Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 26. Januar 2009
Aktenzeichen: AnwZ (B) 28/08

(BGH: Beschluss v. 26.01.2009, Az.: AnwZ (B) 28/08)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung vom 26. Januar 2009 (Aktenzeichen AnwZ (B) 28/08) die sofortige Beschwerde eines Antragstellers gegen den Beschluss des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 16. November 2007 zurückgewiesen. Der Antragsteller muss die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen und der Antragsgegnerin die entstandenen außergerichtlichen Auslagen erstatten.

Der Antragsteller war bereits in der Vergangenheit wegen Vermögensverfalls von seiner Zulassung als Rechtsanwalt ausgeschlossen worden. Nach einer erneuten Zulassung im Jahr 2004 widerrief die Antragsgegnerin auch diese Zulassung im Jahr 2005. Der Antragsteller legte dagegen gerichtliche Entscheidung ein, aber der Anwaltsgerichtshof wies den Antrag ab. Daraufhin legte der Antragsteller sofortige Beschwerde ein, die jetzt vom Bundesgerichtshof abgelehnt wurde.

Der Beschluss des Anwaltsgerichtshofs war nach Ansicht des Bundesgerichtshofs rechtens und hat den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt. Es lag Vermögensverfall vor, da der Antragsteller in finanziellen Schwierigkeiten war und seinen Verpflichtungen nicht nachkommen konnte. Dies wurde unter anderem durch Vollstreckungsverfahren und Schuldtitel gegen den Antragsteller belegt. Auch wurden weitere Vollstreckungsverfahren nach der erneuten Zulassung bekannt.

Der Widerruf der Zulassung war gerechtfertigt, da der Gesetzgeber annimmt, dass die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet sind, wenn sich ein Rechtsanwalt in Vermögensverfall befindet. Da der Antragsteller seinen Vermögensverfall nicht nachweisen konnte und noch weitere Forderungen gegen ihn vorlagen, blieben seine Vermögensverhältnisse ungeklärt und die Rechtsuchenden waren weiterhin gefährdet.

Der Antragsteller konnte auch keinen Nachweis erbringen, dass der Vermögensverfall nachträglich entfallen sei. Gegen ihn waren weitere Verfahren anhängig und er konnte keine Übersicht über seine Vermögensverhältnisse vorlegen. Zusätzlich hatte er Forderungen an einen Finanzdienstleister abgetreten, was ebenfalls die Vermögensverhältnisse gefährdete.

Die Tatsache, dass der Antragsteller nicht an der mündlichen Verhandlung teilgenommen und sein Ausbleiben nicht entschuldigt hat, beeinflusste die Entscheidung nicht.

Die Vorinstanz war das Anwaltsgericht Hamm, welches am 16. November 2007 einen entsprechenden Beschluss gefällt hatte.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BGH: Beschluss v. 26.01.2009, Az: AnwZ (B) 28/08


Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 16. November 2007 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 60.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller war von 1979 bis zum Widerruf seiner Zulassung wegen Vermögensverfalls durch Bescheid des Justizministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 21. September 1993 und sodann von 1996 bis zum erneuten, am 8. April 2000 bestandskräftig gewordenen Widerruf seiner Zulassung wegen Nichtunterhaltens einer Kanzlei zugelassen. Mit Bescheid vom 7. September 2004 wurde er erneut im Bezirk der Antragsgegnerin als Rechtsanwalt zugelassen. Diese Zulassung widerrief die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 27. Mai 2005. Dagegen hat der Antragsteller gerichtliche Entscheidung beantragt. Diesen Antrag hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde, deren Zurückweisung die Antragsgegnerin beantragt.

II.

Das gemäß § 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Der angefochtene Widerrufsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten, weil seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen Vermögensverfalls zu widerrufen war.

1. Vermögensverfall ist gegeben, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen; Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (Senat, Beschl. v. 25. März 1991, AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Beschl. v. 21. November 1994, AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126).

2. Danach befand sich der Antragsteller bei Erlass des Widerrufsbescheids in Vermögensverfall.

a) Vor der erneuten Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 7. September 2004 waren gegen den Antragsteller folgende Vollstreckungsverfahren anhängig:

1. Gerichtskasse B. wegen 375,35 €, (aktuell 311,89 €), 2. H. K. wegen einer Teilforderung von 1.034,02 €, 3. Gerichtskasse B. wegen 393,85 €, (aktuell 311,89 €), 4. Kreissparkasse G. wegen einer Teilforderung von 500,00 €, 5. D. AG wegen einer Teilforderung von 161,50 €, (aktuell 150,00 €), 6. J. Kl. als Konkursverwalter wegen 7.155,10 €.

