Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg:
Beschluss vom 22. Februar 1990
Aktenzeichen: 8 S 3111/87
(VGH Baden-Württemberg: Beschluss v. 22.02.1990, Az.: 8 S 3111/87)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Die vorliegende Gerichtsentscheidung betrifft einen Anfechtungsrechtsstreit gegen den Planfestsetzungsbeschluss für einen Flughafenausbau, der Landwirte betrifft, deren Grundstücke enteignet werden sollen. Die Kläger hatten Zweifel an der Besetzung der Richterbank bei der Festsetzung des Streitwertes geäußert. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat deshalb erneut darüber entschieden und festgestellt, dass auch die Nebenentscheidungen über Streitwert und Kosten zu den Streitigkeiten im Sinne des Gesetzes zur Entlastung der Verwaltungsgerichte gehören. Der alte Beschluss ist damit überholt.
Des Weiteren wurde geprüft, ob es einen Verstoß gegen das Grundgesetz gibt. Die Kläger behaupteten, dass nur eine Partei angehört worden sei, was sich jedoch als unrichtig erwiesen hat. Das beklagte Land hatte die Kläger aufgefordert, den Wert der besetzen Grundstücke anzugeben. Die Kläger hatten darauf geantwortet, dass sie die betroffenen Kläger zusammengefasst haben und der Umfang der Betroffenheit aus dem Planfeststellungsbeschluss und der Klagebegründung hervorgeht. Die Werte der Grundstücke sind dem Land bekannt, jedoch kann bei der Anfechtungsklage gegen den Planfeststellungsbeschluss nur der halbe Wert der Grundstücke angesetzt werden.
Der Berichterstatter hat das Land um Mitteilung der Verkehrswerte gebeten, welche zwischen 25 und 55 DM für die betroffenen Grundstücke lagen. Der 5. Senat des Verwaltungsgerichtshofs hat diese Angaben zur Grundlage der Streitwertfestsetzung gemacht und nur 5 DM als Streitwert angesetzt. Die Kläger hatten die Auffassung, dass der 5. Senat den Streitwert vor der Festsetzung mitteilen müsste, aber das Gericht hat festgestellt, dass den Klägern bekannt war, was sie zu erwarten hatten, da es eine gefestigte Praxis für die Streitwertfestsetzung gibt. Die Tatsache, dass der Bundesverwaltungsgerichtshof inzwischen den vollen Verkehrswert ansetzt, spielt in diesem Fall keine Rolle, da der 5. Senat ohnehin nur einen geringen Bruchteil des Verkehrswerts angesetzt hat.
Des Weiteren wurde darauf hingewiesen, dass die Festsetzung des Streitwerts nicht vom Bestehen eines Pachtverhältnisses abhängt. Die Kläger hatten vielmehr dem Pachtland eine existenzerhaltende Bedeutung beigemessen, was auch von der Planfeststellungsbehörde berücksichtigt wurde. Daher wurde ein Betrag von 5 DM pro Quadratmeter Pachtland angesetzt, was am unteren Ende einer angemessenen Streitwertfestsetzung liegt.
Die Behauptung, die Streitwertfestsetzung sei eine "Bestrafung" der Kläger oder ein unüberschaubares Risiko, wurde als unbegründet angesehen. Jeder enteignend betroffene Bürger weiß, dass der Verkehrswert der betroffenen Grundstücksflächen in der Regel Grundlage der Bemessung des Streitwerts und des Kostenrisikos ist.
Der Hinweis der Kläger auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Verfassungsbeschwerdeverfahren gegen eine Teststrecke wurde zurückgewiesen, da diese Entscheidung nur für dieses spezifische Verfahren gilt. Die Praxis der obersten Fachgerichte legt fest, dass die Gegenleistung nicht berücksichtigt wird. Die Streitwertfestsetzung wurde außerdem als unabhängig davon angesehen, ob die anderen Verfahrensbeteiligten von Rechtsanwälten vertreten werden oder nicht.
