Landesarbeitsgericht Hamm:
Urteil vom 27. März 2014
Aktenzeichen: 16 Sa 1629/13
(LAG Hamm: Urteil v. 27.03.2014, Az.: 16 Sa 1629/13)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Arbeitsgericht Hamm hat entschieden, dass die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber wirksam ist. Der Arbeitnehmer wurde beschuldigt, Zigaretten aus dem abschließbaren Zigarettenschrank entnommen und an eine dritte Person übergeben zu haben. Auch wenn die Videoaufnahmen nicht eindeutig zeigen, dass der Arbeitnehmer die Zigarettenstangen in den Einkaufskorb der dritten Person gelegt hat, konnte das Gericht aufgrund der gesammelten Indizien davon überzeugt werden, dass der Arbeitnehmer an der Entwendung der Zigaretten beteiligt war. Das Gericht stellte fest, dass die Pflichtverletzung des Arbeitnehmers so schwerwiegend war, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten war. Auch das besondere Vertrauensverhältnis, das aufgrund der Position des Arbeitnehmers als Assistent der Geschäftsleitung bestand, wurde beeinträchtigt. Die Berufung des Arbeitnehmers wurde daher zurückgewiesen und das Arbeitsverhältnis als fristlos beendet erklärt. Die Kosten des Verfahrens trägt der Arbeitnehmer. Eine Revision wurde nicht zugelassen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
LAG Hamm: Urteil v. 27.03.2014, Az: 16 Sa 1629/13
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 16.10.2013 - 3 Ca 750/13 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert: 7.781,85 €
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen, hilfsweise fristgemäßen Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte.
Der am 20.03.1980 geborene Kläger war seit dem 01.08.1997 bei der Beklagten beschäftigt. Diese betreibt einen Einkaufsmarkt in B. Die Beklagte beschäftigt etwa 40 Arbeitnehmer. Der Kläger war zuletzt als Assistent der Geschäftsleitung eingesetzt. Er bezog ein monatliches Entgelt von 2.593,95 € brutto.
Am 14.02.2013 nahm der Kläger nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht eine Mittagsvertretung in dem von der Beklagten betriebenen Getränkemarkt vor. Im Tresenbereich befinden sich sowohl ein abschließbarer Zigarettenschrank als auch ein hinter der Kasse auf der anderen Seite gelegenes Zigarettenregal. Der Getränkemarkt wird von Videokameras überwacht. Aufgrund der Aufzeichnungen der Videokamera vom 14.02.2013 erhob die Beklagte gegenüber dem Kläger den Vorwurf, 15 Stangen Zigaretten aus dem abschließbaren Zigarettenschrank entnommen und diese im hinteren Ladenbereich einer zuvor angerufenen Person übergeben zu haben. Dies wurde dem Kläger in einem Gespräch am 15.02.2013, dessen Einzelheiten zwischen den Parteien streitig sind, vorgehalten. Der Kläger bestritt die gegen ihn erhobenen Vorwürfe. Nach Hinzuziehung der Polizei erstattete die Beklagte Strafanzeige. Mit Schreiben vom 19.02.2013 (Bl. 11 d.A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos und mit weiterem Schreiben vom 19.02.2013 (Bl. 12 d.A.) hilfsweise fristgemäß zum 31.08.2013. Beide Schreiben sind dem Kläger am 19.02.2013 zugegangen. Hiergegen wendet er sich mit seiner am 27.02.2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage und begehrt außerdem die Verurteilung der Beklagten zu seiner vorläufigen Weiterbeschäftigung.
Durch Urteil vom 16.10.2013, auf das wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht nach Augenscheinseinnahme der zu den Gerichtsakten gereichten Videoaufzeichnungen die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es durch die Einsichtnahme in das zur Verfügung gestellte Videomaterial, gegen dessen Verwertung keine Bedenken beständen, zu der Überzeugung gelangt sei, dass der Kläger an der Entwendung von Zigaretten täterschaftlich mitgewirkt habe. Auch wenn dem Videomaterial nicht eindeutig zu entnehmen sei, dass der Kläger dem verschließbaren Zigarettenaufbewahrungsbehältnis entnommene Zigarettenstangen unmittelbar in den dort befindlichen Eimer gelegt habe und auch die unmittelbare Zigarettenübergabe an den im Laden befindlichen Kunden im hinteren Ladenbereich nicht wahrgenommen werden könne, so gelange es zu der Überzeugung von der Tat durch die als erwiesen anzusehenden Indizien.
