Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. April 2011
Aktenzeichen: 9 W (pat) 364/06

(BPatG: Beschluss v. 14.04.2011, Az.: 9 W (pat) 364/06)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss vom 14. April 2011 das Patent widerrufen. Gegen das Patent hatte eine Einsprechende Einspruch eingelegt und argumentiert, dass die beanspruchte Vakuumpumpe nicht patentfähig sei, da sie bereits in einer anderen Druckschrift beschrieben werde. Die Patentinhaberin hat sich nicht zur Sache geäußert und beantragt, die Entscheidung nach Aktenlage zu treffen. Das Gericht hat festgestellt, dass die Vakuumpumpe tatsächlich nicht patentfähig ist, da sie nicht neu ist. Es stellt fest, dass alle Merkmale des Patentanspruchs bereits in einer anderen Druckschrift beschrieben sind. Diese bekannte Vakuumpumpe weist einen Hochvakuumbereich, einen Vorvakuumbereich und einen Antriebs- und Lagerbereich auf, und die drei Bereiche können thermisch behandelt werden. Außerdem sind zwei der Bereiche durch eine Freidrehung zwischen ihren Bauteilen thermisch voneinander isoliert. Da das Patent nicht patentfähig ist, werden auch die auf den Patentanspruch zurückbezogenen Unteransprüche widerrufen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 14.04.2011, Az: 9 W (pat) 364/06


Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I.

Die Einsprechende hat gegen das am 24. Januar 1997 angemeldete und am 19. Januar 2006 erteilte Patent mit der Bezeichnung

"Vakuumpumpe"

Einspruch eingelegt. Zur Begründung ihres Einspruchs verweist die Einsprechende u. a. auf folgende Druckschrift:

D1 EP0159464B1.

Nach Auffassung der Einsprechenden ist die mit dem Patentanspruch 1 beanspruchte Vakuumpumpe nicht patentfähig. Denn aus der EP 0 159 464 B1 (D1) sei eine Vakuumpumpe mit allen Merkmalen des Patentanspruchs 1 bekannt.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin hat sich inhaltlich zum Einspruchsvorbringen nicht geäußert. Auf die Ladung des Senats vom 6./7. Dezember 2010 zur mündlichen Verhandlung am 23. März 2011 hat die Patentinhaberin mit Schreiben vom 15. Februar 2011 erklärt, dass eine Teilnahme an der festgesetzten Verhandlung nicht beabsichtigt sei. Sie beantragt Entscheidung nach Aktenlage.

Daraufhin wurde der Termin der mündlichen Verhandlung aufgehoben.

Der Patentanspruch 1 des Streitpatents hat folgenden Wortlaut:

Vakuumpumpe bestehend aus einem Hochvakuumbereich (1) und einem Vorvakuumbereich (2), beide mit rotierenden und feststehenden Bauteilen, welche in ihrer Zusammenwirkung einen Pumpeffekt hervorrufen, weiterhin bestehend aus einem Antriebsund Lagerbereich (3), dadurch gekennzeichnet, dass die drei Bereiche so gestaltet und zueinander angeordnet sind, dass sie unterschiedlichen thermischen Behandlungen unterworfen werden können und dass mindestens zwei der Bereiche durch Freidrehungen (15, 16, 17), die zwischen ihren Bauteilen vorhanden sind, wodurch die Kontaktflächen der Bauteile der verschiedenen Bereiche auf ein Minimum begrenzt werden, thermisch voneinander isoliert sind.

Dem Patentanspruch 1 schließen sich die erteilten Patentansprüche 2 bis 9 als Unteransprüche an.

II.

Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts ist durch PatG § 147 Abs. 3 Satz 1 in den vom 1. Januar 2002 bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassungen begründet.

Der Einspruch ist zulässig. In der Sache hat der Einspruch Erfolg, da er zu einem Widerruf des Patents führt. Darauf, dass sich die Patentinhaberin im Verfahren zur Sache nicht geäußert hat, kommt es nicht an, da die Entscheidung von Amts wegen zu treffen ist (§ 61 Abs. 1 PatG).

1. Das Streitpatent betrifft eine aus einem Hochvakuumbereich, einem Vorvakuumbereich und einem Antriebsund Lagerbereich bestehende Vakuumpumpe.

