Landgericht Köln:
Urteil vom 1. Februar 2006
Aktenzeichen: 28 O 305/05
(LG Köln: Urteil v. 01.02.2006, Az.: 28 O 305/05)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Landgericht Köln hat in einem Urteil vom 1. Februar 2006 entschieden, dass die Beklagte verpflichtet ist, es zu unterlassen, bestimmte Stahlrohrstühle herzustellen, anzubieten oder in den Verkehr zu bringen. Diese Stühle verletzen das urheberrechtlich geschützte Werk der Klägerin. Zudem darf die Beklagte nicht behaupten, dass das Urheberrecht für einen bestimmten Stuhl im Jahr 1932 zugesprochen worden sei oder dass das Original dieses Stuhls bereits 1924 von einer anderen Person entworfen wurde. Die Beklagte muss der Klägerin Auskunft über den Vertriebsweg der Stühle geben und Rechnung darüber legen, in welchem Umfang sie die verbotenen Handlungen begangen hat. Außerdem muss die Beklagte die vorhandenen Stühle vernichten und der Klägerin allen Schaden ersetzen, der durch die Verletzung des Urheberrechts entstanden ist und noch entstehen wird. Das Gericht hat die Kosten des Verfahrens der Beklagten auferlegt. Das Urteil kann vorläufig vollstreckt werden, wenn eine Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000 Euro erbracht wird.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
LG Köln: Urteil v. 01.02.2006, Az: 28 O 305/05
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,
1.1 hinterbeinlose Stahlrohrstühle gewerbsmäßig herzustellen, anzubieten oder in den Verkehr zu bringen,
bei denen von dem U-förmig gebogenen Bodengestell die beiden Vorteile nach viertelkreisförmiger Biegung senkrecht emporsteigen, worauf sie nach weiterer viertelkreisförmiger Biegung die beiden Sitzstangen parallel oder nahezu parallel zu den Außenseiten des Bodengestells zu bilden und nach weiterer viertelkreisförmiger Biegung als Träger der Rückenlehnen nahezu senkrecht ansteigen, und zwar unabhängig von Material und Materialfarbe des Sitzes und der Rückenlehne, insbesondere nach Maßgabe der nachstehenden Abbildungen
- Es folgt eine einseitige Bilddarstellung. -
1.2 im geschäftlichen Verkehr zu behaupten,
1.2.1 1932 sei der Kunstschutz (Urheberrecht) für den klassischen Freischwinger X2 gemeinsam mit der Firma U zugesprochen worden
und/oder
1.2.2 das Original sei bereits 1924 von Gerhard T entworfen und gelte gemeinsam mit den Arbeiten von T2 aus dem Jahre 1926 als Grundform des Freischwinger,
wenn sich diese Angaben auf die unter Ziffer I 1.1 wiedergegebenen Stühle beziehen;
2. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen und geordneten Verzeichnisses Auskunft zu erteilen über den Vertriebsweg der unter Ziffer I 1.1 bezeichneten Stühle, und zwar unter Angaben der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer und Auftraggeber sowie über die Menge der nach Artikelbezeichnungen aufgeschlüsselten und hergestellten, ausgelieferten oder bei der Beklagten bestellten Stühle, wobei die Angaben durch die Vorlage von Auftrags- beziehungsweise Bestellbestätigungen, Rechnungen, Lieferscheinen und Zollpapieren zu belegen sind;
3. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen und geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer I 1.1 bezeichneten Handlungen begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der Herstellungsmengen und -zeiten, der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer, sämtliche Angaben jeweils unterschieden nach Artikelbezeichnungen,
b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Artikelbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
c) der betriebenen Werbung unter Angabe der Werbeträger und -medien, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeit und Verbreitungsgebiet,
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch den Abzug von Fixkosten und variablen Gestehungskosten gemindert ist, es sei denn, diese können ausnahmsweise den unter Ziffer I 1.1 bezeichneten Stühlen unmittelbar zugeordnet werden;
4. der Klägerin Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die unter Zif-fer I 1.2 bezeichneten Handlungen begangen hat, und zwar unter Angabe der Werbeträger und -medien, der Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeiten und Verbreitungsgebiete,
5. die Rohrgestelle aller in ihrem Besitz oder Eigentum befindlichen, unter Ziffer I 1.1 bezeichneten Stühle auf ihre eigenen Kosten zu vernichten, wobei die Vernichtung von einem von der Klägerin benannten Beauftragten vorzunehmen ist;
II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der die durch die unter Ziffer I 1. Bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entsteht.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000,00 € vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Parteien streiten um die Berechtigung an den so genannten Stahlrohrstühlen. Die Klägerin produziert und vertreibt unter anderem hinterbeinlose Stahlrohrstühle, wie sie etwa aus der Anlage ROP 1 zu ersehen sind, auf die Bezug genommen wird. Die Beklagte stellt ebenfalls Stühle her, unter anderem ebenfalls hinterbeinlose Stahlrohrstühle, darunter den von der Klägerin beispielhaft in den Antrag aufgenommener Freischwinger "N". Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausdrucke der Website der beklagten www.Y.com (Anlage ROP 2) Bezug genommen.
Hinsichtlich der Berechtigung an den jeweils herstellten Stühlen beruft sich die Klägerin auf T2 und den von ihm wohl 1926 entworfenen Stuhl, die Beklagte auf den Entwurf von T wohl aus dem Jahre 1924.
