) auch in folgender, mathematisch gleichwertiger Form dargestellt wird:
Maßgeblich für P ist zum einen der Quotient aus der Bitrate des codierten Signals (BR), also der Anzahl an Bits, die innerhalb einer bestimmten Zeiteinheit zur Übertragung eingesetzt werden, und der Anzahl an Bits pro Informationspaket (N). Bei einem in der Streitpatentschrift (Abs. 21) geschilderten und vom Patentgericht näher behandelten Beispiel betragen die Bitrate BR = 128.000 bit pro Sekunde und die Anzahl der Bits pro Informationspaket N = 32. Daraus ergibt sich, dass auf ein Audiosignal mit einer Länge von einer Sekunde insgesamt (128.000 / 32 =) 4.000 Informationspakete entfallen.
Maßgeblich für P ist des Weiteren der Quotient aus der Anzahl der Abtastwerte, die mit den in einem Rahmen enthaltenen Daten dargestellt werden , und der Abtastfrequenz , also der Häufigkeit, mit der das ursprüngliche Audiosignal pro Sekunde in Digitalwerte umgewandelt wurde. In dem erwähnten Beispiel betragen die Anzahl der dargestellten Abtastwerte pro Rahmen = 384 und die Abtastrate = 44,1 Kilohertz, also 44.100 Abtastungen pro Sekunde. Hieraus ergibt sich, dass jeder Rahmen die Daten eines Audiosignals mit einer Dauer von rund (384 / 44.100 €) 0,0087075 Sekunden enthält.
P ist nach der Formel in Merkmal k das Produkt aus diesen beiden Teilwerten. In dem geschilderten Beispiel besagt der Wert, dass ein Rahmen, der ein Signal mit einer Länge von rund 0,0087075 Sekunden darstellt, bei einer Rate von 4.000 Informationspaketen pro Sekunde durchschnittlich rund (4.000 x 0,0087075 €) 34,83 Informationspakete enthält.
Mit den Merkmalen l und m wird gewährleistet, dass jeder Rahmen auch dann eine ganzzahlige Anzahl von Informationspaketen enthält, wenn der Durchschnittswert P nicht ganzzahlig ist. In diesem Fall wird die Anzahl der Informationspakete bei einigen Rahmen auf die nächstniedrige ganze Zahl abgerundet und bei den übrigen Rahmen auf die nächsthöhere ganze Zahl aufgerundet. In dem erwähnten Beispiel enthalten einige Rahmen mithin 34 Datenpakete und andere Rahmen 35 Datenpakete. Die Verteilung ist gemäß Merkmal m so vorzunehmen, dass der Durchschnittswert möglichst genau dem Wert P entspricht. In dem Ausführungsbeispiel kann dies dadurch erreicht werden, dass 83% der Rahmen (also zum Beispiel 830 von 1.000 Rahmen) 35 Informationspakete enthalten und die übrigen 17% der Rahmen (also zum Beispiel 170 von 1.000 Rahmen) 34 Informationspakete. Für 1.000 Rahmen ergibt sich daraus eine Gesamtzahl von 34.830 Informationspaketen, was der Vorgabe von 34,83 Informationspaketen pro Rahmen entspricht.
II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Der Gegenstand des Streitpatents gehe nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus. Dort sei offenbart, dass das ursprünglich beanspruchte Übertragungssystem einen Empfänger aufweise, der einen Decodierer umfasse. Dieser müsse, damit er seine Funktion erfüllen könne, zum Decodieren des codierten Signals gemäß den Merkmalen b bis g und k bis m geeignet sein. Aus der Beschreibung gehe ferner hervor, dass die Decodierung im Decoder erfolge, wie dies in Merkmal a vorgesehen sei, und dass der Decoder einen Eingang und einen Ausgang gemäß den Merkmalen h und j aufweise. Schließlich sei offenbart, dass der Decoder das codierte Signal in das Breitbandsignal umsetze, wie dies in den Merkmalen i und n vorgesehen sei, und dass es sich bei den Signalen um Audiosignale handeln könne.
