Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 30. Dezember 1999
Aktenzeichen: 6 U 151/99
(OLG Köln: Urteil v. 30.12.1999, Az.: 6 U 151/99)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Oberlandesgericht Köln hat in einem Urteil vom 30. Dezember 1999 (Aktenzeichen 6 U 151/99) entschieden, dass die Antragsgegnerin die Verträge über einen elektronischen Pressespiegel einstellen muss. Zuvor hatte das Landgericht Köln in einem Urteil vom 4. August 1999 die Klage der Antragstellerinnen abgewiesen. In der Berufung wurde das Urteil des Landgerichts abgeändert.
Dem Urteil zufolge wird der Antragsgegnerin per einstweiliger Verfügung untersagt, Verträge über Vergütungen für einen elektronischen Pressespiegel abzuschließen oder einzuziehen. Dies gilt insbesondere, wenn Artikel aus den Verlagsobjekten D., W. a. S., S. Zeitung und H. betroffen sind. Bei Zuwiderhandlung droht ein Ordnungsgeld bis zu 500.000 DM oder ersatzweise Ordnungshaft für sechs Monate. Die Kosten des Verfahrens werden von der Antragsgegnerin getragen.
Die Berufung wurde für zulässig und begründet erklärt. Die Antragstellerinnen haben die Voraussetzungen für den Erlaß der einstweiligen Verfügung glaubhaft gemacht. Die Dringlichkeit ist gegeben, da zu befürchten ist, dass die Antragsgegnerin weitere Verträge ähnlichen Inhalts abschließen wird. Es besteht somit Wiederholungsgefahr. Der Vertrag über einen elektronischen Pressespiegel verstößt gegen das Urheberrecht (§ 97 Abs. 1 UrhG). Der Vertrag ist nicht durch § 49 UrhG gedeckt.
Die Antragstellerinnen haben die ausschließlichen Nutzungsrechte an den verwendeten Presseartikeln von den Redakteuren erworben. Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen. Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wurde auf 150.000 DM festgesetzt.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
OLG Köln: Urteil v. 30.12.1999, Az: 6 U 151/99
Tenor
1.) Auf die Berufung der Antragstellerinnen wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 4.8.1999 - 28 O 277/99 - abgeändert und im Hauptausspruch wie folgt neu gefaßt:Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 500.000 DM, ersatzweise von Ord-nungs-haft oder von Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten untersagt,mit Dritten Verträge über Vergütungen für einen elektronischen Pressespiegel abzuschließen, wie dies beispielhaft aus dem Vertragstext ersichtlich ist, der auf den nachfolgenden Seiten 3-7 dieses Urteils in Kopie wiedergegeben ist, und/oder von der G., S. & Co oHG und/oder von Dritten Vergütungen für elektronische Pressespiegel einzuziehen und/oder einziehen zu lassen, jeweils soweit von § 49 Abs.1 UrhG erfasste Artikel aus den VerlagsobjektenD. W.,W. a. S.,S. Zeitung und/oder H.betroffen sind.2.) Die Kosten des Verfahrens auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung beider Instanzen hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Gründe
Die Berufung ist zulässig und begründet. Die Antragstellerinnen haben die Voraussetzungen für den Erlaß der mit ihrem Hauptantrag begehrten einstweiligen Verfügung dargelegt und glaubhaft gemacht. Soweit sich der vorstehende Wortlaut des Verbotstenors gleichwohl geringfügig von dem Antragswortlaut unterscheidet, handelt es sich nicht um Einschränkungen, sondern lediglich um redaktionelle Abweichungen, die auf eine genauere Beschreibung des Verbotsumfanges gerichtet sind.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zunächst zulässig. Insbesondere besteht der gem. §§ 917 Abs.1, 936, 940 ZPO erforderliche Verfügungsgrund der Dringlichkeit. Diese wird im Urheberrecht zwar nicht vermutet, liegt hier aber deswegen vor, weil zu befürchten ist, daß die Antragsgegnerin jederzeit weitere Verträge des Inhalts abschließen wird, wie sie Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind.
