Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. Februar 2002
Aktenzeichen: 6 W (pat) 83/01
(BPatG: Beschluss v. 20.02.2002, Az.: 6 W (pat) 83/01)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in seinem Beschluss vom 20. Februar 2002, Aktenzeichen 6 W (pat) 83/01, die Beschwerde des Anmelders gegen den Beschluss der Patentabteilung 11 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. Juli 2001 aufgehoben und dem Anmelder Verfahrenskostenhilfe für das Erteilungsverfahren gewährt. Zudem wurde Frau Dipl.-Ing. Elke Petra als Verfahrensbevollmächtigte dem Anmelder beigeordnet.
Im konkreten Verfahren ging es um die Erteilung eines Patents für eine Vorrichtung zur Entsorgung von Urin über ein WC. Die Patentabteilung hatte den Antrag des Anmelders auf Verfahrenskostenhilfe abgelehnt, da der Anmelder nicht auf einen vorherigen Bescheid zurückerwider hatte. Gegen diesen Beschluss hatte der Anmelder Beschwerde eingelegt und beantragt, den Beschluss der Patentabteilung aufzuheben und den Antrag auf Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen.
Das Bundespatentgericht kam zu dem Schluss, dass der Antrag des Anmelders auf Verfahrenskostenhilfe gerechtfertigt ist. Gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 PatG kann der Anmelder Verfahrenskostenhilfe beantragen, wenn Aussicht auf Erteilung eines Patents besteht. Nach Prüfung der eingereichten Unterlagen und des Standes der Technik wurde festgestellt, dass genügend Aussicht auf Erteilung des Patents besteht.
Allerdings wies das Bundespatentgericht darauf hin, dass der Beschluss der Patentabteilung unzureichend begründet war. Der Bescheid der Patentabteilung enthielt lediglich die Nennung von vier Druckschriften, ohne jedoch genau darzulegen, welche Merkmale der Vorrichtung aus diesen Druckschriften entnehmbar sind. Daher hat die Patentabteilung den Anmelder zu Unrecht von der Verfahrenskostenhilfe ausgeschlossen, ohne den Anmeldungsgegenstand angemessen zu prüfen.
Aus Gründen der Verfahrensökonomie entschied das Bundespatentgericht jedoch, die Anmeldung nicht erneut zur Prüfung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen. Es stellte fest, dass keines der genannten Druckschriften den in den Anmeldeunterlagen angegebenen Merkmalen einer Waschbeckenstandsäule mit großer Standfläche auf einer dicken Gummidichtung und einem Endstück für den Abfluss entsprechen. Daher besteht eine ausreichende Aussicht auf Erteilung des Patents.
Aufgrund der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Anmelders und der Unfähigkeit, die Verfahrenskosten selbst zu tragen, wurde ihm Verfahrenskostenhilfe gewährt und Frau Dipl.-Ing. Elke Petra als Verfahrensbevollmächtigte beigeordnet.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 20.02.2002, Az: 6 W (pat) 83/01
Tenor
Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluß der Patentabteilung 11 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. Juli 2001 aufgehoben und dem Anmelder für das Erteilungsverfahren Verfahrenskostenhilfe gewährt.
Frau Patentanwältin Dipl.-Ing. Elke Petra wird dem Anmelder als Verfahrensbevollmächtigte beigeordnet.
Gründe
I Im Verfahren zur Erteilung eines Patents auf die Patentanmeldung 100 48 282.1 mit der Bezeichnung "Beistell-Standurinal, Vorrichtung in transportabler Bauweise zur Entsorgung von Urin über ein WC" hat die Patentanmeldung 11 des Deutschen Patent- und Markenamts mit Beschluß vom 2. Juli 2001 den Antrag des Anmelders auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe unter Hinweis auf die Gründe des Bescheids vom 12. Januar 2001 zurückgewiesen, nachdem der Anmelder sich auf diesen Bescheid nicht geäußert hatte.
Gegen diesen Beschluß der Patentabteilung richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Der Anmelder beantragt, den Beschluß der Patentabteilung 11 vom 2. Juli 2001 aufzuheben und den Antrag auf Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen.
Frau Patentanwältin Dipl.-Ing. E... hat mit Eingabe vom 12. Septem- ber 2001 das Einverständnis zur Beiordnung erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II Die Beschwerde ist zulässig und hat Erfolg.
1. Gemäß § 130 Abs 1 Satz 1 PatG kann der Anmelder Verfahrenskostenhilfe beantragen, wenn hinreichend Aussicht auf Erteilung eines Patents besteht. Der Vergleich des Anmeldungsgegenstandes gemäß den am Anmeldetag eingegangenen Unterlagen, die in ihrer Gesamtheit bei der Beurteilung der Erfolgsaussicht heranzuziehen sind, mit dem von der Patentabteilung entgegengehaltenen Stand der Technik ergibt, daß eine hinreichende Aussicht auf Erteilung eines Patents unterstellt werden kann.
