Bundespatentgericht:
Urteil vom 26. Januar 2011
Aktenzeichen: 4 Ni 39/09
(BPatG: Urteil v. 26.01.2011, Az.: 4 Ni 39/09)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in seinem Urteil vom 26. Januar 2011 (Aktenzeichen 4 Ni 39/09) entschieden, dass die Klage abgewiesen wird. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin. Das Urteil kann vorläufig vollstreckt werden, wenn eine Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages erbracht wird.
In dem vorliegenden Fall ging es um ein europäisches Patent, das eine Klemmvorrichtung zur Herstellung einer elektrischen Leitungsverbindung betrifft. Die Klägerin hatte argumentiert, dass das Streitpatent wegen fehlender Neuheit und fehlender erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig sei und verwies dabei auf verschiedene Druckschriften. Sie beantragte die Nichtigerklärung des Patents.
Das Gericht stellte fest, dass der Gegenstand des Patents neu ist und auf erfinderischer Tätigkeit beruht. Es analysierte die beschriebenen Merkmale des Patents und verglich sie mit den Druckschriften, auf die die Klägerin Bezug genommen hatte. Es kam zu dem Schluss, dass der Streitpatentgegenstand nicht durch die genannten Druckschriften vorweggenommen wird.
Das Gericht führte weiter aus, dass auch nicht ersichtlich sei, wie ein Fachmann ohne erfinderische Tätigkeit zum Gegenstand des Streitpatents gelangen sollte. Es argumentierte, dass die Druckschriften keine klare und eindeutige Offenbarung der erfindungsgemäßen Ausgestaltung des Patents enthalten.
Das Gericht kam somit zu dem Ergebnis, dass der Patentanspruch bestandfähig ist und wies die Klage ab. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf gesetzlichen Bestimmungen.
Der Anwalt könnte dem Mandanten somit erklären, dass die Klage abgewiesen wurde und die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits tragen muss. Das Urteil kann vorläufig vollstreckt werden, wenn eine Sicherheitsleistung erbracht wird. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass das Patent neu ist und auf erfinderischer Tätigkeit beruht. Es analysierte die Merkmale des Patents und verglich sie mit den relevanten Druckschriften. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass das Patent bestandfähig ist und wies die Klage ab. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit basiert auf gesetzlichen Bestimmungen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Urteil v. 26.01.2011, Az: 4 Ni 39/09
Tenor
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung hinsichtlich der Kosten in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Beklagte war eingetragener Inhaber des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten und zwischenzeitlich durch Zeitablauf am 26. November 2010 erloschenen europäischen Patents EP 0 460 145 (Streitpatent), das am 26. November 1990 unter Inanspruchnahme der Prioritäten der deutschen Gebrauchsmusteranmeldungen DE 89 15 171 U vom 23. Dezember 1989 und DE 90 02 036 U vom 21. Februar 1990 angemeldet worden war. Die Erteilung des Streitpatents in der Verfahrenssprache Deutsch wurde am 25. August 1993 bekannt gemacht; es wird beim Deutschen Patentund Markenamt unter der Nr. 590 02 486 geführt. Das Streitpatent betrifft eine Klemmvorrichtung zur Herstellung einer elektrischen Leitungsverbindung und umfasst drei Patentansprüche, die insgesamt angegriffen sind.
Anspruch 1 lautet wie folgt:
Wegen des Wortlauts der weiter angegriffenen und unmittelbar oder mittelbar auf Anspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 und 3 wird auf die Streitpatentschrift EP 0 460 145 B1 Bezug genommen.
Die Klägerin ist der Ansicht, der Gegenstand des Streitpatents sei wegen fehlender Neuheit und fehlender erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig. Zur Begründung bezieht sie sich auf folgende Druckschriften:
K1 US 4 493946 K2 DD 3909 U K3 WO 86/03895 A1 Die aus dem Streitpatent in Anspruch genommene Klägerin beantragt, das europäische Patent EP 0 460 145 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Gründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die Klage ist auch nach Ablauf der Schutzdauer des Streitpatents zulässig, weil die Klägerin daraus wegen Patentverletzung in Anspruch genommen wird und deshalb ein Rechtsschutzbedürfnis an der Nichtigerklärung des Streitpatents im angegriffenen Umfang hat (st. Rspr., vgl. etwa BGH, GRUR 2008, 90 -Verpackungsmaschine).