Am 30. Dezember 1937 schloss die X2 KG mit T einen Vertrag, mit dem letzterer das Urheberrecht an einem angeblich von ihm geschaffenen hinterbeinlose Stahlrohrsitzmöbel an die X2 KG "übereignete". In diese Vereinbarung hatte Herr T eine Skizze eine Stuhles eingefügt. Das Original des Vertrages und der Skizze existiert nicht mehr. Es existiert vielmehr eine Vertragsabschrift aus dem Jahre 1951. Wegen der Einzelheiten wird auf die Kopie dieses Vertrages (Anlage ROP 4) Bezug genommen.
Am 18. November 1949 schlossen die U AG, deren Rechtsnachfolger die Klägerin ist, und die X2 KG einen Vertrag, "um Verhandlungen über eine eventuelle Bereinigung der zwischen ihnen bestehenden Streitfragen zu führen und zugleich die Möglichkeit einer künftigen Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Stahlrohrmöbelbaus zu besprechen". Es wurde Einvernehmen hergestellt, dass die in verschiedenen Gerichtsurteilen angeschnittenen Fragen nicht im Einzelnen erörtert werden sollten, sondern die Vertragsparteien eine Grundlage finden wollten, um gemeinsam gegen Dritte in Zukunft handeln zu können. Dabei wurde zunächst vereinbart, dass die Parteien gegenseitig die Rechte aus den Urheberrechten von T2 und T anerkennen und sich verpflichten, diese für die Zukunft zu respektieren. Ferner vereinbarten die Parteien, in Zukunft gemeinsam die Vertretung und Wahrung der jeweiligen Rechte gegenüber Dritten durchzuführen. Die dafür anfallenden Kosten sollten von der U AG und der X2 KG zu gleichen Teilen getragen werden. Im übrigen verzichteten die Parteien auf etwaige Ansprüche gegeneinander aus der Vergangenheit; es sollten überhaupt alle etwaigen gegenseitigen Ansprüche durch die Vereinbarung abgegolten sein. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage ROP 6 Bezug genommen.
Im Jahre 1976 schlossen die U AG und die X2 KG unter dem 26. und 27. Januar eine weitere Vereinbarung, wonach die U AG auch bezüglich des der X2 KG "zustehenden Urheberrechtanteiles an den hinterbeinlosen Stuhl ein ausschließliches Recht zur Benutzung (Herstellung und Vertrieb) haben soll, jedoch mit der Einschränkung, dass X2 für sich und ihre Beteiligungsfirmen zur Herstellung und zum Vertrieb dieses hinterbeinlose Stuhles berechtigt bleibt". Ferner wurde festgehalten, dass die Erteilung des ausschließlichen Rechtes zu Gunsten der U AG insbesondere den Zweck habe, diese gegenüber allen Dritten zu berechtigen und zu bevollmächtigen, auch hinsichtlich der der X2 KG zustehenden Urheberrechtanteile im eigenen Namen Verteidigungshandlungen vorzunehmen, etwaige Verletzungen zu verfolgen und Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage ROP 7 Bezug genommen.
Im Einverständnis mit der U AG übertrug die X2 KG ihre Rechte aus den vorstehenden Vereinbarungen mit Übertragungsvertrag vom 20. März beziehungsweise 17. April 1989 auf die X2 AG. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage ROP 8 Bezug genommen.
Mit Vertrag vom 28. Februar 1978 schloss Herr T2 mit der U AG einen Lizenzvertrag, mit dem er die ausschließlichen Nutzungsrechte übertrug. Die U AG hatte zuvor auf Grund eines von T2 an Herrn M übertragenen Nutzungsrechtes ihre Nutzungsberechtigung von diesem hergeleitet.
Die Kooperation zwischen der Klägerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin einerseits und der X2 KG bzw. der X2 AG andererseits wurde entsprechend den Verträgen durchgeführt.
Am 25. Februar 2003 wurde über das Vermögen der X2 AG das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter der X2 AG und die Beklagte vereinbarten unter dem 24. Oktober 2003, dass die Beklagte das ausschließlichen Nutzungsrecht zur Herstellung und zum Vertrieb eines hinterbeinlosen Stahlrohrstuhls nach dem Entwurf von T erwerbe.
Die Klägerin behauptet, es stehe gar nicht fest, wie die Schöpfung des T überhaupt ausgesehen habe. In dem Vertrag vom 30. Dezember 1937 sei keine Skizze eingefügt gewesen. Jedenfalls bestünden erhebliche Zweifel, ob die vorgelegte, nachträglich eingefügte Skizze nicht manipuliert sei, wofür auch die (als Anlage ROP 5 vorgelegte) Fotokopie der am 14. Januar 1998 erstellten Hauptausfertigung des vollständigen Vertrages spreche, in dem weder eine Skizze enthalten sei noch auf die Skizze Bezug genommen werde, das freie Feld vielmehr frei sei. Die Klägerin beruft sich des weiteren auf eine Publikation von Möller/Màcel mit dem Titel "Ein Stuhl macht Geschichte", welche sie als Anlage ROP 3 auszugsweise vorlegt. Sie ist der Auffassung, es habe zwischen ihr bzw. ihrer Rechtsvorgängerin und der X2 KG bzw. der X2 AG eine GbR bestanden. Diese sei mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. § 728 Abs. 2 Satz 1 BGB aufgelöst worden und die Nutzungsrechte der Klägerin am vermeintlichen T-Stuhl seien in die Insolvenzmasse zurückgefallen. Verstehe man indes die Kooperationsvereinbarungen von 1976/1989 nicht als GbR, sondern als einen Lizenzvertrag im Sinne eines Dauerschuldverhältnisses, so komme es zur Anwendung von § 103 Insolvenzordnung mit der Folge, dass der Insolvenzverwalter habe wählen müssen, ob er die Erfüllung des Vertrages wolle oder nicht. Der Insolvenzverwalter habe jedenfalls mit Schreiben vom 24. Oktober 2003 (Anlage ROP 13), das als solches unstreitig ist, nicht die Erfüllung des Vertrages gewählt. Vielmehr sei die Kooperation damit insgesamt aufgelöst worden.