Nachdem die Antragsgegnerin bereits einen Vertrag geschlossen und diesen in ihrem von den Antragstellerinnen als Anlage AS 7 vorgelegten Schreiben vom 16.6.1999 ausdrücklich als "ersten" Vertrag bezeichnet hat, besteht entgegen der von der Kammer angedeuteten Zweifel nicht nur nach allgemeinen Grundsätzen Wiederholungsgefahr, sondern auch die für den Erlaß einer einstweiligen Verfügung erforderliche Dringlichkeit. Denn durch die jederzeit drohenden weiteren Vertragsschlüsse würde die Rechtsposition der Antragstellerinnen erheblich beeinträchtigt. Die Antragsgegnerin hat zwar nach ihrem Vortrag wegen der bestehenden Fragen zu § 49 UrhG Mühe, weitere Vertragspartner zu finden. Es kann aber kein Zweifel an der Gefahr bestehen, daß sie, wenn sie weitere Vertragspartner findet, mit diesen auch die beanstandeten Verträge abschließen wird. Das gilt um so mehr, als sie auf dem Standpunkt steht, selbst bei Nichtanwendbarkeit des § 49 UrhG durch den bloßen Vertragsschluss nicht rechtswidrig zu handeln.
Ebenso steht der allein den Verfügungsanspruch betreffende Einwand, in der Einziehung der Vergütung liege eine Rechtsverletzung nicht, weil die bestehenden Ansprüche davon unberührt blieben, der Dringlichkeit nicht entgegen. Im übrigen erschwert der Vertrag den Einzug durch die Antragstellerinnen erheblich, weil die Nutzer nicht ohne weiteres zum zweiten Mal zahlen werden.
Schließlich ist der Antrag entgegen der von der Antragsgegnerin geäußerten Auffassung nicht deswegen unzulässig, weil es den Antragstellerinnen der Sache nach in Wahrheit um Geld, und nicht um die Nutzungsrechte geht. Trotz der von den Antragstellerinnen sicherlich auch verfolgten pekuniären Interessen ist für die Frage der Zulässigkeit allein maßgeblich, daß sie Unterlassungsansprüche zum Schutz bestehender urheberrechtlicher Nutzungsansprüche geltend machen und diese dem Verfügungsverfahren zugänglich sind.
Der mithin zulässige Antrag ist auch begründet. Die Antragstellerinnen haben sich in der mündlichen Verhandlung auf § 97 Abs. 1 UrhG gestützt und die Voraussetzungen des mit ihrem Hauptantrag geltendgemachten Verfügungsanspruches aus dieser Vorschrift glaubhaft gemacht.
Die Anfertigung und Verwendung eines elektronischen Pressespiegels verstößt jedenfalls dann gegen § 97 Abs.1 UrhG, wenn dies so geschieht, wie es in dem verfahrensgegenständlichen, aus den obigen Seiten 3-7 dieses Urteils ersichtlichen Vertrag zwischen der Antragsgegnerin und der G., S. & Co oHG (im Folgenden: "G. oHG") vorgesehen ist. Ob eingeschränktere Verwendungsformen, die nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind, möglicherweise zulässig sein können, läßt der Senat ausdrücklich offen.
Daß es sich bei der Anfertigung und Verwendung eines elektronischen Pressespiegels im Sinne des § 97 Abs.1 UrhG um eine Beeinträchtigung der Nutzungsrechte an den verwerteten Presseartikeln handelt, bedarf keiner Begründung. Zu beurteilen ist in diesem Zusammenhang ausschließlich die Frage, ob diese Verwertung von den Nutzungsberechtigten hinzunehmen ist, weil sie durch § 49 UrhG gedeckt ist. Diese Frage ist indes zu verneinen.
Ein in der Form, wie dies nach dem verfahrensgegenständlichen Vertrag vorgesehen ist, erstellter und verwendeter elektronischer Pressespiegel wird von der Bestimmung des § 49 UrhG weder nach ihrem Wortlaut, noch nach ihrem Sinn und Zweck erfaßt.
Nach 49 Abs.1 S.1 UrhG ist die "Vervielfältigung und Verbreitung ... einzelner Artikel aus Zeitungen und anderen lediglich Tagesinteressen dienenden Informationsblättern in anderen Zeitungen und Informationsblättern dieser Art sowie die öffentliche Wiedergabe solcher Kommentare und Artikel zulässig, wenn ...".
