Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 6. Februar 2012
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 42/11
(BGH: Beschluss v. 06.02.2012, Az.: AnwZ (Brfg) 42/11)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 6. Februar 2012 entschieden, dass der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs abgelehnt wird. Der Kläger hatte die Zulassung der Berufung beantragt, nachdem die Beklagte seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls widerrufen hatte. Der Antrag des Klägers bleibt jedoch ohne Erfolg, da keine ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen. Der Anwaltsgerichtshof hatte zu Recht festgestellt, dass der Kläger in Vermögensverfall geraten ist, da es trotz behaupteter hoher Einnahmen zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen ihn gekommen war und Forderungen offenstanden. Der Kläger hatte argumentiert, dass die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet seien, da er aus der Geschäftsführung einer Partnerschaftsgesellschaft ausgeschlossen wurde. Dieses Vorbringen wurde jedoch als unerheblich angesehen. Der Bundesgerichtshof stellte weiterhin fest, dass der Anwaltsgerichtshof keine Verfahrensfehler begangen hat und der Kläger seinen Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzt wurde. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Kosten des Zulassungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt und der Wert des Verfahrens wird auf 50.000 Euro festgesetzt. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs bestätigt somit das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BGH: Beschluss v. 06.02.2012, Az: AnwZ (Brfg) 42/11
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. Mai 2011 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger ist seit 1977 im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 14. Februar 2011 widerrief die Beklagte die Zulassung wegen Vermögensverfalls. Die Klage gegen diesen Bescheid ist erfolglos geblieben. Nunmehr beantragt der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.
II.
Der Antrag des Klägers ist nach § 112e Satz 1 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft. Er bleibt jedoch ohne Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht.
a) Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (BVerfGE 110, 77, 83; BVerfG, NVwZ 2000, 1163, 1164; NVwZ-RR 2008, 1; NJW 2009, 3642; vgl. ferner BVerwG, NVwZ-RR 2004, 542 f.; Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, § 112e BRAO Rn. 77).
b) Der Kläger bestreitet, jemals in Vermögensverfall geraten zu sein, und beanstandet, dass der Anwaltsgerichtshof seine Einnahmesituation, insbesondere die Gebührenvereinbarung mit einem spanischen Investor, bei der Feststellung des Vermögensverfalls im Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung nicht in seine Entscheidungsfindung einbezogen habe. Dies trifft jedoch so nicht zu. Der Anwaltsgerichtshof hat die tatsächlichen Voraussetzungen eines Vermögensverfalls - zu Recht - deshalb als erfüllt angesehen, weil es trotz der behaupteten hohen Einnahmen vielfach zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Kläger gekommen war und die im Einzelnen dargelegten Forderungen offenstanden.
Auf die Frage, ob der Vermögensverfall nachträglich entfallen ist, kommt es aus Rechtsgründen nicht an. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist nach der mit Wirkung ab 1. September 2009 erfolgten Änderung des Verfahrensrechts allein auf den Abschluss des Verwaltungsverfahrens abzustellen. Die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (BGH, Beschluss vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, NJW 2011, 3234).
c) Der Kläger meint weiter, die Interessen der Rechtsuchenden seien nicht gefährdet, weil er durch Vertrag vom 24. Mai 2011 von der Geschäftsführung der Partnerschaftsgesellschaft ausgeschlossen worden sei und sich zudem einer Stimmrechtsbindung unterworfen habe. Dieses Vorbringen ist unerheblich. Der Vertrag vom 24. Mai 2011 schließt eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden am 14. Februar 2011, dem maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids, nicht aus.
2. Der Kläger hat keinen Verfahrensfehler dargelegt, auf dem die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
a) Der Anwaltsgerichtshof hat die Verhandlung nicht verfahrensfehlerhaft in öffentlicher Sitzung durchgeführt.
aa) Gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 173 Satz 1 VwGO, § 169 Satz 1 GVG ist die Verhandlung vor dem Anwaltsgerichtshof öffentlich. Unter bestimmten Voraussetzungen (vgl. § 171b Abs. 1 GVG) kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden; die Öffentlichkeit ist auszuschließen, wenn die Voraussetzungen des § 171b Abs. 1 Satz 1 GVG vorliegen und der Ausschluss von 6 der Person, deren Lebensbereich betroffen ist, beantragt wird (§ 171b Abs. 2 GVG). Weitere Ausschlussgründe sind in § 172 GVG normiert.