Die Klägerin beantragt,
I. die Beklagte zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,
1.1 hinterbeinlose Stahlrohrstühle gewerbsmäßig herzustellen, anzubieten oder in den Verkehr zu bringen,
bei denen von dem U-förmig gebogenen Bodengestell die beiden Vorteile nach viertelkreisförmiger Biegung senkrecht emporsteigen, worauf sie nach weiterer viertelkreisförmiger Biegung die beiden Sitzstangen parallel oder nahezu parallel zu den Außenseiten des Bodengestells zu bilden und nach weiterer viertelkreisförmiger Biegung als Träger der Rückenlehnen nahezu senkrecht ansteigen, und zwar unabhängig von Material und Materialfarbe des Sitzes und der Rückenlehne, insbesondere nach Maßgabe der nachstehenden Abbildungen
- Es folgt eine einseitige Darstellung des Streitgegenstandes. -
1.2 im geschäftlichen Verkehr zu behaupten,
1.2.1 1932 sei der Kunstschutz (Urheberrecht) für den klassischen Freischwinger X2 gemeinsam mit der Firma U zugesprochen worden
und/oder
1.2.2 das Original sei bereits 1924 von T entworfen und gelte gemeinsam mit den Arbeiten von T2 aus dem Jahre 1926 als Grundform des Freischwinger,
wenn sich diese Angaben auf die unter Ziffer I 1.1 wiedergegebenen Stühle beziehen;
2. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen und geordneten Verzeichnisses Auskunft zu erteilen über den Vertriebsweg der unter Ziffer I 1.1 bezeichneten Stühle, und zwar unter Angaben der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer und Auftraggeber sowie über die Menge der nach Artikelbezeichnungen aufgeschlüsselten und hergestellten, ausgelieferten oder bei der Beklagten bestellten Stühle, wobei die Angaben durch die Vorlage von Auftrags- beziehungsweise Bestellbestätigungen, Rechnungen, Lieferscheinen und Zollpapieren zu belegen sind;
3. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen und geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer I 1.1 bezeichneten Handlungen begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der Herstellungsmengen und -zeiten, der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer, sämtliche Angaben jeweils unterschieden nach Artikelbezeichnungen,
b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Artikelbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
c) der betriebenen Werbung unter Angabe der Werbeträger und -medien, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeit und Verbreitungsgebiet,
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch den Abzug von Fixkosten und variablen Gestehungskosten gemindert ist, es sei denn, diese können ausnahmsweise den unter Ziffer I 1.1 bezeichneten Stühlen unmittelbar zugeordnet werden;
4. der Klägerin Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer I 1.2 bezeichneten Handlungen begangen hat, und zwar unter Angabe der Werbeträger und - medien, der Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeiten und Verbreitungsgebiete,
5. die Rohrgestelle aller in ihrem Besitz oder Eigentum befindlichen, unter Ziffer I 1.1 bezeichneten Stühle auf ihre eigenen Kosten zu vernichten, wobei die Vernichtung von einem von der Klägerin benannten Beauftragten vorzunehmen ist;
II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der die durch die unter Ziffer I 1. Bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entsteht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, T habe im Jahre 1923 einen hinterbeinlose Stahlrohrstühle entworfen, wie er in der Kopie der Vertragabschrift (Anlage ROP 4) abgebildet sei. Die Beklagte beruft sich des weiteren auf die Aussage von T, wie sie in dem Urteil des Kammergerichts vom 22. Januar 1988, Az. 10.U. 2300 39.37, das sie auszugsweise als Anlage CBH 1 vorlegt, wiedergegeben ist, wonach dieser den Stuhl in der Zeit von Oktober bis Dezember 1923 gestaltet haben will. Ferner beruft sich auf die ebenfalls in dem Urteil wiedergegebene Aussage des weiteren Zeugen X, eines Schülers von T. Aus dem Vertrag zwischen X2 und T vom 30. Dezember 1937 ergebe sich bereits aus dem Text und auch sonst eindeutig, dass die Abbildung in § 1 den Stahlrohrstuhl zeige. Dies habe auch die Klägerin bzw. ihre Rechtsvorgängerin ausweislich der weiteren Vereinbarungen so gesehen, was sie im Einzelnen darlegt. Im übrigen ist sie der Auffassung, dass die Klägerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin das Urheberrecht am T-Stuhl anerkannt habe. Dies ergebe sich bereits aus dem Vertrag von 1949. Dazu beruft sie sich ferner