Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. Mai 2000
Aktenzeichen: 29 W (pat) 139/99
(BPatG: Beschluss v. 24.05.2000, Az.: 29 W (pat) 139/99)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Der Beschluss des Bundespatentgerichts vom 24. Mai 2000 mit dem Aktenzeichen 29 W (pat) 139/99 betrifft die Anmeldung einer dreidimensionalen Marke für Geschirrspülmittel. Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hatte die Anmeldung zunächst zurückgewiesen, da die Marke keine Unterscheidungskraft aufweise. Die Anmelderin legte Beschwerde ein und argumentierte, dass die Flaschenform der Marke sich deutlich von üblichen Flaschenformen auf dem Markt unterscheide. Das Bundespatentgericht gab der Beschwerde der Anmelderin statt, da die Marke weder ein Freihaltungsbedürfnis noch jegliche Unterscheidungskraft besitzt. Es wurde festgestellt, dass die Flasche der Marke ungewöhnlich kantig und breit ist und sich somit von anderen Flaschenformen abhebt. Die Verkehrskreise werden die phantasievolle Gestaltung leicht erkennen und als Hinweis auf einen bestimmten Herstellerbetrieb verstehen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 24.05.2000, Az: 29 W (pat) 139/99
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. April 1999 aufgehoben.
Gründe
I.
Die nachstehend wiedergegebene, ursprünglich für Waren und Dienstleistungen der Klassen 3, 21 und 42 angemeldete dreidimensionale Markesiehe Abb. 1 am Endesoll nach einer im Beschwerdeverfahren erfolgten Einschränkung des Verzeichnisses der Waren und Dienstleistungen noch für die Waren
"Geschirrspülmittel in flüssiger, gel- oder pastenförmiger Form"
in das Markenregister eingetragen werden.
Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluß vom 14. April 1999 zurückgewiesen, weil der angemeldeten Marke jegliche Unterscheidungskraft fehle. Die Marke sei lediglich die naturgetreue Darstellung der Waren oder ihrer Verpackung. Die Formgebung und die verwendeten gestalterischen Elemente wirkten nicht als Hinweis auf einen bestimmten Herkunftsbetrieb, denn auf dem einschlägigen Warengebiet würden viele ähnliche praktikable und handliche Grundformen verwendet.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Die Markenstelle habe nicht belegt, daß die angemeldete Form auf dem angesprochenen Warengebiet gebräuchlich sei. Die Flasche unterscheide sich durch die ungewohnt kantige, breite Form und den ungewöhnlichen Verschluß von anderen üblichen Flaschenformen. Die auf dem Warengebiet ungewöhnliche Form, die allein von der Anmelderin verwendet werde, falle auf und präge sich ein.
Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Zur Entscheidung ist nach der Geschäftsverteilung des Gerichts der 29. Senat zuständig, weil bei Eingang des Rechtsmittels bei Gericht in der Amtsakte die Leitklasse 42 vermerkt war. Es kommt nicht darauf an, daß die Leitklasse 42 nicht zugetroffen hat, weil offensichtlich (angesichts der Anmeldung der Form eines mit Flüssigkeit gefüllten Behälters in Verbindung mit dem im wesentlichen Waren der Klassen 3 und 21 umfassenden Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen) der Schwerpunkt der Anmeldung auf der Klasse 3 liegt, was hier besonders deutlich die nachträgliche Beschränkung auf Waren der Klasse 3 bestätigt.
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
1. Nach § 3 Abs. 1 MarkenG sind dreidimensionale Gestaltungen markenfähig. Dies gilt grundsätzlich auch für Behälter- und Flaschenformen auf dem Sektor der Geschirrspülmittel (vgl. dazu etwa für andere Warengebiete BPatG GRUR 1998, 1018, 1019 "Honigglas"; BlPMZ 1998, 531, 532 "Flasche mit Fußwölbung"; GRUR 1998, 580 "Dimple-Flasche"; GRUR 1998, 581 "weiße Kokosflasche"; GRUR 1998, 582, 583 "blaue Vierkantflasche"; GRUR 1998, 584, 585 "kleine Kullerflasche"), weil ihnen aufgrund ihrer äußeren Gestaltung zumindest eine abstrakte Unterscheidungseignung zukommt, die gegebenenfalls zu einer Eintragung aufgrund Verkehrsdurchsetzung führen könnte. Allerdings ist bei dreidimensionale Marken nach den gleichen Kriterien wie bei anderen Markenformen zu prüfen, ob der Eintragung die Schutzversagungsgründe des § 8 Abs. 2 MarkenG entgegenstehen (vgl. auch HABM MarkenR 1999, 366, 368 "GRANINI-FLASCHE").
