Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Oktober 2000
Aktenzeichen: 26 W (pat) 93/00
(BPatG: Beschluss v. 11.10.2000, Az.: 26 W (pat) 93/00)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in dem Beschluss vom 11. Oktober 2000, Aktenzeichen 26 W (pat) 93/00, entschieden, dass die Beschwerde gegen die Entscheidung der Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamts zurückgewiesen wird. Der Widerspruch gegen die Wortmarke "All-America-Airpass" wurde aus der prioritätsälteren Marke "AAIRPASS" erhoben. Die Markenstelle hatte den Widerspruch wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Obwohl die Dienstleistungen beider Marken teilweise im engsten Ähnlichkeitsbereich liegen, besteht zwischen den Zeichen ein hinreichend großer Abstand. Der Bestandteil "Airpass" prägt den Gesamteindruck der jüngeren Marke nicht, da vergleichbare Gesamtbegriffe wie "All american girl" oder "All american icecream" schon lange bekannt sind. Eine mittelbare Verwechslungsgefahr liegt ebenfalls nicht vor, da dem Bestandteil "Airpass" in der jüngeren Marke keine eigenständige betriebliche Kennzeichnungsfunktion zukommt. Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt und argumentiert, dass die Dienstleistungen beider Marken identisch oder sehr ähnlich seien. Außerdem bestehe Markenähnlichkeit, da der Begriff "AIRPASS" aus der Widerspruchsmarke auch in der angegriffenen Marke verwendet werde. Die Markeninhaberin hingegen verweist darauf, dass der Begriff "Airpass" auch von anderen Fluggesellschaften verwendet wird und deshalb keine prägende Kennzeichnungskraft aufweist. Das Gericht entscheidet, dass zwischen den Marken keine Verwechslungsgefahr besteht, da sie sich in ihrem Gesamteindruck deutlich voneinander unterscheiden. Der Bestandteil "Airpass" hat kein prägendes Element und wird bereits von anderen verwendet. Es besteht auch keine Gefahr assoziativer Verwechslungen. Das Gericht weist die Beschwerde ab und die Kosten werden nicht aus Billigkeitsgründen auferlegt.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 11.10.2000, Az: 26 W (pat) 93/00
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegen die für die Dienstleistungen
"Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten, Buchführung, Marketing, Marktforschung und Marktanalyse; Transportwesen; Beförderung von Personen und Gütern mit Kraftfahrzeugen, Bahnen, Schiffen und Flugzeugen; Organisation, Veranstaltung und Vermittlung von Reisen; Vermittlung von Verkehrsleistungen, Organisation von Ausflügen; Reservierungsdienste; Platzreservierung für Reisende; Verpflegung, Beherbergung von Gästen, Reservierung von Hotel- und Pensionsunterkünften, Zimmervermittlung"
unter der Nr 398 52 432 eingetragene Wortmarke All-America-Airpassist Widerspruch erhoben worden aus der prioritätsälteren Marke 2 103 950 AAIRPASS, die für die Dienstleistungen
"Beförderung von Personen und Gütern mit Kraftfahrzeugen, Schienenbahnen, Schiffen und Flugzeugen"
geschützt ist.
Die Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit Beschluß vom 5. Januar 2000 wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Zwar lägen die beiderseitigen Dienstleistungen zumindest teilweise im engsten Ähnlichkeitsbereich, was Verwechslungen grundsätzlich begünstige, dennoch hielten die Marken auch beim Anlegen strengster Maßstäbe einen hinreichend großen Abstand ein. Eine Prägung des maßgeblichen Gesamteindrucks der jüngeren Marke durch den in klanglicher Hinsicht weitgehend mit der Widerspruchsmarke übereinstimmenden Bestandteil "Airpass" sei zu verneinen. Es lägen keine Gründe dafür vor, daß die angesprochenen Verbraucher diesen Bestandteil als eigenständig prägendes Markenelement werten würden. Dagegen spreche vielmehr, daß dem inländischen Verkehr vergleichbar gebildete Gesamtbegriffe wie zB "All american girl" oder "All american icecream" seit langem bekannt seien. Das genannte Markenwort gehe völlig in dem einheitlichen Begriff "All-America-Airpass" auf, zumal keiner der Zeichenbestandteile der angegriffenen Marke blickfangmäßig in den Vordergrund gerückt sei. Durch die Verwendung von Bindestrichen werde im Gegenteil die Einheit dieser Wortfolge besonders hervorgehoben.