Der Gegenstand des Streitpatents sei patentfähig. In der internationalen Anmeldung WO 89/03157 (K8) sei ein Decoder für digitale Signale offenbart, dessen Funktionsweise allen Merkmalen von Patentanspruch 1 - mit Ausnahme von Merkmal g - entspreche. Gegenstand der Decodierung sei in K8 aber ein Signal, das neben einem digitalen Audiosignal auch ein komprimiertes digitales Videosignal umfasse. Die Länge der Rahmen werde in K8 nicht durch das Audiosignal vorgegeben, sondern durch die Bildwiederholrate des Videosignals. Die Menge der Audiodaten pro Rahmen werde zwar an den jeweiligen Übertragungsbedarf angepasst. Solche Änderungen erfolgten aber unabhängig von der Datenstruktur der Audiodaten. Zudem sei kein fester Wert definiert; vielmehr könne die Anzahl der Abtastwerte (samples) pro Rahmen unterschiedlich ausfallen. Für den Fachmann habe es zwar nahegelegen, den in K8 offenbarten Decoder so weiterzuentwickeln, dass jeder Rahmen die in Merkmal g vorgesehenen Synchronisationsinformationen enthalte. Der Fachmann habe jedoch keinen Anlass gehabt, die Datenstruktur aus K8 zu ändern. Die dort offenbarte Vorgehensweise, die Anzahl der Abtastwerte innerhalb eines Rahmens mit vorgegebener Länge zu ändern, sei auch für reine Audiosignale funktionsfähig. Das Streitpatent beschreite den umgekehrten Weg, bei einer gleichbleibenden Anzahl von Abtastwerten die Länge der Rahmen zu ändern. Diese Methode sei zu der in K8 offenbarten gleichwertig. Der Fachmann habe deshalb keinen Anlass gehabt, von K8 abzuweichen. Aus den weiteren Entgegenhaltungen ergäben sich keine weitergehenden Anregungen.
Mit Patentanspruch 1 hätten auch die nebengeordneten Patentansprüche 19 und 23 sowie die übrigen, auf einen dieser drei Ansprüche zurückbezogenen Patentansprüche Bestand.
III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren stand.
1. Zutreffend ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Gegenstand des Streitpatents nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen (veröffentlicht als europäische Anmeldung 402 973, K7) hinausgeht.
a) Entgegen der Auffassung der Berufung wird die Würdigung des Patentgerichts, dass alle Merkmale des Streitpatents bereits in K7 unmittelbar und eindeutig als zur Erfindung gehörend offenbart waren, nicht dadurch in Frage gestellt, dass in der Beschreibung des Streitpatents an einigen Stellen vom Decoder die Rede ist, während an entsprechenden Stellen in K7 der Empfänger erwähnt wird.
Wie das Patentgericht zutreffend aufgezeigt hat, ergibt sich schon aus K7, dass der Empfänger einen Decoder umfasst, der das codierte Signal decodiert und in ein Replikat des Breitbandsignals umwandelt (z. B. K7 Sp. 17 Z. 12 bis 15). Angesichts dessen ist es nicht zu beanstanden, wenn in der Patentschrift diejenigen Bestandteile des Empfängers, mit denen das Signal decodiert wird, als Decoder bezeichnet werden.
b) Die von der Berufung zitierten Ausführungen in der Beschreibung des Streitpatents, wonach die Zuordnungsinformation nach Eintreffen des codierten Signals in einem Speicher im Decoder abgelegt wird (Abs. 13 Z. 52 f.), haben in den Patentansprüchen keinen Niederschlag gefunden. Unabhängig davon kommt den entsprechenden Ausführungen in K7 (Sp. 5 Z. 13 bis 15), wonach die Speicherung im Empfänger erfolgt, der gleiche Offenbarungsgehalt zu.