2. Zwar leidet das Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt an dem wesentlichen Mangel, daß der angefochtene Beschluß nicht mit einer ausreichenden Begründung versehen ist. In dem Beschluß wird nämlich lediglich auf die Gründe des Bescheids der Patentabteilung vom 12. Januar 2001 verwiesen.
Dieser Bescheid erschöpft sich sachlich in der bloßen Nennung von vier Druckschriften und der Ausführung hierzu, wonach die Merkmale der beanspruchten Vorrichtung in transportabler Bauweise zur Entsorgung von Urin über ein WC aus diesen Druckschriften entnehmbar seien. Diesem Bescheid der Patentabteilung ist darüber hinaus nicht zu entnehmen, welche Merkmale der Vorrichtung nach der Patentanmeldung im einzelnen welcher der vier genannten Druckschriften entnehmbar sind.
Die Verfahrensweise der Patentabteilung im vorliegenden Fall veranlaßt den Senat darauf hinzuweisen, daß der Gesetzgeber dem Anmelder aufgrund seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse das Recht auf Verfahrenskostenhilfe zugebilligt hat, wenn eine hinreichende Aussicht auf Erteilung des Patents besteht. Dieses Erfordernis verpflichtet die Patentabteilung, den Gesamtinhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen sorgfältig daraufhin zu prüfen, ob in ihm ein Gegenstand enthalten ist, bei dem eine Aussicht auf Erteilung eines Patents besteht. Eine solche Prüfung ist regelmäßig dann nicht gegeben, wenn die Patentabteilung lediglich Druckschriften nennt und diese nicht in Bezug zu den Merkmalen des Anmeldungsgegenstands setzt, wie er sich aus der Gesamtheit der ursprünglichen Unterlagen ergibt. Dies trifft im vorliegenden Fall im Hinblick auf den angefochtenen Beschluß und den in Bezug genommen Bescheid der Patentabteilung zu. Im Ergebnis hat die Patentabteilung dem Anmelder die Verfahrenskostenhilfe verweigert, ohne den Anmeldungsgegenstand im einzelnen sachlich geprüft zu haben.
3. Gleichwohl sieht der Senat im vorliegenden Fall aus Gründen der Verfahrensökonomie davon ab, die Anmeldung gemäß § 79 Abs 3 Satz 1 Nr 2 PatG zur erneuten Prüfung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.
Die Patentabteilung hat in ihrem Bescheid vom 12. Januar 2001 folgende Druckschriften zum Stand der Technik benannt:
(E1) DE 299 03 235 U1,
(E2) DE 297 17 366 U1,
(E3) DE 296 13 744 U1 und
(E4) DE 296 04 300 U1.
Aus keiner dieser Druckschriften ist ein Beistell-Standurinal als bekannt zu entnehmen, welches wie die Vorrichtung nach der Patentanmeldung in Art einer Waschbeckenstandsäule (vgl S 1, Abs 5 der Beschreibung) ausgebildet ist, die mit großer Standfläche über eine dicke Gummilippe fest am Boden aufsteht (vgl Anspruch 9 und Seite 1, Abs 6) und einen Abfluß aufweist, dessen Endstück so flach und breit gestaltet ist, daß der WC-Deckel normal geschlossen werden kann (vgl S 1, Abs 12). Der Druckschrift E4 ist zwar ein transportables Beistell-Standurinal in Form einer Standsäule zur Entsorgung von Urin über ein WC-Becken entnehmbar. Diese Standsäule besteht jedoch aus einem gewichtigen flachen Fuß und einer an diesem Fuß befestigten dünnen Säule als Stativ, an der ein schmaler Trichter mit einem Abflußschlauch und eine Halterung für das Endstück des Abflußschlauches angebracht ist. Dieser Schlauch wird gemäß Figur 1 der E4 vor dem Gebrauch des Urinals über die Brille in das WC-Becken gehängt und nach Gebrauch, zumindest bei Benutzung des WC's, aus dem WC-Becken genommen und gemäß Figur 2 der E4 in die Halterung eingehängt. Somit sind weder der Druckschrift E4 noch den übrigen unter E1, E2 und E3 genannten Druckschriften die in den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen angegebenen Merkmale der Ausbildung eines Beistell-Standurinals in Form einer Waschbeckenstandsäule mit großer Standfläche auf einer dicken Gummidichtung sowie mit einem auch bei Gebrauch des Urinals in das WC-Becken reichenden Endstückes für den Abfluß als bekannt zu entnehmen. Der gegenüber dem Stand der Technik verbleibende Überschuß bietet somit eine hinreichende Aussicht auf Erteilung eines Patents.
Da der Anmelder ausweislich der derzeit vorliegenden Unterlagen nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht dazu in der Lage ist, die Verfahrenskosten selbst aufzubringen, war ihm Verfahrenskostenhilfe sowie die Beiordnung von Frau Patentanwältin Dipl.-Ing. E... gemäß § 133 PatG zu gewähren, da dies zur sachdienlichen Erledigung des Verfahrens erforderlich erscheint.
Riegler Heyne Trüstedt Sperling Cl
BPatG:
Beschluss v. 20.02.2002
Az: 6 W (pat) 83/01
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