Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. August 2008
Aktenzeichen: 23 W (pat) 36/08
(BPatG: Beschluss v. 21.08.2008, Az.: 23 W (pat) 36/08)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in seinem Beschluss vom 21. August 2008 das Patent mit dem Aktenzeichen 23 W (pat) 36/08 widerrufen. Das Streitpatent mit der Bezeichnung "Verfahren zur dynamischen Routenempfehlung" wurde am 13. Juni 1996 angemeldet und am 26. Juni 1997 erteilt. Gegen das Patent haben zwei Unternehmen Einspruch erhoben und den Antrag gestellt, das Patent zu widerrufen. Sie haben dabei auf verschiedene Druckschriften verwiesen, um die mangelnde Neuheit und erfinderische Tätigkeit des Patents zu argumentieren. Das Deutsche Patent- und Markenamt hat das Patent jedoch mit Beschluss vom 6. Februar 2004 aufrechterhalten. Gegen diesen Beschluss hat eine der Einspruchsinhaberinnen Beschwerde eingelegt.
Das Bundespatentgericht hat in seiner Entscheidung festgestellt, dass der Einspruch zulässig ist und die Widerrufsgründe der mangelnden Neuheit und erfinderischen Tätigkeit substantiiert dargelegt wurden. Es wurde auch festgestellt, dass die geltenden Ansprüche im Einspruchsverfahren nicht in Frage gestellt wurden und daher im Beschwerdeverfahren nicht überprüft werden können. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur dynamischen Routenempfehlung im innerstädtischen Bereich. Es wurden verschiedene Verfahrensweisen beschrieben, bei denen entweder das Navigationssystem im Fahrzeug oder eine Zentrale die Routenempfehlung berechnet. Das Streitpatent unterscheidet sich von einer bekannten Druckschrift lediglich dadurch, dass anstatt der aktuellen Position des Fahrzeugs die voraussichtliche Position zum Zeitpunkt der Antwort der Zentrale übermittelt wird.
Das Bundespatentgericht kam zu dem Schluss, dass das Verfahren nach dem Streitpatent nicht auf einer erfinderischen Leistung beruht. Die Vorgehensweise, die im Streitpatent beschrieben wird, ist bereits in einer bekannten Druckschrift offenbart und erfordert keine erfinderische Tätigkeit. Daher wurde das Patent widerrufen.
Insgesamt hat das Bundespatentgericht entschieden, dass das Patent widerrufen wird, da es nicht auf einer erfinderischen Leistung beruht.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 21.08.2008, Az: 23 W (pat) 36/08
Tenor
1. Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. Februar 2004 wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.
Gründe
I.
Das Patent 196 23 666 (Streitpatent) wurde am 13. Juni 1996 beim Deutschen Patent- und Markenamt mit der Bezeichnung "Verfahren zur dynamischen Routenempfehlung" angemeldet. Die Prüfungsstelle für Klasse G08G des Deutschen Patent- und Markenamts hat im Prüfungsverfahren auf den Stand der Technik gemäß den Druckschriften
(1) DE 195 19 066 A1,
(2) DE 41 39 581 A1 und
(3) DE 44 29 322 A1 hingewiesen und das Streitpatent mit Beschluss vom 26. Juni 1997 erteilt. Die Patenterteilung wurde am 20. November 1997 veröffentlicht.
Gegen das Patent haben die D... GmbH (Einsprechende I)
und die M... AG (Einsprechende II)
jeweils Einspruch erhoben, eingegangen am 13. Februar 1998 bzw. am 20. Februar 1998. Sie haben beantragt, das Patent mangels Neuheit bzw. erfinderischer Tätigkeit in vollem Umfang zu widerrufen.
Die Einsprechende I hat neben der von der Anmelderin in der Beschreibungseinleitung genannten
(D1) DE 29 23 634 C2 und den von der Prüfungsstelle genannten Druckschriften
(D2) DE 195 19 066 A1,
(D3) DE 44 29 322 A1 und
(D4) DE 41 39 581 A1 noch auf die Entgegenhaltungen
(D5) WO 95/21 435 A1,
(D6) WO 92/10 808 A1,
(D7) EP 0 715 289 A2 und
(D8) J. W. M. Biesterbos et al: "SOCRATES: A dynamic car navigation, driver information and fleet management system", Philips Journal of Research, Vol. 48, No. 4 (1 January 1994), S. 299 - 313, XP000495036 verwiesen.