Die Verfahren zu Nr. 1, 3 und 5 waren mit Verhaftungs- oder Anträgen auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verbunden. Sie wurden im Zeitpunkt der Wiederzulassung des Antragstellers nicht mehr betrieben. Entgegen den Angaben des Antragstellers in dem Erhebungsbogen für seine erneute Zulassung beruhte das aber, wie sich nach der Zulassung herausstellte, nicht darauf, dass die Forderungen erfüllt oder anders bereinigt wurden. Vielmehr wurde sie lediglich nicht mehr weiter betrieben, weil der Antragsteller nicht erreichbar war. Der Umstand, dass der Antragsteller diese überwiegend nicht sehr hohen Forderungen nicht beglichen hatte, belegt, dass seine Vermögensverhältnisse bei Erlass des Widerrufsbescheids so beengt waren, dass er nicht in der Lage war, auch kleinere Forderungen zu begleichen, und für seine Gläubiger nicht mehr erreichbar war. Nach Zulassung wurden folgende weiteren Vollstreckungsverfahren gegen den Antragsteller bekannt:

7. Kammerbeitragsforderung der Agg. wegen 45,00 €, 8. Prof. Jo. wegen 719,89 €.

Der Vollstreckungsauftrag zu Nr. 8 war wieder mit einem Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verbunden. Die weiteren Vollstreckungsverfahren belegen, dass sich die Vermögenslage des Antragstellers nicht gebessert hatte.

Daran ändert es nichts, dass Rechtsanwalt S. der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 18. September 2003 mitgeteilt hat, der Antragsteller habe für ihn gearbeitet und dabei einen "aufgesparten Gehaltsanspruch in Höhe von ca. 60.000 DM" erworben; aus diesem seien Verbindlichkeiten beglichen worden. Weder dieser Anspruch noch die Begleichung von Verbindlichkeiten waren bei Erlass des Widerrufsbescheids belegt. Das Beschäftigungsverhältnis ist zudem nach Mitteilung von Herrn Rechtsanwalt S. vom 21. Juni 2004 noch vor der Wiederzulassung beendet worden, weil der Antragsteller nicht als Rechtsanwaltsbewerber, sondern als zugelassener Rechtsanwalt angestellt worden sei, was er seinerzeit aber nicht war.

Der Berücksichtigung der Forderungen zu Nr. 1 bis 6 in dem Widerrufsbescheid stand nicht entgegen, dass sie schon vor der Wiederzulassung geltend gemacht worden sind. Sie waren nämlich entgegen der Versicherung des Antragstellers nicht erledigt und bleiben deshalb auch nach der Wiederzulassung ein Beleg dafür, dass die Vermögensverhältnisse des Antragstellers schon zu diesem Zeitpunkt nicht geordnet waren und sein Antrag auf Wiederzulassung nach § 7 Nr. 9 BRAO hätte zurückgewiesen werden müssen. Dieser Umstand zwingt die Antragsgegnerin nicht, die Zulassung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BRAO zurückzunehmen. Sie kann nämlich bei Fortbestehen eines verschwiegenen Vermögensverfalls nach erfolgter Zulassung zur Rechtsanwaltschaft deswegen gleich ein Widerrufsverfahren einleiten und sich dazu auch auf die vor der Zulassung erteilten Vollstreckungsaufträge stützen, wenn diese bis dahin weiterhin keine sachliche Erledigung oder Bereinigung gefunden haben.

b) Wie der Bestimmung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu entnehmen ist, geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet sind, wenn sich der Rechtsanwalt in Vermögensverfall befindet (Senat, Beschl. v. 31. März 2008, AnwZ (B) 33/07, juris). Das ist in der Regel auch der Fall, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern (Senat, Beschl. v. 18. Oktober 2004, AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511 unter II 2 a). Anhaltspunkte dafür, dass das hier bei Erlass des Widerrufsbescheids ausnahmsweise nicht der Fall war, sind nicht ersichtlich.

