Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. August 2009
Aktenzeichen: 27 W (pat) 75/09
(BPatG: Beschluss v. 03.08.2009, Az.: 27 W (pat) 75/09)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat mit Beschluss vom 3. August 2009 entschieden, dass die Beschwerde gegen die Entscheidung des Deutschen Patent- und Markenamts zurückgewiesen wird. Hintergrund der Entscheidung war eine Marke, die von der Anmelderin für verschiedene Waren und Dienstleistungen angemeldet wurde. Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts hatte die Anmeldung zunächst für einen Teil der angemeldeten Waren und Dienstleistungen zurückgewiesen. Später wies sie darauf hin, dass die inländische Nachanmeldung der Marke nicht innerhalb der 6-Monats-Frist nach Anmeldung der Gemeinschaftsmarke erfolgt war. Die Anmelderin beantragte daraufhin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Sie argumentierte, dass ihre Mitarbeiterin die Nachanmeldungsfrist versehentlich falsch notiert habe. Das Patentgericht entschied jedoch, dass die Anmelderin die Versäumung der Frist hätte erkennen können und der Wiedereinsetzungsantrag daher zu spät eingereicht wurde. Die Beschwerde der Anmelderin wurde daher abgelehnt.
Quelle: Bundespatentgericht - Beschluss vom 3. August 2009, Aktenzeichen 27 W (pat) 75/09.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 03.08.2009, Az: 27 W (pat) 75/09
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Die Anmelderin hat mit beim Deutschen Patentund Markenamt am 18. Juni 2007 eingegangenem Telefax vom selben Tag die Marke 307 39 490 5 als Kennzeichnung für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 28, 35, 38, 39, 42 und 43 angemeldet. Dabei hat sie die Priorität ihrer parallelen Gemeinschaftsmarkenanmeldung Nr. 005558771 geltend gemacht; ausweislich des ihrer Anmeldung beigefügten Registerauszuges des HABM ist diese am 15. Dezember 2006 angemeldet worden.
Nachdem die Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patentund Markenamtes mit Beschluss vom 15. April 2004, gegen den die Anmelderin keine Erinnerung eingelegt hat, die Anmeldung für einen Teil der angemeldeten Waren und Dienstleistungen zurückgewiesen hat, hat sie mit Schreiben vom 17. Juli 2008 darauf hingewiesen, dass einer Eintragung der Anmeldemarke für die übrigen Waren und Dienstleistungen noch das Hindernis entgegenstehe, dass die inländische Nachanmeldung nicht binnen der 6-Monats-Frist gem. Art. 4 C PVÜ nach Anmeldung der Gemeinschaftsmarke erfolgt sei. Hierauf hat die Anmelderin mit Schriftsatz vom 14. August 2008 beantragt, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren; dies hat sie damit begründet, dass ihre frühere, bislang beanstandungsfrei arbeitende Büroangestellte, nachdem das HABM mit Schreiben vom 19. Dezember 2006 den Anmeldetag mitgeteilt hatte, auf die entsprechende rechtsanwaltliche Anweisung über die Art der zu notierenden Frist (hier also die Nachanmeldungsfrist) versehentlich den 19. Juni 2007 notiert habe, so dass die Nachanmeldung erst mit Telefax vom 18. Juni 2007 vorgenommen worden sei.
Mit Beschluss vom 29. September 2008 hat die Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patentund Markenamtes den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen. Dies wird damit begründet, die unrichtige Notierung der Frist möge zwar auf einem Versehen einer Bürokraft beruht haben, vorliegend hätte die Notierung der zutreffenden Frist aber von der Verfahrensbevollmächtigten in eigener Verantwortung kontrolliert werden müssen. Allein der Bürokraft eine Anweisung über die Art der zu notierenden Frist erteilt zu haben, reiche nicht aus, weil die Verfahrensbevollmächtigte wegen der Bedeutung der Prioritätsfrist, welche derjenigen von Rechtsmittelfristen, welche Anwälte nach ständiger Rechtsprechung ebenfalls in eigener Person zu ermitteln hätten, vergleichbar sei, deren Ermittlung nicht auf eine Bürokraft habe delegieren dürfen. Die fehlende eigene Kontrolle der inhaltlichen Richtigkeit der zu notierenden Prioritätsfrist stelle aber ein eigenes Verschulden der Verfahrensbevollmächtigten der Anmelderin dar, so dass diese nicht ohne Verschulden an der Einhaltung der Prioritätsfrist gehindert gewesen sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 vom 29. September 2008 aufzuheben und ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Prioritätsfrist zu gewähren.
