Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 6. April 2004
Aktenzeichen: I-20 U 121/03
(OLG Düsseldorf: Urteil v. 06.04.2004, Az.: I-20 U 121/03)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat in dem Urteil vom 6. April 2004 mit dem Aktenzeichen I-20 U 121/03 die Berufung der Beklagten teilweise angenommen und das Urteil des Landgerichtes Düsseldorf vom 16.7.2003 abgeändert. Die Klage wurde abgewiesen, soweit die Beklagten verurteilt wurden, die Bezeichnung "Bundesfachverband" zu verwenden. Das Gericht hat die Kosten der ersten Instanz wie folgt auf die Parteien verteilt: der Kläger trägt 25% der Kosten, der Beklagte zu 1) 55%, der Beklagte zu 2) 10% und der Beklagte zu 3) 10%. Die Kosten der zweiten Instanz trägt der Kläger. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
In dem Verfahren ging es um die Berechtigung des Beklagten zu 1., sich als "Bundesfachverband" zu bezeichnen. Der Kläger hielt diese Bezeichnung für irreführend, da in seiner Auffassung ein "Bundesfachverband" eine Dachorganisation sei, unter der sich Landesverbände zusammenschließen würden. Der Beklagte zu 1. sei jedoch kein Zusammenschluss von Verbänden, sondern nur von einzelnen Sachverständigen.
Das Landgericht hat dem Kläger weitgehend Recht gegeben und den Beklagten untersagt, die Bezeichnung "Bundesfachverband" zu führen. Die Beklagten haben mit ihrer Berufung vorgetragen, dass der Beklagte zu 1. über sechs Landesverbände verfüge, was das Landgericht für nicht schlüssig erachtet hatte. Das Oberlandesgericht entschied jedoch, dass die angegriffene Bezeichnung des Beklagten zu 1. nicht geeignet sei, den Verkehr über seine Struktur in die Irre zu führen. Das Verständnis des Wortes "Verband" entspreche dem allgemeinen Sprachgebrauch, wonach ein Verband eine Vereinigung von natürlichen oder juristischen Personen zur Verfolgung gemeinsamer Interessen sei. Eine Beschränkung auf den Zusammenschluss von Vereinen oder Personenvereinigungen sei nicht festzustellen. Auch sei es nicht erforderlich, dass einem Bundesfachverband Unterorganisationen angehören müssen. Eine Irreführung über die Struktur des Beklagten zu 1. liege daher nicht vor.
Der Streitwert für die erste Instanz wurde in Bezug auf die Unterlassungsanträge festgesetzt: Gegenüber dem Beklagten zu 1. auf 7.500,- EUR, gegenüber dem Beklagten zu 2. auf 1.250,- EUR, und gegenüber dem Beklagten zu 3. auf 1.250,- EUR, insgesamt 10.000,- EUR. Ab dem 16.7.2003 wurde der Streitwert unter Berücksichtigung einer Vereinbarung zur Teilerledigung festgesetzt: Gegenüber dem Beklagten zu 1. auf 4.500,- EUR, gegenüber dem Beklagten zu 2. auf 750,- EUR, und gegenüber dem Beklagten zu 3. auf 750,- EUR, insgesamt 6.000,- EUR. Für den Zuzahlungsantrag wurde der Streitwert auf 175,- EUR festgesetzt. Der Streitwert für die zweite Instanz wurde festgesetzt: Gegenüber dem Beklagten zu 1. auf 1.500,- EUR, gegenüber dem Beklagten zu 2. auf 250,- EUR, und gegenüber dem Beklagten zu 3. auf 250,- EUR, insgesamt 2.000,- EUR.
Die Revision wurde nicht zugelassen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
OLG Düsseldorf: Urteil v. 06.04.2004, Az: I-20 U 121/03
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichtes Düsseldorf vom 16.7.2003 insoweit teilweise unter Abwei-sung der Klage abgeändert, als die Beklagten verurteilt worden sind, es zu unterlassen, die Bezeichnung "Bundesfachverband" zu verwenden.
Von den Kosten erster Instanz tragen der Kläger 25/100, der Beklagte zu 1) 55/100, der Beklagte zu 2) 10/100 und der Beklagte zu 3) 10/100.