Die Voraussetzungen einer mittelbaren Verwechslungsgefahr lägen bereits deshalb nicht vor, weil dem Markenwort "Airpass" in der jüngeren Marke keine eigenständige betriebliche Kennzeichnungsfunktion zukomme und der Verkehr diesen Bestandteil daher nicht als Stammzeichen des Inhabers der älteren Marke werten werde. Ebensowenig sei zu erwarten, daß der Verkehr den Doppelvokal "AA" am Wortbeginn der Widerspruchsmarke als Abkürzung des Bestandteils "All-America" werten und die Vergleichszeichen deshalb gedanklich miteinander in Verbindung bringen werde, denn hierfür wäre eine dreimalige Wiederholung dieses Vokals "A" die logische Voraussetzung.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Ihrer Ansicht nach sind die beiderseitigen Dienstleistungen der Klasse 39 nicht nur sehr ähnlich, sondern identisch. Auch die übrigen von der Inhaberin der angegriffenen Marke beanspruchten Dienstleistungen stünden im unmittelbaren Zusammenhang mit den Dienstleistungen der Klasse 39 und seien diesen deshalb ähnlich. Die Markenähnlichkeit ergebe sich daraus, daß der Begriff "AIRPASS" der Begriffsinhalt der Widerspruchsmarke sei und dieser Begriff identisch in der angegriffenen Marke verwendet werde. Diese Bezeichnung habe sich die Widersprechende als eine der drei größten Luftfahrtgesellschaften in den USA als Phantasiebegriff für ihre Transportleistungen schützen lassen. Hinsichtlich dieses wesentlichen und allein kollisionsbegründenden Bestandteils der angegriffenen Marke liege Identität vor. Die - zusätzlichen - rein beschreibenden Worte "All" und "America" könnten als Bestimmungsangaben die begriffliche Verwechslungsgefahr nicht ausschließen. Beide Begriffe würden jeweils mit einem "A" beginnen und damit dem Doppel-AA der Widerspruchsmarke entsprechen, das für "American Airlines" stehe und ebenfalls den Begriff "America" beinhalte.
Demgemäß beantragt die Widersprechendeden angefochtenen Beschluß aufzuheben und die angegriffene Marke aus dem Markenregister zu löschen.
Die Markeninhaberin stellt den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verweist darauf, daß die Widerspruchsmarke nur in ihrer Gesamtheit "AAIRPASS" geschützt sei. Der Begriff "Airpass" werde auch von anderen Fluggesellschaften verwendet. Als nahezu verbrauchter Bestandteil präge er deshalb auch nicht die einheitliche jüngere Marke. Der Verkehr habe auch keine Veranlassung, das doppelte "AA" als Kennzeichen für die Widersprechende oder als Abkürzung für "American Airlines Airpass" zu werten.
II.
Die zulässige Beschwerde erweist sich in der Sache als unbegründet, denn auch nach Auffassung des Senats besteht zwischen der jüngeren Marke "All-America-Airpass" und der Widerspruchsmarke "AAIRPASS" keine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.
Die Gefahr markenrechtlich erheblicher Verwechslungen ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, die zueinander in einer Wechselbeziehung stehen, umfassend zu beurteilen. Zu den maßgeblichen Umständen gehören insbesondere die Ähnlichkeit der Marken und der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (vgl EuGH GRUR 1998, 387, 389 - Sabel/Puma; BGH GRUR 1992, 216, 219 - Oxygenol II).