An diese Vorschriften hat sich der Anwaltsgerichtshof gehalten. Dem Protokoll zufolge wurde öffentlich verhandelt, zeitweilig aber die Öffentlichkeit ausgeschlossen, um dem Kläger Gelegenheit zu geben, seinen Vortrag zu ergänzen. Von dieser Möglichkeit hat der Kläger, wie sich ebenfalls aus dem Protokoll ergibt, auch Gebrauch gemacht, bevor die Öffentlichkeit wieder hergestellt wurde.
bb) Der Grundsatz der öffentlichen Verhandlung (§ 112c BRAO, § 173 VwGO, §§ 169 ff. GVG) verstößt nicht gegen das Grundgesetz.
Der Kläger meint, die Aufhebung der Vorschrift des § 40 Abs. 3 Satz 1 BRAO a.F., nach welcher die mündliche Verhandlung vor dem Anwaltsgerichtshof nicht öffentlich war, berücksichtige nicht, dass ein Rechtsanwalt gegenüber dem Vorwurf, in Vermögensverfall geraten zu sein, typischerweise Einzelheiten zu laufenden Mandaten vortragen müsse, was einen Verstoß gegen berufsrechtliche Verschwiegenheitspflichten bedeute. Zudem sei die Hauptverhandlung vor dem Anwaltsgericht nach wie vor nicht öffentlich (§ 135 Abs. 1 Satz 1 BRAO); diese Differenzierung sei sachlich nicht begründet.
Damit hat der Kläger eine Verletzung von Grundrechten nicht dargetan. Insbesondere verstößt die neue gesetzliche Regelung nicht gegen das Willkürverbot des Art. 3 GG. Der Gesetzgeber hat das vom Kläger angesprochene Problem der anwaltlichen Schweigepflichten gesehen und durch die Bezugnahme auf die bereits zitierten Vorschriften der §§ 171b, 172 GVG gelöst. In der amtlichen Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung von 11 Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung, der Finanzgerichtsordnung und kostenrechtlicher Vorschriften heißt es dazu (BT-Drucks. 16/11385, S. 30 unter gg):
"Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist der Schutz der Privatsphäre über § 173 VwGO i.V.m. den §§ 171b, 172 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) gewährleistet. Ein Rückgriff auf die erst nach Inkrafttreten der BRAO geschaffenen §§ 171b und 172 GVG bietet auch in Verfahren nach der BRAO angemessenen und ausreichenden Schutz. Einzelfallbezogen und beschränkt auf die betroffenen Verfahrensteile kann so die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. In den Verfahren zur Beseitigung von Berufserlaubnissen anderer freier Berufe, in denen vergleichbar sensible Sachverhalte erörtert werden, haben sich diese Bestimmungen als genügend erwiesen. Weder die Stellung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte als Organe der Rechtspflege noch der Umstand, dass in einzelnen Verfahren Tatsachen zu erörtern sind, die der anwaltlichen Verschwiegenheit unterliegen, rechtfertigen - wie auch der Vergleich mit den beamtenrechtlichen Disziplinarstreitigkeiten und dem Strafprozess erweist - eine abweichende Regelung in der BRAO."
Diese Erwägungen lassen erkennen, dass der Gesetzgeber einen angemessenen Ausgleich der widerstreitenden Interessen angestrebt und mit den geschaffenen Regelungen gefunden hat. Von Willkür kann keine Rede sein.
