Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 28. April 2004
Aktenzeichen: 34 O (Kart) 7/04
(LG Düsseldorf: Urteil v. 28.04.2004, Az.: 34 O (Kart) 7/04)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Die Klage wurde vom Landgericht Düsseldorf für gerechtfertigt erklärt. Die Beklagte wurde dazu verurteilt, der Klägerin einen Betrag von 23.630,95 EUR zuzüglich Zinsen zu zahlen. Die Klägerin hatte der Beklagten SIM-Karten zur Verfügung gestellt, die diese in sogenannten GSM-Wandlern verschiedener Hersteller einsetzte. Die Klägerin sperrte daraufhin alle SIM-Karten der Beklagten. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin erlauben die Nutzung der SIM-Karten ausschließlich für eigene Gespräche und nicht zur Vermittlung von Gesprächen aus Festnetzen an Mobilfunkkunden. Die Beklagte hat jedoch gegen diese Regelung verstoßen. Das Gericht befand, dass die Handlungsweise der Beklagten eine abstrakte Gefährdung der Integrität des Mobilfunknetzes der Klägerin darstellt. Daher war die Klägerin berechtigt, die Karten zu sperren und den Vertrag außerordentlich zu kündigen. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin wurden nicht als Verstoß gegen europäisches oder nationales Kartellrecht gewertet. Die Klage wurde daher für begründet erklärt und die Beklagte zur Zahlung verurteilt.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
LG Düsseldorf: Urteil v. 28.04.2004, Az: 34 O (Kart) 7/04
Tenor
In dem Rechtsstreit
hat die 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf
auf die mündliche Verhandlung vom 24. März 2004
für R e c h t erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 23.630,95 EUR nebst Zinsen in Hö-he von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.11.2003 zu zah-len.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 36 % und der Beklagten zu 64 % auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicher-heitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags vor der Vollstreckung leistet.
Tatbestand
Am 03.09.2002 schlossen die Parteien unter Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin einen Vertrag über die Erbringung von Telekommunikationsleistungen. Gemäß dem Vertrag stellte die Klägerin der Beklagten 180 SIM-Karten und damit die Möglichkeit der Nutzung ihres Mobilfunknetzes gegen Entgelt- Basispreis und Entgelte für einzelne Verbindungen - zur Verfügung.
Die Beklagte setzte die SIM-Karten ohne das Wissen der Klägerin in so genannten - von der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) zugelassenen - GSM-Wandlern verschiedener Hersteller ein. Solche GSM-Wandler sind mit SIM-Karten bestückt und funktionieren ähnlich wie ein Mobiltelefon. Es handelt sich um technische Geräte, welche u.a. ermöglichen, Telefongespräche aus dem Festnetz ohne die Inanspruchnahme einer externen Vermittlungseinrichtung in das Funknetz eines Mobilfunkanbieters einzuspeisen und auf diese Weise z.B. Telefongespräche zwischen einem Festnetz- und einem Mobilfunkteilnehmer zu ermöglichen.
Folgende Situation ist dabei typisch: Ein Kunde der Beklagten, ein Callby-Call-Anbieter, stellt mittels einer Mietfestnetzleitung eine Verbindung zu einem GSM-Wandler der Beklagten her. Möchte nun ein Telefonendkunde, der an das Festnetz des Kunden der Beklagten angeschlossen ist, einen Mobiltelefonendkunden anrufen, so baut der Kunde der Beklagten eine Verbindung auf und leitet diese Verbindung über die Mietleitung der Beklagten zu; unter Einsatz des GSM-Wandlers wird das bei der Beklagten eingehende Festnetzgespräch in das Funknetz der Klägerin eingespeist und somit letztendlich eine Verbindung zu dem angerufenen Mobilfunkendkunden terminiert.
Die Klägerin toleriert den Einsatz von GSM-Wandlern durch manche ihrer Großkunden. Diese Großkunden verwenden die GSM-Wandler - anders als die Beklagte - nicht zur Vermittlung von Drittgesprächen, sondern lediglich für eigene Anrufe in das Mobilfunknetz der Klägerin.