auf eine Analyse des Rechtsanwaltes S in dessen Schreiben vom 29. März 1985 (Anlage CBH 8), in dem dieser - unstreitig - unter anderem ausgeführt hat, dass die aufgetretenen Streitfragen betreffend die Urheberrechte und deren Verteidigung gegen Dritte endgültig geregelt werden sollten, was erfordere, dass die Regelung für die gesamte Laufdauer der Urheberrechte gelte. Darüber hinaus sehe die Präambel des Vertrages zwei voneinander unterschiedliche und nicht voneinander abhängige Themenbereiche vor, nämlich zum einen eine eventuelle Bereinigung der zwischen den Vertragsparteien bestehenden Streitigkeiten und zum anderen die Möglichkeit einer zukünftigen Zusammenarbeit. Daraus folge, dass das Anerkenntnis der Urheberrechte hinsichtlich des T-Stuhls unbedingt und unabhängig von allen anderen Regelungen in der Vereinbarung von 1949 über die zukünftige Zusammenarbeit gelte. Zudem habe die Klägerin sich selbst auch auf die T-Rechte berufen. Auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei die Existenz diese Stuhles stets vorausgesetzt gewesen, wenn auch das genaue Aussehen der Stuhls im Dunkeln geblieben sein möge. In der Vereinbarung aus Januar 1976 sei von der X2 KG der Rechtsvorgängerin der Klägerin lediglich die Position eines Prozessstandschafters eingeräumt worden. Die X2 KG habe das exklusive Nutzungsrecht zur Herstellung und zum Vertrieb an dem Urheberrecht von T zurückbehalten. Diese ausschließlichen Nutzungsrechte habe nunmehr die Beklagte aus der Insolvenzmasse erworben, wobei allenfalls fraglich sei, ob gem. § 103 Insolvenzordnung das einfache Nutzungsrecht der Klägerin aufgrund der Insolvenz der X2 AG zurückgefallen sei. Im übrigen sei das Aussehen des Stuhles von T2 mit dem von T geschaffenen Stuhl identisch. Die Beklagte zweifelt das Urheberrecht von T2 allerdings (noch) nicht an. Vielmehr liege eine Doppelschöpfung vor. Hinzu komme, dass nach mehr als fünfzigjähriger Duldung die Klägerin die Beweislast dafür treffe, dass das damals von ihr anerkannte Urheberrecht von T an seinen Stahlrohrstuhl tatsächlich nicht bestanden habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten +des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze und die von den Parteien vorgelegten Unterlagen und Schriftstücke Bezug genommen.
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
Die Klage ist begründet.
I.
1.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte den geltend gemachten Unterlassungsanspruch gem. § 97 Abs. 1 UrhG.
Die Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an dem von T2 geschaffenen Stahlrohrstuhl. Die urheberrechtliche Schutzfähigkeit und würdigkeit diese Stuhles steht für die Kammer außer Zweifel. Wie bereits das Reichsgericht in seiner Entscheidung vom 1. Juni 1932 (vgl. GRUR 1932, 892) festgestellt und der BGH in seinen Entscheidungen vom 27. Februar 1961 (GRUR 1961, 635 - Stahlrohrstuhl) und vom 27. Mai 1981 (GRUR 1981, 820 - Stahlrohrstuhl II) bestätigt haben, handelt es sich bei diesem Stuhl um eine starke künstlerische Leistung mit einem dementsprechend weit zu ziehenden Schutzbereich. Das künstlerische Hauptmerkmal ist die Einhaltung der geometrischen Grundform des Würfels und die strenge und einheitliche Linienführung des in einem Zuge verlaufenden, geschlossenen Rohrstrangs. Dadurch erhält der Stuhl seinen charakteristischen ästhetischen Gehalt und seine ausgeprägte individuelle Gestalt (zum ganzen vgl. etwa die Zusammenfassung bei BGH GRUR 1981, 820, der sich die Kammer in vollem Umfang anschließt). Die urheberrechtliche Schutzfähigkeit des T2-Stuhles hat die Beklagte auch nicht angegriffen.
Durch den Stuhl "N" der Beklagten und vergleichbare Möbel aus ihrem Programm hat die Beklagte in diese urheberrechtliche geschützte Position eingegriffen.
Diesem urheberrechtlichen Schutz und der Verletzung insbesondere durch den Stuhl "N" der Beklagten steht der Einwand der Beklagten nicht entgegen, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin das Urheberrecht von T an einem vergleichbaren Stuhl jedenfalls in der Vereinbarung von 1949 anerkannt habe. Denn die Klägerin oder ihre Rechtsvorgängerin konnten eine Anerkennung der Urheberschaft durch T jedenfalls nicht zu Lasten des T2 und dessen Erben vornehmen, da die Anerkennung der Urheberschaft den Kern des Urheberpersönlichkeitsrechts ausmacht (vgl. Möhring/Nicolini, UrhG, 2. Aufl., § 13 Rdnr. 1). Eine derartige Anerkennung kann nur der Urheber selbst vornehmen.