In K7 wird zwar offengelassen, ob die Bestandteile, die der Speicherung dienen, und die Bestandteile, mit denen die übrigen Decodierfunktionen ausgeführt werden, identisch oder zu einer Einheit zusammengefasst sind. Die einheitliche Bezeichnung aller zum Decodieren eingesetzten Bestandteile als "Decoder" geht aber auch dann nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus, wenn es sich dabei um mehrere voneinander getrennte Bauteile handelt. Hinsichtlich der körperlichen und räumlichen Ausgestaltung dieser Bauteile trifft das Streitpatent - ebenso wie K7 - keine näheren Festlegungen.
c) Für die von der Berufung zitierten Ausführungen in der Beschreibung des Streitpatents, wonach der Decoder über Mittel verfügt, um die Zuordnungsinformation, die Abtastwerte und die Information über den Skalierungsfaktor zu suchen (Abs. 12) gilt im Ergebnis nichts Abweichendes.
In K7 (Sp. 5 Z. 13 bis 29) ist offenbart, dass diese Informationen im Empfänger gespeichert und verarbeitet werden. Die räumliche Anordnung der Bauteile, mit denen dies realisiert wird, ist aus den bereits aufgezeigten Gründen unerheblich.
d) Der Gegenstand des Streitpatents geht schließlich auch nicht deshalb über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus, weil das Bezugszeichen (10) in K7 dem Eingang des Empfängers, in Patentanspruch 1 hingegen dem Eingang des Decoders zugeordnet ist.
Aus K7 ergibt sich unmittelbar und eindeutig, dass nicht nur der Empfänger, sondern auch der dazu gehörende Decoder einen Eingang aufweist, über den das zu verarbeitende Signal zugeführt wird. Angesichts dessen ist es nicht zu beanstanden, wenn in Patentanspruch 1 ein Decodereingang als Merkmal vorgesehen ist. Aus der unterschiedlichen Zuordnung des Bezugszeichens (10) ergeben sich keine inhaltlichen Änderungen.
2. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 geht auch in der im Berufungsverfahren verteidigten Fassung weder über den Inhalt von K7 noch über den Inhalt der dem Streitpatent zugrunde liegenden Teilanmeldung hinaus.
In der Teilanmeldung, auf der das Streitpatent beruht, ist die in Patentanspruch 1 eingefügte Formulierung, wonach das zu decodierende Signal von einem Codierer stammt, der zur Konvertierung von Breitbandsignalen verschiedener Formate geeignet ist, zwar nicht mehr ausdrücklich enthalten. In den Erläuterungen zu den Figuren 17 und 18 wird aber aufgezeigt, dass das zu decodierende Signal Informationen über die Bitrate und die Abtastfrequenz enthalten kann (Sp. 22). Daraus ergibt sich hinreichend deutlich, dass das Ausgangssignal unterschiedliche Formate aufweisen kann und der Codierer in der Lage ist, diese zu verarbeiten und entsprechende Informationen in die übertragenen Daten aufzunehmen. Die im Berufungsverfahren in Patentanspruch 1 eingefügte Formulierung stellt lediglich eine sprachliche Zusammenfassung dieser Ausführungen dar.
3. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung ist patentfähig.
a) Zu Recht ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass weder in der internationalen Patentanmeldung WO 89/03157 (K8) noch in sonstigen Entgegenhaltungen eine Decodiereinrichtung offenbart ist, die alle Merkmale dieses Patentanspruchs aufweist.
aa) In der internationalen Patentanmeldung WO 89/03157 (K8) sind die Merkmale g sowie k bis m nicht offenbart.
(1) In K8 ist ein System zur Übertragung digitaler Videodaten offenbart. Hierbei wird ein Ausführungsbeispiel geschildert, bei dem die Bilddaten und die Audiodaten getrennt codiert und die codierten Daten in Rahmen zusammengefasst werden. Die Audiodaten werden nach der Analog-Digital-Umwandlung komprimiert, um Informationen zur Fehlerbehebung ergänzt und blockweise in den Rahmen angeordnet, um eine Synchronisation mit den Bilddaten zu erreichen (K8 S. 8 Z. 19-26). Der Aufbau eines Rahmens ist beispielhaft in Figur 8 dargestellt. Er umfasst die Bilddaten, die erforderlich sind, um ein Bild darzustellen, und die Audiodaten, die ausgegeben werden müssen, während dieses Bild angezeigt wird. Die Rahmengröße wird durch die gelieferte Datenrate und die Wiedergaberate bestimmt. Als typische Werte werden eine Eingangsrate von 1,2288 Megabit pro Sekunde und eine Wiedergaberate von 30 Rahmen pro Sekunde bzw. eine Wiedergabedauer von 33,3666 Millisekunden pro Bild angegeben. Hieraus wird eine durchschnittliche Rahmengröße von ((1.228.800 * 0,0333666) / 8 =) 5.125,12 Bytes errechnet (K8 S. 60 Z. 5 bis 12).