Gegen dieses ihm am 12.11.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 04.12.2013 Berufung eingelegt und diese am 06.01.2014 begründet.
Der Kläger rügt mit einer ins Einzelne gehenden Begründung, dass das Gericht aufgrund der herangezogenen Indizien nicht den Schluss darauf hätte ziehen dürfen, dass er einer dritten Person Zigaretten übergeben habe.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des am 16.10.2013 verkündeten und am 12.11.2013 zugestellten Urteils des Arbeitsgerichts Detmold - 3 Ca 750/3 - festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten und der Berufungsbeklagten durch die Kündigungen der Beklagten vom 19.02.2013 nicht beendet worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil mit eingehender Begründung als zutreffend.
Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch Inaugenscheinseinnahme des bei der Gerichtsakte befindlichen Videomaterials. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Terminsprotokoll vom 27.03.2014, zum weiteren Sachvortrag der Parteien auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Gründe
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung vom 19.02.2013, die dem Kläger am selben Tag zugegangen ist, fristlos aufgelöst worden, weil der Kläger am 14.02.2013 an der Entwendung von Zigaretten täterschaftlich mitgewirkt hat. Hierdurch sind die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung erfüllt. Danach kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände "an sich", d.h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht (st. Rspr. des BAG vgl. beispielsweise BAG vom 16.12.2010, 2 AZR 485/08, NZA 2011, 571; vom 10.06.2010, 2 AZR 541/09, - "Emmely"- NZA 2010, 1227). Zum Nachteil des Arbeitgebers begangene Eigentums- oder Vermögensdelikte, aber auch strafbare, ähnlich schwerwiegende Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers kommen typischerweise als Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht. Hiervon ist das Arbeitsgericht zutreffend ausgegangen. Auf die weitergehenden Ausführungen des Arbeitsgerichts (S. 8 des Urteils) wird ergänzend Bezug genommen.
Die Kammer folgt dem Arbeitsgericht auch darin, dass der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung nicht entgegensteht, dass die Beklagte durch Auswertung einer Videoaufnahme vom Verhalten des Klägers Kenntnis erlangt hat. Es handelt sich um Videoaufzeichnungen in einem öffentlich zugänglichen Raum im Sinne von § 6 b Abs. 1 BDSG. Diese Bestimmung gilt unter anderem für öffentlich zugängliche Verkaufsräume. Dabei ist es unerheblich, ob Ziel der Beobachtung die Allgemeinheit ist oder die an Arbeitsplätzen in diesen Verkaufsräumen beschäftigten Arbeitnehmer (vgl. hierzu BAG vom 21.06.2012, 2 AZR 153/11, NZA 2012, 1025 m.w.N.). Im vorliegenden Fall hat das Arbeitsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass dem Kläger zum einen die Videoüberwachung bekannt war, er sich darüber hinaus aber auch mit der Verwertung der Videoaufnahmen einverstanden erklärt hat. Das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger über den Schutz seines Persönlichkeitsrechts bei der vorliegenden Fallgestaltung disponieren konnte.
Allerdings lässt sich den Videoaufzeichnungen weder unmittelbar entnehmen, dass der Kläger, wie von der Beklagten behauptet, aus dem abschließbaren Zigarettenschrank entnommene Zigarettenstangen aus dem Tresenbereich entfernt noch dass der Kläger diese Zigarettenstangen einer dritten Person übergeben hat. Hierüber herrscht aufgrund der durch das Arbeitsgericht vorgenommenen Einsichtnahme in die Videoaufzeichnungen im Berufungsverfahren zwischen den Parteien Einigkeit.