Die Einsprechende II hat zur Begründung ihres Einspruchs ebenfalls auf die Druckschriften (D1) bis (D4) hingewiesen.
Die Patentinhaberin hat im Einspruchsverfahren die Aufrechterhaltung des Patents in vollem Umfang beantragt.
Mit Beschluss vom 6. Februar 2004, beiden Einsprechenden zugestellt am 10. März 2004, hat die Patentabteilung 32 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent in vollem Umfang aufrechterhalten, da das Verfahren nach Anspruch 1 des Streitpatents gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik neu sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns beruhe.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beschwerde der Einsprechenden I vom 7. April 2004, beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen per Telefax am 8. April 2004. Die Einsprechende I firmiert zu diesem Zeitpunkt als T... Deutschland GmbH.
Die Patentinhaberin ist zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen. Auf die ordnungsgemäße Terminsladung hat sie mit Schreiben vom 18. August 2008 mitgeteilt, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde. In diesem und einem weiteren Schreiben vom 19. August 2008 Schreiben beantragt sie, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten.
Die Einsprechende I und Beschwerdeführerin beantragt in der mündlichen Verhandlung, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Der erteilte und unverändert geltende Patentanspruch 1 lautet:
"Verfahren zur dynamischen Routenempfehlung im innerstädtischen Bereich für ein Fahrzeug mit einem autarken Navigationssystem mittels eines Mobilfunkdienstes und einer Verkehrsleit- und Informationszentrale, wobei das Fahrzeug eine Navigations- und eine Mobilfunkeinrichtung aufweist, bei dem durch den Benutzer mit der Navigationseinrichtung über eine Mobilfunk-Schnittstelle über ein Mobilfunknetz und eine Verkehrsleit- und Informationszentrale im Dialog eine aktuelle Route angefordert wird, bei dem die Zieleingabe an jedem beliebigen Ort unabhängig von einer Mobilfunkverbindung zur Zentrale erfolgt, bei dem die Navigationseinrichtung zunächst rein autark aufgrund der gespeicherten Borddaten die Route zum eingegebenen Ziel berechnet, bei dem ferner zusammen mit einer Anfrage an die Zentrale statt der aktuellen die errechnete Position zum Zeitpunkt der erwarteten Antwort an das Fahrzeug übertragen wird, undbei dem die Daten der Routenempfehlung in Form von einer Folge von Streckenabschnitten an das Fahrzeug gegeben werden."
Hinsichtlich des geltenden Unteranspruchs 2 und weiterer Einzelheiten wird auf das Streitpatent i. V. m. dem Akteninhalt verwiesen.
II.
1. Die Zulässigkeit des Einspruchs ist zwar nicht angegriffen worden, jedoch ist diese auch im Beschwerdeverfahren von Amts wegen zu überprüfen, vgl. BGH BlPMZ 1972, 173, Leitsatz b) - "Sortiergerät".
Der form- und fristgerecht erhobene Einspruch ist zulässig. Die Einsprechenden haben innerhalb der Einspruchsfrist den in § 21 PatG genannten Widerrufsgrund der mangelnden Neuheit bzw. der mangelnden erfinderischen Tätigkeit geltend gemacht und diesen unter Hinweis auf den von ihnen druckschriftlich belegten Stand der Technik substantiiert, indem sie den Offenbarungsgehalt der Druckschriften in Bezug zu der im erteilten Anspruch 1 des Streitpatents gegebenen Lehre gesetzt haben. Sie haben damit die Tatsachen im Einzelnen angegeben, die die von ihnen behaupteten Widerrufsgründe begründen sollen, vgl. Schulte PatG, 7. Auflage, § 59 Rdn. 77 bis 82.
2. Die Zulässigkeit der geltenden Ansprüche ist im Einspruchsverfahren weder von den Einsprechenden noch von der Patentabteilung in Frage gestellt worden und damit im Einspruchsbeschwerdeverfahren vom Bundespatentgericht nicht zu überprüfen, vgl. BGH GRUR 1995, 333, Leitsatz 3 - "Aluminium-Trihydroxid".
3. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur dynamischen Routenempfehlung. Unter einer dynamischen Routenempfehlung wird eine Routenempfehlung verstanden, bei der bei der Berechnung des Routenvorschlags aktuelle Informationen bspw. über Baustellen und/oder Verkehrsbehinderungen berücksichtigt werden.
