Bundesgerichtshof:
Urteil vom 27. Juni 2002
Aktenzeichen: I ZR 19/00
(BGH: Urteil v. 27.06.2002, Az.: I ZR 19/00)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 27. Juni 2002, Aktenzeichen I ZR 19/00, das Urteil des Oberlandesgerichts München vom 18. November 1999 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 28. April 1999 wurde zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits wurden der Klägerin auferlegt.
In dem Rechtsstreit ging es um zwei örtliche Wettbewerber im Einzelhandel mit Artikeln der Unterhaltungselektronik. Die Beklagte hatte in einer Zeitungsanzeige am 19. November 1998 einen CD-Recorder beworben. Die Klägerin behauptete, dass das beworbene Gerät am Tag der Anzeige nicht vorrätig gewesen sei und somit die Beklagte gegen ihre Pflicht verstoßen habe, ausreichend Geräte zum Verkauf vorrätig zu halten. Die Klägerin beantragte daraufhin ein Verbot der Werbung und Schadensersatz.
Das Landgericht wies die Klage ab, während das Oberlandesgericht der Klage stattgab. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil des Oberlandesgerichts jedoch auf und wies die Klage der Klägerin zurück. Er stellte fest, dass die Werbung der Beklagten nicht als irreführend anzusehen sei, da das beworbene Gerät tatsächlich am Tag der Werbung vorrätig war. Es war jedoch umstritten, ob die telefonische Auskunft der Beklagten, dass das Gerät nicht vorrätig sei, irre führend war.
Der Bundesgerichtshof entschied, dass die Auskunft der Beklagten nicht als irre führend anzusehen sei, da sie einem interessierten Kunden erfahrungsgemäß davon abhalten würde, das Geschäft zu besuchen. Die falsche Auskunft der Beklagten verschaffte ihr keinen wettbewerblichen Vorteil, sondern schädigte eher ihre Mitbewerber.
Daher wurde das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Klage der Klägerin zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits wurden der Klägerin auferlegt.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BGH: Urteil v. 27.06.2002, Az: I ZR 19/00
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 18. November 1999 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Landshut vom 28. April 1999 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittel werden der Klägerin auferlegt.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Parteien waren im Jahre 1998 örtliche Wettbewerber beim Einzelhandel mit Artikeln der Unterhaltungselektronik.
Die Beklagte bewarb am 19. November 1998 in der "L. Zeitung" einen CD-Recorder Philips CDR 760 zum Preis von 799,--DM.
Die Klägerin hat behauptet, das beworbene Gerät sei am Tag des Erscheinens der Anzeige nicht im Geschäft der Beklagten vorrätig gewesen. Dies hätten sowohl der Besuch eines Testkäufers im Geschäft der Beklagten als auch die telefonische Anfrage eines weiteren Kaufinteressenten ergeben. Die Beklagte habe daher gegen ihre Pflicht, eine ausreichende Anzahl von Geräten am Werbetag zum Kauf vorrätig zu halten, verstoßen. Es sei dabei letztlich nicht entscheidend, ob das Gerät tatsächlich vorrätig gewesen sei; eine irreführende Werbung liege bereits dann vor, wenn das Personal -irrtümlich -annehme, die beworbene Ware sei nicht vorhanden und Interessenten auf Nachfrage eine entsprechende Antwort gebe.
Die Klägerin hat (zuletzt) beantragt, 1.
der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Artikel der Unterhaltungselektronik zu bewerben, soweit diese am Tag des Erscheinens der Werbung nicht zur sofortigen Mitnahme vorrätig sind;
2.
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die unter 1. geschilderte, seit 19. November 1998 erfolgte Wettbewerbshandlung entstanden ist und noch entsteht;
3.
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie Wettbewerbshandlungen gemäß Ziffer 1 seit dem 19. November 1998 begangen hat, wobei die Werbung nach Werbeträgern, Auflage der Werbeträger und Kalendervierteljahren aufzuschlüsseln ist.
Die Beklagte hat behauptet, sie habe am Werbetag vor Geschäftsbeginn zwei Geräte des beworbenen CD-Recorders im Laden aufgestellt bzw. auf Lager gehabt. Dies sei ausreichend gewesen, da die beiden Geräte erst nach einer Woche verkauft worden seien. Der Testkäufer der Klägerin habe nicht nach dem beworbenen CD-Recorder gefragt. Der Anrufer habe telefonisch nicht genügend nachgefragt. Da er den Namen seiner Auskunftsperson nicht angeben könne, bestehe die Möglichkeit, daß er nicht mit einem Verkäufer der zuständigen Abteilung gesprochen habe.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.
Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Gründe
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin könne die begehrte Unterlassung gemäß § 3 UWG verlangen. Dazu hat es ausgeführt:
Die Beklagte gebe mit ihrer Werbeanzeige gegenüber den Verbrauchern zu erkennen, daß sie die beworbenen Artikel auf jeden Fall am Tag der Werbung vorrätig habe und den Kunden nicht mangels Lieferbereitschaft abweisen werde.