Zur Berechnung der für Audiodaten benötigten Datenmenge innerhalb eines Rahmens wird folgende Formel angegeben (K8 S. 61 Z. 1):
B = S * (D+1)/D * T.
Hierbei ist B die benötigte Datenmenge, S die Audiodatenrate, D die Anzahl der Abtastwerte zwischen zwei Resets des Codierers und T die Wiedergabedauer für ein Bild. Als typische Beispielswerte werden für die Audiodatenrate (S) 31,25 Kilobit pro Sekunde (K8 S. 60 Z. 29 bis 30) und für die Anzahl der Abtastwerte (D) 256 (K8 S. 61 Z. 7) angegeben. Ausgehend von diesen Werten ergibt sich aus der aufgezeigten Formel, dass jeder Rahmen rechnerisch ((31.250 * (257/256) * 0,03336) / 8 =) 130,847 Bytes an Audiodaten enthalten muss. Um diesen Wert zu erreichen, werden jedem Rahmen entweder 130 oder 134 Bytes zugeordnet. Die Auswahl zwischen diesen beiden Werten erfolgt in Abhängigkeit davon, ob die durchschnittliche Anzahl der bisher übertragenen Bytes pro Rahmen oberhalb oder unterhalb des vorgegebenen Werts von 130,847 liegt (K8 S. 61 Z. 2 bis 17).
Die Größe der Rahmen beträgt in dem Ausführungsbeispiel abwechselnd 5.124 und 5.128 Bytes. Die Auswahl zwischen diesen beiden Werten wird so vorgenommen, dass sich im Durchschnitt der vorgegebene Wert von 5.125,12 ergibt. Sofern für die Audio- und Videodaten aufgrund der Kompression weniger Daten benötigt werden, werden verbleibende Freiräume mit Nullwerten (filler) aufgefüllt (K8 S. 62 Z. 27 bis 36).
(2) Damit fehlt es, wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, an einer Offenbarung des Merkmals g.
Aus der Darstellung in Figur 8 ist zwar zu entnehmen, dass der in K8 offenbarte Rahmen auch Header-Daten enthält. Als Beispiel für Header-Daten werden aber nur die Anordnung der einzelnen Datenbestandteile innerhalb des Bitstroms (K8 S. 65 Z. 27 bis 31) sowie Rahmenraten, Rahmengrößen und Datenzeiger (K8 S. 66 Z. 29 bis 32) angeführt, nicht aber Synchronisationsinformationen. Angesichts dessen kann K8 auch nicht entnommen werden, dass die dort beschriebene Decodiereinrichtung zur Verarbeitung von Synchronisationsinformationen geeignet ist.
Aus den in K8 enthaltenen Ausführungen zum Stand der Technik ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Dort wird zwar dargelegt, in bekannten Systemen werde ein Header mit Synchronisationsinformationen eingesetzt (K8 S. 1 Z. 19). Daraus kann aber nicht unmittelbar und eindeutig entnommen werden, dass dies auch bei dem in K8 offenbarten System geschieht.
(3) Jedenfalls nicht vollständig offenbart sind die Merkmale k bis m.
Allerdings werden in K8 sowohl die Länge eines Rahmens als auch die Anzahl der zu einem Rahmen gehörenden Bytes, die codierte Audiodaten enthalten, anhand der Bitrate und der Dauer des repräsentierten Signals bestimmt, wie dies auch in Merkmal k vorgesehen ist. Ferner werden für die Rahmenlänge und für den Umfang der darin enthaltenen Audiodaten abwechselnd zwei ganzzahlige Werte verwendet, deren Aufeinanderfolge so festgelegt wird, dass sich ein angestrebter Durchschnittswert ergibt.