3. Der Widerrufsbescheid der Antragsgegnerin ist auch nicht wegen nachträglichen Fortfalls des Widerrufsgrunds aufzuheben.

a) Zwar scheidet nach ständiger Rechtsprechung des Senats ein Widerruf der Zulassung aus, wenn der Widerrufsgrund im Verlauf des Verfahrens entfällt (BGHZ 75, 356, 357; 84, 149, 150). Das setzt aber voraus, dass der Fortfall des Widerrufsgrunds, hier des Vermögensverfalls, zweifelsfrei nachgewiesen wird (Senat, Beschl. v. 25. März 1991, AnwZ (B) 80/90, NJW 1991, 2083, 2084). Diesen Nachweis hat der Antragsteller nicht geführt.

b) Er hat keine Übersicht über seine Vermögensverhältnisse vorgelegt, nicht einmal die Erfüllung oder anderweitige Bereinigung der in der Forderungsliste der Kammer aufgeführten Verbindlichkeiten nachgewiesen. Es stellt sich vielmehr heraus, dass gegen den Antragsteller weitere Verfahren anhängig sind, nämlich 9. Forderung Ho. wegen 6.300,00 €, 10. Studentenwerk A. wegen 4.103,73 €, 11. D. - nicht beziffert -

12. Landesoberkasse - nicht beziffert -.

Zu der Forderung Ho. hat der Antragsteller eine Erklärung des Gläubigers vorgelegt, dass dieser dem Antragsteller in gleicher Höhe verpflichtet sei, auf eine Aufrechnung aber verzichte, um Forderungen des Antragstellers gegen Dritte pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen zu können. Welche Forderungen dem Antragsteller gegen Ho. zustehen könnten, haben weder der Antragsteller noch sein Gläubiger Ho. näher erläutert. Selbst wenn man zugunsten des Antragstellers von der Richtigkeit seines Vorbringens ausgehen sollte, belegt das nicht, dass der Vermögensverfall nicht mehr besteht.

In den Vollstreckungsverfahren zu Nr. 11 und 12 ist gegen den Antragsteller auf Antrag der Gläubigerinnen am 31. August 2007 und am 11. April 2008 jeweils Haftbefehl erlassen worden, um ihn zu zwingen, die eidesstattliche Versicherung abzugeben. Wegen beider Haftbefehle ist der Antragsteller in das von dem Vollstreckungsgericht nach § 915 ZPO zu führende Schuldnerverzeichnis eingetragen worden. Während der zweite Eintrag zwischenzeitlich gelöscht worden ist, besteht der erste nach wie vor. Das hat zur Folge, dass der Vermögensverfall bei dem Antragsteller nunmehr auch gesetzlich vermutet wird. Diese Vermutung kann ein Rechtsanwalt nur widerlegen, indem er eine Aufstellung sämtlicher gegen ihn erhobener Forderungen vorlegt und im Einzelnen darlegt, ob diese Forderungen inzwischen erfüllt sind oder in welcher Weise und mit welchen Mitteln er sie zu erfüllen gedenkt (Senat, Beschl. v. 25. März 1991, AnwZ (B) 80/90, NJW 1991, 2083, 2084; Beschl. v. 29. September 2003, AnwZ (B) 68/02, unveröff.; Beschl. v. 12. Januar 2004, AnwZ (B) 26/03, unveröff.; Beschl. v. 31. März 2008, AnwZ (B) 8/07, BRAK-Mitt. 2008, 221 [Ls]). Eine solche Darstellung hat der Antragsteller der Antragsgegnerin nicht einmal ansatzweise vorgelegt.

c) Die Interessen der Rechtsuchenden sind weiterhin gefährdet. Das ergibt sich aus dem fortbestehenden Vermögensverfall und insbesondere auch daraus, dass der Antragsteller seine Forderungen an einen Finanzdienstleister abgetreten hat und Auszahlungen an diesen vornehmen lässt, zugleich aber auch mit seinem Gläubiger Ho. verabredet hat, Ansprüche des Antragstellers im Wege der Pfändung durchzusetzen. Diese Maßnahmen sind geeignet, das Vermögen des Antragstellers dem Zugriff des Zessionars zu entziehen.

4. Dass der Antragsteller an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen hat, steht einer Entscheidung nicht entgegen, weil er sein Ausbleiben nicht entschuldigt hat.

Ganter Schmidt-Räntsch Schaal Roggenbuck Wüllrich Frey Stüer Vorinstanz:

AGH Hamm, Entscheidung vom 16.11.2007 - 1 ZU 62/05 -






BGH:
Beschluss v. 26.01.2009
Az: AnwZ (B) 28/08


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