Bei herkömmlichen Navigationsverfahren berechnet das im Fahrzeug angeordnete Navigationssystem aus den Daten über den momentanen Standort und den Zielort autark einen Routenvorschlag, bei dem es die in seinem bordeigenen Datenspeicher abgespeicherte digitalisierte Straßenkarte zugrunde legt. Um bei einem solchen autarken System bei der Berechnung der Routenempfehlung auch aktuelle Informationen über Baustellen und/oder Staus berücksichtigen zu können, müssen entsprechende Informationen von einer Verkehrsleitzentrale bspw. über ein Mobilfunknetz an das System übermittelt werden. Diese Vorgehensweise setzt allerdings eine hohe Rechenkapazität des Navigationsgeräts im Fahrzeug voraus. Zudem kommt es zu Problemen, wenn die Zentrale, die die dynamischen Daten verwaltet und übermittelt, und das Navigationsgerät im Fahrzeug mit digitalen Straßenkarten unterschiedlichen Ausgabedatums arbeiten.
Bei anderen bekannten Navigationsverfahren wird der Routenvorschlag im Unterschied zu dieser Vorgehensweise vollständig von einer Zentrale berechnet. Das Navigationsgerät des Fahrzeugs übermittelt der Zentrale über ein Mobilfunknetz lediglich die Angaben über die aktuelle Fahrzeugposition und den gewünschten Zielort. Diese berechnet dann unter Berücksichtigung der aktuellen Verkehrsdaten eine Route und sendet die Routenempfehlung an das Navigationssystem des Fahrzeugs, das dann die Zielführung übernimmt.
Bei diesem Verfahren können insbesondere bei Fahrten im innerstädtischen Bereich Probleme entstehen, da sich das Fahrzeug in der Zeitspanne zwischen dem Absenden der Anfrage an die Zentrale und dem Eintreffen der Antwort am Fahrzeug weiterbewegt, so dass seine Position beim Eintreffen der Antwort nicht mehr mit der Position zum Zeitpunkt des Absendens der Anfrage übereinstimmt, die die Zentrale der Routenberechnung zugrunde gelegt hat. In einem dichten innerstädtischen Netz mit mehreren Fahrmöglichkeiten zum Ziel befindet sich das Fahrzeug beim Eintreffen der Antwort möglicherweise bereits auf einer anderen Route zum Ziel als der von der Zentrale zwischenzeitlich berechneten.
Zudem kann es vorkommen, dass sich das Fahrzeug in einem Mobilfunkloch befindet, so dass die Kommunikation zwischen Fahrzeug und Zentrale unterbrochen ist. In einem solchen Fall kann weder die Anfrage mit der Standortangabe und dem gewünschten Zielort an die Zentrale noch die Routenempfehlung an das Fahrzeug übermittelt werden, so dass der Fahrer zunächst auf sich allein gestellt ist und abwarten muss, bis der Mobilfunkkontakt hergestellt ist.
Dem Streitpatent liegt daher gemäß Sp. 2, Zeilen 23 bis 31 der Patentschrift als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, ein autarkes Navigationssystem unter Zuhilfenahme eines Mobilfunknetzes und einer Verkehrsleit- und Informationszentrale so auszubilden, dass eine dynamische Leitweglenkung von der Fahrzeugposition bis zu einem eingegebenen Ziel möglich ist. Auch beim absichtlichen oder unabsichtlichen Verlassen der empfohlenen Route soll der Fahrer des Fahrzeugs möglichst automatisch wieder auf eine dynamisch günstige Route geführt werden.
Gemäß dem erteilten Anspruch 1 des Streitpatents wird diese Aufgabe durch ein Verfahren zur dynamischen Routenempfehlung im innerstädtischen Bereich für ein Fahrzeug mit einem autarken Navigationssystem und einer Mobilfunkeinrichtung mittels eines Mobilfunkdienstes und einer Verkehrsleit- und Informationszentrale gelöst, bei dem durch den Benutzer mit der Navigationseinrichtung über eine Mobilfunk-Schnittstelle über ein Mobilfunknetz und eine Verkehrsleit- und Informationszentrale im Dialog eine aktuelle Route angefordert wird, die Zieleingabe an jedem beliebigen Ort unabhängig von einer Mobilfunkverbindung zur Zentrale erfolgt, die Navigationseinrichtung zunächst rein autark aufgrund der gespeicherten Borddaten die Route zum eingegebenen Ziel berechnet, zusammen mit einer Anfrage an die Zentrale statt der aktuellen die errechnete Position zum Zeitpunkt der erwarteten Antwort an das Fahrzeug übertragen wird, und bei dem die Daten der Routenempfehlung in Form einer Folge von Streckenabschnitten an das Fahrzeug gegeben werden.