Zusammenfassend gelten die vom 5. Senat des Verwaltungsgerichtshofs festgesetzten Werte weiterhin.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
VGH Baden-Württemberg: Beschluss v. 22.02.1990, Az: 8 S 3111/87
1. Zur Streitwertfestsetzung im Anfechtungsrechtsstreit gegen den Planfestsetzungsbeschluß für einen Flughafenausbau von mit enteignender Vorwirkung betroffenen Landwirten.
Gründe
1. Wegen der von den Klägern geäußerten Zweifel an der vorschriftsmäßigen Besetzung der Richterbank bei dem Streitwertfestsetzungsbeschluß des 5. Senats vom 28. Dezember 1989 entscheidet der nach dem Geschäftsverteilungsplan für das Jahr 1990 nunmehr für Rechtsstreitigkeiten aus dem Luftverkehrsrecht zuständige 8. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg erneut. Er geht hierbei davon aus, daß zu den Streitigkeiten im Sinne des § 9 EntlastG auch die Nebenentscheidungen über Streitwert und Kosten gehören.
Der alte Beschluß ist damit überholt.
2. Der vom Prozeßbevollmächtigten der Kläger behauptete Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt nicht vor. Der diesbezügliche Vortrag in der Gegenvorstellung vom 15.2.1989 gibt den Sachverhalt unvollständig wieder. Insbesondere die Behauptung, es sei nur eine Partei gehört worden, ist unrichtig. Das beklagte Land hatte mit Schriftsatz vom 31.10.1989 darum gebeten, "die Kläger aufzufordern, die in Anspruch genommenen Eigentums- und Pachtflächen zu quantifizieren und deren Wert anzugeben, ggf. auch den Wert darauf befindlicher Gebäude, ...". Dieser Schriftsatz ist den Prozeßbevollmächtigten der Kläger durch Verfügung vom 2.11.1989 mit der Bitte um Äußerung bis zum 1.12.1989 übersandt worden. Die Kläger haben sich hierzu mit Schriftsatz vom 15.11.1989 wie folgt geäußert:
In diesem Verfahren haben wir die grundstücksbetroffenen Kläger zusammengefaßt. Das Ausmaß der Betroffenheit ergibt sich aus dem Planfeststellungsbeschluß und unserer Klagebegründung. Wir sehen keine Veranlassung, dies zu wiederholen.
Die Werte der Grundstücke auf den F sind dem Land bekannt. Bei der Anfechtungsklage gegen den Planfeststellungsbeschluß kann jedoch nicht der volle in Anspruch genommene Grundstückswert in Ansatz gebracht werden, sondern nur der hälftige Wert."
Demgemäß hat der Berichterstatter das Land um Mitteilung der Verkehrswerte gebeten. Für F., O. und S., in denen die Grundstücke der betroffenen Kläger liegen, wurden Werte zwischen 25.-- DM und 55.-- DM übermittelt. Diese Angaben -- an deren Richtigkeit zu zweifeln kein Anlaß bestand und besteht -- hat der 5. Senat sodann zur Grundlage der Streitwertfestsetzung gemacht; er hat dabei in Ausübung des ihm eingeräumten Ermessens allerdings nur einen Bruchteil der angegebenen Beträge, nämlich 5.-- DM seiner Streitwertfestsetzung zugrundegelegt. Hieran hält auch der 8. Senat fest.
Die Vorstellung der Kläger, der 5. Senat hätte vor der Beschlußfassung den von ihm ins Auge gefaßten Streitwert den Beteiligten zur Vermeidung einer "Überraschungsentscheidung" mitteilen müssen, entbehrt jeglicher rechtlichen Substanz, denn die Kläger wußten nach ihrem eigenen Vorbringen, womit sie zu rechnen hatten. Denn für die Streitwertfestsetzung bei Planungsentscheidungen mit enteignender Vorwirkung gab es eine gefestigte Praxis des Bundesverwaltungsgerichts und des 5. Senats, die von den Klägern in der oben wiedergegebenen Stellungnahme auch ausdrücklich angesprochen wurde. Das Bundesverwaltungsgericht ist davon zwar inzwischen abgegangen und legt nunmehr den vollen Verkehrswert zugrunde (Beschl. v. 20.12.1988 -- 4 B 211.88 -- UPR 1989, 273 = NVwZ-RR 1989, 458) und der 5. Senat hat sich dem angeschlossen (Beschl. v. 29.8.1989 -- 5 S 2133/89 --). Da der 5. Senat in dem beanstandeten Streitwertfestsetzungsbeschluß jedoch ohnedies nur einen geringen Bruchteil des auf den F. für Ackerland geltenden Verkehrswerts angenommen hat, spielt diese Änderung der Streitwertfestsetzungspraxis vorliegend keine Rolle.