Nachdem die Klägerin Kenntnis von dem Einsatz der SIM-Karten in den GSM-Wandlern durch die Beklagte erlangt hatte, sperrte sie am 31.10.2002 sämtliche der Beklagten überlassene Karten. Seit der Sperrung ist es der Beklagten nicht mehr möglich, mittels der ihr überlassenen SIM-Karten Mobilfunkdienstleistungen der Klägerin in Anspruch zu nehmen. Mit Schreiben vom 04.02.2003 erklärte die Klägerin schließlich der Beklagten gegenüber die außerordentliche Kündigung des Vertrags "mit Wirkung zum 31.10.2002".
Am 05.11., 03.12.2002 und 06.01.2003 erteilte die Klägerin der Beklagten Abrechnung über den Basispreis und Verbindungsentgelte für den Zeitraum vom 22.09. bis 21.12.2002. Unstreitig schuldet die Beklagte der Klägerin für diesen Zeitraum jedenfalls noch 23.630,95 EUR.
Die Klägerin ist der Ansicht, sie sei sowohl zur Sperrung der Karten als auch zur äußerordentlichen Kündigung des Vertrags berechtigt gewesen. Dies ergebe sich aus den Bestimmungen ihrer aus mehreren Regelwerken bestehenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen, in denen es insofern wörtlich heißt:
Nr. 1.3 der Leistungsbeschreibung für .........-Dienstleistungen (im Folgenden: Leistungsbeschreibung):
...
Unzulässig ist jede Weiterleitung von Verbindungen, insbesondere die Erbringung von Zusammenschlussleistungen, über die .......-Karte, sofern die vom Anrufenden ursprünglich gewählte Zielrufnummer nicht die .........-Nummer des Kunden ist."
Nr. 5.2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (II) für ........-Mobilfunkleistungen (im Folgenden: AGB)
"Das Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt. Ein wichtiger Grund für ... liegt insbesondere vor, wenn aufgrund äußerer Umstände davon auszugehen ist, dass Mobilfunkdienstleistungen missbräuchlich in Anspruch genommen werden. Liegt ein wichtiger Grund vor, ist ... ferner befugt, die Zugangsberechtigung des Kunden zu ...-Diensten mit sofortiger Wirkung zu sperren."
Die Klägerin ist der Ansicht, die in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Regelungen seien wirksam, da sie insbesondere sachlich gerechtfertigt seien. Hierzu behauptet sie insbesondere, dass durch die intensive Nutzung der SIM-Karten durch die Beklagte die Integrität des ...-Netzes jedenfalls abstrakt und in Teilen gefährdet sei. Durch die übermäßige Nutzung der SIM-Karten drohe die Blockierung einzelner Mobilfunkzellen, was dazu führen könne, dass reguläre Endkunden in der betreffenden Funkzelle keine Telefonate mehr führen können. Dies betreffe auch Notrufe zu Polizei und Feuerwehr.
Nachdem die Klägerin zunächst mit ihrer Klage die Zahlung von 70164,82 EUR nebst Zinsen von der Beklagten begehrt hat, hat sie mit Schriftsatz vom 25.2.2004, der am selben Tag bei Gericht eingegangen ist, die Klage in Höhe von 46533,78 EUR zurückgenommen.
Die Klägerin beantragt nunmehr ,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 23.630,95 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte beruft sich auf ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 BGB. Sie ist der Ansicht, sie habe einen vertraglichen Anspruch auf Aktivierung der SIM-Karten; die Klägerin sei zur Sperrung der Karten nicht berechtigt gewesen. Die Kündigung sei unwirksam. Sowohl die Sperrung der Karten als auch die Kündigung des Vertrags verstießen gegen Art. 82 EGV, §§ 19, 20 GWB sowie § 1 UWG. Jedenfalls seien aber die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin nach §§ 307 bzw. 134 BGB wegen Verstoßes gegen die kartellrechtlichen Bestimmungen unwirksam.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Gründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 23.630,95 EUR. Dieser folgt aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag vom 03.09.2002. Die Klägerin ermöglichte jedenfalls in der Zeit vom 22.09. bis 31.10.2002 die Nutzung ihres Mobilfunknetzes mittels der zur Verfügung gestellten SIM-Karten zur Herstellung zahlreicher Mobilfunkverbindungen. Für die Überlassung der SIM-Karten kann die Klägerin sowohl den Basispreis als auch die einzelnen Verbindungsentgelte fordern. Die ausgeurteilte Anspruchshöhe ist zwischen den Parteien insofern unstreitig.