4. Das von der Einsprechenden als unklar gerügte Teilmerkmal des erteilten Patentanspruchs 1 des Streitpatents, wonach "mit einer Anfrage an die Zentrale statt der aktuellen die errechnete Position zum Zeitpunkt der erwarteten Antwort an das Fahrzeug übertragen wird", versteht der Fachmann im Zusammenhang mit dem zum Verständnis der Patentansprüche heranzuziehenden Gesamtinhalt der Patentschrift - vgl. dort insbesondere Sp. 3, Zeilen 16 bis 21 - dahingehend, dass mit der Anfrage an die Zentrale nicht die aktuelle Position des Fahrzeugs übermittelt wird, sondern dessen voraussichtliche Position zum Zeitpunkt der erwarteten Antwort der Zentrale an das Fahrzeug, vgl. zum Verständnis von unklaren oder missverständlichen Angaben in Patentansprüchen gemäß dem Gesamtinhalt der Patentschrift BGH GRUR 2001, 232, Leitsatz - "Brieflocher".
Dabei ist der zuständige Fachmann beim vorliegenden Streitpatent als Hochschul- oder Fachhochschulingenieur der Informatik mit einigen Jahren Berufserfahrung auf dem Gebiet der Verkehrstelematik und der Entwicklung von Navigationssystemen zu definieren.
5. Das Verfahren nach dem geltenden Anspruch 1 beruht nicht auf einer erfinderischen Leistung des oben definierten Fachmanns.
Die Druckschrift (D2) offenbart in Übereinstimmung mit der im Anspruch 1 des Streitpatents gegebenen Lehre ein Verfahren zur dynamischen Routenempfehlung für ein Fahrzeug, das über ein autarkes Navigationssystem (fahrzeuginterne Zielführungseinrichtung mit Eingabeeinheit 1, Recheneinheit CPU 2, GPS-Positionsbestimmungssystem 3, digitalisierter Straßenkarte 4 auf CD-ROM, Ausgabeeinheit mit Display 5, Sende- und Empfangseinrichtung 6) verfügt und außer dieser Navigationseinrichtung auch eine Mobilfunkeinrichtung (Sende- und Empfangseinrichtung 6, als Funktelefon ausgebildet) aufweist. Dabei dient das Verfahren insbesondere auch zur Routenempfehlung im innerstädtischen Bereich, denn die digitalisierte Straßenkarte umfasst u. a. das Straßennetz aller Großstädte mit sämtlichen befahrbaren Straßen und Plätzen, vgl. die einzige Figur und Sp. 4, Zeilen 9 bis 35.
Die dynamische Routenempfehlung erfolgt - in weiterer Übereinstimmung mit der Lehre des Anspruchs 1 des Streitpatents - im Dialog mit einer Verkehrsleit- und Informationszentrale (Verkehrsleitsystem 10) mittels eines Mobilfunkdienstes nach Anforderung durch den Benutzer. Nach Eingabe einer Zielposition am Navigationssystem des Fahrzeugs durch den Benutzer berechnet dieses zunächst autark aufgrund der gespeicherten Borddaten eine Fahrtroute oder mehrere alternative Fahrtrouten zum Zielort und überträgt die entsprechenden Daten über die Mobilfunkschnittstelle und die Mobilfunkverbindung an die Verkehrsleitzentrale (10). Der Verkehrsrechner (7) der Zentrale (10) ermittelt daraufhin unter Berücksichtigung der aktuellen und/oder der prognostizierten Verkehrsdaten entweder eine möglichst günstige Fahrtroute oder wählt aus den mehreren vom Navigationssystem des Fahrzeugs übermittelten Fahrtrouten eine den jeweiligen Vorgaben des Benutzers am besten entsprechende Route aus und sendet die entsprechenden Informationen an das Fahrzeug, vgl. Sp. 4, Zeile 54 bis Sp. 5, Zeile 36.
Da das Navigationssystem des Fahrzeugs die Fahrtroute zu dem vom Benutzer eingegebenen Zielort autark berechnet und kein Datenaustausch mit der Zentrale notwendig ist, kann die Zieleingabe unabhängig von einer Mobilfunkverbindung an jedem beliebigen Ort erfolgen.
