Bayerisches Landessozialgericht:
Beschluss vom 18. Januar 2010
Aktenzeichen: L 13 SF 288/09 E

(Bayerisches LSG: Beschluss v. 18.01.2010, Az.: L 13 SF 288/09 E)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bayerische Landessozialgericht hat in einem Beschluss über die Festsetzung von Kosten in einem Berufungsverfahren entschieden. Im Berufungsverfahren geht es um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung an den Kläger. Das Sozialgericht Landshut hat die Klage des Klägers bereits abgewiesen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers legte daraufhin Berufung ein und beantragte Prozesskostenhilfe.

Nachdem dem Kläger Prozesskostenhilfe gewährt wurde, stellte der Prozessbevollmächtigte des Klägers einen Antrag auf Vorschusszahlung. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Gerichts setzte daraufhin einen Vorschuss in Höhe von 118,88 EUR fest. Gegen diese Entscheidung legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers Erinnerung ein und forderte einen höheren Vorschuss von 422,00 EUR.

Das Landessozialgericht hat die Erinnerungen des Klägers und der Antragsgegnerin geprüft und entschieden, dass der ursprünglich festgesetzte Vorschuss angemessen ist und nicht erhöht werden muss. Es stellte fest, dass in diesem Fall die sogenannte Mittelgebühr angemessen ist. Das Gericht berücksichtigte dabei die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger, die bisherige anwaltliche Tätigkeit und die Schwierigkeit des Rechtsstreits. Es wies die Erinnerung des Klägers ab und änderte den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten ab.

Außerdem entschied das Gericht, dass die vom Kläger bezahlte Gebühr von 300,00 EUR auf die festgesetzte Vergütung angerechnet wird. Es lehnte jedoch die Erstattung der Umsatzsteuer ab, da der Kläger im Nicht-EU-Ausland wohnt.

Das Landessozialgericht stellt fest, dass der Kläger nun einen Vorschuss in Höhe von 52,00 EUR erhält und dass keine weiteren Kosten anfallen. Es ist zu beachten, dass dieser Beschluss endgültig ist und dass keine Kosten erstattet werden.

Insgesamt handelt es sich bei dem Beschluss um die Entscheidung des Landessozialgerichts über die Festsetzung eines Vorschusses in einem Berufungsverfahren. Das Gericht hat die Erinnerungen sowohl des Klägers als auch der Antragsgegnerin geprüft und entschieden, dass der ursprünglich festgesetzte Vorschuss angemessen ist. Es hat auch festgestellt, dass dem Kläger keine Umsatzsteuer erstattet wird, da er im Nicht-EU-Ausland wohnt. Das Gericht hat den Vorschuss auf 52,00 EUR festgesetzt und erklärt, dass dies der endgültige Beschluss ist.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

Bayerisches LSG: Beschluss v. 18.01.2010, Az: L 13 SF 288/09 E


Tenor

I. Auf die Erinnerung der Antragsgegnerin wird derKostenfestsetzungsbeschluss vom 14. August 2009 abgeändert und deraus der Landeskasse zu gewährende Vorschuss auf die Vergütung auf52,00 EUR festgesetzt. Eine Rückerstattung findet zunächst nichtstatt.

II. Die Erinnerung des Antragstellers wird zurückgewiesen.

III. Die Entscheidung ergeht kostenfrei.

Gründe

I.

Die Erinnerungen richten sich gegen die Festsetzung eines Vorschusses aus der Prozesskostenhilfe (PKH) in Höhe von 118,88 EUR.

Streitig ist im Berufungsverfahren vor dem Senat (Az.: L 13 R 856/08) die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung an den Kläger nach §§ 43, 240 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI). Die Beklagte, die Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd, lehnte dies mit Bescheid vom 29. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 2007 ab, da die notwendigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Rentenanspruch nicht bestünden. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht Landshut nach Einholung eines Gutachtens der Internistin Dr. L. mit Gerichtsbescheid vom 21. Juli 2008 abgewiesen.