Diese Vorschrift ist zwar insofern erfüllt, als die G. oHG nach § 1 Abs.2 des von den Antragstellerinnen beanstandeten Vertrages nur solche Artikel und Kommentare aus Zeitungen in den elektronischen Pressespiegel aufnehmen wollen, die unter die Bestimmung fallen. Es handelt sich bei dem elektronischen Pressespiegel aber - zunächst ausgehend allein von dem Wortlaut des Gesetzes - weder um eine andere Zeitung oder ein "Informationsblatt dieser Art", noch um eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des § 49 Abs.1 S.1 UrhG. Dies bedarf nur hinsichtlich der öffentlichen Wiedergabe der Begründung. Unter einer solchen ist die Übertragung eines Artikels z.B. im Rundfunk zu verstehen (vgl. Schricker/Melichar, § 49 RZ 13). Sie erfaßt vom Wortlaut her den verfahrensgegenständlichen elektronischen Pressespiegel schon deswegen nicht, weil dieser erst zusammengestellt werden muß und im übrigen der Öffentlichkeit gerade nicht unbeschränkt zugänglich gemacht wird.
§ 49 Abs.1 UrhG ist auch nicht über seinen Wortlaut hinaus nach seinem Sinn und Zweck dahin auszulegen, daß er auch den verfahrensgegenständlichen elektronischen Pressespiegel erfaßt. Das gilt auch angesichts des Umstandes, daß dieser lediglich eine moderne Form des inzwischen etablierten herkömmlichen Pressespiegels auf Papier darzustellen scheint und der Gesetzgeber bei der letzten Überarbeitung des § 49 UrhG im Jahre 1985 die rasante technische Entwicklung auf dem Gebiet der elektronischen Datenverarbeitung, die inzwischen die Anlegung auch elektronischer Pressespiegel ermöglicht, noch nicht absehen konnte.
Die Vorschrift, die sich in dem mit "Schranken des Urheberrechts" überschriebenen 6.Abschnitt des Urhebergesetzes findet, ist eng auszulegen, weil es sich um eine Ausnahmevorschrift handelt (vgl. [allerdings zu § 53 Abs.2 UrhG] BGH GRUR 97,459, 463 - "CB-infobank I"). Vor diesem Hintergrund käme eine Anwendung des § 49 UrhG aufgrund einer Auslegung nach dem Gesetzeszweck nur dann in Betracht, wenn es sich bei dem elektronischen Pressespiegel ohne weitergehende Eingriffe in das Urheberrecht der Redakteure tatsächlich nur um die moderne Version einer ohne Zweifel zulässigen Verwertung der betreffenden Presseartikel handeln würde. Das ist indes nicht der Fall.
Es wird zunächst mit guten Gründen schon bezweifelt, daß Pressespiegel überhaupt, also auch in Papierform, unter § 49 UrhG fallen. Hiergegen spreche der Zweck der Ausnahmevorschrift, der dahin gehe, die Diskussion über in anderen Blättern erschienene Artikel zu ermöglichen. Diesem Zweck dienten nämlich Pressespiegel nicht, weil sie nicht fremde Meinungen durch eigene Diskussionsbeiträge oder Kommentierungen erörtern wollten, sondern lediglich fremde Berichterstattung kommentarlos weitergäben (Loewenheim GRUR 96, 636, 641); ablehnend auch Katzenberger in Lehmann/Katzenberger "Elektronische Pressespiegel und Urheberrecht", Afp Praxisreihe unter VI und VII). Trotz dieser Bedenken wird der Pressespiegel in Papierform allerdings ganz überwiegend für zulässig gehalten (Loewenheim a.a.O., S.637 m.w. N.). Auch der Gesetzgeber ist bei der letzten Änderung des § 49 UrhG durch das Gesetz zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet des Urheberrechts vom 24.6.1985 anscheinend davon ausgegangen, daß Pressespiegel unter § 49 UrhG fallen. In der Begründung des Gesetzentwurfes, durch den § 49 Abs.1 S.3 UrhG eingefügt und die Ansprüche aus der Vorschrift verwertungsgesellschaftspflichtig gemacht worden sind, heißt es nämlich, daß klagende Verwertungsgesellschaften in der Vergangenheit "gegenüber den Herausgebern von Pressespiegeln" ihre Berechtigung nur unter Schwierigkeiten hätten dartun können und die damals geplante Gesetzesänderung hier Abhilfe schaffen solle (BT-Drucksache 10/837 S.14).
