Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. Januar 2007
Aktenzeichen: 23 W (pat) 17/05
(BPatG: Beschluss v. 30.01.2007, Az.: 23 W (pat) 17/05)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in der Entscheidung vom 30. Januar 2007 (Aktenzeichen 23 W (pat) 17/05) die Beschwerde der Patentinhaberin abgewiesen. Es ging um ein Patent, das ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Überwachung einer Steuerung in einem Kraftfahrzeug betrifft. Die Patentinhaberin hatte das Patent beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet und es wurde mit sieben Patentansprüchen erteilt. Eine Einsprechende legte Einspruch gegen das Patent ein und beantragte den Widerruf des Patents aufgrund mangelnder Patentfähigkeit. Sie stützte sich dabei auf verschiedene Stand der Technik. Das Patentamt widerruf das Patent in einem Beschluss im Jahr 2004. Gegen diesen Beschluss legte die Patentinhaberin Beschwerde ein, die nun vom Bundespatentgericht zurückgewiesen wurde. Das Gericht stellte fest, dass das Streitpatent nicht erfinderisch sei, da ein zuständiger Fachmann aufgrund des Standes der Technik das Verfahren hätte entwickeln können. Daher bleibt das Patent widerrufen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 30.01.2007, Az: 23 W (pat) 17/05
Tenor
Die Beschwerde der Patentinhaberin wird zurückgewiesen.
Gründe
I Das Patent DE 199 50 764 C1 (Streitpatent) wurde am 21. Oktober 1999 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet und unter Berücksichtigung des Standes der Technik gemäß den Druckschriften 1) DE 42 35 880 A1, 2) DE 36 21 937 A1, 3) DE 40 04 427 A1, 4) DE 40 27 626 A1, 5) DE 38 06 794 A1, 6) DE 195 08 303 A1 und 7) DE 196 42 174 A1 sowie der von der Anmelderin selbst genannten Literaturstelle 8) G. Stumpp, H. Kull: "Strategy for a Fail-Safe Electronic Diesel Control System for Passenger Cars", in SAE Technical Paper Series Nr. 830527, International Congress & Exposition Detroit, Michigan, 28. Februar bis 4. März 1983 von der Prüfungsstelle für Klasse B 60 R des Deutschen Patent- und Markenamts durch Beschluss vom 2. Mai 2001 mit 7 Patentansprüchen erteilt. Die Patenterteilung wurde am 20. September 2001 veröffentlicht.
Gegen das Patent hat die Einsprechende mit Schriftsatz vom 19. November 2001, beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen am 28. November 2001 Einspruch erhoben und beantragte, das Patent wegen der in § 21 PatG aufgeführten Gründe, insbesondere wegen mangelnder Patentfähigkeit (§§ 3, 4 und 5 PatG) zu widerrufen.
Sie stützte ihren Einspruch auf folgenden Stand der Technik gemäß der Druckschrift D1 DE 35 04 096 A1 sowieauf die auf der Patentschrift erwähnten Schriften aus dem Prüfungsverfahren.
Nach Auffassung der Einsprechenden nähme die im Einspruchsverfahren genannte Druckschrift D1 das Verfahren nach Hauptanspruch 1 und die Vorrichtung nach Nebenanspruch 5 vorweg oder lege es dem Fachmann zumindest nahe.
Die Patentinhaberin verteidigte das Streitpatent in der erteilten Fassung.
Mit Beschluss vom 20. Februar 2004 hat die Patentabteilung 34 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 PatG widerrufen, weil das Verfahren nach Patentanspruch 1 und die Vorrichtung nach Patentanspruch 5 in naheliegender Weise aus der Druckschrift D1 hervorgingen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die zulässige Beschwerde der Patentinhaberin vom 18. März 2004, eingegangen am 20. März 2004.
In der mündlichen Verhandlung vom 30. Januar 2007 verteidigt die Patentinhaberin das Streitpatent in beschränkter Fassung und beantragt, den Beschluss der Patentabteilung 34 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 20. Februar 2007 aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 bis 5 gemäß dortigem Hilfsantrag, eingegangen am 17. Januar 2007, Beschreibung, Spalten 1 bis 4, 1 Blatt Zeichnung, gemäß Patentschrift.
Die Einsprechende beantragt, die Beschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen.
Der geltende Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"Verfahren zur Überwachung einer Steuerung in einem Kraftfahrzeug, wobei eine erste Einheit, über ein erstes Signalübertragungsmittel ein erstes Signal, das eine Größe charakterisiert, und über ein zweites Signalübertragungsmittel ein zweites Signal, das dieselbe Größe charakterisiert, an eine zweite Einheit übermittelt, wobei die erste oder die zweite Einheit als Sensoren, Steuereinheiten, Aktoren und/oder Steller ausgebildet sind, wobei eine Unterbrechung in den Signalübertragungsmitteln erkannt wird, wenn die beiden Signale kleiner als ein Schwellenwert sind."