Sie ist der Ansicht, dass es sich bei der Prioritätsfrist um eine Routinefrist handele, deren Ermittlung auf eine Bürokraft hätte übertragen werden dürfen.
Auf den Hinweis des Senats zur Frage der Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages nach § 91 Abs. 2 MarkenG hat sie geltend gemacht, der dem Antrag beigefügte Registerauszug über die Anmeldung der Gemeinschaftsmarke sei von der Bürokraft auf entsprechende Anweisung der Verfahrensbevollmächtigten der Anmelderin ausgedruckt und der Anmeldung beigefügt worden. Eine Veranlassung zur Kontrolle der inhaltlichen Richtigkeit der von der Bürokraft früher notierten Frist habe nicht bestanden; es habe für die Verfahrensbevollmächtigte daher bei Absendung der Markenanmeldung keine Möglichkeit bestanden, die Fristversäumnis festzustellen; sie habe daher erstmals mit Schreiben der Markenstelle vom 17. Juli 2008 von der Fristversäumnis Kenntnis erlangt, woraufhin unverzüglich der Wiedereinsetzungsantrag gestellt worden sei. Darüber hinaus sei die Bürokraft ordnungsgemäß geschult und überwacht gewesen, was im Einzelnen ausgeführt und zu deren Glaubhaftmachung eine anwaltliche Versicherung vorgelegt wurde.
II Die nach § 66 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat die Markenstelle den Antrag der Anmelderin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Prioritätsfrist zurückgewiesen. Dabei kann jedoch dahinstehen, ob (wofür allerdings Einiges spricht) der Wiedereinsetzungsantrag, wie die Markenstelle angenommen hat, wegen Verschuldens der Verfahrensbevollmächtigten der Anmelderin unbegründet war, da sich der Antrag bereits wegen Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist nach § 91 Abs. 2 MarkenG als unzulässig erweist.
1. Nach § 91 Abs. 1 MarkenG kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt werden, sofern ein Verfahrensbeteiligter ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war. Der Antrag ist nach § 91 Abs. 2 MarkenG innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses zu stellen und muss nach § 91 Abs. 3 MarkenG die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten und glaubhaft machen.
Es kann dahinstehen, ob die Prioritätsfrist, welche für den (zeitlichen) Bestand einer Marke maßgeblich und somit materiellrechtlicher und nicht verfahrensrechtlicher Natur ist, überhaupt eine Frist i. S. d. § 91 Abs. 1 MarkenG darstellt, deren Versäumung über diese Vorschrift "heilbar" ist oder ob dem der Ausschlusscharakter materiellrechtlicher Fristen entgegensteht (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl., § 233 Rn. 8; für den Fall der patentrechtlichen Jahresgebühren hat BGH GRUR 2008, 551 -Sägeblatt im Hinblick auf ihren materiellrechtlichen Charakter eine Anwendung des § 240 ZPO zwar verneint, die Anwendung der Wiedereinsetzungsvorschriften hierauf aber obiter dicta erwogen, ohne sich mit der Frage, ob materiellrechtliche Ausschlussfristen von dem [§ 91 MarkenG entsprechendem] § 123 PatG erfasst werden, weiter auseinander zu setzen). Selbst wenn nämlich eine Anwendung des § 91 MarkenG auf die (materiellrechtliche) Prioritätsfrist bejaht würde, ist der Wiedereinsetzungsantrag vorliegend auf jeden Fall nicht binnen der Frist von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses i. S. d. § 91 Abs. 2 MarkenG gestellt worden und damit unzulässig. . a) Das Hindernis fällt nach dieser Vorschrift weg, sobald der Betroffene oder sein Vertreter entweder die Fristversäumung tatsächlich erkennt oder bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt erkennen musste, so dass die weitere Säumnis nicht mehr verschuldet ist (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl. 2006, § 91 Rn. 22; dies entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 234 Abs. 2 ZPO, vgl. BGH NJW 2000, 592, 593; weitere Nachw. bei Zöller/Greger, ZPO, 27 Aufl., § 234 Rn. 5 b). Nach diesen Vorgaben ist der Wiedereinsetzungsantrag vom 14. August 2008 i. S. d. § 91 Abs. 2 MarkenG verspätet gewesen.