Zur Begründung der gegen diesen Gerichtsbescheid vom Prozessbevollmächtigten des Klägers, der zugleich in dem vorliegenden Verfahren Antragsteller, Erinnerungsführer und Erinnerungsgegner ist (im Folgenden: Antragsteller), mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2008 eingelegten Berufung hat dieser ausgeführt, aufgrund einer Berufskrankheit nach Nrn. 2106 und 2108 der Berufskrankheitenverordnung (BKV) sei die Wartezeit gemäß § 53 Abs. 1 SGB VI erfüllt. Das Gutachten der Dr. L. gebe keine Auskunft darüber, ob es sich bei den festgestellten Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers um eine Erbkrankheit o.ä. handele oder ob dies durch die berufliche Tätigkeit verursacht wurde. Ferner hätte das Gericht weitere Ermittlungen zur quantitativen Leistungseinschränkung vornehmen müssen. Schließlich habe der Kläger ab 1. August 1998 Kurzarbeitergeld bezogen. Während dieser Zeit habe Versicherungspflicht nach § 1 Nr. 1 SGB VI bestanden.

Der Senat hat mit Beschluss vom 19. November 2008 dem Kläger Prozesskostenhilfe gewährt und den Antragsteller beigeordnet. Mit Schriftsatz vom 3. Januar 2009 hat der Prozessbevollmächtigte eine "Rechnung" in Höhe von 208,25 EUR (PKH-Verfahrensgebühr Nr. 3336 des Vergütungsverzeichnisses der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - VV RVG - in Höhe von 175,00 EUR zzgl. 19 % Umsatzsteuer in Höhe von 33,25 EUR) eingereicht. Der Kostenbeamte hat mit Schreiben vom 30. Januar 2009 auf die Unbegründetheit des Antrags hingewiesen, da die Vergütung nach § 8 RVG noch nicht fällig sei, und anheim gestellt, einen Antrag auf Vorschuss nach § 47 RVG zu stellen. Der Antragsteller hat den ursprünglichen Antrag jedoch zunächst ausdrücklich nicht zurückgenommen.

Mit Beschluss vom 19. Februar 2009 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Antrag auf Festsetzung von Anwaltsvergütung für das Verfahren auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gegen die Landeskasse abgelehnt. Er hat u.a. ausgeführt, die Vergütung des Rechtsanwalts für das Berufungsverfahren sei wegen des noch anhängigen Rechtsmittels noch nicht nach § 8 RVG fällig; ein Vorschuss nach § 47 RVG sei nicht beantragt.

Die hiergegen gerichtete Erinnerung vom 6. März 2009 hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 10. März 2009 zurückgenommen.

Am 9. März 2009 hat der Antragsteller die Festsetzung eines Vorschusses in Höhe von 422,00 EUR (Nr. 3204 VV RVG Verfahrensgebühr 2/3 der Höchstgebühr in Höhe von 380,00 EUR, Nr. 7002 VV RVG Pauschale für Post und Telekommunikation in Höhe von 20,00 EUR, Nr. 7000 VV RVG für 44 Kopien in Höhe von 22,00 EUR) beantragt. Er hat darauf hingewiesen, dass kein steuerbarer Vorgang vorliege.

Auf Nachfrage des Gerichts hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 17. Juli 2009 mitgeteilt, vom Kläger 300,00 EUR erhalten zu haben. Im Übrigen hat er nun die Höchstgebühr gemäß Nr. 3204 VV RVG (570,00 EUR) beantragt. Die Angelegenheit habe für den Kläger existenzielle Bedeutung und sei vom Senat im PKH-Beschluss als schwierig und umfangreich bezeichnet worden. Dies ergebe sich auch daraus, dass ein weiteres Gutachten zu würdigen gewesen sei und dass ein Berufsunfähigkeitsverfahren durchgeführt werden musste. Ferner beantragte der Antragsteller die 19-prozentige Umsatzsteuer in Höhe von 116,28 EUR, so dass sich der beantragte Vorschuss auf 728,28 EUR belaufen hat.

