Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. Juli 2005
Aktenzeichen: 21 W (pat) 307/03
(BPatG: Beschluss v. 14.07.2005, Az.: 21 W (pat) 307/03)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat entschieden, dass ein eingereichtes Patent für eine Strahlvorrichtung widerrufen wird. Das Patent wurde aufgrund einer Patentanmeldung von April 1993 erteilt. Gegen das Patent wurde jedoch Einspruch eingelegt, da die Einsprechende der Meinung ist, dass der Gegenstand des Patents nicht ausreichend offenbart wurde und über den ursprünglichen Inhalt der Anmeldung hinausgeht. Zudem fehle es an Neuheit und erfinderischer Tätigkeit. Die Patentinhaberin hingegen beantragt, dass das Patent in der erteilten Fassung bestehen bleibt. Die Patentinhaberin hat in ihrem Schriftsatz lediglich erklärt, dass sie den Anträgen der Einsprechenden widerspricht. Sie ist auch nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen. Nach einer ausführlichen Prüfung des Sachverhalts entscheidet das Gericht, dass das Patent nicht patentfähig ist, da es gegenüber dem Stand der Technik nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht. Das Gericht verweist auf eine bestimmte Entgegenhaltung, die eine ähnliche Strahlvorrichtung für eine Sanitärwanne beschreibt. Der Patentinhaber konnte die geltend gemachten Einwände nicht widerlegen. Das Gericht erklärt außerdem, dass der Patentanspruch wegen fehlender Patentfähigkeit widerrufen wird und alle rückbezogenen Ansprüche ebenfalls ihre Gültigkeit verlieren.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 14.07.2005, Az: 21 W (pat) 307/03
Tenor
Nach Prüfung des Einspruchs wird das Patent widerrufen.
Gründe
I Auf die am 1. April 1993 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichte Patentanmeldung ist das Patent mit der Bezeichnung "Strahlvorrichtung" erteilt worden. Die Veröffentlichung der Patenterteilung ist am 26. September 2002 erfolgt.
Gegen das Patent ist Einspruch erhoben worden.
Dem Einspruchsverfahren liegt das Patent in der erteilten Fassung zugrunde.
Danach lautet der Patentanspruch 1:
"Strahlvorrichtung für eine Sanitärwanne, die mit einer Befestigungsvorrichtung in einem Durchbruch der Wannenwand festgelegt ist und die zwei ihrer Versorgung dienenden Zuleitungskanäle (41, 42) und ein Mischrohr aufweist, wobei die Zuleitungskanäle über eine Zentraldüse und eine die Zentraldüse umfassenden Ringdüse innerhalb eines Stutzens in das Mischrohr münden, dadurch gekennzeichnet, daß die Zuleitungskanäle (41, 42) in Anschlußmuffen oder Anschlußstutzen vorgesehen sind, die zusammen mit dem Mischrohr, der Zentraldüse und der Ringdüse einstückig ausgebildet sind."
Zu den rückbezogenen Patentansprüchen 2 bis 12 wird auf die Patentschrift verwiesen.
Im Verfahren sind u.a. folgende Entgegenhaltungen:
E1 DE 37 15 010 A1, E3 US 4 264 039 Die Einsprechende macht geltend, der Gegenstand des Patents sei nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Außerdem gehe der Gegenstand des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus. Schließlich sei der Patentgegenstand nicht patentfähig, weil gegenüber dem Stand der Technik sowohl die Neuheit als auch die erfinderische Tätigkeit fehle.
Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin beantragt sinngemäß, das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten.
Zum Einspruch hat die Patentinhaberin in ihrem Schriftsatz vom 30. Dezember 2003 lediglich geäußert, sie widerspreche den Anträgen der Einsprechenden. Telefonisch hat sie ihre Absicht erklärt, an der mündlichen Verhandlung nicht teilzunehmen. Zur Verhandlung, zu der sie ordnungsgemäß geladen war, ist sie nicht erschienen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II 1. Der Senat entscheidet im Einspruchsverfahren (§ 147 Abs 3 PatG) auf Grund mündlicher Verhandlung in entsprechender Anwendung von § 78 PatG (vgl BPatG Mitt 2002, 417, 418 - Etikettierverfahren).
2. Der rechtzeitig und formgerecht eingelegte Einspruch ist zulässig, denn es sind innerhalb der Einspruchsfrist zumindest die den Widerrufsgrund der mangelnden Patentfähigkeit nach § 21 Abs 1 Nr 1 PatG rechtfertigenden Tatsachen im Einzelnen dargelegt worden, so dass der Patentinhaber und der Senat daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen des geltend gemachten Widerrufsgrundes ohne eigene Ermittlungen ziehen können (§ 59 Abs 1 PatG).
3. Der Einspruch hat auch Erfolg, denn der Gegenstand nach dem Patentanspruch 1 ist nicht patentfähig. Das Patent war deshalb zu widerrufen (§ 61 PatG).
a. Der mit Gliederungspunkten versehene Patentanspruch 1 lautet:
1 Strahlvorrichtung für eine Sanitärwanne, 2 die mit einer Befestigungsvorrichtung in einem Durchbruch der Wannenwand festgelegt ist und 3 die zwei ihrer Versorgung dienende Zuleitungskanäle (41, 42) und ein Mischrohr aufweist, 4 wobei die Zuleitungskanäle über eine Zentraldüse und eine die Zentraldüse umfassende Ringdüse innerhalb eines Stutzens in das Mischrohr münden, dadurch gekennzeichnet, 5a dass die Zuleitungskanäle (41, 42) in Anschlussmuffen oder Anschlussstutzen vorgesehen sind, die 5b zusammen mit dem Mischrohr, der Zentraldüse und der Ringdüse einstückig ausgebildet sind.