Die Kosten zweiter Instanz werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Parteien streiten in zweiter Instanz noch über die Berechtigung des Beklagten zu 1., sich als "Bundesfachverband" zu bezeichnen. Der Kläger hat dies als irreführend angegriffen, weil nach seinem Verständnis ein "Bundesfachverband" eine Dachorganisation sei, unter der sich Landesverbände zusammenschlössen, der Beklagte zu 1. jedoch kein Zusammenschluss von Verbänden, sondern nur von einzelnen Sachverständigen sei.
Das Landgericht ist dem im wesentlichen gefolgt und hat den Beklagten untersagt, die Bezeichnung "Bundesfachverband" zu führen. Das Verteidigungsvorbringen der Beklagten, dass der Beklagte zu 1. über sechs Landesverbände verfüge, hat das Landgericht als nicht schlüssig erachtet, was die Beklagten mit der Berufung angreifen. Ergänzend führen sie aus, dass die Bezeichnung als "Bundesfachverband" nicht erfordere, dass ihm als Dachorganisation Unterorganisationen angehörten, die rechtsfähige Körperschaften seien; vielmehr spielten die juristische Qualifikation und Rechtsnatur der Untergliederungen keine Rolle.
Die Beklagten beantragen,
das Urteil des Landgerichtes Düsseldorf vom 16.7.2003 aufzuheben, soweit den Beklagten untersagt worden ist, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Bezeichnung "Bundesfachverband" zu verwenden und die Klage insoweit abzuweisen,
hilfsweise
das Urteil des Landgerichtes Düsseldorf vom 16.7.2003 aufzuheben und dahingehend neu zu fassen, dass die Beklagte verurteilt werden, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs derzeit die Bezeichnung "Bundesfachverband" zu verwenden.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das landgerichtliche Urteil und bestreitet auch in zweiter Instanz die Existenz von Landesverbänden, die insbesondere beim Zentralverband des Deutschen Handwerks nicht bekannt seien.
II.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet; ihnen kann die Bezeichnung des Beklagten zu 1. als "Bundesfachverband" nicht nach § 3 UWG unter dem Gesichtspunkt, dass der Verkehr über eine tatsächlich nicht vorhandene Untergliederung in Landesverbände getäuscht werde, untersagt werden. Die angegriffene Bezeichnung ist nicht geeignet, den Verkehr über die Struktur des Beklagten zu 1. in die Irre zu führen.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vom 2.3.2004 und im nachgelassenen Schriftsatz vom 16.3.2004 einen terminologischen Unterschied zwischen den Bezeichnungen Verband und Verein herausgestellt und die Ansicht vertreten, dass es sich bei einem Verband nicht um den Zusammenschluss von natürlichen Personen handeln könne, sondern um den von Vereinen oder Personenvereinigungen handeln müsse.
Dem kann nicht gefolgt werden.
Maßgebend für die Beurteilung einer Werbeaussage nach § 3 UWG ist, wie der angesprochene Verkehr die beanstandete Aussage versteht. Dabei ist vom Wortsinn auszugehen (BGH GRUR 2002, 182 - Das Beste jeden Morgen -; Senat GRUR-RR 2003, 49). Der Sinn des Wortes "Verband" wird bei Brockhaus, Deutsche Enzyklopädie mit "Vereinigung von natürlichen oder juristischen Personen zur Verfolgung gemeinsamer Interessen" wiedergegeben, was auch nach der Auffassung des Senates dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht. Eine Beschränkung des Verständnisses auf den Zusammenschluss von Vereinen oder Personenvereinigungen in dem vom Kläger vertretenen Sinne kann gerade nicht festgestellt werden. Vielmehr ist durchweg die Erwähnung von Personen (im Sinne von Einzelpersonen) als mögliche Mitglieder eines Verbandes zu finden (vgl. BGH GRUR 1984, 457-460 -; KG Berlin, KGR 1999, 271-273; Baumbach/ Hefermehl, 22. Aufl., § 3 UWG Rdn. 384: Das Publikum denkt bei Verband an einen organisatorischen Zusammenschluss, der allen Personen oder Unternehmen, die einer bestimmten Bevölkerungs- oder Wirtschaftsgruppe angehören, offensteht). Damit gibt der Bestandteil "Verband" nicht das vom Kläger vertretene Verständnis wieder, das aber auch nicht aus der Gesamtbezeichnung "Bundesverband" hergeleitet werden kann. In einem solchen vermuten die angesprochenen Verkehrskreise eine Organisation, die nicht nur bundesweit tätig ist, sondern auch innerhalb der betreffenden Berufs- oder Interessengruppe eine gewisse Bedeutung hat (vgl. BGH GRUR 1984, 457-460 - Deutsche Heilpraktikerschaft -; Baumbach/Hefermehl, a.a.O.; Köhler/Piper, 3. Aufl., § 3 UWG Rdn. 445). Darauf, dass bei einem Bundesverband eine nach verschiedenen Ebenen gegliederte Struktur vorhanden sein muss, wie der Kläger sie verlangt, ist gerade nicht abzustellen, wie auch für eine Anknüpfung an den staatlichen Aufbau in Bundes- und Landesebene keine zwingende Gründe sprechen.