Auch wenn man vor diesem Hintergrund Pressespiegel in Papierform, also Zusammenstellungen von einzelnen Presseartikeln zu bestimmten Themen, die durch Ausschneiden und Aufkleben oder in vergleichbarer Weise von Hand oder mechanisch erstellt worden sind, als von § 49 Abs.1 UrhG erfaßt ansehen will, ergibt sich hieraus nicht, daß auch der elektronische Pressespiegel der Vorschrift unterfällt. Diese elektronische Version stellt nicht etwa lediglich eine Anpassung des geschilderten herkömmlichen Pressespiegels an die moderne Technik dar. Vielmehr sind das Volumen und die Intensität des Eingriffs in die Nutzungsrechte bei dem elektronischen Pressespiegel erheblich höher und schließen sie eine Rechtfertigung dieses Eingriffes durch § 49 Abs. 1 UrhG aus.
So setzt die Erstellung eines elektronischen Pressespiegels zunächst das - üblicherweise durch "scannen" erfolgende - Speichern der später verwerteten Artikel voraus. Angesichts der vielfältigen technischen Zugriffsmöglichkeiten auf einmal elektronisch gespeicherte Daten bestehen schon erhebliche Zweifel, ob dieser Vorgang bei sinngemäßer Auslegung noch unter eine Vorschrift gefaßt werden kann, die dem Zweck dienen soll, die Auseinandersetzung mit aktuellen Themen und bereits erschienenen Artikeln zu vereinfachen oder sogar erst zu ermöglichen. Denn dazu ist nicht die Speicherung, sondern die zitierende Wiedergabe erforderlich. Es erscheint wegen der Besonderheiten der elektronischen Datenverarbeitung auch zweifelhaft, ob der Vorgang des Einscannens mit dem Mitschnitt von Rundfunksendungen gleichgesetzt werden kann, wie er für die gem. § 49 Abs.1 UrhG zulässige Ausstrahlung von Rundfunksendungen erforderlich ist (vgl. näher Loewenheim a.a.O., S.640).
Aber auch wenn man das notwendige Einspeichern der Artikel nicht schon als ausschlaggebend ansehen will, kann doch jedenfalls der Computer als "Ausgabemedium", also als das Medium, über das der Nutzer die einzelnen Artikel zur Kenntnis nimmt, auch bei sinngemässer Auslegung zumindest dann nicht als "Zeitung" oder "Informationsblatt" im Sinne der Vorschrift aufgefaßt werden, wenn dem Nutzer so weitgehende Rechte eingeräumt werden, wie dies aus dem Vertrag der Antragsgegnerin mit der G. oHG hervorgeht.
Der Vertrag sieht in seinem § 1 Abs.1 eine Benutzung der elektronischen Pressespiegel innerhalb des "G.-Kommunikationssystems" zum internen Gebrauch durch E-Mail vor. Es soll sich also jeder Nutzer, und das ist der nicht näher eingegrenzte Kreis "alle(r) Personen, die für G. tätig sind," die gespeicherten Informationen auf seinen Computer laden können. Damit wird eine wesentlich andere, nämlich insbesondere schnellere und weiterreichende Verwertung der Artikel als bei der Papierform des Pressespiegels vorgenommen und so in nicht wenigen Fällen erreicht, daß der Erwerb eines einzigen Exemplars der Zeitung, die den gespeicherten Artikel enthält, zur Information aller in das "G.-Kommunikationssytem" eingebunden Personen ausreicht. Die einzelnen Beiträge stehen nämlich umgehend nach dem Einscannen in beliebiger Anzahl jedem Nutzer zur freien Verfügung. Demgegenüber begrenzt die herkömmliche Form des Pressespiegels den Kreis der Nutzer durch die Anzahl der vorgenommenen Kopien und kann auch die geschilderte Schnelligkeit und damit Aktualität auf die herkömmliche Weise nicht erreicht werden. Es kommt maßgeblich hinzu, daß der Nutzer die Texte ohne weiteres im Wege der elektronischen Datenverarbeitung, also z.B. durch Zitieren und Einblenden in andere Texte, aber auch durch Verkürzungen, Hervorhebungen oder Hinzufügungen, weiterverarbeiten kann und dies auch mit dem insofern unbegrenzten Vertragswortlaut im Einklang steht. Auch hierdurch entfernt sich der verfahrensgegenständliche elektronische Pressespiegel, wie er dem obigen Vertragstext zugrundegelegt und im vorliegenden Eilverfahren allein zu beurteilen ist, ganz erheblich von den Zielen des § 49 UrhG. Die von dem Gesetzgeber beabsichtigte Möglichkeit des Einzelnen, sich frei von den Rechten des Nutzungsberechtigten mit einem einmal erschienenen Artikel kritisch auseinandersetzen und diesen dabei auch wiedergeben zu können, macht es nicht erforderlich, daß derjenige, der von diesem Recht Gebrauch machen will, den Text des Artikels in einer Form zur Verfügung gestellt erhält, die im Wege der elektronischen Datenverarbeitung die geschilderten Veränderungen ermöglicht.