Bezüglich der weiteren Patentansprüche 2 bis 5 und weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II 1) Die Zulässigkeit des Einspruchs ist zwar nicht angegriffen worden, jedoch ist diese vom Patentamt und Patentgericht in jedem Verfahrensstadium, auch im Beschwerdeverfahren, von Amts wegen zu prüfen, vgl. Schulte 7. Auflage § 59 Rdn. 22 und 145.
Der form- und fristgerechte Einspruch ist zulässig, weil in dem Einspruchsschriftsatz die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, entsprechend § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG im einzelnen so angegeben sind, dass die Merkmale der erteilten selbständigen Patentansprüche 1 und 5 in einen konkreten Bezug zu der Entgegenhaltung D1 gebracht wurden, um die mangelnde Patentfähigkeit der Gegenstände dieser Ansprüche zu belegen.
2) Ausweislich der geltenden Beschreibung betrifft das vorliegende Patent ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Überwachung einer Steuerung in einem Kraftfahrzeug.
Im Stand der Technik nach der Druckschrift 8) werden ebenfalls ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Überwachung einer Steuerung in einem Kraftfahrzeug beschrieben, wobei verschiedene Sensoren über eine Leitung ein Signal an eine Steuereinheit übermitteln. Weicht das Signal von einem erwarteten Wert ab, d. h. ist es größer als ein oberer Schwellenwert und/oder kleiner als ein unterer Schwellenwert, so erkennt die Einrichtung einen Fehler, vgl. Streitpatent Spalte 1, Abs. 2.
Mit einer solchen Vorgehensweise sind bestimmte Fehler nicht ohne weiteres vom Normalbetrieb zu unterscheiden, weil sich die Signale bei einer Leitungsunterbrechung bzw. Lösung einer Steckverbindung nur unwesentlich von dem Signalwert im Leerlauf unterscheiden. Dies gilt insbesondere für den Pedalwertgeber, der ein Signal bezüglich des Fahrerwunsches liefert, vgl. Streitpatent Spalte 1, Abs. 3.
Insbesondere ist es problematisch, dass bei der Verwendung eines Potentiometers im Bereich der Leerlaufstellung sehr hohe aber reversible Übergangswiderstände zwischen der Potentiometerbahn und dem Schleifer auftreten. Diese Übergangswiderstände erschweren die Fehlererkennung, da ein entsprechender Signalwert als Fehler gewertet würde. Bei einer entsprechenden Vorgabe des zulässigen Wertebereichs kann der Fall eintreten, dass ein Fehler erkannt wird, obwohl kein Fehler vorliegt, sondern nur eine kurzfristige Störung, vgl. Streitpatent Spalte 1, Abs. 4.
Daher liegt der Erfindung als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, bei einem Verfahren und einer Vorrichtung zur Überwachung einer Steuerung in einem Kraftfahrzeug Fehlerzustände sicher zu erkennen. Insbesondere soll eine Unterbrechung der Signalübertragung zwischen einer ersten Einheit und einer zweiten Einheit sicher erkannt werden, bzw. sicher von einer kurzzeitigen Störung unterschieden werden, vgl. Streitpatent Spalte 1, Abs. 6.
Diese Aufgabe wird durch die in den geltenden unabhängigen Ansprüchen 1 und 3 angegebenen Merkmale gelöst.
Bei den Lösungen nach den Ansprüchen 1 und 3 kommt es wesentlich darauf an, dass von der ersten Einheit Signale über zwei Signalübertragungsmittel (Leitungen) an eine zweite Einheit übertragen werden und dass eine Unterbrechung in den Signalübertragungsmitteln erkannt wird, wenn die beiden Signale kleiner als ein Schwellenwert sind.
3) Die Beschwerde der Anmelderin ist zwar zulässig, jedoch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 30. Januar 2007 erweist sich das Verfahren zur Überwachung einer Steuerung in einem Kraftfahrzeug gemäß Patentanspruch 1 als nicht patentfähig.
Die Frage der ursprünglichen Offenbarung bzw. der Zulässigkeit der geltenden Patentansprüche sowie die Frage der Neuheit und der gewerblichen Anwendbarkeit ihrer Lehren kann dahinstehen, weil - wie es sich aus dem nachfolgenden Abschnitt ergibt - die Lehre des Patentanspruchs 1 des Streitpatents gegenüber dem Stand der Technik gemäß den Druckschriften D1 und 6) auf jeden Fall nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns beruht, vgl. BGH GRUR 1991, 120, 121 Abschnitt II. 1. - "Elastische Bandage".
Der zuständige Fachmann ist hier als ein berufserfahrener, mit der Entwicklung von Kraftfahrzeugelektronik, insbesondere von Verfahren und Vorrichtungen zur Überwachung einer Steuerung im Kraftfahrzeug betrauter Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik mit Fachhochschulabschluss, zu definieren.