Nicht offenbart ist aber, dass die Differenz zwischen den beiden ganzzahligen Werten genau ein Informationspaket beträgt. Die Differenz zwischen den beiden eingesetzten Rahmenlängen beträgt in K8 vier Byte. Dieser Wert kann für Audiodaten nicht als kleinstmögliche Informationseinheit angesehen werden, weil der dafür vorgesehene Teilbereich mit 130 Byte bzw. 134 Byte eine Länge aufweist, die sich nicht als ganzzahliges Vielfaches dieser Grundeinheit darstellen lässt.
bb) Ebenfalls zutreffend - und insoweit von der Berufung unbeanstandet - ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die übrigen Entgegenhaltungen keinen weitergehenden Offenbarungsgehalt aufweisen.
b) Zu Recht ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung nicht durch den Stand der Technik nahegelegt ist.
aa) Zutreffend hat das Patentgericht entschieden, dass es dem Fachmann durch die in K8 enthaltenen Ausführungen zur Anordnung der Audiodaten nicht nahegelegt war, die dort offenbarte Anordnung unabhängig von der Art der Audiocodierung einzusetzen.
(1) Die in K8 angegebene Formel zur Berechnung der Größe des Audiodatenbereichs entspricht allerdings der Formel in Merkmal k des Streitpatents.
Zwar werden in K8 weder die Anzahl der Abtastungen (nS) noch die Abtastfrequenz (FS) erwähnt, sondern nur die auf einen Rahmen entfallende Wiedergabedauer T. Dieser Wert entspricht aber, wie der gerichtliche Sachverständige aufgezeigt hat, dem Quotienten , der auch nach der Formel in Merkmal k maßgebend ist.
Der von den Beklagten hervorgehobene Umstand, dass die Formel nach Merkmal k den Einsatz unterschiedlicher Werte von nS und FS ermöglicht, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Auch die Ausführungen in K8 beruhen nicht auf der Annahme, dass diese beiden Parameter stets denselben festen Wert haben. Im Zusammenhang mit Audiodaten werden vielmehr unterschiedliche Abtastfrequenzen erwähnt. Als üblicher Wert wird eine Frequenz von 31,25 Kilohertz genannt. Im gleichen Zusammenhang wird ausgeführt, diese Rate könne für normale Qualität auf die Hälfte und für Sprachqualität auf ein Viertel reduziert werden (K8 S. 8 Z. 33 bis 37). Als entscheidender Gesichtspunkt ist K8 jedoch zu entnehmen, dass es für die benötigte Anzahl von Informationseinheiten gerade nicht auf die Einzelwerte von nS und FS ankommt, sondern auf den Quotienten beider Werte. Genau dies ergibt sich auch aus der Formel in Merkmal k.
(2) Die Übernahme der in K8 für Audiodaten offenbarten Vorgehensweise war dem Fachmann dennoch nicht nahegelegt, weil sie in K8 nur für eine bestimmte Art der Codierung aufgezeigt wird.
In dem in K8 beschriebenen Ausführungsbeispiel werden die Audiodaten durch adaptive differentielle Pulscodemodulation (ADPCM) komprimiert. Bei diesem Verfahren wird jeder Abtastwert separat codiert. Dadurch entsteht zwar schon eine Strukturierung, die die Anordnung der Daten in Rahmen nahelegt. Bei der Einteilung dieser Rahmen besteht aber ein vergleichsweise hoher Grad an Gestaltungsfreiheit, weil jeder Abtastwert auch nach der Codierung durch eine einzelne Codefolge repräsentiert wird. Dies eröffnet die Möglichkeit, den zusätzlichen Raum, der in den längeren Frames zur Verfügung steht, ebenfalls zur Übertragung von Audiodaten zu nutzen. Dem entsprechend wird in der Beschreibung von K8 ausgeführt, der Audiodatenbereich werde nach einer bestimmten Regel abwechselnd mit 130 oder 134 Byte an Audiodaten befüllt (K8 S. 61 Z. 10 bis 18).