Bereits diese Gründe stehen einer Anwendung des § 49 UrhG auf elektronische Pressespiegel in der Ausprägung, wie sie in dem verfahrensgegenständlichen Vertrag vorgesehen sind, entgegen. Es kommt hinzu, daß die elektronischen Pressespiegel, worauf bereits Loewenheim a.a.O., S.641 und das Landgericht Hamburg in seinem den Parteien bekannten ausführlichen Urteil vom 7.9.1999 - 308 O 258/99 - auf den Seiten 9 ff mit zutreffenden Gründen hingewiesen haben, wegen der Möglichkeit der schnellen Verbreitung und der elektronischen Verarbeitung der Nachrichten in weitem Umfang den Bezug der Zeitung entbehrlich macht. Es liegt damit nicht eine bloße Anpassung einer möglicherweise zulässigen Verfahrensweise an die moderne Technik, sondern eine gegenüber dem herkömmlichen Pressespiegel noch erheblich weitergehende Entfernung von der Intention des § 49 UrhG vor, die mit der Bestimmung nicht im Einklang steht.
Der Senat sieht sich in seiner Auffassung im übrigen durch den von den Antragstellerinnen als Anlage AS 9 vorgelegten Diskussionsentwurf eines fünften Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes vom 15.7.1998 bestätigt, weil dieser auf der Grundlage basiert, daß elektronische Pressespiegel nach geltendem Recht nicht von § 49 UrhG erfaßt sind. In dem Entwurf ist vorgesehen, unter im einzelnen dargelegten, hier nicht interessierenden Voraussetzungen die Verbreitung von einzelnen Sprachwerken "in Zeitungen sowie in anderen Druckschriften oder sonstigen Datenträgern" für zulässig zu erklären. Damit sollen ausweislich der Entwurfsbegründung (a.a.O., S.10) "insbesondere elektronische Pressespiegel zum Unternehmens- bzw. behördeninternen Gebrauch" erfaßt werden. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin sieht der Entwurf nicht nur eine Klarstellung der schon bestehenden Rechtslage oder gar nur eine redaktionelle Änderung vor. Vielmehr ergibt sich aus der Begründung, die auch ausdrücklich mit "a) inhaltlich" (im Gegensatz zu nachfolgend "b) redaktionell") überschrieben ist, daß die Verfasser den Entwurf als inhaltliche Änderung und Erweiterung der Rechte aus § 49 UrhG ansehen. Diese noch in einem frühen Stadium befindlichen Gesetzgebungsüberlegungen in dem zuständigen Fachministerium geben dem Senat auch nicht etwa Anlaß, die Bestimmung in ihrer geltenden Fassung über ihren Wortlaut und Sinn hinaus bereits jetzt im Sinne des Diskussionsentwurfes auch auf elektronische Pressespiegel anzuwenden. Dies verbietet sich schon deswegen, weil ein Gesetzgebungsverfahren noch nicht einmal eingeleitet und erst recht nicht abgeschlossen und daher offen ist, ob und mit welchem Inhalt die geltende Bestimmung künftig geändert werden wird. Aus diesem Grunde kann auch die zweifelhafte Frage dahinstehen, ob die im § 1 Abs.1 des Vertrages festgelegte Zweckbestimmung, wonach die Verwertung des elektronischen Pressespiegels durch "Personen, die für G. tätig sind" überhaupt hinreichend konkret eingegrenzt ist, als daß von einem unternehmensinternen Gebrauch im Sinne des Diskussionsentwurfes gesprochen werden könnte.