b) Wie sich der Verwaltungsakte entnehmen lässt, ist der am 13. Juni 2006 übermittelten inländischen Anmeldung ein am selben Tag erstellter Registerauszug des HABM beigefügt gewesen, in dem gleich zu Anfang unter "Anmeldetag" angegeben ist: "15/12/2006". Da die Anmelderin sich als Argument dafür, dass die Notierung der Prioritätsfrist auf Bürokräfte habe übertragen werden dürfen, selbst darauf beruft, dass sowohl die Kenntnis der Prioritätsfrist nach Art. 4 Abs. C.(1) und (2) PVÜ als auch die Ermittlung der konkreten Frist nach §§ 187, 188 BGB keine besonderen Fähigkeiten erfordere, hätte es der Verfahrensbevollmächtigten bei Unterzeichnung der Anmeldeunterlagen ohne Mühe auffallen können, dass am Tag der Unterzeichnung und beabsichtigten Übermittlung der Nachanmeldung die Prioritätsfrist bereits abgelaufen war.
c) Dem steht auch der Vortrag der Anmelderin nicht entgegen, der Registerauszug sei nur auf entsprechende Anweisung der Verfahrensbevollmächtigten von einer Bürokraft ausgedruckt und der Anmeldung beigefügt worden. Soweit damit zum Ausdruck kommen soll, dass der Registerauszug bei Unterzeichnung der Anmeldung der Verfahrensbevollmächtigten nicht vorgelegen habe, so dass sie seinen Inhalt nicht habe wahrnehmen können, steht dies der Annahme, dass sie bei Einhaltung der gebotenen Sorgfaltspflicht den Ablauf der Prioritätsfrist hätte erkennen können, nicht entgegen. Es entspricht nämlich anwaltlicher Sorgfaltspflicht, zu unterzeichnende Schriftsätze vor der Unterzeichnung und Weiterleitung auf ihre inhaltliche Richtigkeit zu überprüfen. Wird also wie im vorliegenden Fall eine Markenanmeldung unter Beanspruchung einer Prioritätsfrist vorgenommen, obliegt es der von einem Anwalt zu erwartenden Sorgfaltspflicht, vor der Unterzeichnung auch die Einhaltung der Prioritätsfrist (ggf. nochmals) zu überprüfen, wozu er sich der üblichen Erkenntnismittel (hier also dem Registerauszug des HABM) zu bedienen hat. Hiervon abzusehen und quasi "blinden Auges" eine auf Prioritätsgewährung gerichtete Anmeldung vorzunehmen, kann nicht mehr als ausreichende Sorgfaltswahrung angesehen werden. Hätte die Verfahrensbevollmächtigte der Anmelderin diesen Sorgfaltsanforderungen aber Genüge getan, hätte sie die Überschreitung der Prioritätsfrist -entsprechend ihrer eigenen Ansicht über die Leichtigkeit der Fristfeststellung und -ermittlung ohne Mühe erkennen können.
d) Da somit die Frist des § 91 Abs. 2 MarkenG bereits im Zeitpunkt der Anmeldung zu laufen begann und somit am 18. August 2007 endete, war der erst am 14. August 2008 gestellte Wiedereinsetzungsantrag mangels Einhaltung der Wiedereinsetzungsfrist unzulässig.
e) Bei dieser Sachlage kann auf sich beruhen, ob der Wiedereinsetzungsantrag, wie von der Markenstelle im angefochtenen Beschluss angenommen, auch unbegründet war, wofür allerdings sprechen könnte, dass nicht nachgewiesen wurde, dass es sich bei Prioritätsfristen um geläufige Fristen handelt, welche im Büro der Verfahrensbevollmächtigten der Anmelderin häufig und damit üblich sind, so dass nicht nur ihre Notierung, sondern sogar ihre Ermittlung auf das Büropersonal übertragen werden durfte. Da sich der Wiedereinsetzungsantrag aber bereits aus anderen Gründen als nicht erfolgreich erweist, bedarf diese Frage keiner Vertiefung.
2. Da die Markenstelle somit im Ergebnis den Wiedereinsetzungsantrag der Anmeldemarke zutreffend zurückgewiesen hat, war der hiergegen gerichteten Beschwerde der Anmelderin der Erfolg zu versagen.
Dr. Albrecht Kruppa Schwarz Me
BPatG:
Beschluss v. 03.08.2009
Az: 27 W (pat) 75/09
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