Auf der Grundlage der in der Berufungsverhandlung vorgenommenen Augenscheinseinnahme der Videoaufzeichnungen steht jedoch auch zur vollen Überzeugung des Berufungsgerichts fest, dass der Kläger am 14.02.2013 eine größere Anzahl aus dem abschließbaren Zigarettenschrank entnommener Zigarettenstangen aus dem Tresenbereich entfernt und im hinteren Ladenbereich einem Dritten überlassen und diesem ermöglicht hat, sie ohne Bezahlung mitzunehmen. Insoweit hat die Beklagte den nach § 286 Abs. 1 ZPO zu erbringenden Beweis geführt. Diese Vorschrift legt dem Gericht auf, von der Wahrheit der zu beweisenden Tatsache überzeugt zu sein. Es hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr zu erachten ist oder nicht. Die nach § 286 ZPO erforderliche Überzeugung des Richters verlangt keine unumstößliche Gewissheit und keine "an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit", sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad der Gewissheit, der verbleibenden Zweifeln Schweigen gebietet (st. Rspr. vgl. beispielsweise BGH vom 28.01.2003 - VI ZR 139/02 - MDR 2003, 566 m.w.N.; s. auch BAG vom 19.02.1997, 5 AZR 747/93, NZA 1997, 705). Eine absolute, über jeden denkbaren Zweifel erhabene Gewissheit braucht nicht gewonnen zu werden. Zu berücksichtigen ist der gesamte Streitstoff. Ist eine solche Gewissheit nur im Wege des Indizienbeweises zu erlangen, so müssen die gesammelten Hilfstatsachen bei einer Gesamtwürdigung den Schluss auf die gesuchte Haupttatsache rechtfertigen. Die Indizien müssen entweder unstreitig oder bewiesen sein, Mutmaßungen reichen nicht aus (s. OLG Hamm vom 11.03.2013, I-6 U 167/12, juris).
Für die Überzeugungsbildung des Gerichts sind die folgenden Gründe maßgeblich:
Der Kläger hat zunächst die Sicht auf den abschließbaren Zigarettenschrank dadurch erschwert, dass er auf dem Tresen neben dem abschließbaren Zigarettenschrank einen Karton mit Müll platziert hat. Eine plausible Erklärung für diese Vorgehensweise hat der Kläger nicht abgegeben. Der Karton wurde auch im Folgenden nicht weggestellt. Des Weiteren ist der Kläger insoweit ungewöhnlich vorgegangen, als er beim Auswechseln der Neonröhre die Leiter mit einer noch in einem Karton verpackten Neonröhre bestiegen hat. In der Zeit, in der er sich mit der verpackten Neonröhre auf der Leiter befand, hat er den Aufnahmewinkel der Überwachungskamera weg vom Zigarettenschrank hin zum Verkaufsraum verändert. Erst danach ist der Kläger mit der noch verpackten Neonröhre und der auszuwechselnden Neonröhre von der Leiter herabgestiegen, hat sodann die anzubringende Neonröhre aus dem Karton genommen und sie angebracht. Eine für das Gericht nachvollziehbare Erklärung für diese Vorgehensweise hat der Kläger nicht abgegeben. Er hat sich darauf berufen, dass er die verpackte Neonröhre mit auf die Leiter genommen habe, um die Länge festzustellen. Im Getränkeverkauf gebe es Neonröhren in den Längen von 90 cm, 120 cm und 140 cm. Für die Kammer war diese Erläuterung des Klägers jedoch nicht überzeugend. Dem langjährig beschäftigten Kläger dürften zum einen die Maße der im Getränkemarkt verwandten Neonröhren bekannt gewesen sein, zum anderen dürfte sich die Länge auch bei einem Abgleich vom Boden einschätzen lassen. Das Vorgehen des Klägers ist vielmehr dann erklärlich, wenn er von vornherein die Absicht hatte, mit der verpackten Neonleuchte den Winkel der Überwachungskamera zu verändern. Hätte er die neu einzusetzende Neonleuchte bereits dem Karton entnommen gehabt, so wäre dies schwerer gewesen.