Unterfällt der elektronische Pressespiegel wie er von der G. oHG beabsichtigt ist aus den vorstehenden Gründen nicht der Ausnahmevorschrift des insoweit allein in Betracht kommenden § 49 Abs.1 UrhG, so liegt in der Einscannung, Speicherung und elektronischen Wiedergabe durch E-mail ein Verstoß gegen § 97 Abs.1 UrhG. Der daraus resultierende Unterlassungsanspruch richtet sich entgegen deren Annahme auch gegen die Antragsgegnerin. Diese verstößt durch die bloße Einziehung der Vergütung zwar alleine nicht unmittelbar gegen die Vorschrift, wirkt an der Gesetzesverletzung durch die G. oHG aber in einer den Unterlassungsanspruch auslösenden Weise mit. § 97 UrhG erfaßt alle Formen von Täterschaft und Teilnahme (Schricker/Wild, 2. Aufl., § 97 RZ 35). Die Antragsgegnerin ist zumindest Gehilfin, wenn nicht - was aber wegen der Erfassung aller Formen von Täterschaft und Teilnahme offenbleiben kann - sogar ein Fall von mittelbarer Täterschaft vorliegt. Durch den Vertragsschluss hat die Antragsgegnerin die G. oHG ganz maßgeblich in der Annahme bestärkt, zu der beabsichtigten Verwertung der Artikel berechtigt zu sein. Diese Wirkung wird der Vertragsschluss im Wiederholungsfalle auch bei jedem anderen Vertragspartner haben. Dem Vertragsschluss gerade durch die Antragsgegnerin kommt deswegen bei der Entschlussfassung über die Anlegung eines elektronischen Pressespiegels gesteigerte Bedeutung zu, weil sie nicht irgendein beliebiger Vertragspartner, sondern die - sogar einzige - Wahrnehmungsgesellschaft für die Branche ist und daher offiziöse Funktion hat. Die Antragsgegnerin genießt in dieser Eigenschaft eine erhebliche Autorität. Der einzelne Vertragspartner wird daher annehmen so verfahren zu dürfen, wenn schon die Antragsgegnerin die Auffassung vertritt, die beabsichtigte Verwertung der Artikel durch einen elektronischen Pressespiegel sei zulässig. Dem steht die vertragseinleitende Klausel, wonach die Vertragsparteien "davon ausgehen, daß auch sog. elektronische Pressespiegel der Regelung des § 49 UrhG unterliegen" nicht entgegen. Denn diese Klausel ändert, auch wenn durch sie Zweifel an der Zulässigkeit des elektronischen Pressespiegels anklingen, nichts daran, daß die Antragsgegnerin auf diese Weise mit ihrer Autorität die Verfahrensweise legitimiert. Denn sie bringt durch den Vertragsschluss zum Ausdruck, daß jedenfalls nach ihrer Auffassung die Zulässigkeit gegeben sei.
Schließlich rechtfertigt sich der beanstandete Vertrag auch nicht daraus, daß - wie die Antragsgegnerin vorgetragen hat - auf diese Weise wenigstens die Zahlung der Vergütung sichergestellt werde, die bei einer Unzulässigkeit des elektronischen Pressespiegels unmittelbar den Redakteuren ausgekehrt werden könne. Denn dies ändert nichts daran, daß auf die angegriffene Weise der Verstoß gegen § 97 UrhG zumindest gefördert wird, der indes aus den dargelegten Gründen zu unterlassen ist. Der in der Bestärkung des Vertragspartners liegende Verstoß gegen § 97 Abs.1 UrhG durch die Antragsgegnerin kann nicht dadurch legitimiert werden, daß sie wenigstens die dadurch fällig werdenden Zahlungen den Berechtigten zuleitet.
Es besteht aus den bereits im Rahmen der Zulässigkeit des Antrages dargelegten Gründen auch Wiederholungsgefahr. Diese ist nicht dadurch entfallen, daß das Landgericht Hamburg in dem erwähnten Verfahren bereits ebenfalls eine einstweilige Verfügung gegen die Antragsgegnerin erlassen hat. Das gilt ungeachtet der Frage, ob jene einstweilige Verfügung bereits formell rechtskräftig geworden ist. Denn der bloße Umstand, daß bereits eine einstweilige Verfügung existiert und gegen deren Erlaß Rechtsmittel nicht eingelegt worden sind, beseitigt angesichts der Vorläufigkeit des Eilverfahrens die Wiederholungsgefahr nicht (vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Auflage, Kap.7 RZ 14 m.w.N.).