Das Streitpatent geht hingegen davon aus, dass die Abtastwerte blockweise codiert werden. In diesem Fall können die codierten Daten nicht mehr einzelnen Abtastwerten, sondern nur einem Block mit einer bestimmten, gleichbleibenden Zahl von Abtastwerten zugeordnet werden. Die Aufteilung eines solchen Blocks auf mehrere Rahmen ist zwar theoretisch möglich, aber wenig zweckmäßig. Vor diesem Hintergrund hatte der Fachmann keine Veranlassung, die in K8 nur für die ADPCM-Codierung beschriebene Vorgehensweise zu übernehmen, die eine vergleichbare Orientierung an einzelnen Blöcken bei den Audiodaten nicht erfordert.
bb) Im Ergebnis zu Recht hat das Patentgericht entschieden, dass sich für den Fachmann eine entsprechende Veranlassung auch nicht aus den in K8 enthaltenen Ausführungen zur Codierung der Bilddaten ergab.
(1) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ergab sich allerdings weder aus K8 noch aus dem sonstigen Stand der Technik, dass ein Rahmenformat nur dann erforderlich ist, wenn Videodaten übermittelt werden.
Wie der gerichtliche Sachverständige ausgeführt hat, war die Anordnung von strukturierten Daten in Rahmen im Stand der Technik bekannt und generell gebräuchlich. Eine Strukturierung in diesem Sinne weisen nicht nur die in K8 beschriebenen codierten Bilddaten auf, sondern auch codierte Audiodaten, und zwar sowohl bei einer Codierung nach dem ADPCM-Verfahren als auch bei einer Blockcodierung. Dies gab Veranlassung, die in K8 für ein gemischtes Ausgangssignal offenbarte Lösung auch für reine Audiosignale in Betracht zu ziehen.
(2) Im Ergebnis zu Recht hat das Patentgericht aber angenommen, dass dem Fachmann eine Übernahme der in K8 für Videodaten offenbarten Lösung für die Übertragung von Audiodaten nicht nahegelegt war, weil die Einteilung der Rahmen in K8 durch die Bildwiederholrate bestimmt wird.
Wie der gerichtliche Sachverständige erläutert hat, ist es bei der Übertragung von Videodaten zwar nicht zwingend, aber zweckmäßig, für jedes Einzelbild einen eigenen Rahmen vorzusehen. Die Länge eines Rahmens wird damit durch die Zeitdauer bestimmt, während der das betreffende Bild angezeigt wird. Diese Dauer entspricht dem Kehrwert der Bildwiederholfrequenz. Sie ist auch für die Zuordnung der Audiodaten maßgeblich, weil ein Bild und der dazu gehörende Ton zur gleichen Zeit wiedergegeben werden müssen.
Bei der Übertragung von reinen Audiodaten ist die Zuordnung der Rahmen zu einer bestimmten, durch andere Rahmenbedingungen vorgegebenen Zeitdauer nicht erforderlich. Bei blockcodierten Daten gibt es zwar im Ergebnis ebenfalls eine feste zeitliche Vorgabe, weil jeder Block eine bestimmte, gleichbleibende Anzahl von Abtastwerten und damit ein Audiosignal von bestimmter, gleichbleibender Dauer repräsentiert. Hinweise auf diese Parallele ergaben sich aus K8 indes nicht. Der Fachmann hatte deshalb keine hinreichende Veranlassung, die in K8 offenbarte Formel heranzuziehen und dahin abzuwandeln, dass der Parameter T nicht durch die Bildwiederholfrequenz bestimmt wird, sondern durch die Länge eines Blocks von codierten Audiodaten.
c) Aus den weiteren Entgegenhaltungen ergeben sich, wie das Patentgericht im Einzelnen von der Berufung unangegriffen dargelegt hat, keine weitergehenden Anregungen.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG sowie § 97 Abs. 1 und § 92 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Meier-Beck Gröning Grabinski Bacher Kober-Dehm Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 15.11.2012 - 2 Ni 33/11 (EP) -
BGH:
Urteil v. 31.03.2015
Az: X ZR 38/13
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