Da zudem die Fahrtroute als Vektorzug in Form von aufeinanderfolgenden Wegpunkten vom Verkehrsrechner an das Fahrzeug übermittelt wird und die Daten somit in Form von einer Folge von Streckenabschnitten an das Fahrzeug übertragen werden - vgl. hierzu in der Entgegenhaltung (D2) Sp. 5, Zeilen 46 bis 52 und den Patentanspruch 10 - , entspricht die in der Druckschrift (D2) gegebene Lehre auch bezüglich dieses Sachverhalts der im Anspruch 1 des Streitpatents gegebenen Lehre.
Somit unterscheidet sich das im Anspruch 1 des Streitpatents angegebene Verfahren zur dynamischen Routenempfehlung von dem in der Druckschrift (D2) offenbarten Verfahren lediglich dadurch, dass zusammen mit der Anfrage an die Zentrale statt der aktuellen Position des Fahrzeugs die für den Zeitpunkt der erwarteten Antwort der Zentrale errechnete Position übermittelt wird. Bei dem Verfahren nach der Druckschrift (D2) wird im Unterschied hierzu als Startposition nämlich jeweils die aktuelle geographische Position an die Zentrale (10) übertragen, die das Navigationssystem des Fahrzeugs über einen GPS-Empfänger (3) von einem Satelliten-Navigationssystem (Global Positioning System GPS) empfängt, vgl. Sp. 5, Zeilen 5 bis 12 sowie die Patentansprüche 2 und 15.
Diese Vorgehensweise beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns.
Wie oben bereits dargelegt, übermittelt das Navigationssystem des Fahrzeugs bei dem Verfahren nach der Druckschrift (D2) der Zentrale eine von ihm berechnete Fahrtroute an die Zentrale, für die die Zentrale die aktuellen und/oder prognostizierten Verkehrsdaten analysiert. Da eine Fahrtroute jeweils durch die an ihr liegenden Streckenabschnitte und Zwischenziele definiert wird, im innerstädtischen Bereich also durch die Folge von Straßen, Kreuzungen und/oder Plätzen entlang der Route, übermittelt das Navigationssystem des Fahrzeugs bei der Anfrage an die Zentrale zusammen mit der Information über die aktuelle Position des Fahrzeugs und den gewünschten Zielort auch Daten über diese Streckenabschnitte und Zwischenziele, die die vom Navigationssystem des Fahrzeugs berechnete Route definieren. Erst diese Informationen versetzen den Verkehrsrechner der Zentrale in die Lage, anhand der aktuell vorliegenden und/oder prognostizierten Daten festzustellen, ob entlang der vom Navigationssystem des Fahrzeugs berechneten Route ein Stau vorliegt oder sich ein Unfall ereignet hat.
Unter diesen an die Zentrale übermittelten Daten sind zwangsläufig auch Positionen von Zwischenzielen, die das Fahrzeug bei der Fahrt entlang der von ihm berechneten Route bis zum Eintreffen der Antwort der Zentrale erreichen wird. Eine dieser errechneten Positionen als zum Zeitpunkt der erwarteten Antwort der Zentrale voraussichtlich erreichtes Zwischenziel zu definieren und diese Position statt der aktuellen Position an die Zentrale zu übermitteln, bedarf für den oben definierten Fachmann keiner erfinderischen Tätigkeit. Hierzu genügt es nämlich, dass das Navigationssystem des Fahrzeugs einen (bei der Routenberechnung errechneten und an die Zentrale übermittelten) Straßenabschnitt als Startposition für die Routenüberprüfung der Zentrale vorgibt. Um nichts anderes geht es auch beim Gegenstand des Streitpatents, denn dort wird als Startposition lediglich ein Code eines Streckenabschnitts der zuvor vom Navigationssystem des Fahrzeugs berechneten Route an die Zentrale übermittelt, den das Fahrzeug voraussichtlich zum Zeitpunkt der Antwort erreicht, vgl. in der Patentschrift Sp. 3, Zeilen 16 bis 21.
Die Lehre des geltenden Anspruchs 1 beruht damit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns.
Der Patentanspruch 1 des Streitpatents ist somit nicht rechtsbeständig.
6. Mit dem Patentanspruch 1 fällt wegen der Antragsbindung auch der Unteranspruch 2, vgl. BGH GRUR 2007, 862, Leitsatz, 863, Tz 18 - "Informationsübermittlungsverfahren II".
7. Bei dieser Sachlage war das Patent zu widerrufen.
Dr. Tauchert Lokys Dr. Hock Brandt Me
BPatG:
Beschluss v. 21.08.2008
Az: 23 W (pat) 36/08
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