Nachdem der Kläger sodann die Neonröhre ausgetauscht hatte, betätigte er noch vor Beginn des Abstiegs auf der Leiter ein Telefon. Hierzu befragt erklärte er gegenüber dem Berufungsgericht, dass er den Lautsprecher ausgestellt habe. Auf dem Video ist jedoch zu erkennen, dass der Kläger mehrfach Knöpfe bedient. Außerdem hat sich die Beklagte darauf berufen, dass der Kläger nach den polizeilichen Ermittlungen die Mobilfunknummer seines Bruders angerufen habe, wozu sich der Kläger schriftsätzlich jedoch nicht erklärt hat. Auch wenn die Kammer diesem Gesichtspunkt durchaus Bedeutung beimisst, so ist er allein letztlich angesichts der weiteren Verhaltensweisen des Klägers, die für eine Entwendung von Zigarettenstangen im Zusammenwirken mit einer dritten Person sprechen, nicht ausschlaggebend.
Den Videoaufzeichnungen ist des Weiteren zu entnehmen, dass der Kläger dem abschließbaren Zigarettenschrank in erheblichem Umfang Zigarettenstangen entnommen hat, und zwar mehrfach drei Stangen gleichzeitig sowie einzelne Stangen. Zu Beginn der Entnahme hat der Kläger nach oben gesehen und direkt in die Überwachungskamera geblickt. Soweit er in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht darauf hingewiesen hat, dass auf dem Video zur gleichen Zeit eine weitere Person erkennbar sei, ist der Blick jedoch nicht auf diese Person gerichtet, sondern direkt in die Überwachungskamera.
Nach den Aufzeichnungen ist allerdings nicht zu erkennen, dass der Kläger die Zigarettenstangen in eine von ihm zuvor geholte und im Tresenbereich, in dem sich der abschließbare Zigarettenschrank befindet, bereit gestellte rote Kiste gelegt hat. Der Kläger, der dieses bestreitet, hat in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass er die Zigaretten unterhalb des Tresens in einem verschließbaren Bereich abgelegt habe. In diesen passten etwa 50 bis 60 Stangen hinein. Nicht nachvollziehbar ist jedoch, aus welchen Gründen der Kläger die Zigarettenstangen aus dem verschließbaren Zigarettenschrank in einen anderen verschließbaren Bereich, der sich zudem noch weiter am Boden befindet, umgepackt hat. Einen Sinn ergibt dieses Verhalten des Klägers nicht. Eine Arbeitserleichterung ist hiermit nicht verbunden. Zum Auffüllen der hinter der Kasse befindlichen Regale wäre zum einen erneut ein Aufschließen, zudem ein stärkeres Bücken erforderlich gewesen, sodass ein leichterer und gegebenenfalls schnellerer Zugang zu den Zigarettenstangen nicht geschaffen worden ist. Zudem ist auf der Videoaufzeichnung zu erkennen, dass der Kläger das Zigarettenregal hinter der Kasse zwischendurch mit einzelnen Zigarettenstangen, die er dem Zigarettenschrank entnommen hatte, aufgefüllt hat.