2. An der angemeldeten Marke läßt sich für die jetzt noch angemeldeten Waren weder ein Freihaltungsbedürfnis (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) feststellen noch fehlt ihr jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).
2.1 Ein Freihaltungsbedürfnis (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) an der angemeldeten Marke ist nicht ersichtlich. Eine als dreidimensionale Marke angemeldete Form der Ware, die sich in der Gestaltung zum Wesen der Ware gehörender Elemente erschöpft, kann zwar - insbesondere bei technisch bedingten Formen - unmittelbar zur Beschreibung eben solcher Waren dienen; an solchen Formen ist daher ein Freihaltungsbedürfnis zu bejahen (vgl. BPatGE 40, 98, 103 "Trafogehäuse"; BPatG BlfPMZ 1998, 541 "CD-Hülle"; 29 W (pat) 182/98 "Schraubenmutter mit rotationssymmetrischem blauen Ring"). Formen von Flaschen und Behältern für Flüssigkeiten, Pasten und Gelee unterliegen aufgrund der Beschaffenheit des Inhalts jedoch relativ geringen technischen Beschränkungen und sind innerhalb relativ weiter Grenzen beliebig wählbar. Auch gibt es - soweit ersichtlich - keine genormten Flaschenformen für Geschirrspülmittel. Auf diesem Warengebiet besteht daher ebenso wie auf dem Getränkesektor für Formen von Flaschen in aller Regel kein Freihaltungsbedürfnis (vgl. dazu für Getränkeflaschen BPatG GRUR 1998, 580 "Dimple-Flasche"; GRUR 1998, 581 "weiße Kokosflasche"; GRUR 1998, 582, 583 "blaue Vierkantflasche"; GRUR 1998, 584, 585 "kleine Kullerflasche", wo ein Freihaltungsbedürfnis im allgemeinen nur für Normflaschen angenommen wird; vgl. zur Problematik auch Fuchs-Wissemann, Tendenzen in der neueren markenrechtlichen Rechtsprechung des Bundespatentgerichts, MarkenR 1999, 183, 185). Auch bei der hier angemeldeten dreidimensionalen Marke ist nicht ersichtlich, daß die Konkurrenten der Anmelderin darauf angewiesen sein könnten, eine auf dem Verschluß stehende Spülmittelflasche mit relativ gedrungener, abgekanteter, voluminöser Form zu verwenden (daß auch bei dreidimensionalen Marken der räumlichen Ausrichtung der Marke Bedeutung zukommt, ergibt sich aus §§ 9 Abs. 1, Abs. 4 iVm § 8 Abs. 4 MarkenV). Insbesondere die nach außen gewölbte Form und der am Fußende befindliche Verschluß, die die angemeldete Flasche von üblichen Formen von Flaschenkörpern auf dem Gebiet der Geschirrspülmittel, die nach innen gewölbte Bereiche und den Verschluß mit Ausgießöffnung am oberen Ende aufweisen, unterscheidet, zeigt, daß es sich hierbei nicht um eine rein technisch bedingte und wesensbestimmende Eigenschaft eines Geschirrspülmittelbehälters oder einer Geschirrspülmittelflasche handelt.