Jedenfalls ist das Bestreiten der Beklagten zur Höhe in deren Schriftsatz vom 23.3.2004 unsubstantiiert, zumal die Beklagte selbst bereits mit Klageerwiderung vom 19.12.2003 einen Zahlungsanspruch in dieser Höhe anerkannt hat.
Zudem sind auch die Voraussetzungen nach § 5 TKV eingehalten.
Der Beklagten steht weiterhin kein Zurückbehaltungsrecht zu, da die Klägerin sowohl wirksam die Karten gesperrt als auch den Vertrag außerordentlich gekündigt hat. Zu beidem war die Klägerin nach Nr. 5.2 ihrer AGB berechtigt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Leistungsbeschreibung und AGB) wurden gemäß Nr. 11 des unterzeichneten Vertragsformulars wirksamer Vertragsbestandteil. Ein die Klägerin zur Sperrung der SIM-Karten und Kündigung des Vertrags berechtigender wichtiger Grund lag in der Verletzung der Überschreitung der in Nr. 1.3 der Leistungsbeschreibung vereinbarten Nutzung der Mobilfunkdienstleistungen vor.
Die Voraussetzungen von Nr. 1.3. der Leistungsbeschreibung der Klägerin liegen vor. Die Beklagte nutzt die in den GSM-Wandlern eingesetzten SIM-Karten, um "Zusammenschaltleistungen" im Sinne dieser Bestimmung zu erbringen. Mittels der GSM-Wandler speist die Beklagte unstreitig bei ihr eingehende Anrufe aus einem Festnetz in das Mobilfunknetz der Klägerin ein, indem die GSM-Wandler eingehende Anrufe "mobil zu mobil" an die Rufnummer des Mobilfunkkunden weiterleiten.
Nach Nr. 1.3 der Leistungsbeschreibung sind Weiterleitungen und Zusammenschaltungsleistungen über die SIM-Karten den Kunden der Klägerin nur gestattet, sofern die vom Anrufenden ursprünglich gewählte Zielrufnummer die ........-Nummer des Kunden ist. Die Voraussetzungen dieser Ausnahmeregelung liegen nicht vor. Unter "gewählte Zielrufnummer" ist nicht der bloße Vorgang des "Eintippens" der Zielnummer durch den Anrufenden zu verstehen. Unter diesem Begriff ist vielmehr die von der technischen Einrichtung (z.B. der Telefonanlage) angewählten Rufnummer zu verstehen. Denn wie der Vorgang des Anwählens einer Rufnummer technisch realisiert wird, kann sich auf die rechtliche Bewertung des Begriffs "angewählte Zielrufnummer" nicht auswirken. Insofern ist zwischen den Parteien unstreitig, dass Kundenanrufe zunächst an die Beklagte vermittelt werden. Diese Vermittlung setzt aber, wie das Gericht aus eigener Sachkunde aus dem Verfahren 34 O (Kart) 127/03 Q Landgericht Düsseldorf zu beurteilen vermag, technisch voraus, dass Gespräche zunächst zu der Betriebsstätte der Beklagten vermittelt werden. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus den Erläuterungen des von der Beklagten in ihrer Klageerwiderung in Bezug genommenen Schaubilds der coM.s.a.t. AG (Anlage B 2).
Mit Schreiben vom 04.02.2003 liegt eine wirksame Erklärung der außerordentlichen Kündigung der Klägerin vor. Es kann dahinstehen, ob die Klägerin mit Schreiben vom 10.10.2002 die Vertragspflichtverletzung der Beklagten wirksam im Sinne des § 314 Abs. 2 S. 1 BGB abmahnte, da eine Abmahnung jedenfalls nach § 314 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich war. Da sich die Beklagte sowohl außergerichtlich als auch im Prozess nachhaltig auf den Standpunkt gestellt hat, dass ihr Verhalten vertragsgemäß ist, wäre die Annahme eines Abmahnungserfordernisses bloße Förmelei. Denn eine reguläre Nutzung der SIM-Karten, z.B. in Mobiltelefonen, beabsichtigt die Beklagte keinesfalls. Aus denselben Erwägungen war die Klägerin auch zur fristlosen Sperrung der SIM-Karten berechtigt. Dass die Kündigung "mit Wirkung zum 31.10.2002", also rückwirkend, erklärt wurde, steht ihrer Wirksamkeit nicht entgegen, da die Kündigungserklärung jedenfalls in eine mit sofortiger Wirkung nach § 140 BGB umgedeutet werden kann.
Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist Nr. 1.3 der Leistungsbeschreibung wirksam. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verstoßen weder gegen europäisches noch gegen nationales Kartellrecht, so dass sie der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB standhalten.
Nr. 1.3 der Leistungsbeschreibung verstößt nicht gegen Art. 82 EGV, da die Klägerin nicht eine marktbeherrschende Stellung missbraucht.
Die Frage, ob die Klägerin tatsächlich eine marktbeherrschende Stellung innehat, kann dahinstehen, da jedenfalls kein missbräuchliches Verhalten ihrerseits vorliegt.
Eine Ungleichbehandlung der Beklagten zu anderen Unternehmen durch die Klägerin im Sinne von Art. 82 Abs. 2 lit. c) EGV liegt nicht vor. Nach dieser Bestimmung handeln Unternehmen missbräuchlich, wenn sie unterschiedliche Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern anwenden, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden. Schutzzweck dieser Bestimmung ist die Verhinderung von Wettbewerbsverfälschungen auf vor- oder nachgelagerten Wirtschaftsstufen (vgl. Dirksen in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, 9. Aufl., 2000, Art. 82, Rn. 138).
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass sowohl die Klägerin als auch andere Mobilfunkanbieter einzelnen Großkunden den Einsatz von GSM-Wandlern gestatten (vgl. hierzu auch etwa den Tatbestand von LG Hamburg, Urteil vom 06.11.2003, AZ: 315 O 508/03). Weder sind aber diese Großkunden noch die Leistung gleichartig (in diesem Sinne auch: LG Hamburg, aaO), so dass eine Wettbewerbsverfälschung auf einer vor- oder nachgelagerten Wirtschaftsstufe nicht droht.
Solche Großkunden nutzen die GSM-Wandler für den internen Gebrauch, d.h. sie schließen die GSM-Wandler etwa an ihre Telefonanlage an und benutzen die Technik, um eigene Gespräche in die entsprechenden Mobilfunknetze zu führen. Nach unwidersprochenem Vortrag der Klägerin gestattet es die Klägerin hingegen keinem Großkunden, die SIM-Karten für die Vermittlung von Gesprächen aus Festnetzen an Mobilfunkkunden einzusetzen. Den Großkunden wird damit an sich nur gestattet, Gespräche über wenige SIM-Karten mittels der eingesetzten GSM-Wandler zu "bündeln", was dem Gebot wirtschaftlichen Handelns entspricht. Alternativ könnten solche Großkunden jedem Mitarbeiter ein Mobilfunktelefon zur Verfügung stellen, damit netzinterne Gespräche geführt werden können. Bei den entsprechenden Großkundenverträgen sind der Klägerin nach ihrem unwidersprochenem Vortrag sämtliche relevanten Daten wie die Nutzeranzahl, Nutzungsdauer und Telefonierverhalten, bekannt, so dass sie die Kapazitäten der Funkzellen entsprechend anpassen kann.
Die Beklagte hingegen benutzt die SIM-Karten bzw. die GSM-Wandler nicht für eigene Gespräche, sondern für die Weiterleitung fremder Gespräche. Sie tritt daher nicht - wie die Großkunden - als Endabnehmerin von Mobilfunkleistungen der Klägerin, sondern als Zwischenhändlerin auf. Auf Grund der besonderen Art der Nutzung der SIM-Karten durch die Beklagte ist es der Klägerin, anders wie bei der Nutzung der Karten durch Großkunden, unmöglich, im vorhinein eine Prognose über die tatsächliche Nutzung der Karten hinsichtlich der Anzahl der Verbindungen, der Verbindungsdauern und des Ortes der Nutzung, d.h. der Bestimmung der Funkzelle zu treffen (vgl. hierzu auch KG, Urteil vom 15.01.2004, AZ: 2 U 28/03 Kart).
Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin verstoßen auch nicht gegen Art. 82 Abs. 2 lit. b) EGV (Verwendungsbeschränkung).
Nach seinem Wortlaut scheint Art. 82 Abs. 2 lit. b) EGV zunächst einschlägig zu sein, da scheinbar zum Schaden der Verbraucher - günstigeres Telefonieren wird verhindert - der Absatz bzw. die technische Entwicklung eingeschränkt wird. Allerdings folgt hier die Verwendungsbeschränkung aus dem Vertrag immanenten Gründen (so auch LG Hamburg, aaO). Die Klägerin gewährte der Beklagten die Nutzung der SIM-Karten allein zum Telefonieren, nicht jedoch zum Weiterleiten von Gesprächen. Diese immanente Verwendungsbeschränkung im Sinne einer Gebrauchsbeschränkung - oder positiv ausgedrückt: Gebrauchseinräumung für einen vertraglich vereinbarten genau bestimmten Gebrauch - verstößt nicht gegen Art. 82 Abs. 2 lit. b) EGV.