Mit Kostenfestsetzung vom 14. August 2009 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den zu gewährenden Vorschuss auf die Vergütung auf 118,88 EUR festgesetzt. Darin enthalten sind eine Verfahrensgebühr in Höhe von 310,00 EUR, die Pauschale für Ablichtungen aus Behörden- und Gerichtsakten in Höhe von 22,00 EUR, die Auslagenpauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen in Höhe von 20,00 EUR sowie 19 % Mehrwertsteuer in Höhe von 66,88 EUR. Von der Gesamtsumme (418,88 EUR) wurde die Zahlung des Klägers in Höhe von 300,00 EUR abgezogen. Bei der Gebührenbestimmung sei von der sog. Mittelgebühr auszugehen. Für ein Unterschreiten der Mittelgebühr hätten die unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, für ein Überschreiten die Bedeutung der Angelegenheit gesprochen. Nachdem sich die beiden Kriterien ausglichen und die übrigen als durchschnittlich zu bewerten seien, erscheine der Ansatz der Mittelgebühr zum Antragszeitpunkt angemessen. Die Gebührenbestimmung des Antragstellers sei als überhöht anzusehen. Gemäß § 58 Abs. 2 RVG sei die Zahlung des Auftraggebers auf die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung anzurechnen.

Am 16. September 2009 ist eine Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss "vom 19. Februar 2009" eingegangen. Die Kostensetzung müsse wie mit Schriftsatz vom 17. Juli 2009 beantragt erfolgen. Die Begründung der Kostenfestsetzung sei nicht nachvollziehbar, da sie, ohne sich nach dem tatsächlichen Aufwand erkundigt zu haben, auf den zeitlichen Aufwand des Rechtsanwalts abstelle. Das Berufungsverfahren dauere über 15 Monate und sei noch nicht zum Abschluss gekommen. Dies spreche für einen erheblichen zeitlichen Aufwand für ihn. Er sei auch in mehreren Schriftsätzen zu umfangreichen Stellungnahmen aufgefordert worden, habe den Kläger zweimal persönlich getroffen und mit ihm mehrmals die Sachlage telefonisch erörtert. Die Gebührenhöhe richte sich nach objektiven Kriterien. Zudem sei die Anwendung von Fremdsprachenkenntnissen Gebühren erhöhend zu berücksichtigen. Er habe in der Kommunikation mit dem Kläger die bosnische Sprache benutzt. Daher sei eine Vollgebühr anzusetzen. Ferner seien die vom Kläger bezahlten 300,00 EUR zuerst an die Gebühren für das Prozesskostenhilfeverfahren anzusetzen. Mit dem Kläger sei vereinbart worden, dass die 300,00 EUR bis zur Bewilligung der Prozesskostenhilfe verwendet werden sollen.

Der Kostenbeamte hat der Erinnerung am 21. September 2009 nicht abgeholfen. Für einen Vorschuss sei die Mittelgebühr die angemessene Gebühr. Nicht nachvollziehbar sei aber, warum in dem Beschluss die Umsatzsteuer erstattet worden sei. Der Auftraggeber wohne in Bosnien-Herzegowina. Hierauf hat der Senat den Antragsteller mit Schreiben vom 10. November 2009 hingewiesen.

Mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2009 hat auch der Freistaat Bayern (Staatskasse) durch den Bezirksrevisor beim Bayerischen Landessozialgericht (im Folgenden: Antragsgegnerin) Erinnerung gegen den Beschluss vom 14. August 2009 eingelegt. Da der Kläger seinen Wohnsitz im Nicht-EU-Ausland habe, entstehe keine Umsatzsteuer.

Der Antragsteller hat ergänzend ausgeführt, dass die Umsatzsteuer in Höhe von 17 % nach bosnischen Gesetzen zu erheben sei. Dies ergebe sich daraus, dass seine Leistung am Wohnort des Klägers erbracht werde (§ 3 a Abs. 3 S. 3, Abs. 4 Nr. 3 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz - UStG). Ferner sei die Zahlung nicht auf die Vergütung der Staatskasse anrechenbar, weil sie zum Zwecke der Durchführung des PKH-Verfahrens gezahlt worden sei. Die Höhe der Vergütung sei gerecht und angemessen gesetzt.

Der Berichterstatter hat mit Schreiben vom 13. Januar 2010 den Beteiligten mitgeteilt, dass die Entscheidung über die Erinnerung dem Senat übertragen worden sei.

Ergänzend wird zum Sachverhalt auf den Inhalt der Akte der Beklagten und der Gerichtsakten des Sozialgerichts sowie des Landessozialgerichts einschließlich der Kostenakte Bezug genommen.

II.