Richtig ist allerdings, dass die Klägerin bzw. ihre Rechtsvorgängerin sich gegenüber der X2 KG und später gegenüber der X2 AG bindend verpflichtet und in diesem Verhältnis die Berechtigung anerkannt hat. Denn gegenüber dem Urheber T2 bzw. seinen Erben konnte sie eine derartige Erklärung nicht bindend abgeben, für sie selbst jedoch steht dem nichts entgegen.
Diese Erklärung ist jedoch durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der X2 AG hinfällig geworden. Stellt man sich auf den Rechtsstandpunkt der Klägerin, dass eine BGB-Gesellschaft zwischen ihr bzw. ihrer Rechtsvorgängerin und der X2 AG bestand, wofür nach Auffassung der Kammer vieles spricht, da der Vertragszweck der Vereinbarung vom 18. November 1999 die Kooperation der U AG und der X2 KG im Hinblick auf die Stahlrohrstühle gewesen ist und diese gemeinsame Verpflichtung unproblematisch die Voraussetzungen eines Gesellschaftsvertrages im Sinne von § 705 BGB erfüllt, wäre diese Gesellschaft jedoch durch das Insolvenzverfahren aufgelöst worden, § 728 Abs. 2 Satz 1 BGB. Dies hätte zur Folge, dass die Nutzungsrechte der Klägerin damit in die Insolvenzmasse zurückgefallen wären, §§ 730 Abs. 1; 732 Abs. 1 BGB. Eine wie auch immer geartete Verpflichtung der Klägerin aus der Vereinbarung von 1949, modifiziert durch diejenigen von 1976 und 1989, wäre mithin nicht mehr gegeben.
Selbst wenn man eine Gesellschaft zwischen der U AG und der X2 KG nicht annehmen wollte, wäre die zwischen diesen Vertragsparteien und ihrer Rechtsnachfolgerin bestehende Vereinbarung infolge der Insolvenz wegfallen. Verträge über urheberrechtliche Nutzungsrechte sind Dauerschuldverhältnisse, die in der Regel bis zum Ende der vereinbarten Vertragszeit oder bis zum Ende der Schutzdauer gegenseitige Verpflichtungen begründen (Dreier/Schulze, UrhG, § 112 Rdnr. 28). Der Insolvenzverwalter ist gemäß § 103 Insolvenzordnung berechtigt aber auch verpflichtet, zwischen der Erfüllung der bestehenden Verträge und der Nichterfüllung zu wählen. Lehnt er die weitere Durchführung der Lizenzvereinbarung ab, bleibt der Lizenzvertrag durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst (Dreier/Schulze aaO.). Im vorliegenden Fall hat der Insolvenzverwalter jedoch unstreitig die Nichterfüllung gewählt, da er die Rechte im Hinblick auf den T-Stuhl an die Beklagte weiterveräußert hat. Damit sind die Vereinbarungen aus den Jahren 1949, 1976 und 1989 nicht mehr aufrechterhalten worden und ist das Nutzungsrecht (zunächst, bis zur Veräußerung an die Beklagte) bei der Insolvenzmasse geblieben.
Folge ist, dass die Klägerin sich nicht mehr auf - etwaige - Rechte hinsichtlich des T-Stuhls berufen kann. Nach Maßgabe der Vereinbarung von 1976 war die Klägerin nicht Inhaberin des vollen ausschließlichen Nutzungsrechtes, auch wenn diese Bezeichnung dort gebraucht ist. Denn die X2 KG sollte nach dieser Vereinbarung weiterhin ebenfalls zur Herstellung und zum Vertrieb der T-Stühle berechtigt sein, während ein ausschließliches Nutzungsrecht grundsätzlich alle anderen von der Nutzung ausschließt, § 31 Abs. 3 UrhG. Die Klägerin hatte indes ein sogenanntes eingeschränktes ausschließliches Recht. Ein solches liegt vor, wenn der Urheber sich selbst oder auf Grund von früher eingeräumten Nutzungsrechten bestimmte Dritte von der Ausschließlichkeit ausnimmt (vgl. Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 31 Rdnr. 36; Schricker/Schricker, Urheberrecht, 2. Aufl., Vor §§ 28 ff Rn 48, §§ 31/32 Rdnr. 4). Eine solche eingeschränkte Ausschließlichkeit war mit der Vereinbarung von 1976 beabsichtigt. Denn nur die X2 KG sollte (weiterhin) zur Nutzung berechtigt sein, während im übrigen ausschließlich die U AG zur Herstellung und zum Vertrieb berechtigt sein sollte. Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich dabei gerade nicht um ein lediglich einfaches Nutzungsrecht im Sinne von § 31 Abs. 2 UrhG und die Ermächtigung zur Prozessstandschaft, da die X2 KG nur für sich selbst die weitere Nutzung vorbehalten hat. Hätte der U AG lediglich ein einfaches Nutzungsrecht eingeräumt werden sollen, wäre die Vertragsformulierung dafür ungeeignet. Denn ein einfaches Nutzungsrecht wird gerade nicht mit dem Wort "ausschließlich" eingeräumt, vielmehr ist in diesem Falle eine Nutzung durch andere gerade nicht ausgeschlossen, § 31 Abs. 2 UrhG. Daran ändert auch nichts die weitere der Vereinbarung vom Januar 1976. Denn es mag die Absicht der Parteien des Vertrages gewesen sein, der U AG dieses eingeschränkte ausschließliche Nutzungsrecht gerade deswegen zu gewähren, um ihr allein gegenüber sämtlichen Dritten die Verfolgung von Verletzungen der Urheberrechte auch der X2 KG zu ermöglichen. Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass die X2 KG weiterhin befugt sein sollte, einfache Nutzungsrechte im Sinne von § 31 Abs. 2 UrhG gegenüber Dritten einzuräumen. Denn das war nach dem Inhalt der Vereinbarungen gerade nicht gewollt. Dies wäre aber die Konsequenz, wenn man lediglich die Einräumung eines einfachen Nutzungsrechtes durch den Vertrag annehmen würde. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des BGH vom 27. Februar 1961 (GRUR 1961, 635 - Stahlrohrstuhl). Denn dort hat der BGH auf der Grundlage des von dem Berufungsgericht festgestellten Sachverhaltes weder eine konkrete Feststellung des Aussehens des T-Stuhls getätigt noch hat er aus der Vereinbarung vom 18. November 1949 herausgelesen, dass es sich nur um die Übertragung eines einfachen Nutzungsrechts gehandelt habe. Er hat dies vielmehr offengelassen und bei unterstelltem Urheberschutz für den T-Stuhl ausgeführt, dass es sich um eine Lizenzeinräumung gehandelt habe. Eine Unterscheidung zwischen ausschließlichem und einfachem Nutzungsrecht (Lizenz) hat der BGH für die Vereinbarung vom 18. November 1949 jedoch nicht vorgenommen. Ausgeführt hat er lediglich, dass auch ein Lizenznehmer im Wege der Prozeßstandschaft für den Inhaber eines Ausschließlichkeitsrechts Rechtsverletzungen verfolgen kann.
Damit steht und fällt die gesamte Vereinbarung einschließlich des gegenseitigen Anerkenntnisses der Urheberrechte mit den Bestand der Vereinbarungen als solcher. Wie dargelegt, wäre das Nutzungsrecht in die Insolvenzmasse zurückgefallen. In diesem Fall war jedoch die Grundlage für die bis dahin praktizierte Zusammenarbeit entfallen. Insbesondere ist nicht davon auszugehen, dass die Vereinbarung von 1949 - ergänzt durch die Vereinbarung von 1976 - und das Anerkenntnis der Rechtsvorgängerin der Klägerin hinsichtlich des Urheberrechtes am T-Stuhl noch fortgesetzt werden würde. In Anlehnung an § 139 BGB kann für die Klägerin das Anerkenntnis nur dann Bestand haben, wenn sie ihrerseits zur Nutzung des T-Rechtes berechtigt bliebe. Eine anderweitige Kompensation des Zugeständnisses der Klägerin wäre andernfalls nicht ersichtlich; ein Interessenausgleich, wie er durch die wechselseitige Anerkennung und Übertragung der Berechtigung an die Klägerin im Jahr 1949 gegeben war, ist bei Wegfall der Nutzungsberechtigung der Klägerin hinsichtlich des T-Stuhles nicht mehr gegeben.
Die Auffassung der Beklagten, dass die Regelungen aus der Vereinbarung vom 18. November 1949 ein getrenntes Schicksal haben könnten, findet weder im Wortlaut noch nach Sinn und Zweck der Vereinbarung eine Stütze. Die Vereinbarung sollte nach ihrem Wortlaut den Streit um die Urheberrechte zwischen den Parteien beenden und eine Zusammenarbeit ermöglichen. Beides hängt voneinander ab. Denn wäre der Streit zwischen den Parteien des Vertrages um das Urheberrecht nicht beendet worden, hätte jede Grundlage dafür gefehlt, dennoch zu einer Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Stahlrohrmöbelbaus zu gelangen. Die Vertragsparteien mussten für eine solche Zusammenarbeit zunächst klären, wer welche Rechte hat. Dies gilt zunächst im Innenverhältnis der Parteien. Denn ohne eine Regelung über die beiderseitigen Rechte an den streitigen Stahlrohrstühlen wäre es nicht möglich gewesen, die in der Vereinbarung weiter getroffene Absprache umzusetzen, die beiderseitigen Urheberrechte bzw. Nutzungsberechtigungen daran jeweils auch für die andere Vertragspartei durchzusetzen. Das gleiche gilt im Außenverhältnis gegenüber Dritten. Denn nur wenn zwischen den Parteien geklärt war, welche Rechte der Vertragspartner hatte, konnten diese auch gegenüber Dritten im Außenverhältnis geltend gemacht werden.