Die Klage ist nicht begründet, weil der Gegenstand des Streitpatents sowohl neu ist als auch auf erfinderischer Tätigkeit beruht (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a, Art. 54, 56 EPÜ).
I.
1.
Das Streitpatent betrifft einen Cinch-(RCA) Stecker mit Klemmvorrichtung, wie er beispielsweise aus der WO 86/03895 A1 (K3) bekannt ist. Ein Nachteil solcher bekannten Cinch-Stecker soll gemäß der Beschreibungseinleitung des Streitpatents darin bestehen, dass bei der Erzeugung der Klemmkraft eine starke, gegen die Drehbewegung der Abdeckhülse gerichtete Reibung zwischen der Außenseite des Außenringkontakts und der Abdeckhülse auftritt, wodurch sich Riefen oder andere Beschädigungen ausbilden können, die auch zu einer Ablösung einer Kontaktvergoldung führen können und auch den Spannund Lösevorgang beeinträchtigen (Seite 2, Zeilen 11 bis 16). Daher soll die streitpatentgemäße Erfindung einen Cinch-Stecker der bekannten Art so weiter ausbilden, dass Riefen oder vergleichbare Beschädigungen an der Außenseite des Klemmringkontakts vermieden werden und der Spannund Lösevorgang erleichtert wird (Seite 2, Zeilen 17 bis 19).
2.
Hierzu schlägt die Streitpatentschrift einen Stecker mit folgenden Merkmalen vor:
(1)
Cinch (RCA)-Stecker mit Klemmvorrichtung, bestehend aus
(2)
einem Steckerkörper (1) und
(3)
einer in axialer Richtung aufschraubbaren, den Steckerkörper (1) umgebenden Abdeckhülse (2), wobei
(4)
der Steckerkörper (1) an seiner Kontaktseite einen Kontaktstift (8) und
(5)
einen den Kontaktstift (8) umgebenden, an seiner Außenseite (19) konischen Außenringkontakt (9) aufweist, der
(5.1) durch axiale Schlitze (18) unterteilt ist und
(5.2) mittels der Abdeckhülse (2) bei deren axialer Bewegung radial zusammenpressbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass
(6) die Abdeckhülse (2) kontaktseitig mit einem Ringelement (4) versehen ist, welches
(6.1) an einer Lagerstelle (5) drehbar am Hülsenkörper (3) der Abdeckhülse (2) gelagert ist und
(6.2) mit seiner Innenseite an der konischen Außenseite (19) des Außenringkontaktes (9) anliegt.
3. Der streitpatentgemäße Stecker ist neu gegenüber der Druckschrift WO 86/03895 A1 (K3).
Gemäß der Ausführungsform nach den dortigen Figuren 1 und 2 ist die Abdeckhülse 9 einteilig ausgeführt, so dass keines der Merkmale 6, 6.1 oder 6.2 dadurch vorweggenommen ist.
In der Ausführung nach der Figur 3 der Druckschrift K3 ist die dort gezeigte Abdeckhülse 9a, 9b nicht in ihrer Gesamtheit in axialer Richtung auf den Steckerkörper 1 aufschraubbar, wie in Merkmal 3 gemäß Patentanspruch 1 des Streitpatents gefordert ist, sondern lediglich das Ringelement 9b. Der Hülsenkörper 9a ist dagegen bestimmungsgemäß sowohl in axialer als auch radialer Richtung an dem Steckerkörper unbewegbar festgelegt.
Somit nimmt die Figur 3 der Druckschrift K3 auch das Merkmal 5.2, in dem die Wirkung der Bewegung gemäß Merkmal 3 angegeben ist, nicht vorweg, da schon die axiale Bewegung im Sinne des Merkmals 3 aus dieser Druckschrift nicht bekannt ist.