Nach Absatz [0002] der Beschreibungseinleitung des Streitpatents bestehen solche Vakuumpumpen in der Regel aus einer Anzahl von Stufen, welche unterschiedlich gestaltet sein können und jeweils Rotorund entsprechende Statorteile aufweisen. Diese pumpaktiven Teile werden in axialer Richtung von dem zu fördernden Gas durchsetzt. Um optimale Pumpeigenschaften wie maximalen Gasdurchsatz und maximale Kompression zu erreichen, müssen die rotierenden Teile mit hoher Geschwindigkeit umlaufen. Die zu diesem Zweck benötigte Antriebsenergie wird nur zum Teil in kinetische Energie verwandelt. Ein großer Teil davon wird als Verlustwärme freigesetzt. Weitere unerwünschte Wärmemengen werden frei durch die Lagerung (mechanische Verluste durch Reibung in Kugellagern oder elektrische Verluste in Magnetlagern) oder bei der Kompression von Gasen. Diese Wärmequellen führen zu störenden Temperaturerhöhungen im Antriebsund Lagerbereich und in Bereichen der pumpaktiven Bauteile, in welchen sie nachteilige Auswirkungen haben können. Im Extremfall kann es zum Anlaufen des Rotors und zur Zerstörung der Pumpe kommen. Um eine Überhitzung von kritischen Bauteilen zu vermeiden, sind diese Pumpen mit Kühleinrichtungen ausgestattet.

Nach Absatz [0003] des Streitpatents kommen Vakuumpumpen zunehmend zur Anwendung bei Verfahren wie z.B. in chemischen Prozessen oder in der Halbleiterfertigung, bei denen große Mengen von leichtkondensierbaren Gasen anfallen. Dabei kann es zu Flüssigkeitsoder Feststoffabscheidungen in beträchtlichem Ausmaß kommen. Dadurch können Korrosionsund Ätzvorgänge hervorgerufen werden, welche zur Zerstörung einzelner Bauteile oder der ganzen Pumpe führen können. Durch die Ablagerung von Feststoffteilen werden insbesondere die sehr schmalen Spalte im Bereich der Molekularpumpen noch mehr verengt, was mit einer Leistungsabnahme oder im schlimmsten Fall mit der Zerstörung der Pumpe verbunden ist.

Die Erfindung hat sich zur Aufgabe gestellt, eine in einem weiten Druckbereich einsetzbare Vakuumpumpe vom Typ einer Reibungspumpe vorzustellen, bei welcher Flüssigkeitsund Feststoffabscheidungen weitgehend ausgeschlossen werden und gleichzeitig eine Überhitzung von gegenüber höheren Temperaturen empfindlichen Bauteilen vermieden wird. Dabei sollen die äußeren Abmessungen der Pumpe beibehalten und zusätzliche kritische Bauteile vermieden werden (Absatz [0008] des Streitpatents).

Diese Aufgabe wird durch eine Vakuumpumpe mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 des Streitpatents gelöst.

Durch die beanspruchte Ausgestaltung einer Vakuumpumpe wird erreicht, dass die drei Bereiche Hochvakuumbereich, Vorvakuumbereich und Motorund Lagerbereich thermisch entkoppelt werden, indem die Kontaktflächen zwischen mindestens zwei dieser Bereiche durch Freidrehungen minimiert werden. Daher kann der Hochvakuumbereich unabhängig vom Vorvakuumbereich und dem Motorund Lagerbereich thermisch so behandelt, das heißt kontrolliert gekühlt oder aufgeheizt werden, wie es der jeweilige Anwendungsfall und das jeweilige Stadium des Anwendungsprozesses erfordern. Das gleiche gilt für den Vorvakuumbereich. Zum Beispiel können hier, wo durch den erhöhten Druck Flüssigkeitsund Feststoffabscheidungen begünstigt sind, diese durch gezielte Erhöhung der Temperatur vermieden werden. Die Wärme, welche im Motorund Lagerbereich betriebsbedingt entsteht, wird weitgehend durch die Kühlung abgeführt, und ein unkontrollierter oder ungewollter Übergang von Wärme auf die anderen Bauteile wird vermieden.

2. Es kann dahin stehen, ob die erteilten Patentansprüche zulässig sind. Denn die mit dem erteilten Patentanspruch 1 beanspruchte Vakuumpumpe ist nicht patentfähig, da sie nicht neu ist.