Auch wenn die Übergabe der Zigarettenstangen an eine dritte Person nicht unmittelbar aufgezeichnet worden ist, so lässt sie sich jedoch aus dem nachfolgenden Verhalten des Klägers schließen. Nachdem ein Mann mit Mütze, dunklem Mantel und einem abgedeckten Einkaufskorb im Getränkemarkt der Beklagten erschienen und am Tresenbereich vorbeigegangen war, nahm sich der Kläger die rote Kiste, die er zudem mit einer Plastiktüte abgedeckt hatte, und begab sich in den Bereich, in den der in Frage stehende Mann gegangen war. Dies ist anhand der späteren Aufzeichnungen zum Aufenthalt des Mannes erkennbar. Die die rote Kiste abdeckende Plastiktüte war nach oben gewölbt, woraus zu entnehmen ist, dass die rote Kiste gefüllt war. Die Aufzeichnungen lassen zudem erkennen, dass sich in den hinteren Regalreihen zwei Personen aufhielten, die als solche jedoch nicht zu identifizieren sind. Später verließ der Kläger mit der roten Kiste die Regalreihen und kehrte zum Tresen zurück. Dabei hob sich die zur Abdeckung genutzte Plastiktüte. Die Kiste ist einsehbar und deren Boden zu erkennen. Zur Erläuterung seines Verhaltens hat sich der Kläger darauf bezogen, dass er die rote Kiste genommen habe, um im Regalbereich Folie einzusammeln und diese auch mit zurückgenommen habe. Es habe sich um eine durchsichtige Folie gehandelt. Auch diese Erklärung seines Verhaltens vermochte die Kammer nicht zu überzeugen. Danach wäre der Kläger mit einer gefüllten roten Kiste in den Regalbereich gegangen, um dort Müll in Form einer durchsichtigen Folie aufzusammeln. Auf den Bildern ist zu erkennen, dass der Kläger auf dem Weg zum Regalbereich die abdeckende Plastiktüte festhielt. Demgegenüber verwendete er diese Sorgfalt auf dem Rückweg nicht, obwohl die Kiste voller als zuvor gewesen sein müsste. Er hielt die Plastiktüte nicht mit zwei Händen fest, sondern nahm sogar noch einen auf dem Weg stehenden Besen mit. Die Plastiktüte konnte sich abheben und den Blick in die Kiste freigeben. Es ist kein Müll erkennbar. Aus welchen Gründen sich in den Getränkereihen durchsichtige Folie, wie sie für Zigarettenstangen verwendet wird, befinden könnte, ist vom Kläger zudem nicht erläutert worden.
Schließlich ist der Rückweg des verdächtigen Dritten von den Kameras aufgezeichnet worden. Dieser verließ die Regalreihen und entnahm im einsehbaren Bereich einem Regal eine einzelne Flasche, die er auf die Abdeckung seines Einkaufskorbs legte und beim Kläger am Tresen bezahlte. Sodann verließ die dritte Person den Getränkeladen.
Aufgrund dieser Abläufe ist die Kammer davon überzeugt, dass der Kläger der verdächtigen Person die von ihm zuvor dem abschließbaren Zigarettenschrank entnommenen Zigarettenstangen im nicht einsehbaren Regalbereich überlassen hat. Wie dies im Einzelnen geschehen ist, ob diese Zigarettenstangen unmittelbar von der roten Kiste in den Einkaufskorb umgepackt worden sind oder ob der Kläger die Zigarettenstangen in den Regalreihen abgelegt und die fremde Person sie sodann in den Einkaufskorb gepackt hat, ist ohne Belang. Das Verhalten des Klägers erscheint insgesamt zielgerichtet auf die Übergabe angelegt zu sein. Es liegen nicht nur einzelne Merkwürdigkeiten im Verhalten des Klägers vor, sondern ein Vorgehen, das als solches nicht plausibel ist. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, dass er lediglich eine Mittagsvertretung wahrgenommen habe, entlastet ihn dieses in keiner Weise. Die zahlreichen vom Kläger entwickelten Aktivitäten sind für einen Arbeitnehmer, der lediglich während der Mittagspause einen Kollegen vertritt, eher ungewöhnlich.
Das Arbeitsgericht hat zutreffend die bei jeder außerordentlichen Kündigung durchzuführende Interessenabwägung zu Lasten des Klägers vorgenommen. Es handelt sich um eine so schwere Pflichtverletzung, dass der Kläger nicht damit rechnen konnte, dass die Beklagte diese hinnehmen werde. Dies gilt auch gerade im Hinblick auf seine Tätigkeit als Assistent der Geschäftsleitung. Insoweit bestand ein besonderes Vertrauensverhältnis, dessen Störung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Beklagte unzumutbar machte. Dem stehen auch die Unterhaltsverpflichtungen des Klägers gegenüber seiner Ehefrau und seinen Kindern sowie die erhebliche Betriebszugehörigkeit seit 1997 nicht entgegen. Hierdurch konnte der Vertrauensbruch, worauf das Arbeitsgericht bereits abgestellt hat, nicht kompensiert werden.
Die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist eingehalten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht ersichtlich.
LAG Hamm:
Urteil v. 27.03.2014
Az: 16 Sa 1629/13
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