Die strukturellen Elemente, mit denen der Kläger die gerügte Fehlvorstellung begründet, sind hier nicht maßgeblich. Sie spielen bei der Bezeichnung Gesamtverband, unter dem eine Dachorganisation zu verstehen ist (vgl. Baumbach/Hefermehl, a.a.O.) eine Rolle. Dieses Verständnis gilt auch für einen Zentralverband, der Gegenstand der vom Kläger selbst erstrittenen Entscheidung des Landgerichtes Bonn vom 19.9.1995 (- 11 O 11/95 -) gewesen ist. Hierauf verweist der Kläger jedoch insofern zu Unrecht, als der Beklagte zu 1. sich nicht als Zentralverband bezeichnet und die Bezeichnungen Bundes- und Zentralverband nicht gleichzusetzen sind, wofür der Kläger, der dies wohl inzidenter tut, keine Rechtfertigung vorbringt.
Damit liegt eine Irreführung über die Struktur des Beklagten zu 1. nicht vor, und es kommt nicht darauf an, ob der Beklagte zu 1. über die behauptete Untergliederung in sechs Landesverbände verfügt.
Soweit der Kläger im nachgelassenen Schriftsatz vom 16.3.2004 vor dem Hintergrund der in der mündlichen Verhandlung vom 2.3.2004 erteilten Hinweise Ausführungen dazu macht, dass die Beklagte mit der angegriffenen Bezeichnung suggeriere, ähnlich viele Mitglieder wie andere sich als solche bezeichnende Bundes- oder Zentralverbände zu haben, und damit eine Irreführung über die Größe des Verbandes darlegen will, kann sein Vorbringen nicht zur Entscheidungsgrundlage gemacht werden.
Abgesehen davon, dass es schon fragwürdig erscheint, die Größe des Verbandes nicht an der des von ihm vertretenen Berufsstandes sondern an anderen Verbänden, die sich zudem teilweise nicht Bundes- sondern Zentralverband nennen, zu messen, führt der Kläger damit in unzulässiger Weise einen neuen Streitgegen- stand in den Prozess ein.