Die mithin bestehenden Unterlassungsansprüche stehen auch entgegen den Zweifeln der Kammer den Antragstellerinnen zu. Diese haben durch die beispielhafte Vorlage von Redakteursverträgen glaubhaft gemacht, daß die Redakteure die ausschließlichen Nutzungsrechte an den einzelnen Artikeln auf sie übertragen haben. So heißt es in § 8 des von der Antragstellerin zu 1) verwendeten, als Anlage BB 3 vorgelegten Vertrages: "Der Redakteur räumt dem Verlag die uneingeschränkten, ausschließlichen Nutzungsrechte der Vervielfältigung und Verbreitung aller Beiträge ein" und verwenden die beiden anderen Antragstellerinnen - wie aus den Anlagen BB 11 und BB 15 ersichtlich ist - sinngemäß gleiche Formularverträge. Die beispielhafte Vorlage der Redakteursverträge reicht zur Glaubhaftmachung der Rechteübertragung auf die drei Antragstellerinnen aus. Denn es wäre lebensfremd anzunehmen, daß die Verlage die Klauseln nur bei einzelnen und nicht bei allen Redakteuren verwenden.
Wegen dieser Einzelvereinbarungen ist auch der - im Berufungsverfahren ohnehin nicht mehr aufgegriffene - erstinstanzliche Einwand der Antragsgegnerin hinfällig, wonach "gemäß sämtlichen einschlägigen Tarifverträgen zwischen Redakteuren und BDZV bzw. VDZ der Vergütungsanspruch aus § 49 Abs.1 S.2 UrhG ausschließlich den Redakteuren" zustehen soll. Im übrigen hat die Antragsgegnerin auch dem Vortrag der Antragstellerinnen nicht widersprochen, wonach der einschlägige Manteltarifvertrag vom 1.1.1998 zwar nicht für allgemeinverbindlich erklärt worden ist, aber gleichwohl im Verhältnis zwischen ihnen und ihren Redakteuren gilt, weil diese und sie Mitglieder der Tarifvertragsparteien sind.
Aufgrund der Übertragung der ausschließlichen Nutzungsrechte stehen den Antragstellerinnen die verfahrensgegenständlichen Unterlassungsansprüche zu.
Vor diesem Hintergrund sind die Voraussetzungen für den Erlaß einer einstweiligen Verfügung sinngemäß nach dem von den Antragstellerinnen gestellten Hauptantrag glaubhaft gemacht.
Soweit die Antragsgegnerin in erster Instanz Bedenken gegen dessen Bestimmtheit geäußert hat, sind diese nicht begründet. Die Formulierung "... soweit Artikel im Sinne des § 49 Abs.1 UrhG ... betroffen sind;" beschreibt allerdings die betreffenden Artikel und damit den Inhalt des zu beanstandenden elektronischen Pressespiegels nicht konkret. Durch diese Formulierung wird aber gleichwohl gerade die Verhaltensweise konkret beschrieben, die der Antragsgegnerin vorzuwerfen ist. Diese greift nämlich im § 1 Abs.2 des beanstandeten Vertrages, wo es heißt: "verwendet werden nur Artikel oder Kommentare aus Zeitungen oder anderen lediglich Tagesinteressen dienenden Informationsblättern i.S. von § 49 Abs.1 S.1 UrhG" selbst ebenfalls auf den Wortlaut der Bestimmung des § 49 UrhG zurück. Aus diesem Grunde kann dem sinngemäß gleichlautenden Antragswortlaut nicht mit Erfolg der Einwand mangelnder Konkretisierung und Bestimmtheit entgegengehalten werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO.
Das Urteil ist gemäß § 545 Abs.2 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.
Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 150.000 DM festgesetzt, nachdem die Parteien gegen die vorläufige Festsetzung auf diesen Betrag durch Senatsbeschluß vom 27.9.1999, die der erstinstanzlichen Wertfestsetzung entsprach, Einwände nicht erhoben haben.
OLG Köln:
Urteil v. 30.12.1999
Az: 6 U 151/99
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/2f3478120f50/OLG-Koeln_Urteil_vom_30-Dezember-1999_Az_6-U-151-99