Der Zeuge M. habe die Lieferbereitschaft der Beklagten getestet, den beworbenen Artikel aber nicht gesehen, obwohl er vorhanden gewesen sei. Dies reiche für eine Kundenabweisung nicht aus. Der Artikel müsse nicht augenfällig bereitgestellt werden. Der Verbraucher wisse und nehme an, daß er nach dem beworbenen Artikel fragen müsse, ehe er unverrichteter Dinge das Geschäft verlasse.
Eine Irreführung über das Vorrätigsein der beworbenen Ware sei jedoch im Fall der telefonischen Anfrage des Zeugen F. nach dem beworbenen CD-Recorder gegeben. Bei einer solchen -durchaus üblichen -Anfrage werde erwartet, daß die Ware vorhanden sei und die richtige Antwort gegeben werde. Der Zeuge habe von der zuständigen Abteilung der Beklagten die Auskunft erhalten, der CD-Recorder sei nicht auf Lager; die erwartete Lieferung werde erst noch eintreffen. Auch wenn die Ware vorrätig sei, müsse der Kaufmann sicherstellen, daß dem nachfragenden Kunden die richtige Antwort gegeben werde. Von der Erwartung des Kunden, eine zutreffende Auskunft zu erhalten, seien nur Fälle ausgenommen, in denen schuldlos eine fehlerhafte Auskunft erteilt werde. Eine derartige Sachverhaltsgestaltung sei im Streitfall nicht gegeben.
Wegen der wettbewerbswidrigen Werbung sei die Beklagte auch zum Schadensersatz verpflichtet, da sie die falsche Auskunft bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt hätte vermeiden können und müssen. Soweit die Schadensersatzpflicht bestehe, könne die Klägerin zudem Auskunft über den Umfang der Irreführung seit dem Tag des Erscheinens der beanstandeten Werbung verlangen.
II. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nicht stand. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung der landgerichtlichen Entscheidung.
1. Ohne Erfolg macht die Revision allerdings geltend, das Berufungsgericht hätte den Unterlassungsantrag und die darauf bezogenen weiteren Anträge bereits als unzulässig abweisen müssen, weil der im Unterlassungsantrag benutzte Begriff "Artikel der Unterhaltungselektronik" nicht dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genüge. Der Begriff "Artikel der Unterhaltungselektronik" umfaßt zwar neben CD-Recordern eine Vielzahl weiterer Produkte der Unterhaltungselektronik, ist aber inhaltlich genügend abgegrenzt, um sowohl für die Beklagte als auch gegebenenfalls für das Vollstreckungsgericht hinreichend deutlich zu machen, auf welche Produkte sich eine dem Klagebegehren entsprechende Verurteilung beziehen soll (vgl. BGH, Urt. v. 29.2.1996 -I ZR 6/94, GRUR 1996, 796, 797 = WRP 1996, 734 -Setpreis). Eine andere Frage ist es, ob die Klage unbegründet ist, weil die Fassung des Unterlassungsantrags von der konkreten Verletzungsform zu sehr abstrahiert und deshalb zu weit geht (vgl. BGH, Urt. v. 16.3.2000 -I ZR 229/97, GRUR 2002, 187, 188 = WRP 2000, 1131 -Lieferstörung, m.w.N.).
Ob die Klage -wie die Revision weiterhin vorbringt -wegen Rechtsmißbrauchs gemäß § 13 Abs. 5 UWG unzulässig ist, kann offenbleiben, da das Klagebegehren sich jedenfalls als unbegründet erweist (vgl. BGH, Urt. v. 10.12.1998 -I ZR 141/96, GRUR 1999, 509, 510 = WRP 1999, 421 -Vorratslücken, m.w.N.; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 13 Rdn. 52).
2. Die Revision wendet sich aber mit Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, das Unterlassungsbegehren sei gemäß § 3 UWG begründet.
a) Die Klägerin hat im Lauf des Rechtsstreits ihr eigenes Geschäft in E. auf einen Dritten übertragen. Die Frage, ob ihr schon deshalb kein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte wegen einer in deren L. Geschäft begangenen irreführenden Werbung zustehen kann, muß nicht entschieden werden, weil die Klage von Anfang an unbegründet war.
b) Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, daß eine Werbung grundsätzlich als irreführend zu beurteilen ist, wenn die angebotene Ware, die -wie hier -zum persönlichen Gebrauch bestimmt ist, entgegen einer durch die konkrete Werbemaßnahme hervorgerufenen Erwartung des Verkehrs zum angekündigten Zeitpunkt nicht oder nicht in genügender Menge im Verkaufslokal vorrätig ist und zur sofortigen Mitnahme bereitsteht (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 9.5.1996 -I ZR 107/94, GRUR 1996, 800, 801 = WRP 1996, 899 -EDV-Geräte; Urt. v. 30.10.1997 -I ZR 127/95, GRUR 1998, 949, 950 = WRP 1998, 598 -D-Netz-Handtelefon; BGH GRUR 1999, 509, 511 -Vorratslücken; BGH, Urt. v. 17.2.2000 -I ZR 254/97, GRUR 2000, 911, 912 = WRP 2000, 1248 -Computerwerbung). Für die Beurteilung der beanstandeten Werbung als irreführend kommt es gemäß § 3 UWG darauf an, welchen Inhalt das Publikum der Werbung entnimmt und ob dieser Eindruck mit der Wirklichkeit übereinstimmt (BGH GRUR 1998, 949, 950 -D-Netz-Handtelefon; BGH GRUR 2000, 911, 913 -Computerwerbung).