Bei einer auf Irreführung gerichteten Klage setzt sich der neben dem Antrag für den Streitgegenstand maßgebliche Lebenssachverhalt aus der beanstandeten Werbemaßnahme und der - nach der Behauptung des Klägers - dadurch erzeugten Fehlvorstellung der angesprochenen Verkehrskreise zusammen. Die Behauptung einer bestimmten Fehlvorstellung grenzt den Streitgegenstand dabei weiter ein (BGH GRUR 2001, 181-184 - dentalästhetika -). Ausgehend von diesem engen Streitgegenstandsbegriff, wie ihn der 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes in ständiger Rechtsprechung (GRUR 1992, 625, 627
- Therapeutische Äquivalenz; GRUR 1992, 552, 554 - Stundung ohne Aufpreis -; GRUR 1995, 518, Versäumte Klagenhäufung -; GRUR 1999, 272 - Die Luxusklasse zum Nulltarif -) vertritt, ist hier folgendes festzustellen: Der Kläger hat in der Klageschrift (dort Seite 9 oben) zwar eine Fehlvorstellung über die Struktur "und Größe" des Verbandes erwähnt, aber ausschließlich die fehlende Strukturierung aufgegriffen und hierzu - unter Anführung von Entscheidungen, die er für einschlägig hielt - vorgetragen. Auch soweit er im Schriftsatz vom 30.5.2003 (dort Seite 2, Bl. 148 d.A.) als Merkwürdigkeit anführt, dass bei einer Mitgliedervollversammlung des Beklagten zu 1. gerade einmal 15 Personen anwesend gewesen seien, hat er dies nicht unter den Aspekt der Größe eingeordnet, sondern in seine Ausführungen zur Organisation der Landesverbände eingebettet. Dass der Kläger den Irreführungstatbestand nicht mit einer ungenügenden Größe und Bedeutung des Beklagten zu 1. begründen wollte, wird schließlich deutlich, indem er auf Seite 3 der Berufungserwiderung vom 8.12.2003 (Bl. 236 d.A.) "nur nebenbei ... bemerkt", dass die Anwesenheit von 14 bzw. 15 Mitgliedern auf den Versammlungen vom 27.2.2001 und 13.3.2002 vom Mitgliederbestand eine Bezeichnung des Beklagten zu 1. als Bundesverband nicht rechtfertigen würde.
Da der Kläger eindeutig und zweifelsfrei klarstellen muss, welchen Streitgegen- stand er in den Prozess einführen will (vgl. BGH GRUR 1992, 552-554 - Stundung ohne Aufpreis -), kann die fehlende Größe hier nicht als streitgegenständlich gewesen erachtet werden. Der Kläger wollte erkennbar nur die fehlende Struktur angreifen und hat sich damit auf diese bestimmte Fehlvorstellung festgelegt und damit den Streitgegenstand eingeschränkt.
Die Kostenentscheidung für die erste Instanz beruht auf § 92 ZPO. Die Kostenentscheidung für die zweite Instanz beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10 in Verbindung mit § 713 ZPO.
Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlass, § 543 Abs. 2 ZPO.
Der Streitwert wird für die erste Instanz wie folgt festgesetzt:
Für die Unterlassungsanträge Gegenüber dem Beklagten zu 1. auf 7.500,- EUR
gegenüber dem Beklagten zu 2. auf 1.250,- EUR
gegenüber dem Beklagten zu 3. auf 1.250,- EUR
insgesamt 10.000,- EUR
Ab dem 16.7.2003 wird der Streitwert unter Berücksichtigung der übereinstimmenden Teilerledigungserklärung, bei der die anteiligen Prozesskosten nach der Rechtsprechung des BGH (NJW-RR 1995, 1089, 1090) den Streitwert nicht erhöhen, wie folgt festgesetzt:
Für die Unterlassungsanträge
Gegenüber dem Beklagten zu 1. auf 4.500,- EUR
gegenüber dem Beklagten zu 2. auf 750,- EUR
gegenüber dem Beklagten zu 3. auf 750,- EUR insgesamt 6.000,- EUR
Für den Zuzahlungsantrag auf 175,- EUR
Bei der Streitwertfestsetzung war zu berücksichtigen, dass mehrere Verletzer in Bezug auf eine Unterlassung keine Gesamtschuldner sind und bei einer Mehrheit von Verletzern deshalb nicht von einem einheitlichen Unterlassungsanspruch, sondern von mehreren gesonderten Unterlassungsansprüchen und damit jeweils von besonderen Gegenständen im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO auszugehen ist.
Für die zweite Instanz wird der Streitwert wie folgt (in Abänderung der vorläufigen Streitwertfestsetzung des Senates vom 3. November 2003) festgesetzt:
Gegenüber dem Beklagten zu 1. 1.500,- EUR
gegenüber dem Beklagten zu 2. 250,- EUR
gegenüber dem Beklagten zu 3. 250,- EUR
insgesamt 2.000,- EUR
Sch. F.
OLG Düsseldorf:
Urteil v. 06.04.2004
Az: I-20 U 121/03
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/317a6584d93b/OLG-Duesseldorf_Urteil_vom_6-April-2004_Az_I-20-U-121-03