Aus diesem Grunde kann der Kläger für seine Rechtsauffassung auch daraus nicht ableiten, dass § 135 BRAO für das anwaltsgerichtliche Verfahren nach wie vor die nichtöffentliche Durchführung der Hauptverhandlung vor dem Anwaltsgericht anordnet. Ob diese Regelung auf sachgerechten Erwägungen beruht, ist für die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Ausgestaltung des Öffentlichkeitsgrundsatzes durch § 112c BRAO i.V.m. § 173 VwGO ohne Bedeutung.
cc) Der Kläger legt in seinem Zulassungsantrag schließlich nicht dar, welchen Vortrag er gehalten hätte, wenn die Öffentlichkeit entgegen den Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes durchgehend ausgeschlossen worden wäre. Er beschränkt sich auf allgemeine Hinweise zu Außenständen und Erwerbsaussichten, die sich - wären sie bereits in der mündlichen Verhandlung erfolgt - auf die Entscheidung nicht ausgewirkt hätten.
b) Der Anwaltsgerichtshof hat nicht gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) verstoßen.
aa) Im Antrag auf Zulassung der Berufung wegen eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) muss substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich 16 dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (BVerwG, NJW 1997, 3328; Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, § 112e Rn. 82).
bb) Diesen Voraussetzungen genügt der Zulassungsantrag nicht. Der Anwaltsgerichtshof hat den Kläger durch Verfügung des Vorsitzenden vom 4. April 2011 darauf hingewiesen, dass Vortrag zu Zahlungen und Ratenvereinbarungen belegt werden müsse. Nachdem die Klagebegründung vorlag, hat die Berichterstatterin mit Verfügung vom 20. Mai 2011 beanstandet, dass jegliche Zahlungsnachweise sowie Belege hinsichtlich der Einhaltung der behaupteten Raten- und Rückzahlungsvereinbarungen fehlten. Gleichwohl hat der Beklagte sein Vorbringen nicht belegt. Beweiserhebungen von Amts wegen - etwa die Einholung von Auskünften der betroffenen Gläubiger oder von den kontoführenden Banken - waren nicht veranlasst. Der Kläger wäre schon im Widerrufsverfahren gemäß § 32 Satz 1 BRAO, § 26 Abs. 2 VwVfG gehalten gewesen, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken und insbesondere ihm bekannte Tatsachen und Beweismittel mitzuteilen. Diese Mitwirkungslast setzte sich im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof fort; denn es ging um Vorgänge, die nur dem Kläger bekannt waren oder die jedenfalls nur mit seiner Hilfe zuverlässig ermittelt werden konnten.
cc) Entgegen der Ansicht des Klägers war der Anwaltsgerichtshof nicht verpflichtet, gemäß § 87b Abs. 1 Satz 1, § 82 Abs. 2 VwGO eine Frist zur Beibringung der Nachweise nebst Belehrung über die Folgen der Fristversäumnis zu setzen. § 87b VwGO regelt den Ausschluss verspäteten Vorbringens. Die Vorschrift räumt dem Gericht in den Absätzen 1 und 2 zur Beschleunigung des Verfahrens die Befugnis ein, für den Vortrag von Tatsachen und die Beibringung von Beweismitteln Fristen zu setzen und verbindet damit in Absatz 3 die 20 Möglichkeit Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der Frist vorgebracht werden, zurückzuweisen und ohne weitere Ermittlungen zu entscheiden, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt. Eine Verpflichtung des Gerichts zur Fristsetzung sieht das Gesetz aber nicht vor.
Im Ergebnis geht der Hinweis des Klägers auf § 87b VwGO auch deshalb fehl, weil keine Erklärungen und Beweismittel wegen Nichteinhaltung einer Frist zurückgewiesen worden sind. Der Kläger hat vielmehr die erforderlichen Nachweise überhaupt nicht vorgelegt - weder mit der Klagebegründung noch auf die Verfügung der Berichterstatterin hin noch im Termin.
d) Der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) wurde nicht verletzt. Der Kläger beanstandet, der Anwaltsgerichtshof habe seinen Vortrag im Kern verkannt und deshalb die entscheidungserhebliche Fragestellung verfehlt. Der Kern seines Vorbringens liege darin, dass er sich zwar in einer angespannten finanziellen Situation befinde, diese jedoch aufgrund seiner Kapitaldienstfähigkeit beherrschen und durch außerordentliche Einnahmen in absehbarer Zeit zur Gänze überwinden könne. Damit rügt der Kläger keine Verfahrensgrundrechtsverletzung, sondern bezweifelt nur die Richtigkeit des Subsumtionsschlusses des Anwaltsgerichtshofs. Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, den Tatsachenvortrag der Partei zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen, nicht jedoch, den Rechtsansichten der Partei zu folgen.
3. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
a) Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 291; BVerfG, NVwZ 2009, 515, 518; BVerwG, NVwZ 2005, 709). Zur schlüssigen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung gehören Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage sowie ihre Bedeutung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen oder ihre Auswirkung auf die Allgemeinheit; begründet werden muss auch, warum ein korrigierendes Eingreifen des Berufungsgerichts erforderlich ist.
b) Die vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen sind nicht klärungsbedürftig oder stellen sich im vorliegenden Fall nicht.
aa) Soweit es die Aufhebung des § 40 Abs. 3 Satz 1 BRAO a.F., nach welchem die mündliche Verhandlung im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof nicht öffentlich war, und die Neuregelung in § 112c Abs. 1 VwGO anbelangt, die der Senat nicht für verfassungswidrig hält (s.o.), legt der Kläger nicht dar, dass seine gegenteilige Ansicht in Rechtsprechung oder Literatur überhaupt vertreten wird; ein Klärungsbedarf besteht damit nicht.
bb) Die Frage, wie sich Beweisanzeichen im Hinblick auf den Amtsermittlungsgrundsatz von den gesetzlichen Vermutungstatbeständen des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO abgrenzen lassen, ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hinreichend geklärt. Ein Vermögensverfall ist gegeben, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Beschluss vom 16. April 2007 - AnwZ (B) 6/06, ZVI 2007, 619 Rn. 5 m.w.N.). Ob ein Beweisanzeichen allein oder in Verbindung mit weiteren Beweisanzeichen sowie dem sonstigen Sachverhalt den Schluss auf die Haupttatsache zulässt, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalls. Vermutet wird der Vermögensverfall, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet oder der Rechtsanwalt in das vom Insolvenzgericht oder vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis eingetragen ist (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Der Rechtsanwalt kann diese gesetzliche Vermutung widerlegen.
Das Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht vom 30. Juli 2009 (BGBl. I 2449) hat an diesen Grundsätzen nichts geändert. Der Kläger verkennt, dass im bisherigen Verfahrensrecht ebenfalls der Amtsermittlungsgrundsatz galt (§ 40 Abs. 4 BRAO a.F., § 12 FGG). Danach hatte das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zu veranstalten und die geeignet erscheinenden Beweise aufzunehmen. Ergänzend galt die § 26 Abs. 2 VwVfG nachgebildete Vorschrift des § 36a Abs. 2 BRAO a.F., wonach der Rechtsanwalt an der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken sollte. Die Ersetzung dieser Vorschrift durch § 32 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 26 Abs. 2 VwVfG hat ebenfalls keine Änderung zur Folge (vgl. BT-Drucks. 16/11385, S. 36). 28 cc) Eine Konkretisierung der zeitlichen Komponente des Merkmals "Vermögensverfall" in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist weder möglich noch erforderlich. Ob ein Vermögensverfall vorliegt, wenn der Rechtsanwalt im maßgeblichen Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung seine Verbindlichkeiten nicht bedienen konnte, aber Einnahmen erwartete und erwarten konnte, die dies ändern würden, ist aufgrund einer Würdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu entscheiden.
dd) Die Frage, ob eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch das Ausscheiden aus der Geschäftsführung der Partnerschaft sowie den Abschluss einer Stimmbindungsvereinbarung ausgeschlossen werden kann, stellt sich im vorliegenden Fall nicht. Der Vertrag über das Ausscheiden des Klägers aus der Geschäftsführung der Partnerschaft und die Stimmrechtsbindung ist am 24. Mai 2011, damit erst nach Erlass des Widerrufsbescheides vom 14. Februar 2011 geschlossen worden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Tolksdorf Lohmann Fetzer Wüllrich Stüer Vorinstanz:
AGH Hamm, Entscheidung vom 27.05.2011 - 1 AGH 14/11 - 32
BGH:
Beschluss v. 06.02.2012
Az: AnwZ (Brfg) 42/11
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