b. Als zuständiger Fachmann ist hier ein in der Entwicklung und Herstellung von Hydromassagedüsen tätiger Fachhochschul-Ingenieur anzusehen.
c. Dem Patent liegt die Aufgabe zugrunde, eine Strahlvorrichtung für eine Sanitärwanne zu schaffen, die einstückig ausgebildet ist und die ohne das Düsengehäuse durchsetzende Versorgungskanäle auskommt. Die Strahlvorrichtung soll leicht herstellbar sein. Zudem sollen die Baumaße klein sein und durch günstige Strömungsverhältnisse soll ein gutes Mischungsverhältnis zwischen dem Volumenstrom des ersten Mediums (Wasser) und dem Volumenstrom des zweiten Mediums (Luft) bei einem hohen Wirkungsgrad erreichbar sein (Patentschrift Sp 2 Zn 11 bis 20).
d. Nach Auffassung des Senats ist die Erfindung im Patent in einer Weise offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Insbesondere erhält der Fachmann hierzu in der Patentschrift in den Figuren 2, 5 und 6 iVm der Beschreibung in Sp 9 Z 67 bis Sp 12 Z 20 und Sp 14 Z 11 bis Sp 15 Z 40 genügend Hinweise.
e. Die weiterhin geltend gemachten Widerrufsgründe der unzulässigen Erweiterung und der fehlenden Neuheit der Erfindung können unerörtert bleiben, denn die Erfindung ist nicht patentfähig, weil sie gegenüber dem Stand der Technik gemäß der E1 iVm E3 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht (BGH GRUR 1991, 120-122 - Elastische Bandage).
Aus der E1 Figuren 4 und 6 iVm Beschreibung Sp 7 Z 66 bis Sp 8 Z 22, Sp 11 Zn 13 bis 54, Sp 12 Z 59 bis Sp 14 Z 17 und Spn 15 und 16 ist nämlich eine Einstrahldüse 7 für eine Badewanne 2, und somit eine Strahlvorrichtung für eine Sanitärwanne, bekannt (Merkmal 1). Diese Strahlvorrichtung ist mit einer Befestigungsvorrichtung (Flansch 53) in einem Durchbruch (bei Pos. 13) der Wannenwand (56) festgelegt (Merkmal 2). Sie weist zwei ihrer Versorgung dienende Zuleitungskanäle (Zuleitung für Flüssigkeit 23 und Zuleitung für Luft 24) und ein Mischrohr (rechts von der Düsenmündung 13) auf (Merkmal 3). Wie aus der Figur 4 iVm der Beschreibung weiter hervorgeht, münden die Zuleitungskanäle 23 und 24 über eine Zentraldüse (Treibstrahldüse 54) und eine diese Zentraldüse 54 umfassende Ringdüse (das ist der die Zentraldüse 54 konstruktionsbedingt ringförmig umgebende Zuleitungsbereich des Zuleitungskanals 24) innerhalb eines Stutzens (dort, wo das Bezugszeichen 21 hinweist) in das Mischrohr (Merkmal 4).
Somit ist die E1 gattungsbildend, was im Übrigen in der Streitpatentschrift auch so angegeben ist (Sp 1 Abs [0003]).
Von diesem Stand der Technik unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 durch die in den Merkmalsgruppen 5a und 5b angegebenen Maßnahmen, wonach die Zuleitungskanäle (41, 42) in Anschlussmuffen oder Anschlussstutzen vorgesehen sind und zusammen mit dem Mischrohr, der Zentraldüse und der Ringdüse einstückig ausgebildet sind.
Dieser Unterschied kann die Patentfähigkeit jedoch nicht begründen. Denn der zuständige Fachmann wird für den Einbau der aus der E1 bekannten Einstrahlvorrichtung die dort vorgesehenen Zuleitungskanäle ohne weiteres so ausgestalten, dass ein möglichst einfach auszuführender, fluiddichter Anschluss dieser Kanäle an eine Wasser- bzw Druckluftleitung ermöglicht wird, der in fachgerechter Weise durch Muffen oder Stutzen erfolgt (siehe bspw auch Fig 5, Pos 57, 58 und Sp 15) (Merkmal 5a). Sieht man schließlich davon ab, dass in der Patentschrift das Lösungsmerkmal der einstückigen Ausbildung fälschlicherweise bereits in der Aufgabenstellung angegeben ist, so ist diese Ausgestaltung für den Fachmann naheliegend, denn die einfache Herstellung derartiger Strahlvorrichtungen aus Kunststoff als einstückige Teile mit Hilfe des weit verbreiteten Spritzgussverfahrens ist ihm geläufig, bspw aus der E3 Fig 2 iVm zugehöriger Beschreibung, insbes Sp 4 Zn 1 bis 6, worin eine Strahlvorrichtung 26 beschrieben ist, bei der die Zuleitungskanäle ("conduits 60, 62") zusammen mit dem Mischrohr ("mixture outlet 66"), der Zentraldüse 68 und der im Sinne des Patents um die Mündung der Zentraldüse ausgebildeten Ringdüse einstückig ausgebildet sind (5b).
Somit ergibt sich die Strahlvorrichtung mit den im Anspruch 1 angegebenen Merkmalen für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.
Der geltende Patentanspruch 1 hat deshalb wegen fehlender Patentfähigkeit seines Gegenstandes keinen Bestand. Da nur über den Antrag insgesamt entschieden werden kann, teilen die rückbezogenen Ansprüche 2 bis 12 das Schicksal des Patentanspruchs 1.
Dr. Winterfeldt Engels Dr. Maksymiw Dr. Morawek Pr
BPatG:
Beschluss v. 14.07.2005
Az: 21 W (pat) 307/03
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