Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. Oktober 2002
Aktenzeichen: 15 W (pat) 32/01
(BPatG: Beschluss v. 24.10.2002, Az.: 15 W (pat) 32/01)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in seinem Beschluss vom 24. Oktober 2002 den angefochtenen Beschluss hinsichtlich des Patents "Schmelzklebeverfahren" aufgehoben. Das Patent wird jedoch beschränkt aufrechterhalten. Die Patentinhaberin hatte einen Einspruch gegen das Patent eingelegt und das Deutsche Patentamt hatte daraufhin das Patent widerrufen. Als Begründung wurde angegeben, dass der Gegenstand des Patents nicht mehr neu sei, da er bereits durch den Stand der Technik bekannt war. Die Patentinhaberin hat daraufhin Beschwerde eingelegt und in der mündlichen Verhandlung neue Patentansprüche vorgelegt. Diese wurden vom Bundespatentgericht anerkannt und das Patent wird nunmehr mit diesen neuen Patentansprüchen beschränkt aufrechterhalten. Es wurde festgestellt, dass die Merkmale der neuen Patentansprüche sowohl aus den ursprünglich eingereichten Unterlagen als auch aus der deutschen Patentschrift entnommen werden können. Das Gericht hat weiterhin festgestellt, dass das Schmelzklebeverfahren nach den neuen Patentansprüchen neu ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Die Zusammensetzung der eingesetzten Schmelzklebstoffe erfüllt demnach die Anforderungen für ein patentierbares Verfahren. Die Beschwerde der Patentinhaberin wurde somit als zulässig und begründet angesehen und der angefochtene Beschluss aufgehoben. Das Patent wird nunmehr beschränkt aufrechterhalten.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 24.10.2002, Az: 15 W (pat) 32/01
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Das Patent wird beschränkt aufrechterhalten mit folgenden Unterlagen:
Patentansprüche 1-3 und Beschreibung S 2-5, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung.
Gründe
I Auf die am 11. August 1988 eingereichte Patentanmeldung P 38 27 224.5-43 der H... AG hat das Deutsche Patentamt ein Patent mit der Bezeichnung
"Schmelzklebeverfahren"
erteilt. Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 2. Juli 1998. Inhaberin des Patents ist inzwischen die D... AG.
Nach Prüfung des erhobenen Einspruchs hat die Patentabteilung 43 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent mit Beschluss vom 27. Juni 2001 widerrufen.
Diesem Beschluss lag die Anspruchsfassung des erteilten Patents mit 7 Verfahrensansprüchen und folgendem Wortlaut des Anspruchs 1 zugrunde:
"1. Schmelzklebeverfahren, bei dem feuchtigkeitsvernetzende Schmelzklebstoffe eingesetzt werden, die bestehen aus den Umsetzungsprodukten von Polyisocyanaten und teilkristallinen, aus aliphatischen Diolen und aliphatischen Dicarbonsäuren gebildeten, mindestens 12 Methylengruppen pro Polyestereinheit enthaltenden Hydroxylpolyestern der Formelin der x + y = 12 ist und z = 3 bis 50 beträgt, im Verhältnis von OH : NCO von größer als 1 : 1,5 bis 1 : 3,0, wobei die aliphatischen Dicarbonsäuren bis zu 80 Mol-% durch aromatische Dicarbonsäuren ersetzt sein können und (CH2)x ganz oder teilweise durch Reste eines Etherdiols ersetzt sein kann."
Der Beschluss war damit begründet, dass der Gegenstand des vorliegenden Patents im Hinblick auf den aus der Druckschrift DE 26 09 266 C2 (1) bekannten Stand der Technik nicht mehr neu sei.
Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen diesen Beschluss.
Die Patentinhaberin hat in der mündlichen Verhandlung neue Patentansprüche 1 bis 3 überreicht, die wie folgt lauten:
"1. Schmelzklebeverfahren bei dem feuchtigkeitsvernetzende Schmelzklebstoffe eingesetzt werden, die bestehen aus den Umsetzungsprodukten von
(a) Polyisocyanaten und
(b) teilkristallinen, aus Ethylenglycol oder Hexandiol-1,6 als aliphatischen Diolen und Dodecandisäure als aliphatischer Dicarbonsäure gebildeten Hydroxylpolyestern der Formelin der x = 2 oder 6 ist, undz = 3 bis 50 beträgt, im Verhältnis von OH : NCO von größer als 1 : 1,5 bis 1 : 3,0, wobei die Substrate in serienmäßiger Fertigung mit hoher Taktgeschwindigkeit, entsprechend einer Abbindegeschwindigkeit der Umsetzungsprodukte im Bereich von 1 bis 2 Sekunden, mit dem reaktiven Schmelzklebstoff verklebt und sofort weiterverarbeitet werden.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Schmelzklebstoffe zusätzlich Füllstoffe, Katalysatoren, Alterungsschutzmittel oder andere Hilfsstoffe enthalten.
3. Verfahren nach mindestens einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass gleiche oder unterschiedliche Substrate aus Metallen, Glas, Holz, Papier, Keramik, Leder oder Kunststoffen verklebt werden."
Zur Begründung ihrer Beschwerde hat die Patentinhaberin vorgetragen, die Druckschrift (1) als dem Patentgegenstand am nächsten kommende Literaturstelle stehe der antragsgemäßen Lehre deswegen nicht patenthindernd entgegen, weil ein Schmelzklebeverfahren unter Einsatz der nunmehr definierten Hydroxylpolyester unter den nunmehr definierten Verfahrensbedingungen weder vorbeschrieben sei noch nahegelegen habe.