Auch der Einwand der Beklagten, es handele sich um eine Doppelschöpfung, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Eine Doppelschöpfung liegt nicht vor. Es fehlt nämlich bereits an ausreichendem Vortrag der Beklagten, dass es sich bei dem von T geschaffenen Entwurf um eine Schöpfung handelt, die das gleiche Aussehen und damit die gleichen Schöpfungsmerkmale aufweist. Die Beklagte ist insoweit darlegungs- und beweisbelastet. Entgegen ihrer Rechtsauffassung ergibt sich dies gerade aus der Entscheidung des BGH Stahlrohrstuhl II (GRUR 1981, 820). Der BGH hat nämlich zunächst ausgeführt, dass maßgeblich in der von ihm zu entscheidenden Fallgestaltung nicht die dortige (und hiesige) Klägerin beweisen müsse, dass "ihr" urheberrechtlich geschütztes Werk nicht auf vorbekanntem Formenschatz beruhe, sondern die dortige Beklagte, die genau dieses behauptet. In diesem Zusammenhang teilt der BGH hat dann seine Auffassung mit, dass der Urheber - und mithin diejenigen, die, wie die Klägerin, ihre Rechte von dem Urheber ableiten - nicht die Ungewissheit zu tragen hätten, wie ein anderes Werk ausgestaltet sei, dass genau diese von ihm behaupteten vorbekannten Formen aufweise. Mit anderen Worten: Verteidigt sich der Beklagte demgegenüber mit dem Einwand, die Schutzfähigkeit entfalle oder der Schutzumfang sei eingeschränkt, weil der Urheber auf vorbekanntes Formengut zurückgegriffen habe, so ist es seine Sache, das Aussehen des älteren Werkes darzulegen und zu beweisen (BGH GRUR 1981, 820, 822).
Diesen ihr obliegenden Beweis hat die Beklagte nicht geführt bzw. fehlt es dafür bereits an einem tauglichen Beweisangebot. Nicht ausreichend ist dazu der Vortrag der Beklagten, die Form des T-Stuhls als durch die Zeugenaussagen von T selbst und von seinem Schüler X in dem in der Entscheidung des Kammergerichts vom 22. Januar 1938 (Az. 10.U.2339.37, Anlage CBH 1) darzulegen. Der Zeuge T hat dort ausgesagt, das von ihm zufällig entwickelte Gestell könne auch als Stuhl genutzt werden. Der Stuhl sei von ihm nie vollständig als Stuhl geschaffen und sei nach der Aussage T auch nie als Stuhl genutzt worden, da insbesondere keine feste Sitzmöglichkeit oder Lehne angebracht gewesen sei. Vielmehr sei das Stahlgestell kurze Zeit später verschrottet worden und er habe an eine gewerbsmäßige Nutzung nie gedacht. Damit sind schon Zweifel vorhanden, ob damit überhaupt der Stuhl "geschaffen" worden ist. Das konkrete Aussehen des T-Stuhles ist damit gerade nicht bewiesen. Dies folgt zunächst schon aus den - jedenfalls im Detail - unterschiedlichen Bekundungen der Zeugen. Denn T selbst hat - offenbar - eine Zeichnung im Rahmen einer eidesstattlichen Versicherung angefertigt. Deren Zutreffen hat der Zeuge X in Zweifel gezogen. Insbesondere hat er angegeben, dass der Radius der Biegungen größer als dargestellt gewesen sei.
Aus den vorgelegten Abschriften der Vereinbarung vom 30. Dezember 1937 ergibt zur Gestaltung des Stuhles kein ausreichender Beweis. Die Beklagte hat keinen Beleg dafür, dass die später eingefügte Skizze tatsächlich diejenige ist, die die Form wiedergibt, die T geschaffen haben will. Unstreitig existiert keine Originalfassung oder -ausfertigung der Vereinbarung vom 30. Dezember 1937 mehr und handelt es sich bei dem als Anlage ROP vorgelegten Papier um eine 1951 hergestellte Rekonstruktion der behaupteten Vereinbarung vom 30. Dezember 1937. Unabhängig davon vermag auch der Umstand, dass in dem freigelassenen Feld eine Abbildung des Stuhles gewesen sein wird, nichts daran zu ändern, dass nicht feststeht, welche es denn war. Die weiteren schriftlichen Ausführungen in der Vereinbarung vom 30. Dezember 1937 deuten zwar darauf hin, dass ein Stuhl aus gebogenem Stahlrohr Gegenstand war. Welche genaue Form vorhanden war, ist jedoch nicht belegt. Indiz gegen die gleiche Form der Stühle ist auch die Entscheidung des Reichsgerichts vom 1. Juni 1932 (GRUR 1932, 892). Dort ist Gegenstand der von T2 geschaffene Stuhl. Die Frage der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit - nach damaligem Recht: des Kunstschutzes - und dem von dem Gericht erörterten Einwand des vorbekannten Formenschatzes hat das Reichsgericht nicht etwa anhand des T-Stuhls behandelt. Vielmehr hat es gestützt auf Sachverständigen-Gutachten ähnliche Gestaltungen von S1 oder C herangezogen. Es wäre indes zu erwarten gewesen, dass insbesondere der T-Stuhl als Beleg für den vorbekannten Formenschatz herangezogen worden wäre, wenn er wie von der Beklagten behauptet das identische Aussehen wie der T2-Stuhl aufgewiesen hätte. In die gleiche Richtung geht die Bewertung in dem Buch "Ein Stuhl macht Geschichte" von Moller und Màcel, die auf den - für sie - überraschenden Zeugen T im Jahre 1938 hinweisen. Daran ändert der Einwand der Beklagten gegen das Buch nichts, da sich aus dem dazu vorgelegten "Aktenvermerk" (Anlage CBH 2) zu dieser Frage keine abweichende Beurteilung ergibt. Denn die fehlende Veröffentlichung vor 1979 und die Tatsache, dass die Skizze 1937 erst nachträglich geschaffen wurde, wird dadurch nicht in Zweifel gezogen.