Schließlich ist gemäß Figur 3 der Druckschrift K3 das Ringelement 9b nicht am Hülsenkörper 9a gelagert, wie durch Merkmal 6.1 beansprucht, sondern über das Gewinde 10, 11 am Steckerkörper 1.
Wenngleich die Beschreibung der Figur 3 (Seite 6, Absatz 1) der Druckschrift K3 so allgemein gehalten ist, dass auch eine Lagerung des Ringkörpers an dem Hülsenkörper durch diese Formulierung nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist, stellt dies, anders als die Klägerin meint, für den Fachmann keine klare und eindeutige Offenbarung der erfindungsgemäßen Ausgestaltung des Cinch-Steckers dar.
Eine Vorwegnahme des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 durch die Entgegenhaltungen US 4 493 946 (K1) oder DD 3909 U (K2) hat die Klägerin in der Verhandlung nicht mehr behauptet. Auch der Senat hat keinen Anlass, die Neuheit des Streitgegenstandes gegenüber diesen Druckschriften in Abrede zu stellen.
4. Es ist auch nicht ersichtlich, wie der angesprochene Fachmann, ein Techniker, entweder mit feinmechanischer oder mit elektrotechnischer Ausbildung, ausgehend von der Druckschrift WO 86/03895 A1 (K3) ohne erfinderische Tätigkeit zum Gegenstand des Streitpatents gelangen sollte.
Der in den Figuren 1 und 2 dieser Druckschrift dargestellte Cinch-Stecker geht nicht über Folgendes hinaus: einen
(1) Cinch-Stecker mit Klemmvorrichtung, bestehend aus
(2) einem Steckerkörper 1 und
(3) einer in axialer Richtung (mittels des Gewindes 10, 11) aufschraubbaren, den Steckerkörper 1 umgebenden Abdeckhülse 9, wobei
(4) der Steckerkörper 1 an seiner Kontaktseite einen Kontaktstift 7 und
(5) einen den Kontaktstift 7 umgebenden, an seiner Außenseite 8a konischen Außenringkontakt 8 aufweist, der
(5.1) durch axiale Schlitze 13 unterteilt ist und
(5.2) mittels der Abdeckhülse 9 bei deren axialer Bewegung radial zusammenpressbar ist.
Anders als im Kennzeichen des Patentanspruchs 1 angegeben, fehlen dort die Merkmale:
(6) die Abdeckhülse ist kontaktseitig mit einem Ringelement versehen, welches
(6.1) an einer Lagerstelle drehbar am Hülsenkörper der Abdeckhülse gelagert ist und
(6.2) mit seiner Innenseite an der konischen Außenseite des Außenringkontaktes anliegt.
Auch wenn der Fachmann durch die Figur 3 der Druckschrift K3 noch den Hinweis erhält, dass es alternativ zu der Ausführung gemäß den Figuren 1 und 2, möglich ist, die Abdeckhülse in einen Hülsenkörper 9a und ein Ringelement 9b aufzuteilen, woraus sich die Merkmale 6 sowie 6.2 für den Fachmann noch in nahe liegender Weise ergeben mögen, fehlt in dieser Druckschrift jede Anregung, das Ringelement 9b an dem Hülsenkörper 9a zu lagern. Vielmehr lehrt die Ausgestaltung gemäß der Figur 3, dass das Ringelement anstatt des Hülsenkörpers mittels eines Gewindes 10, 11 auf den Steckerkörper aufgeschraubt werden soll.
Ein Anlass von dieser in sich geschlossenen und als vorteilhaft dargestellten Lehre der WO 86/03895 A1 abzuweichen, ist anhand dieser Druckschrift nicht erkennbar.
Auch die Interpretation der Entgegenhaltung US 4 493 946 (K1) durch die Klägerin vermochte den Senat nicht dahin gehend zu überzeugen, dass sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in nahe liegender Weise aus der Zusammenschau dieser Druckschrift mit der WO 86/03895 A1 (K3) ergibt.
