Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. Juli 2009
Aktenzeichen: 7 W (pat) 333/05
(BPatG: Beschluss v. 08.07.2009, Az.: 7 W (pat) 333/05)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in dem Beschluss vom 8. Juli 2009, Aktenzeichen 7 W (pat) 333/05, entschieden, dass das Patent 196 42 930 mit einigen Änderungen aufrecht erhalten wird. Die Änderungen beziehen sich auf den neuen Patentanspruch 1, die neuen Patentansprüche 2 bis 17, die geänderte Beschreibung und die Zeichnungen laut dem erteilten Patent. Gegen die Erteilung des Patents wurde Einspruch erhoben mit der Begründung, dass der Gegenstand des Patents nicht patentfähig sei. Es wurden verschiedene Dokumente genannt, die als Stand der Technik gelten. Die Einsprechende macht geltend, dass der Gegenstand des Streitpatents nicht neu oder erfinderisch sei. Der Patentinhaber hingegen widerspricht dieser Behauptung in allen Punkten und beantragt, dass das Patent mit den genannten Änderungen aufrecht erhalten wird. Das Bundespatentgericht war dafür zuständig, die Entscheidung zu treffen und konnte dies auch nach der Aufhebung der Übergangsvorschriften aufgrund des Grundsatzes der "perpetuatio fori" tun. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch wurde teilweise begründet. Die geltenden Patentansprüche sind zulässig und offenbaren die Merkmale des Patents. Das Patent stellt eine patentfähige Erfindung dar und ist gewerblich anwendbar. Der Gegenstand des Patentanspruchs ist neu, da keine der genannten Dokumente alle Merkmale des Patentanspruchs offenbaren. Die einsprechende Schrift offenbart nicht das Merkmal, dass der bewegliche Widerlagerteil im Sinne des Unterbindens einer Bewegung quer zur Biegeebene mit der beweglichen Backe verriegelt ist. Die genannten Stand der Technik Dokumente weisen ebenfalls nicht alle Merkmale des Patentanspruchs auf. Die Profilleistenbiegevorrichtung gemäß dem Patent ist nicht naheliegend, da keine der genannten Druckschriften Hinweise darauf gibt. Die Entscheidung des Bundespatentgerichtes betrifft auch die Patentansprüche 2 bis 17, die auf den Patentanspruch 1 rückbezogen sind und somit ebenfalls bestehen bleiben.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 08.07.2009, Az: 7 W (pat) 333/05
Tenor
Das Patent 196 42 930 wird mit den folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht erhalten:
-Neuer Patentanspruch 1 in der in der mündlichen Verhandlung überreichten, als "4. Hilfsantrag" bezeichneten Fassung -Neue Patentansprüche 2 bis 17 in der in der mündlichen Verhandlung überreichten Fassung -in der mündlichen Verhandlung überreichte geänderte Beschreibung -Zeichnungen laut erteiltem Patent.
Gründe
I.
Gegen die Erteilung des Patents DE 196 42 930 mit der Bezeichnung "Vorrichtung zum Biegen oder Krümmen von Hohlprofilleisten", veröffentlicht am 11. November 2004, ist Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, dass der Gegenstand des Patents nicht patentfähig sei.
Zum Stand der Technik hat die Einsprechende folgende Dokumente genannt:
EP 0 483 044 A2 (D1) EP 0 459 971 A1 (D2) IT 1 266 133 B (D3), mit beglaubigter Übersetzung (D3a) DE 41 16 268 A1 (D4) DE 41 16 521 A1 (D5) EP 0 582 064 A1 (D6)
Die Einsprechende macht geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei nach den §§ 1 bis 5 PatG nicht patentfähig. Insbesonders sei er gegenüber den Gegenständen der Druckschriften EP 0 483 044 A2 (D1) und IT 1 266 133 B (D3) nicht neu und auch gegenüber dem weiteren im Verfahren aufgezeigten Stand der Technik zumindest nicht erfinderisch.
Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent 196 42 930 zu widerrufen.
Der Patentinhaber, der in der mündlichen Verhandlung einen neuen Anspruch 1 sowie angepasste Patentansprüche 2 bis 17 überreicht und im Übrigen der Ansicht der Einsprechenden in allen Punkten widersprochen hat, stellt den Antrag, das Patent 196 42 930 mit den folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:
- Neuer Patentanspruch 1 in der in der mündlichen Verhandlung überreichten, als "4. Hilfsantrag" bezeichneten Fassung - Neue Patentansprüche 2 bis 17 in der in der mündlichen Verhandlung überreichten Fassung - in der mündlichen Verhandlung überreichte geänderte Beschreibung - Zeichnungen laut erteiltem Patent.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet:
Vorrichtung zum Biegen von Hohlprofilleisten (12) mit Klemmund Führungsbacken (20, 21), von welchen wenigstens eine (21) zum Verändern des gegenseitigen Abstandes der Klemmund Führungsbacken (20, 21) relativ zur anderen Backe (20) verstellbar ist, mit einem Biegewiderlager (1), das aus zwei Widerlagerteilen (2, 3) besteht, und mit einem verschwenkbaren Biegehebel, dadurch gekennzeichnet, -dass die Widerlagerteile (2, 3) von den Klemmund Führungsbacken (20, 21) unabhängige Bauteile sind, die relativzu den Klemmund Führungsbacken (20, 21) in der Biegeebene verstellbar sind, -dass der eine Widerlagerteil (2) an einem Träger (4) montiertist und dass der andere Widerlagerteil (3) relativ zu dem am Träger (4) montierten Widerlagerteil (2) in einer Richtung (Pfeil 5) senkrecht zur Biegeebene verstellbar ist,
-und dass der bewegliche Widerlagerteil (3) wenigstens in der Wirklage des Biegewiderlagers (1) im Sinne des Unterbindens einer Bewegung quer zur Biegeebene mit der beweglichen Backe (21) verriegelt ist.
Weitere Ausgestaltungen der Profilleistenbiegevorrichtung nach dem geltenden Patentanspruch 1 enthalten die Merkmale der auf diesen Anspruch direkt oder indirekt rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 17.
In der Streitpatentschrift (DE 196 42 930 B4) ist als Aufgabe der Erfindung genannt, ausgehend von der aus der EP 0 483 044 B1 bekannten Biegemaschine eine verbesserte Vorrichtung zum Biegen von Hohlprofilleisten anzugeben, mit der sowohl scharfwinkelige Ecken als auch gekrümmte Abschnitte in Hohlprofilleisten, wie sie beispielsweise für das Herstellen von Abstandhalterrahmen für Isolierglasscheiben verwendet werden, erzeugt werden können (Abs. [0006]).
Für weitere Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Der Senat ist für die Entscheidung im vorliegenden Einspruchsverfahren auch nach der -mit Wirkung vom 1. Juli 2006 erfolgten -Aufhebung der Übergangsvorschriften des § 147 Abs. 3 PatG auf Grund des Grundsatzes der "perpetuatio fori" gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO analog i. V. m. § 99 Abs. 1 PatG zuständig (vgl.
BGH GRUR 2009, 184, 185 -Ventilsteuerung; GRUR 2007, 862 f. -Informationsübermittlungsverfahren II).
Der fristund formgerecht erhobene Einspruch ist teilweise begründet.
Die geltenden Patentansprüche sind - unstreitig -zulässig. Ihre Merkmale sind in der Streitpatentschrift und auch in den ursprünglichen Unterlagen offenbart.
Als Fachmann für die Profilleistenbiegevorrichtung nach dem Streitpatent wird ein Dipl.-Ing. des Maschinenbaus mit mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der spanlosen Blechbearbeitung und Kenntnissen der Profilbiegetechnik zugrundegelegt.