Die in der Gegenvorstellung der Kläger in Ansehung des Pachtlands enthaltene Bezugnahme auf § 16 GKG geht fehl, denn vorliegend war nicht das Bestehen oder die Dauer eines Pachtverhältnisses im Streit. Die Kläger haben vielmehr dem Pachtland in ihrer Klagebegründung existenzerhaltende Bedeutung beigemessen. Davon ist auch die Planfeststellungsbehörde bei der Ermittlung der Existenzgefährdung ausgegangen, und dies war auch Gegenstand der Überprüfung und Entscheidung des 5. Senats in seinem Urteil vom 19.6.1989. Der deshalb auch pro Quadratmeter Pachtland angesetzte Betrag von 5.-- DM liegt mithin an der unteren Grenze einer die geltend gemachten Belange beachtenden Streitwertfestsetzung.
Die Behauptung, die Festsetzung des Streitwerts durch den 5. Senat stelle sich als eine "Bestrafung" der Kläger dar, entbehrt ebenso der Grundlage wie die weitere These, es werde mit dieser Streitwertfestsetzungspraxis den Klägern ein "unüberschaubares Risiko" aufgebürdet. Denn jeder enteignend betroffene Bürger weiß -- oder muß sich dies doch von seinen Prozeßbevollmächtigten sagen lassen --, daß nach dem Gerichtskostengesetz und der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes grundsätzlich der Verkehrswert der in Anspruch genommenen Grundstücksflächen Grundlage der Bemessung des Streitwerts und damit auch des Kostenrisikos ist.
Der Hinweis der Kläger auf die Gegenstandswertfestsetzung durch das Bundesverfassungsgericht im Verfassungsbeschwerdeverfahren gegen die Teststrecke Boxberg (Beschl. v. 28.2.1989 -- 1 BvR 1046/85 -- NJW 1989, 2048) kann zu keiner anderen Beurteilung führen. Die genannte Entscheidung ist zu § 113 Abs. 2 S. 3 BRAGO ergangen, die nur für das Verfassungsbeschwerdeverfahren gilt. Das Bundesverfassungsgericht hat darin das subjektive Interesse der Beschwerdeführer allerdings nicht nur am Substanzverlust orientiert -- es hat entgegen dem Vortrag der Kläger seine Entscheidung allerdings nicht unabhängig vom Wert der betroffenen Flächen gefällt -- sondern es hat vielmehr auch berücksichtigt, daß den Klägern eine Entschädigung gewährt wird. Dies mag für das Verfassungsbeschwerdeverfahren seine Berechtigung haben, es entspricht jedoch nicht der Praxis der obersten Fachgerichte des Bundes, nämlich des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 20.12.1988 a.a.O.) und des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ 68,100, 106), die eine Berücksichtigung der Gegenleistung ablehnen. Von dieser Praxis abzugehen sieht der Senat keinen Anlaß.
Schlichtweg ausgeschlossen erscheint es dem Senat, die Streitwertfestsetzung davon abhängig zu machen, ob die anderen Verfahrensbeteiligten von Rechtsanwälten vertreten werden oder nicht, wie es die Kläger offensichtlich für angezeigt erachten.
Nach alledem gelten die im Beschluß vom 28.12.1989 festgesetzten Werte:
VGH Baden-Württemberg:
Beschluss v. 22.02.1990
Az: 8 S 3111/87
Link zum Urteil:
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