Selbst wenn man mit der Klägerin annimmt, dass der Fachmann die Druckschrift K1, die in ihrem Ausführungsbeispiel ausschließlich eine Muffe zum bleibenden Verbinden zweier Koaxialkabel zeigt, bei der Verbesserung eines Cinch-Steckers in Betracht zieht, kann der Senat die von der Klägerin vorgenommene Gleichsetzung der einzelnen Teile dieser Muffe:
Steckerkörper = Screw 8 Kontaktstift = Axial Conductor 3 Außenringkontakt = Half Shells 11; Hülsenkörper = Sleeve 6 Ringelement = Conical Ring 9 mit den Einzelteilen des Erfindungsgegenstandes gemäß Streitpatent nicht nachvollziehen. Denn das freie Ende des Innenleiters 3 des Koaxialkabels ist mit dem Ende des gegenüberliegenden Innenleiters 3 (Fig. 1) bzw. 29 (Fig. 2) verlötet oder vercrimpt (Spalte 2, Zeilen 40 bis 42), so dass der Fachmann in den diese Innenleiter-Verbindung und die jeweiligen Kabelenden umgebenden weiteren Bauteilenschon keine Steckerbestandteile erkennen kann.
In den endseitig geschlitzten Halbschalen 11 mit der diese umgebenden Klemmverschraubung 6, 8, 9 erkennt der Fachmann deshalb lediglich eine Klemmeinrichtung nach dem Spannfutterprinzip, die die gesamte Kabelverbindung mechanisch stützt und die Außenleiter der Kabelenden elektrisch verbindet.
Funktionell ist der Steckerkörper im Übrigen nicht mit dem Schraubstopfen 8 gleichzusetzen, sondern allenfalls mit dem Koaxialkabel 1 an sich, das an seiner Kontaktseite einen Kontaktstift (Innenleiter 3) sowie einen den Kontaktstift 3 umgebenden Außenringkontakt (Außenleiter 4) aufweist. Der so verstandene Steckerkörper ist von einer Abdeckhülse umgeben, die ihrerseits aus den Teilen Schraubstopfen 8, Ringelement 9 sowie Hülse 6 besteht.
Der Außenleiter 4 des Koaxialkabels weist aber weder eine konische Außenkontur noch axiale Schlitze auf, noch wird irgendeiner der drei Teile Schraubstopfen 8, Ringelement 9 oder Hülse 6 der Abdeckhülse auf das Koaxialkabel aufgeschraubt. Vielmehr wird der Schraubstopfen 8 unter Zwischenfügung des konischen Ringelements 9 mit der Hülse 6 verschraubt, derart, dass das zusätzliche Muffenelement 11 (siehe dazu die separate Figur 3) mit seinen geschlitzten konischen Enden den Außenleiter 4 des Koaxialkabels klemmt.
Da die Druckschrift K1 lehrt, dass zum Anschluss eines Koaxialkabels ein zusätzliches Muffenelement erforderlich ist (das jedoch für einen Cinchstecker unbrauchbar ist, da dieser naturgemäß unmittelbar mit seinem Gegenstück in Eingriff kommen muss), kann diese Druckschrift den Fachmann nicht dazu anregen, das Ringelement, das schon aus der Druckschrift K3 gegenüber dem Hülsenkörper als separates Bauteil ausgeführt ist, an dem Hülsenkörper zu lagern und diese beiden Teile gemeinsam mit dem Steckerkörper zu verschrauben.
Auch die Druckschrift DD 3909 U (K2) vermag nichts zu einer Ausgestaltung des Cinch-Steckers, wie er bereits aus der WO 86/03895 A1 (K3) bekannt ist, mit einem Ringelement, das drehbar an einer Lagerstelle eines Hülsenkörpers gelagert ist, beizutragen, weil sie noch weiter ab liegt.
5. Somit erweist sich der Patentanspruch 1 als bestandsfähig. Mit ihm haben auch die Ansprüche 2 und 3 Bestand; sie werden durch die Rückbeziehung mit getragen.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.
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BPatG:
Urteil v. 26.01.2011
Az: 4 Ni 39/09
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https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/3388c4ad502d/BPatG_Urteil_vom_26-Januar-2011_Az_4-Ni-39-09