Der Gegenstand des angefochtenen Patents nach dem geltenden Anspruch 1 ist gewerblich anwendbar und stellt auch eine patentfähige Erfindung i. S. d. §§ 1 bis 5 PatG dar.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist -unstreitig -neu, da aus keiner der zum Stand der Technik genannten Druckschriften alle Merkmale dieses Patentanspruchs hervorgehen. Das Merkmal, dass der bewegliche Widerlagerteil wenigstens in der Wirklage des Biegewiderlagers im Sinne des Unterbindens einer Bewegung quer zur Biegeebene mit der beweglichen (Spann-)Backe verriegelt ist, ist aus dem entgegengehaltenen Stand der Technik nicht bekannt. Die von der Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung dazu angeführte Schrift IT 1 266 133 B mit ihrer deutschen Übersetzung (D3a) offenbart gemäß der Beschreibung S. 4, Abs. 3 i. V. m. Fig. 1 lediglich die Verwendung zweier vorzugsweise druckluftbetätigter Stempel (als "erste Mittel" bezeichnet). Derartige, schräg angeordnete und fluidisch betätigte Einheiten können zwar eine Kraftkomponente quer zur Biegeebene ausüben, jedoch findet keine der Definition einer "Verriegelung" entsprechende unnachgiebige, formschlüssige Bewegungskoppelung eines Niederhalters mit der beweglichen Backe statt, wie im Anspruch 1 des Streitpatents gefordert.
Die Schrift EP 0 483 044 A2 D1) zeigt zwei stets ortsfest an den Spannbacken verbleibende, nietartige Biegewiderlager, während die Schriften EP 0 459 971 A1 (D2), DE 41 16 268 A1 (D4) und DE 41 16 521 (D5) nur einen einzigen, sich im Wesentlichen über die ganze Breite der Hohlprofilleiste erstreckenden und zudem nicht mit den Backen verriegelten "Niederhalter" aufweisen.
Die Schrift EP 0 582 064 A1 (D6) weist lediglich einen in Biegequerrichtung verschiebbaren, durch die Klemmund Führungsbacken durchgehenden Biegedorn und nicht, wie der Gegenstand des Streitpatents, zwei getrennte, von den Klemmund Führungsbacken unabhängige Widerlagerteile auf.
Die Profilleistenbiegevorrichtung nach Anspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, da die Entgegenhaltungen dem Durchschnittsfachmann keine Anregungen zu ihrem Auffinden geben können.
Die Druckschrift EP 0 459 971 A1 (D2) beschreibt den nächstliegende Stand der Technik. Sie zeigt in Übereinstimmung mit dem Gegenstand nach Anspruch 1 eine Profilleistenbiegevorrichtung mit in der Breite einstellbaren (also an die jeweiligen Werkstücke anpassbaren) Klemmund Führungsbacken, mit einem Biegewiderlager, sowie mit einem verschwenkbaren Biegehebel (vgl. Anspruch 6 i. V. m. Fig. 3).
Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 unterscheidet sich damit vom Gegenstand der Schrift D2 im Wesentlichen dadurch,
- dass das Biegewiderlager (Niederhalter) zweiteilig aufgebautist,
- dass der eine Widerlagerteil an einem Träger montiert ist,
- dass der andere Widerlagerteil relativ zu dem am Trägermontierten Widerlagerteil in einer Richtung senkrecht zur Biegeebene verstellbar ist, und - dass der bewegliche Widerlagerteil wenigstens in der Wirklage des Biegewiderlagers im Sinne des Unterbindens einer Bewegung quer zur Biegeebene mit der beweglichen Backeverriegelt ist.
Damit wird eine einfache, an die Einspannbreite der Spannbacken zwangsläufig gekoppelte Anpassung des Abstandes der Biegewiderlager an unterschiedliche Breiten der Profilleisten, also ein konstanter Abstand der Biegewiderlager von den jeweiligen Klemmund Führungsbacken, ermöglicht. Gleichzeitig wird dadurch während der Biegephase, also im Zeitpunkt der stärksten Beanspruchung der Biegewiderlager, eine sichere Fixierung des in Richtung der Profilleistenbreite beweglichen Biegewiderlagers gegen eine unbeabsichtigte Verstellung erreicht.