Zuständiger Fachmann auf dem hier angesprochenen technischen Gebiet ist ein Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau, der über Erfahrung in der Entwicklung und Konstruktion von Vakuumpumpen verfügt.

Aus der EP 0 159 464 B1 (D1) ist eine Vakuumpumpe bekannt, die alle Merkmale des Oberbegriffs des Patentanspruchs 1 aufweist. Diese bekannte Vakuumpumpe weist einen Hochvakuumbereich und einen Vorvakuumbereich mit darin angeordneten rotierenden und feststehenden Bauteilen und einen Antriebsund Lagerbereich auf. Der Hochvakuumbereich wird dort von einer Turbomolekularpumpenstufe gebildet, die als rotierendes Bauteil einen Rotor 7 mit Rotorschaufeln 8 und als feststehendes Bauteil in einem Gehäuse 1 gehaltene Statorschaufeln 9 aufweist (Spalte 3, Zeilen 12 bis 15 mit Figur 1 der D1). Der Vorvakuumbereich besteht dort aus einer Molekularpumpenstufe, die als rotierendes Bauteil einen Rotor 6 mit gewindeähnlichen Nuten 13 und als feststehendes Bauteil einen Stator 14 aufweist (Spalte 3, Zeilen 18 bis 25 mit Figur 1 der D1). In beiden Pumpenstufen rufen die rotierenden und feststehenden Bauteile in ihrer Zusammenwirkung einen Pumpeffekt hervor, da sie zum Evakuieren eines Rezipienten Gas von der Hochvakuumseite zur Vorvakuumseite fördern (Spalte 3, Zeilen 12 bis 24 mit Figur 1 der D1). Der Antriebsund Lagerbereich wird dort durch einen Antriebsmotor 5 und eine in einer Lagerbuchse 2 des Gehäuses 1 gelagerte Welle 4 gebildet (Spalte 3, Zeilen 3 bis 11 mit Figur 1 der D1).

Die drei Bereiche Hochvakuumbereich, Vorvakuumbereich und Antriebsund Lagerbereich sind dort so gestaltet und zueinander angeordnet sind, dass sie -wie im ersten Merkmal des kennzeichnenden Teils des Patentanspruchs 1 des Streitpatents angegeben -unterschiedlichen thermischen Behandlungen unterworfen werden können. Diese Möglichkeit ist für den Hochvakuumbereich und den Antriebsund Lagerbereich offensichtlich gegeben, da deren Gehäusewände unmittelbar von außen zugänglich sind. Für den Vorvakuumbereich besteht diese Möglichkeit ebenfalls, da im Stator 14 der Molekularpumpenstufe ohne Weiteres Heizelemente angebracht werden könnten und der Stator dadurch thermisch behandelt werden könnte.

In D1 sind weiter entsprechend dem letzten Merkmal des Patentanspruchs 1 des Streitpatents zwei der Bereiche durch eine Freidrehung zwischen ihren Bauteilen thermisch voneinander isoliert, wodurch die Kontaktflächen dieser Bauteile auf ein Minimum begrenzt werden. Denn zwischen dem Gehäuse 1 des Antriebsund Lagerbereichs und dem Stator 14 der den Vorvakuumbereich bildenden Molekularpumpenstufe 14, 6 ist eine als Ringspalt 17 bezeichnete Freidrehung angeordnet. Im Bereich dieser Freidrehung liegt kein direkter Kontakt zwischen den beiden Bauteilen 1 und 14 vor. Der Stator 14 der Molekularpumpenstufe stützt sich lediglich an den Rändern 28, 29 des Ringspalts 17 (Fig. 2) bzw. über O-Ringe 15, 16; 33, 34 (Fig. 1; 3) am Gehäuse des Antriebsund Lagerbereichs ab. Somit werden die Kontaktflächen dieser beiden Bereiche auf ein Minimum reduziert, so dass wie beim Streitpatent der Wärmefluss über diese Bereiche gering bis vernachlässigbar ist (Spalte 3, Zeilen 30 bis 54 mit Figuren 1 bis 3 der D1).

3. Mit dem Patentanspruch 1 fallen auch die auf ihn rückbezogenen Unteransprüche 2bis 9.

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BPatG:
Beschluss v. 14.04.2011
Az: 9 W (pat) 364/06


Link zum Urteil:
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