4) Die Entgegenhaltung D1 betrifft einen Sollwertgeber, insbesondere für ein Bremspedal in Kraftfahrzeug zur Ansteuerung einer Bremsanlage, vgl. Anspruch 1.
Diese Druckschrift offenbart ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Überwachung einer Steuerung in einem Kraftfahrzeug, wobei eine erste Einheit (Trittplatten-Bremsventil mit einem Wegsensor 1, 11, 12 und mit einem Kraftsensor 2 / Figur 1 mit zugehöriger Beschreibung) über ein erstes Signalübertragungsmittel (Eingangsschaltkreis 3, ES II / Figur 2 mit zugehöriger Beschreibung) ein erstes Signal (Signal in der Ausgangsleitung 13 des Wegsensors 1), das eine Größe (Bremspedalstellung, Trittplattenstellung, Weg der Trittplatte / vgl. Anspruch 1 i. V. m. Figur 1 mit zugehöriger Beschreibung und Seite 8, Abs. 4) charakterisiert, und über ein zweites Signalübertragungsmittel (Eingangsschaltung 4, ES I / Figur 2 mit zugehöriger Beschreibung) ein zweites Signal (elektrisches Signal in der Ausgangsleitung 14 des Kraftsensors 2), das dieselbe Größe (Bremspedalstellung, Trittplattenstellung, Weg der Trittplatte / vgl. Anspruch 1 i. V. m. Figur 1 mit zugehöriger Beschreibung und Seite 8, Abs. 4) charakterisiert, an eine zweite Einheit (Steuereinheit bestehend aus den Hauptschaltkreisen 5, 6 bzw. HS II, HS I, die der Steuereinheit 100 im Sinne des Streitpatents entspricht, und von der über die Ausgangsleitung 9 zwei Bremskreise angesteuert werden / Beschreibung Seite 6, Abs. 1) übermittelt, wobei ein Fehler (Störung, Fehler / Seite 7, Zn. 13 bis 24) erkannt wird, wenn die beiden Signale kleiner als eine Schwellenwert sind (Nehmen beide Sensoren 1 und 2 Werte außerhalb des Bereichs "größer Null" und "Maximum", d. h. "unmögliche Werte", ein, dann wird langsam eingebremst und ebenfalls eine Störung angezeigt / Zur Definition von "unmöglichen Werten" vgl. Seite 7, Zn. 6 bis 11 i. V. m. Zn. 22 bis 24 und Seite 8, Zn. 19 bis 25).
In dieser Entgegenhaltung ist zwar das Erkennen einer Unterbrechung beider Signalübertragungsmittel nicht explizit angesprochen, jedoch erhält der Fachmann hierzu aus der Entgegenhaltung 6) einen entsprechenden Hinweis.
So offenbart die Entgegenhaltung 6) anhand der Figur 1 mit zugehöriger Beschreibung ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Überwachung einer Steuereinrichtung in einem Kraftfahrzeug, wobei eine erste Einheit (Testeinheit 2) ein erstes Signal (Signal der Leitung L1), das eine Größe charakterisiert, über ein erstes Signalübertragungsmittel (Leitung L1) und ein zweites Signal (ein zur Leitung L1 invertiertes Signal der Leitung L2), das wegen der Signalinversion dieselbe Größe charakterisiert, über ein zweites Signalübertragungsmittel (Leitung L2) an eine zweite Einheit (Steuereinheit 1) übermittelt, wobei ein Fehler erkannt wird, wenn eine Unterbrechung (Totalausfall) einer Leitung, z. B. durch Kabelbruch, vorliegt (vgl. Spalte 2, Abs. 2).
Dort wird davon ausgegangen, dass auch nach einem Kabelbruch einer Leitung die zweite Leitung zur fortgesetzten Informationsübertragung verwendet werden kann, auch wenn in diesem Fall keine Erkennung von Störeinflüssen mehr möglich ist (vgl. Spalte 2, Abs. 2 und vorle. Abs.).
Durch die letzte Bemerkung erhält der von der Lehre gemäß Entgegenhaltung D1 ausgehende Fachmann den Hinweis, dass bei Unterbrechung beider Signalübertragungsmittel (Leitungen L1 und L2) zwangsläufig auf eine Unterbrechung dieser Signalübertragungsmittel erkannt werden muss, wenn die beiden Signale kleiner als ein Schwellenwert sind, weil in diesem Fall ein sicherheitsrelevanter Informationsaustausch zwischen der ersten Einheit (Testeinheit 2) und der zweiten Einheit (Steuereinheit 1) ausgeschlossen ist.
Daher beruht das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 des Streitpatents im Hinblick auf den Stand der Technik gemäß den Entgegenhaltungen D1 und 6) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns.
Mit dem Patentanspruch 1 des Streitpatents fallen wegen der Antragsbindung auch die weiteren Ansprüche 2 bis 5.
Daher war die Beschwerde der Anmelderin zurückzuweisen.
BPatG:
Beschluss v. 30.01.2007
Az: 23 W (pat) 17/05
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