Diese vorteilhaften Wirkungen werden auch durch eine Kombination der Lehren nach Schrift D2 und Schrift EP 0 483 044 A2 (D1) nicht erreicht. Aus der Schrift D1 ist im Unterschied zur D2 ein zweistückiger Aufbau der Biegewiderlager (Biegestifte) bekannt, die hier als nietartige, fest an den Klemmund Führungsbacken angebrachte Stifte ausgebildet sind. Damit sind zwar zwei weitere Unterschiedsmerkmale, nämlich dass der erste Widerlagerteil an einem Klemmbacken montiert ist und dass der andere (zweite) Widerlagerteil relativ zu dem ersten Widerlagerteil in einer Richtung senkrecht zur Biegeebene verstellbar ist, aus der Schrift D2 offenbart. Es fehlt einer derartigen fachmännischen Kombination jedoch noch immer das vierte wesentliche Unterschiedsmerkmal, nämlich eine Verriegelung zwischen dem beweglichen Biegewiderlager und der beweglichen Backe, um eine Bewegung des beweglichen Biegewiderlagers quer zur Biegeebene während des Biegevorgangs zu verhindern. Diese bekannte Lösungen liefern dem Fachmann somit weder Hinweise noch Anregungen auf die Merkmale nach Anspruch 1 des Streitpatents, das eine Widerlager fest am Träger zu montieren und das andere Widerlager analog zur Profilleistenbreite zwar in der Breite beweglich, aber wenigstens während des Biegevorgangs mit der beweglichen Backe verriegelt auszubilden. Denn nur durch eine derartige Ausbildung kann sowohl eine einfache Anpassung des Abstandes der Biegewiderlager an unterschiedliche Breiten der Profilleisten, als auch während des Biegevorgangs eine sichere Fixierung des in Richtung der Profilleistenbreite beweglichen Biegewiderlagers erreicht werden.
Auch die italienische Schrift IT 1 266 133 B (D3a) kann zum Auffinden dieses Merkmals nichts beitragen. Aufgrund ihres andersartigen Aufbaus mit zwei unabhängigen, geneigten Stempeln fehlen dieser Schrift schon die wesentlichen Merkmale des Gegenstandes nach dem angefochtenen Anspruch 1, dass die beiden Biegewiderlager an einem Träger montiert und von den Klemmund Führungsbacken unabhängige Bauteile sind. Die Verwendung zweier schräg angeordneter, vorzugsweise druckluftbetätigter Stempel ("erste Mittel") als Niederhalter (Beschreibung S. 4, Abs. 3 i. V. m. Fig. 1), kann lediglich eine kraftschlüssige, aber keine anspruchsgemäße unnachgiebige, formschlüssige Verriegelung zwischen dem beweglichen Niederhalter und der jeweils "zugehörigen" Spannbacke nahelegen.
Auch die weiter ab liegenden Schriften DE 41 16 268 A1 (D4), DE 41 16 521 (D5) und EP 0 582 064 (D6) gehen bezüglich der oben genannten Merkmale aufgrund ihres einteiligen Niederhalters über den Offenbarungsumfang der Schrift D2 nicht hinaus und können deshalb ebenfalls keinen Beitrag zur Auffindung der erfindungsgemäßen Lösung nach Anspruch 1 leisten.
Ohne Hinweise oder Anregungen aus dem bekannten Stand der Technik bedurfte es deshalb erfinderischer Überlegungen, um zur Maßnahmenkombination gemäß Anspruch 1 des Streitpatents zu kommen.
Die Patentansprüche 2 bis 17 sind auf den Patentanspruch 1 rückbezogen. Mit dessen Rechtsbeständigkeit haben daher auch diese Ansprüche Bestand.
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BPatG:
Beschluss v. 08.07.2009
Az: 7 W (pat) 333/05
Link zum Urteil:
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