Die Erinnerung des Antragstellers ist zulässig (§ 56 RVG). Eine Auslegung des Erinnerungsschreibens vom 16. September 2009 ergibt, dass sich der Antragsteller gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14. August 2009 und nicht, wie bezeichnet, gegen den Beschluss vom 19. Februar 2009 wendet. Insoweit handelt es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler, wie sich auch aus der Bezugnahme des Antragstellers auf den Antrag auf Auszahlung eines Vorschusses vom 17. Juli 2009 ergibt.

Auch die Erinnerung der Antragsgegnerin ist zulässig; eine Fristbindung besteht für die Einlegung der Erinnerung nicht. Das Recht auf Erinnerung steht sowohl dem Rechtsanwalt als auch der Staatskasse zu.

18Die Erinnerung hiergegen richtet sich nach §§ 56, 33 RVG (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 73 a Rdnr. 13 f). § 56 RVG ist als speziellere Norm gegenüber § 178 SGG, wonach gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten binnen eines Monats nach Bekanntwerden das Gericht angerufen werden kann, das endgültig entscheidet, vorrangig (so auch: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. September 2008, Az.: L 19 B 21/08 AS). Die Kostenfestsetzungsregelung des § 197 SGG ist für den Streit zwischen Prozessbevollmächtigten und Staatskasse nicht einschlägig, da diese Regelung nur das Verhältnis zwischen den Beteiligten am Hauptsacheverfahren betrifft.

Über die Erinnerung entscheidet das Landessozialgericht als Gericht des Rechtszuges, bei dem die Festsetzung erfolgt ist. Gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 in Verbindung mit § 33 Abs. 8 S. 1 RVG ist zwar grundsätzlich der Berichterstatter zur Entscheidung über die Erinnerung zuständig. Da jedoch wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache im Sinne des § 33 Abs. 8 S. 2 RVG eine Übertragung auf den Senat erfolgt ist, entscheidet der Senat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern. Die grundsätzliche Bedeutung ergibt sich, worauf die Antragsgegnerin zutreffend hinweist, vorliegend aus der Frage, ob bei einem Nicht-EU-Staatsangehörigen, der in einem Drittstaat seinen Wohnsitz hat, bei der Berechnung des Vorschusses auf die Vergütung des PKH-Anwalts eine Umsatzsteuer angesetzt werden darf. Eine Übertragungsentscheidung kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen (vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 5. Mai 2009, Az.: 3 Ws 68/09) und ist vorliegend durch gerichtliches Schreiben den Beteiligten mitgeteilt worden.

Der Erinnerung des Antragstellers ist nicht begründet. Die Erinnerung der Antragsgegnerin, die sich gegen den Ansatz der Umsatzsteuer wendet, ist hingegen begründet.

Gemäß § 47 RVG kann ein Rechtsanwalt einen angemessenen Vorschuss auf die gewährte Prozesskostenhilfe fordern. Die Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung erfolgt durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts des jeweiligen Rechtszuges (§ 55 RVG).

Nach Nr. 3204 VV RVG beträgt die Verfahrensgebühr für Verfahren vor den Landessozialgerichten, in denen Betragsrahmengebühren entstehen, 50,00 bis 570,00 EUR. Als Mittelgebühr ergibt sich 310,00 EUR.

23Zutreffend hat der Urkundsbeamte auf die Mittelgebühr abgestellt. Diese ist im Rahmen des § 47 RVG regelmäßig als angemessen anzusehen (s.a. Hartmann, § 3 RVG Rdnr. 10; Meyer-Ladewig/Keller, Leitherer, a.a.O.). Zwar kann sich im Einzelfall ergeben, dass eine Höchstgebühr als angemessen anzusehen ist. Dies kann sich vor allem aus dem Umfang und der Schwierigkeit des Rechtsstreits, dem Ausmaß der anwaltlichen Tätigkeit, der überdurchschnittlichen Verfahrensdauer oder der Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger ergeben (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 197 Rdnr. 7 b). Hinsichtlich des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit können qualitative und quantitative Gesichtspunkte zu einer höheren Gebühr führen.