Die Einsprechende hat dem Vorbringen der Patentinhaberin widersprochen und im wesentlichen geltend gemacht, dass der Gegenstand der geltenden Anspruchsfassung nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Die nach nunmehr geltendem Patentanspruch 1 einzusetzenden Schmelzklebstoffe gehörten nämlich zum Offenbarungsgehalt von (1) und zum Auffinden ihrer kurzen Abbindezeiten und ihrer Verwendung in Verfahren mit Taktzeiten entsprechend dieser kurzen Abbindezeiten habe es keiner erfinderischen Leistung bedurft.
Die Patentinhaberin erklärt die Teilung des Patents. Hierzu erklärt sie:
"Ich trenne den Gegenstand des Anspruchs 5 der Patentschrift DE 38 27 224 C2 ab. Für den Fall der Nichtwirksamkeit der Teilungserklärung verzichte ich auf den abgetrennten Teil."
Die Patentinhaberin stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:
Patentansprüche 1-3 und Beschreibung S 2-5, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung.
Die Einsprechende stellt den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II Die Beschwerde der Patentinhaberin ist zulässig (PatG § 73). Sie ist nach Beschränkung des Patentgegenstands auch begründet.
Bezüglich der Offenbarung des Gegenstands der Patentansprüche 1 bis 3 bestehen keine Bedenken, da dessen Merkmale sowohl aus den ursprünglich eingereichten Unterlagen (vgl die ursprünglichen Ansprüche 1, 8 und 9 iVm S 2 Z 5-6, S 2 Z 10-11, S 4 Z 37-38, S 5 Z 2 und den Beispielen) als auch aus der deutschen Patentschrift DE 38 27 224 C2 (vgl die Ansprüche 1, 6 und 7 iVm S 2 Z 46, S 3 Z 14 und den Beispielen) zu entnehmen bzw daraus herleitbar sind.
Der mit Eingabe vom 21. Oktober 2002 eingereichte Versuchsbericht ist sowohl hinsichtlich der Herstellungsparameter als auch hinsichtlich der Versuchsdurchführung zur Feststellung von "Abbindegeschwindigkeiten" nicht vollkommen mit den streitpatentgemäßen Versuchen vergleichbar und kann daher die Nacharbeitbarkeit des Patentgegenstands nicht in Frage stellen.
Die Neuheit des Schmelzklebeverfahrens nach geltendem Patentanspruch 1 ist anzuerkennen:
In DE 26 09 266 C2 (1) wird zwar gelehrt, ua auch Schmelzklebstoffe gemäß der Definition nach dem geltenden Patentanspruch 1 einzusetzen, aber nicht in Verfahren serienmäßiger Fertigung mit Taktzeiten, die sich an einer Abbindegeschwindigkeit von 1 bis 2 Sekunden orientieren.
Auch ansonsten sind keine Druckschriften eingeführt worden, die Gegenstände mit allen Merkmalen des geltenden Patentanspruchs 1 enthielten.
Die Zusammensetzung gemäß Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Als Aufgabe ist die Bereitstellung eines Schmelzklebeverfahrens zu betrachten, bei dem hochelastische, feuchtigkeitsvernetzende Schmelzklebstoffe eingesetzt werden, die ohne weitere Zusätze von Polymeren und/oder Harzen ein rasches Abbinden nach der Applikation gewährleisten, um bei serienmäßiger Fertigung hohe Taktgeschwindigkeiten zu erreichen (Streitpatent S 2 Z 23-26). Zu lösen hat sie ein Chemiker mit Erfahrung auf dem Gebiet der Schmelzklebstoffe.
Weder in (1) alleine noch in Zusammenschau mit anderen Druckschriften findet er eine Anregung, dass unter Einsatz der mit dem geltenden Patentanspruch 1 definierten Schmelzklebstoffe Abbindezeiten von 2 Sekunden erreichbar gewesen wären und bei serienmäßiger Fertigung darauf abgestimmte hohe Taktgeschwindigkeiten gefahren werden könnten.
Die Lehre von (1) ist nämlich insgesamt darauf gerichtet, mit einem Zeitaufwand, der weit über einen Sekundenmaßstab hinausgeht (vgl die in den Tabellen I und II genannten "Aushärtungs-" "Aktivierungs-" und "RHA-Abbindungs"-Zeiten), die Isocyanatgruppen des aufgetragenen Schmelzklebers unter Kettenverlängerung reagieren zu lassen (vgl Anspruch 1 b)), und nach einem weiteren Schritt der Wärmeaktivierung (vgl Anspruch 1 c)) den Klebstoff in der Klebefuge unter Druck aushärten zu lassen. Kurze Abbindezeiten sind eher unerwünscht (vgl (1) S 3 Z 2-4).
Schmelzkleber aus Rohstoffkombinationen, die mit Wasser zu kurzen Abbindezeiten führen würden (zB bei Verwendung von reinem Diphenylmethandiisocyanat als -NCO-Komponente), werden demzufolge auch durch geeignete Maßnahmen (Zumischen von Tolylendiisocyanat) zu Gunsten größerer Standfestigkeit auf geringere Reaktionsgeschwindigkeiten eingestellt (vgl (1) S 4 Z 64-68).
Nach alledem ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 patentfähig.
Das gleiche gilt für die weiteren, auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 und 3, welche bevorzugte, nicht selbstverständliche Ausführungsformen des Patentgegenstands betreffen.
Kahr Jordan Klante Kellner Pü
BPatG:
Beschluss v. 24.10.2002
Az: 15 W (pat) 32/01
Link zum Urteil:
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