Den Beklagten wurde es durch die Klägerin gestattet, die die SIM-Karten und damit das Mobilfunknetz für eigene Zwecke, d.h. eigene Telefonate, zu verwenden. Dementsprechend haben die Parteien einen "normalen" Endkundenvertrag mit üblichem Tarif unter Verwendung des üblichen Formulars und unter Einbeziehung der üblichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin geschlossen. Dieser Endkundenvertrag enthält die immanente Beschränkung, nicht den Charakter eines Vertriebsvertrags aufzuweisen. Insofern ist der Beklagten durch die Klägerin schon von vornherein nur eine beschränkte Nutzungsmöglichkeit sowohl der Karten als auch des Mobilfunknetzes eingeräumt worden.
Dieses Ergebnis wird zudem dadurch gestützt, dass die Verpflichtung der Klägerin zur Duldung der Handlungen der Beklagten einen Verstoß gegen die ihr nach §§ 6 ff. TKG erteilte Lizenz zur Nutzung bestimmter Frequenzen bedeuten würde. Hierin liegt jedenfalls ein sachlich rechtfertigender Grund für die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten der SIM-Karten und des Mobilfunknetzes der Klägerin. Für die Klägerin besteht nämlich ein öffentlichrechtliches so genanntes "Durchleitungsverbot'". Insofern wird auf die Äußerung der RegTP vom 30.04.2003 verwiesen. Der Einsatz von GSM-Wandlern birgt nämlich die für das Gericht nachvollziehbare Gefahr, dass ein Festnetzgespräch mittels Einsatzes zweier GSM-Wandler durch das Mobilfunknetz der Klägerin durchgeleitet wird. Für die Klägerin ist es aber schlechterdings nicht zumutbar, ihr eine Duldungspflicht von Verhalten eines Kunden aufzuerlegen, welches gegen ihre Lizenz verstößt.
Die Bestimmungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind weiterhin dadurch sachlich gerechtfertigt, dass die Handlungsweise der Beklagten jedenfalls eine abstrakte Gefährdung der Integrität des Mobilfunknetzes der Klägerin darstellt. Die Handlungsweise der Beklagten kann dazu führen, dass die Funkzelle, in welcher der GSM-Wandler eingesetzt wird, in einen Zustand gebracht wird, der eine vollständige Blockierung der Funkzelle nach sich zieht. Hierbei ist, worauf die Klägerin zu Recht hinweist, auch eine Folgenbetrachtung angezeigt. Würde man die Vorgehensweise der Beklagten für zulässig erachten, ist zu befürchten, dass sowohl die Beklagte als auch weitere Unternehmen das Geschäftskonzept intensivieren würden, was die Gefahr der Überlastung des Netzes erhöhen würde. Im heutigen Wirtschaftsleben einer "Kommunikationsgesellschaft" ist die Möglichkeit des mobilen Informationsaustauschs ein hohes Gut. Dieser Gedanke liegt auch dem gesamten TKG und insbesondere den §§ 33 ff. TKG zu Grunde. Hinzu kommt, dass bei Überlastung der Netze auch das Absetzen eines Notrufs nicht mehr möglich ist. Im Rahmen der telekommunikationsrechtlichen Lizenz ist die Beklagte verpflichtet, einen Versorgungsgrad der Bevölkerung an Mobilfunkleistungen von mindestens 94 Prozent in den alten und 90 Prozent in den neuen Bundesländern sicherzustellen. Dies ergibt sich aus dem in Bezug genommenen und von der Beklagten unwidersprochenem Schreiben der RegTP an die Klägerin vom 30.04.2003. Der Klägerin ist es daher schlechterdings nicht zumutbar, eine solche Gefährdung der Netzintegrität hinzunehmen (in diesem Sinne auch LG Mündchen I, Urteil vom 28.11.2003, AZ: 17HK O 19399/03; LG Berlin, Urteil vom 16.09.2003, AZ: 16 O 444/03 Kart), da sie jedenfalls Handlungen, die eine Gefährdung ihrer Lizenz bedeuten, keineswegs zu dulden braucht.