Es liegt jedoch bislang in dem seit November 2008 anhängigen Berufungsverfahren weder eine überdurchschnittliche Dauer des Verfahrens noch ein besonders umfangreicher oder schwieriger Rechtsstreit vor. Soweit der Senat in der Begründung seines Beschlusses vom 19. November 2008 auch auf die Schwierigkeit des Prozessstoffes hingewiesen hat, ist dies im Rahmen der grundsätzlichen Gewährung von Prozesskostenhilfe und der Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 73 a SGG zu sehen. Die Schwierigkeit oder schwere Überschaubarkeit der Sach- oder Rechtslage ist bereits hierbei zu berücksichtigen. Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass stets eine Vergütung oberhalb der Mittelgebühr angezeigt ist.

Eine besondere Schwierigkeit des Prozessstoffes ergibt sich auch nicht ohne Weiteres dadurch, dass das Gericht im Rahmen der Amtsermittlung gemäß § 103 SGG weitere medizinische Ermittlungen anstellt, insbesondere gemäß § 106 SGG ein weiteres Sachverständigengutachten einholt. Erst die damit verbundene, anschließende Auseinandersetzung des Prozessbevollmächtigten mit den Ergebnissen der medizinischen Sachverhaltsaufklärung kann im Rahmen der Bestimmung der Gebühr Berücksichtigung finden.

Der Urkundsbeamte hat im Rahmen der Abwägung zutreffend ausgeführt, dass sowohl Gesichtspunkte für eine volle Gebühr vorliegen wie die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger, aber auch für ein Unterschreiten der Mittelgebühr wie unterdurchschnittliche Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers (Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, Rdnr. 14 zu § 12). Für ein Abweichen von der Mittelgebühr nach oben spricht vorliegend zusätzlich auch, wie vom Antragsteller vorgebracht, die gegebene Auslandsberührung (so auch Bayer. Landessozialgericht, Beschluss vom 4. Juli 2006, Az.: L 15 B 44/03 R KO). Demgegenüber ist dessen bisherige anwaltschaftliche Tätigkeit als nicht überdurchschnittlich einzustufen, zumal der Antragsteller zur Begründung der Berufung vor allem auf das Vorliegen von Berufskrankheiten verwiesen hat, die jedoch bislang nicht anerkannt und nicht einmal beantragt worden waren. In Gesamtbetrachtung ist es daher im Rahmen einer Entscheidung über die Gewährung eines Vorschusses auch vorliegend als angemessen anzusehen, auf die Mittelgebühr abzustellen.

Unter Berücksichtigung der Pauschale für Ablichtungen aus Behörden- und Gerichtsakten nach § 2 RVG, Nr. 7000 Nr. 1 a VV RVG in Höhe von 22,00 EUR und der Auslagenpauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach § 2 RVG, Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 EUR sowie der Verfahrensgebühr für Verfahren vor dem Landessozialgericht nach §§ 2, 3 RVG, Nr. 3204 VV RVG hat der Urkundsbeamte die Gesamtkosten zutreffend mit 352,00 EUR festgesetzt.

28Davon ist die Zahlung des Klägers in Höhe von 300,00 EUR, die auf § 58 Abs. 2 RVG gestützt wird, in Abzug zu bringen. Soweit der Antragsteller vorgetragen hat, es sei vereinbart worden, dass die 300,00 EUR, der er erhalten hat, bis zur Bewilligung der Prozesskostenhilfe verwendet werden sollen, kann dies nicht als vorrangige Zweckbestimmung berücksichtigt werden. Zwar kann der Schuldner vorrangig bestimmen, auf welche von mehreren Forderungen eine Leistung Anrechnung findet. Nur wenn keine Zweckbestimmung durch den Zahlenden erfolgt ist, ist die gesetzliche Bestimmung des § 58 Abs. 2 RVG anzuwenden (Gerold/ Schmidt, RVG, 18. Aufl. 2008, § 58 Rdnr. 11). Mit Bewilligung der PKH und der Beiordnung kann der beigeordnete Rechtsanwalt jedoch einen Vergütungsanspruch gegen den Beteiligten nicht mehr geltend machen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 73 a Rdnr. 13), da die Forderung gemäß § 59 RVG auf die Staatskasse übergeht. Dabei handelt es sich um die gesetzliche Vergütung, wie sie sich aus dem RVG ergibt (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 193 Rdnr. 9 a). Anhaltspunkte, dass darüber hinaus eine Forderung des Antragstellers gegen den Kläger besteht, liegen nicht vor. Auch fallen für das Berufungsverfahren und das PKH-Verfahren keine gesonderten Kosten an (§ 16 Nr. 2 RVG).