Bei der Beurteilung der Waren- bzw Dienstleistungsähnlichkeit ist im vorliegenden Fall hinsichtlich der beiderseitigen Dienstleistungen der Klasse 39 von Dienstleistungsgleichheit auszugehen, denn beide Kennzeichnungen sind für Transportleistungen bestimmt. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist als durchschnittlich zu bewerten. Wenn deshalb an den Abstand der sich gegenüberstehenden Marken erhebliche Anforderungen zu stellen sind, ist dieser jedoch gewahrt.
Bei der Prüfung der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen ist grundsätzlich auf den Gesamteindruck abzustellen, den sie hervorrufen (vgl EuGH aaO - Sabel/Puma; BGH GRUR 1996, 774 - Sali Toft). Insoweit weicht die jüngere Marke in ihrem klanglichen und schriftbildlichen Gesamteindruck durch die zusätzlichen Worte "All-America" so deutlich von der Widerspruchsmarke ab, daß Verwechslungen offensichtlich ausgeschlossen sind.
Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der Übereinstimmung prägender Markenbestandteile besteht ebenfalls nicht. Zwar kann ausnahmsweise einem einzelnen Markenbestandteil eine besondere, das Gesamtzeichen prägende Kennzeichnungskraft zugemessen werden, wenn diesem Bestandteil in der Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung zukommt und er deshalb geeignet ist, die Erinnerung an das Gesamtzeichen wachzurufen, während die weiteren Elemente der Marke nur eine eher untergeordnete Bedeutung haben (vgl BGH WRP 2000, 173 - RAUSCH/ELFI RAUCH).
Entgegen der von der Widersprechenden vertretenen Auffassung kann nicht davon ausgegangen werden, daß dem Zeichenteil "Airpass" in der angegriffenen Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung zukommt. Gegen eine derartige Annahme spricht vielmehr die von der Markeninhaberin vorgelegte Internetrecherche, aus der hervorgeht, daß der Zeichenbestandteil "Airpass" bereits von Fluggesellschaften und Reisebüros als beschreibender Begriff für Flugscheinangebote verwendet wird, die für bestimmte Reisezonen oder Streckennetze gültig sind. Mit diesem Aussagegehalt bildet die angegriffene Marke zusammen mit den weiteren Markenbestandteilen "All-America-" einen einheitlichen beschreibenden Begriff. Ein den Gesamteindruck der jüngeren Marke prägender Charakter kommt der beschreibenden Angabe "Airpass" damit nicht zu, zumal alle drei beschreibenden Bestandteile der Marke auch optisch eine Einheit bilden. Der Auffassung der Widersprechenden, der Verkehr werde die Widerspruchsmarke aufgrund des Doppel-AA als den ihnen bekannten Begriff "American Airlines Airpass" deuten und deshalb mit dem Begriff "All-America-Airpass" begrifflich verwechseln, vermag sich der Senat nicht anzuschließen, denn es kann nicht davon ausgegangen werden, daß der deutsche, inländische Verkehr das Doppel-AA der Widerspruchsmarke als Abkürzung für "America Airlines" deutet, ganz abgesehen davon, daß ihm derartige Analysen fernliegen.
Aber auch eine Gefahr assoziativer Verwechslungen der Marken besteht nicht. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß dem Bestandteil "Airpass" ein Hinweischarakter auf die Inhaberin der älteren Marke zukommt. Weder hat die Widersprechende den Verkehr bereits durch Benutzung mehrerer eigener, entsprechend gebildeter Serienmarken an dieses Wort als Stammbestandteil gewöhnt, noch liegen sonstige Umstände vor, die für den erforderlichen Hinweischarakter sprechen könnten. Der oben bereits angesprochene beschreibende Charakter dieses Begriffes spricht vielmehr gegen eine derartige Annahme.
Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen (§ 71 Abs 1 MarkenG) bestand kein Anlaß.
Kraft Reker Eder Mr/prö
BPatG:
Beschluss v. 11.10.2000
Az: 26 W (pat) 93/00
Link zum Urteil:
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