Hinzu kommt, dass der Klägerin durch das Verhalten der Beklagten ihre öffentlichrechtliche Verpflichtung zur Datenweitergabe aus § 90 Abs. 4 TKG erschwert wird. Allein diese Erschwerung wirft sicherheitspolitische Bedenken auf.
Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verstoßen weiterhin nicht gegen Art. 82 Abs. 1 EGV in seiner Ausprägung der "essetial facilities doctrine". Nach dieser Fallgruppe sind Verhaltensweisen potentiell missbräuchlich, die auf die Verweigerung des Zugangs zu einer Einrichtung, die für einen Dienstleistungsmarkt wesentlich ist, auf dem weder ein Zugangsanbieter noch ein anderes Unternehmen tätig ist, gerichtet sind (Schröter in Schröter/Jakob/Mederer, Kommentar zum Europäischen Wettbewerbsrecht, 1. Aufl., 2003, Art. 82, Rn. 266). Die Klägerin verweigert jedoch nicht den Zugang zu ihrem Mobilfunknetz in diesem Sinne. Vielmehr stellt sie im Rahmen der Bestimmungen des TKG Schnittstellen, d.h. Zugangsmöglichkeiten, zu ihrem Mobilfunknetz zur Verfügung. Gründe dafür, dass sie eine Verpflichtung hat, weitere Zugangsmöglichkeiten, also den Einsatz von Terminierungsleistungen mittels Einsatzes von GSM-Wandlern, zu dulden bzw. schaffen, sind nicht ersichtlich.
Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin verstoßen weiterhin nicht gegen die anerkannte Fallgruppe "Lieferverweigerung" in Form des Abbruchs einer bestehenden Geschäftsverbindung nach Art. 82 Abs. 1 EGV.
Zwar hat die Klägerin unstreitig die Geschäftsbeziehung zu der Beklagten abgebrochen. Dennoch liegen - derzeit - keine Anhaltspunkte vor, dass sie die "Belieferung" der Beklagten mit Telekommunikationsleistungen verweigert. Die Klägerin bietet einerseits Endkunden die Nutzung ihres Mobilfunknetzes, anderseits Zusammenschaltungsleistungen unter dem Regime der §§ 33 ff TKG an. Dafür, dass die Klägerin der Beklagten keine SIM-Karten zur Nutzung als Endkundin zur Verfügung stellt oder dass sie eine Zusammenschaltung verweigert, hat die Beklagte nichts vorgetragen.
Eine Zusammenschaltung kommt zwar für die Beklagte nicht in Betracht, da sie unstreitig über kein eigenes Netz verfügt. Es ist aber nichts dafür vorgetragen, dass die Klägerin etwa den Kunden der Beklagten eine Zusammenschaltung verweigert.
Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht nach den vom EuGH in der Sache "British Telecommunications" (Slg. 1985, 873, 887) aufgestellten Grundsätzen. Während es im dortigen Fall um eine identische (normale) Nutzungsart des Netzes ging, liegt hier durch die Beklagte eine Umgehung der normalen Nutzungsart des D2-Netzes mittels des Einsatzes der SIM-Karten in den GSM-Wandlern vor (vgl. auch KG, aaO).
Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin auch nicht gegen Bestimmungen des nationalen Kartellrechts, insbesondere nicht gegen §§ 19 Abs. 1, 4, 20 GWB verstoßen.
Jedenfalls ist das Durchleitungsverbot der Klägerin aus Gründen der Erhaltung der Integrität des Mobilfunknetzes sachlich gerechtfertigt.
Das Verhalten der Klägerin verstößt schließlich nicht gegen § 1 UWG. Da ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht gegen europäisches oder nationales Kartellrecht verstoßen, liegt kein Vorsprung durch Rechtsbruch vor. Ein unlauterer Behinderungswettbewerb liegt nach den unter I. getroffenen Aussagen ebenfalls nicht vor.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 2 BGB.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 269 Abs. 2 S. 2, 709, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Der Streitwert für die Zeit bis zum 25.02.2004 wird auf 70.164,82 EUR, für die Zeit danach auf 23.630,95 EUR festgesetzt.
LG Düsseldorf:
Urteil v. 28.04.2004
Az: 34 O (Kart) 7/04
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