2.2 Der angemeldeten Marke fehlt für die noch beanspruchten Waren auch nicht jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Bei der Beurteilung der schutzbegründenden herkunftshinweisenden Originalität einer Verpackungsform kommt es darauf an, ob Verpackungsformen auf dem Sektor der beanspruchten Waren generell zur Markengestaltung eingesetzt werden und ob diese auch als herkunftshinweisend verstanden werden und sich daraus eine branchenmäßige Übung entwickelt hat (vgl. dazu BPatG GRUR 1998, 584, 585 "kleine Kullerflasche"; HABM MarkenR 1999, 366, 368 "GRANINI-FLASCHE"). Es ist daher notwendig, das Maß der herkunftshinweisenden Originalität in Beziehung zu den besonderen Verhältnissen auf dem jeweiligen Warengebiet zu setzen. Lassen sich vergleichbare Formen auf einem Warengebiet finden, so daß sich die Abweichungen auf wenig einprägsame Nuancen beschränken, wird der Verkehr der konkreten Ausgestaltung der Ware keine betriebskennzeichnende Eigenart im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG beimessen (vgl. BGH Mitt. 1997,191,192 "Autofelge"). Ist der Verkehr nämlich auf dem betreffenden Warengebiet an eine Vielzahl von einzelnen, dem Design dienenden Gestaltungselementen und deren Kombination gewöhnt, erwartet er sie sogar bei bestimmten Waren, so wird er eine beliebige neue Kombination von bekannten oder auch neuen Formgestaltungen entweder gar nicht als solche wahrnehmen oder aber sie jedenfalls nur als eine Abwandlung beliebiger Art irgendeines Herstellers auffassen, nicht jedoch als betrieblichen Herkunftshinweis verstehen (BPatGE 39, 219, 222 "Stabtaschenlampe"; BPatG GRUR 1998, 706 "Uhrgehäuse"; GRUR 1998, 1019 "Honigglas"; zusammenfassend Fuchs-Wissemann, a.a.O., MarkenR 1999, 183 ff.; vgl. auch HABM MarkenR 1999, 366, 368 "GRANINI-FLASCHE" sowie zur Entscheidungspraxis der Beschwerdekammern des HABM Bender, Die absoluten Schutzversagungsgründe für die Gemeinschaftsmarke, MarkenR 2000, 118, 121 f.).
Auf dem umfangreichen Gebiet der Wasch-, Reinigungs- und Putzmittel ist zwar eine große Vielzahl der unterschiedlichsten Farbgebungen, Formen und Gestaltungen von Flaschen gebräuchlich. Dies ist nicht zuletzt durch die Eigenart der Waren bedingt, die erstens als Flüssigkeiten oder Pulver keine feste Form haben und denen zweitens ihre Eigenschaften und Herkunft nicht anzusehen sind. Um die Produkte auch bei nur flüchtiger Betrachtung unterscheidbar zu machen, die Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Produkt zu lenken und um einen Kaufanreiz zu geben, muß deshalb der äußere Eindruck der Verpackung werbewirksam und auffällig sein, was zu sehr vielen unterschiedlichen Verpackungsformen auf diesem breiten Warensektor führt. Im nach Einschränkung des Warenverzeichnisses allein noch beanspruchten engen Bereich der Geschirrspülmittel herrscht jedoch nach den Ermittlungen des Senats eine vergleichbare Formenvielfalt nicht. In diesem Warenbereich sind relativ hohe, schlanke, langgezogene Flaschen üblich. Bei diesen Flaschen sind die eher schmalen Verschlüsse mit Ausgießöffnungen verhältnismäßig deutlich vom Flaschenkörper abgesetzt und befinden sich oben an der Flasche, deren Standfläche meist nicht kleiner ist als die breiteste Stelle des Flaschenkörpers. Der Flaschenkörper weist im allgemeinen entweder einen Griff auf oder hat eine wellenförmig geschwungene Kontur und dünnere Bereiche, um die Flasche griffiger zu machen.
Von diesen für Geschirrspülmittel üblichen Behältern unterscheidet sich die hier angemeldete Form nach dem aus ihren charakteristischen Merkmalen resultierenden Gesamteindruck deutlich. Es handelt sich vorliegend um einen bauchigen, gedrungenen Behälter mit abgekanteten Seitenflächen, die nach außen gewölbt sind. Solche Flaschen gibt es bei Geschirrspülmitteln üblicherweise nicht. Dies ist wohl schon dadurch begründet, daß eine solche Form leichter aus einer nassen oder mit Spülmittel benetzten Hand gleiten kann als die gängigen Behälter. Auch gibt es außer der angemeldeten Flasche keine anderen Geschirrspülmittelbehälter, deren Standfläche der Verschluß mit vförmig angesetzter Ausgießöffnung ist. Außerdem kommt ein vergleichbar breites Verschlußstück bei den üblichen Geschirrspülmittelflaschen und -behältern nicht vor. Weiterhin ist die Standfläche bei der angemeldeten Marke kleiner als der Flaschenkörper und gleich groß wie die Oberseite. Die Gesamtheit dieser Merkmale hebt die angemeldete Form daher so deutlich von den üblichen Formen von Geschirrspülmittelflaschen und -behältern ab, daß die angesprochen Verkehrskreise die phantasievolle Gestaltung leicht erkennen können und für die noch angemeldeten Waren als Hinweis auf einen bestimmten Herstellerbetrieb auffassen werden.
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Beschluss v. 24.05.2000
Az: 29 W (pat) 139/99
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