29Unzutreffend ist die Erstattung der 19-prozentigen Umsatzsteuer. Die Erinnerung der Antragsgegnerin ist insoweit begründet. Der Kläger hat seinen Wohnsitz in Bosnien-Herzegowina und damit im EU-Ausland. Der Antragsteller hat seine Kanzleiadresse in Deutschland. Ein deutscher Rechtsanwalt darf gemäß § 3 a Abs. 4 Nr. 3, Abs. 3 S. 1 u. 3 UStG in der bis 31. Dezember 2009 gültigen Fassung (a.F.) seinem ausländischen Mandanten, sofern dieser eine außerhalb des Gebietes der EU ansässige Privatperson ist, keine Mehrwertsteuer in Rechnung stellen. § 3 a Abs. 3 S. 4 UStG a.F. bestimmte nämlich, dass die Leistung eines Rechtsanwalts an dem Wohnsitz im Drittlandsgebiet ausgeführt wird, wenn der Empfänger kein Unternehmer ist und er seinen Wohnsitz im Drittlandsgebiet hat. Entsprechendes regelt § 3 a Abs. 4 S. 1 UStG in der seit 1. Januar 2010 gültigen Fassung. Bei einem Nicht-EU-Auftraggeber entsteht somit die Umsatzsteuer nicht (Hartmann, Kostengesetze, Bd. 2, 39. Aufl. 2009, VV 7008 Rdnr. 1; Gerold/ Schmidt, a.a.O., VV 7008 Rdnr. 25). Ein Anspruch auf Erstattung einer eventuell anfallenden ausländischen Umsatzsteuer besteht im Rahmen des § 47 RVG nicht.

Dementsprechend hatte auch der Antragsteller zutreffend in seinem ursprünglichen Antrag auf Kostenvorschuss vom 6. März 2009 darauf hingewiesen, dass "kein steuerbarer Vorgang" vorliegt und keine Umsatzsteuer in Ansatz gebracht.

Der Erfolg der Erinnerung der Antragsgegnerin wirkt sich für den Antragsteller nachteilig aus. Darin liegt jedoch kein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot (Verbot der reformatio in peius). Dieses gilt nur für das eigene Rechtsmittel. Hat auch die Gegenseite ein Rechtsmittel eingelegt, kann durch den Erfolg dieses Rechtsmittels für den anderen Teil eine Verböserung eintreten.

Damit ergibt sich folgende Berechnung für den beantragten Vorschuss:

Verfahrensgebühr für Verfahren vor den Landessozialgerichten: 310,00 EURPauschale für Ablichtungen aus Behörden- und Gerichtsakten: für 44 Seiten22,00 EURAuslagenpauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen20,00 EURZwischenbetrag352,00 EURAbzgl. Zahlung gem. § 58 Abs. 2 RVG- 300,00 EURGesamtsumme52,00 EURDem Antragsteller steht damit nur ein Anspruch auf einen Vorschuss auf die gesetzliche Vergütung in Höhe von 52,00 EUR zu.

35Rechnerisch ergibt sich aufgrund des bereits ausgezahlten Vorschusses in Höhe von 118,88 EUR ein Rückzahlungsanspruch von 66,88 EUR. Da der Antragsteller aufgrund des Auslandsbezugs, wie von ihm im Rahmen der Begründung einer Höchstgebühr dargelegt, erhöhte Auslagen und Gebühren zu erwarten hat, und abzusehen ist, dass weitere Gebühren nach §§ 2, 3 RVG anfallen werden, ist im Rahmen dieses Vorschussverfahrens in Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben, wie er sich aus § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches ergibt, von einer Rückforderung des verhältnismäßig geringen Überzahlungsbetrags abzusehen.

Das Verfahren ist gemäß § 56 Abs. 2 S. 2 RVG gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet, § 56 Abs. 2 S. 3 RVG.

Dieser Beschluss ist endgültig (§ 177 SGG).






Bayerisches LSG:
Beschluss v. 18.01.2010
Az: L 13 SF 288/09 E


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