Schließlich ergibt sich auch nichts anderes aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB. Die Kammer verkennt nicht, dass eine mehr als 50 Jahre währende Duldung grundsätzlich geeignet ist, Vertrauen auf den Fortbestand einer Vereinbarung zu schaffen. Insbesondere ist hinsichtlich der Vereinbarung von 1949 und den nachfolgenden Ergänzungen nicht die Möglichkeit gegeben gewesen, "jederzeit die Existenz des Rechts" der X2 KG anzugreifen. Vielmehr war für die Klägerin bzw. ihre Rechtsvorgängerin eine feste vertragliche Bindung gegeben. Erst durch den Ausnahmefall der Insolvenz - verbunden mit dem Verhalten des Insolvenzverwalters der X2 AG - ist diese Bindung der Klägerin an das Anerkenntnis entfallen. Entfallen ist es auch nicht gegenüber der Beklagten, sondern gegenüber der X2 AG. Denn die Beklagte ist nicht Rechtsnachfolgerin der X2 AG. Sie hat auch nach eigenem Vortrag die Rechte von dem Insolvenzverwalter der X2 AG erworben, ist damit aber jedenfalls nicht in die Position der X2 AG aus den Vereinbarungen von 1949, 1976 und 1989 eingetreten. Vielmehr hat der Insolvenzverwalter in dem diesbezüglichen Schreiben vom 24. Oktober 2003 an die Klägerin mitgeteilt, dass die Rechte veräußert worden seien und die X2 AG damit nicht mehr Rechtsinhaberin sei (Anlage ROP 13). Vertrauen in den (Fort-)Bestand der Vereinbarungen konnte bei der Beklagten mithin niemals entstehen.
2.
Des weiteren hat die Klägerin gegen die Beklagte gemäß §§ 3, 5 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 und 3 UWG Anspruch auf Unterlassung im geschäftlichen Verkehr hinsichtlich der in den Anträgen zu I. 1. 2 angegriffenen Äußerungen. Denn auf der Grundlage der vorstehenden Erwägungen ist nicht bewiesen, dass schon 1932 Kunstschutz (Urheberrecht) für den klassischen Freischwinger X2 gemeinsam mit der Fa. U zugesprochen worden sein soll und dass das Original bereits von T bereits 1924 entworfen und gemeinsam mit den Arbeiten von T2 aus dem Jahre 1926 als Grundform des Freischwingers gelte, wie sie dies in ihrem Internetauftritt behauptet.
3.
Die Ansprüche auf (Dritt-)Auskunft und Rechnungslegung (Anträge zu I. 2. und I. 3.) folgen aus §§ 101a UrhG, 242 BGB.
4.
Der Vernichtungsanspruch ergibt sich aus § 99 UrhG in Verbindung mit § 98 UrhG.
II.
Der Schadensersatzanspruch ergibt sich aus § 97 Abs. 1 UrhG und aus §§ 3, 9 UWG. Die Beklagte handelte schuldhaft. Jedenfalls trifft sie der Vorwurf der einfachen Fahrlässigkeit. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht lässt, § 276 Abs. 2 BGB. An das Maß der Sorgfalt sind strenge Anforderungen zu stellen. Wer einen fremden urheberrechtlich geschützten Gegenstand nutzen will, muss sich über den Bestand des Schutzes wie auch über den Umfang einer Nutzungsberechtigung Gewissheit verschaffen (vgl. nur Dreier/Schulze, UrhG, § 97 Rn 57 m.w.N.). Die Beklagte war somit nach der Vereinbarung mit dem Insolvenzverwalter über den Erwerb der Rechte nach T zur Prüfung und Erkundigung verpflichtet. Auch in rechtlichen Zweifelsfällen kann der Verletzer nicht auf eine ihm günstigere Ansicht vertrauen. Vielmehr handelt bereits fahrlässig, wer sich erkennbar in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt und dabei in Betracht ziehen muss, dass ein Gericht zu einem von seiner eigenen Einschätzung abweichenden Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit kommt (vgl. etwa BGH GRUR 2000, 699 - Kabelweitersendung). Diesen Sorgfaltsanforderungen ist die Beklagte nicht nachgekommen. Denn sie wusste, dass sie nicht Rechtsnachfolgerin der X2 AG war, sondern nur die dieser zustehenden Rechte von dem Insolvenzverwalter erwerben würde. Aufgrund der vielfältigen Auseinandersetzungen in der Vergangenheit, in denen der BGH in beiden zu den Stahlrohrstühlen erlassenen Entscheidungen offen gelassen hat, ob das Aussehen des T-Stuhls dem des T2-Stuhls entspricht und ob insoweit ein von T abzuleitendes Urheberrecht besteht, war keinesfalls sicher, dass sie ungeschmälert in die Rechtsposition der X2 AG eintreten könnte.
III. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 S. 1 ZPO.
Streitwert:
Für den Antrag zu I.1.: 50.000,00 €
Für den Antrag zu I.2.: 20.000,00 €
Für den Antrag zu I.3.: 20.000,00 €
Für den Antrag zu I.4: 20.000,00 €
Für den Antrag zu I.5.: 100.000,00 €
Für den Antrag zu II.: 40.000,00 €,
insgesamt: 250.000,00 €
LG Köln:
Urteil v. 01.02.2006
Az: 28 O 305/05
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/38c4abae4f13/LG-Koeln_Urteil_vom_1-Februar-2006_Az_28-O-305-05