Das Berufungsgericht hat -von der Revisionserwiderung unbeanstandet -festgestellt, daß der beworbene CD-Recorder am Tag des Erscheinens der Werbeanzeige für Kaufinteressenten zum Erwerb und zur sofortigen Mitnahme zur Verfügung stand. Es hat zu Recht angenommen, daß eine Irreführung durch die Anzeige, mit der für den CD-Recorder geworben worden war, nicht damit begründet werden kann, daß der Testkäufer M. die Ware im Geschäft nicht gefunden hat.
c) Das Berufungsgericht hat den Unterlassungsantrag gleichwohl für begründet erachtet, weil dem Zeugen F. auf dessen telefonische Nachfrage von der zuständigen Fachabteilung der Beklagten die unrichtige Auskunft erteilt worden sei, der beworbene CD-Recorder sei nicht auf Lager; die erwartete Lieferung werde erst noch eintreffen. Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
aa) Mit seinem Urteil hat das Berufungsgericht nicht über einen Streitgegenstand entschieden, der nicht zur Entscheidung gestellt war. In erster Instanz war der Unterlassungsantrag allerdings im Tatsächlichen nur darauf gestützt, daß der Testkäufer den beworbenen CD-Recorder im Geschäft der Beklagten nicht gefunden habe. Das Vorbringen, dem Zeugen F. sei telefonisch eine falsche Auskunft erteilt worden, war lediglich als Beleg dafür vorgetragen worden, daß das Gerät im Geschäft nicht vorrätig gewesen sei.
Im Berufungsverfahren hat die Klägerin ihre Klage aber erweitert und nunmehr auch im Hinblick auf die unrichtige Auskunft, die dem Zeugen F. nach ihrer Behauptung erteilt worden sei, Unterlassung verlangt. Die Klägerin hat zwar den Wortlaut ihres Unterlassungsantrags diesem weiteren Begehren nicht angepaßt, ihrem Klagevorbringen ist aber zweifelsfrei zu entnehmen, daß sie nunmehr gerade auch deshalb Unterlassung verlangen wollte, weil die Beklagte wegen der behaupteten falschen Auskunft gegenüber dem Zeugen F. irreführend für den CD-Recorder geworben habe.
bb) Für die Prüfung, ob der Unterlassungsantrag begründet ist, kann unterstellt werden, daß das Berufungsgericht verfahrensfehlerfrei festgestellt hat, daß dem Zeugen F. bei seinem Anruf eine falsche Auskunft erteilt worden ist. Denn das Unterlassungsbegehren wäre entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch dann nicht gemäß § 3 UWG gerechtfertigt.
Die Auskunft, eine Ware sei nicht lieferbar, obwohl sie tatsächlich im Geschäft bereitliegt, ist zwar eine irreführende Angabe über die Vorratsmenge und wird deshalb vom Wortlaut des § 3 UWG erfaßt. Einer derartigen Irreführung fehlt jedoch die wettbewerbsrechtliche Relevanz, die für die Anwendung des § 3 UWG nach dessen Schutzzweck erforderlich ist. Das Verbot irreführender Angaben über die Menge der Vorräte soll verhindern, daß der Verbraucher durch solche Angaben angelockt, im Geschäft des Werbenden dann enttäuscht und gegebenenfalls veranlaßt wird, andere Waren zu kaufen (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 3 UWG Rdn. 360). Eine falsche telefonische Auskunft, eine Ware sei im Geschäft nicht vorrätig, hält jedoch einen interessierten Kunden erfahrungsgemäß gerade davon ab, das Geschäft aufzusuchen. Eine Irreführung dieser Art verschafft dem Wettbewerber deshalb keinen wettbewerblichen Vorteil zu Lasten seiner Mitbewerber, sondern schädigt ihn eher.
3. Den auf den Unterlassungsantrag bezogenen Anträgen auf Verurteilung der Beklagten zur Auskunftserteilung und auf Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht ist aus denselben Gründen nicht stattzugeben.
III.
Auf die Revision der Beklagten war danach das Berufungsurteil aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das landgerichtliche Urteil zurückzuweisen.
v.
Ungern-Sternberg Starck Pokrant Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
BGH:
Urteil v. 27.06.2002
Az: I ZR 19/00
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