Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 16. Januar 2004
Aktenzeichen: 6 U 129/03

(OLG Köln: Urteil v. 16.01.2004, Az.: 6 U 129/03)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Oberlandesgericht Köln hat in einer Gerichtsentscheidung vom 16. Januar 2004 entschieden, dass die Berufung der Antragsgegnerin gegen ein vorheriges Urteil des Landgerichts Köln abgewiesen wird. Die Antragsgegnerin wurde dazu verpflichtet, es zukünftig zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für ihr Arzneimittel "G. H." mit einer vergleichenden Gegenüberstellung der Apothekenabgabepreise zu werben, da diese Werbung den Verkehr in die Irre führt. Die Antragsgegnerin suggeriert in ihrer Werbung, dass "G. H." eine generische Alternative zu dem Medikament "N." sei und zudem 15% billiger, obwohl beide Medikamente in ihren Indikationsmöglichkeiten eingeschränkt sind. Der behandelnde Arzt wird in der Regel ein zur Monotherapie zugelassenes Medikament verschreiben, da eine Kombinationstherapie Risiken birgt. Die Werbung der Antragsgegnerin verletzt daher das Wettbewerbsrecht und muss unterlassen werden. Die Antragsgegnerin darf keine irreführende vergleichende Werbung betreiben, insbesondere nicht in Bezug auf die Zulassungen und Indikationsgebiete der beiden Medikamente. Das Urteil ist rechtskräftig.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Köln: Urteil v. 16.01.2004, Az: 6 U 129/03


Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 28.08.2003 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 407/03 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1, 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO abgesehen.

Gründe

B e g r ü n d u n g :

Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg, weil das Landgericht der Antragsgegnerin im Ergebnis zu Recht untersagt hat, es zukünftig zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken in der konkreten Verletzungsform für den Vertrieb ihrer in den angegriffenen Werbungen näher bezeichneten Arzneimittel "G. H." (im folgenden auch nur noch: "G." genannt) mit einer vergleichenden Gegenüberstellung der Apothekenabgabepreise von G. einerseits und des von der Antragstellerin hergestellten und vertriebenen Arzneimittels "N." andererseits zu werben und/oder wie ebenfalls nachstehend wiedergeben mit den Aussagen

"Preisvorteil von bis zu 15%

im Vergleich zu N."

und/oder

"bis zu 15% Preisvorteil

im Vergleich zu N."

und/oder

"N. zu teuer€

Wir haben was dagegen."

und/oder

"Kein generisches

G.€

Wir haben was dagegen."

zu werben:

pp.

In rechtlicher Hinsicht kann offen bleiben, ob - wie das Landgericht es angenommen hat - der unzweifelhaft vorliegende Werbevergleich gegen die guten Sitten im Sinne von § 1 UWG verstößt, weil er sich möglicherweise nicht auf Waren für den gleichen Bedarf oder dieselbe Zweckbestimmung im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 UWG bezieht. Das ist deshalb nicht unproblematisch, weil § 2 Abs. 2 Nr. 1 UWG nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. u.a. BGHZ 139, 378 ff. = GRUR Int. 1999, 453 ff. = WRP 1999, 414 ff. = NJW 1999, 948 ff. = MDR 1999, 820 ff. "Vergleichen Sie") dann nicht anwendbar ist, wenn die miteinander verglichenen Produkte zwar nicht vollkommen gleich, aber funktionsidentisch sind, und aus Sicht der angesprochenen Verbraucher das eine Produkt als Substitutionsprodukt des anderen in Betracht kommt. Obschon - worauf zurückzukommen sein wird - G. im Verhältnis zu N. nur über eine eingeschränkte Zulassung verfügt, ist diese Frage nicht ohne weiteres in die eine oder andere Richtung zu beantworten, weil beide Medikamente bei der Behandlung von Epilepsie-Kranken zum Einsatz kommen und deshalb möglicherweise nicht davon gesprochen werden kann, aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs seien die miteinander verglichenen Waren nicht substituierbar. Denn andernfalls wäre auch eine in der Sache nicht aus sonstigen Gründen unlautere Werbung der Antragsgegnerin unter Umständen als Verstoß gegen § 2 Abs. 2 Nr. 1 und auch § 1 UWG zu beanstanden, in der unmissverständlich darauf hingewiesen würde, dass G. gegenüber N. nur eine eingeschränkte Zulassung besitzt und dass ein Preisvorteil allenfalls für diesen eingeschränkten Zulassungsbereich existiert. Darauf kommt es indes nicht an, und zwar deshalb nicht, weil die mit dem Verfügungsantrag angegriffene Werbung der Antragsgegnerin den angesprochenen Verkehr in relevanter Weise in die Irre führt und folglich gemäß § 3 UWG zu unterlassen ist. Eine - wie hier - im Sinne des Art. 3 a) Abs. 1 lit. a) der Richtlinie 97/95 EG irreführende vergleichende und dann gemäß § 3 UWG zu unterlassende Werbung braucht ein Mitbewerber des Werbenden nicht hinzunehmen.

Die Antragsgegnerin gibt dem Arzt, der die ihm zur Verfügung gestellten Werbeunterlagen liest, mit ihren vorstehend wiedergegebenen Werbungen jeweils an die Hand, ihr G. sei ein generisches Arzneimittel, das in jeder Hinsicht dem Fertigarzneimittel N. der Antragstellerin gleichwertig, aber 15% billiger sei. Das folgt unmittelbar aus den Werbeaussagen selbst. Denn dort heißt es hinter der einleitend gestellten Frage

"Kein generisches G.€"

man habe was dagegen, und zwar G. H., mit dessen Verordnung gehe im Vergleich zu N. ein Preisvorteil von bis zu 15% einher. Dabei macht es keinen Unterschied, ob - wie das in der aus Seite 7 dieses Urteils ersichtlichen Werbung der Antragsgegnerin der Fall ist - N. direkt in der Kopfzeile

"N.(r) zu teuer€

Wir haben was dagegen."

mit roter unterlegter Schrift genannt wird oder ob der Bezug zu dem Medikament "N." erst dadurch hergestellt wird, dass auf die Existenz des von der Antragsgegnerin hergestellten und vertriebenen Generikums und dann von einem 15%-igen Preisvorteil im Vergleich zu N. die Rede ist. In dem einen wie in dem anderen Falle lesen die von der Werbung der Antragsgegnerin angesprochenen Ärzte die Aussage nämlich jeweils dahin, die Antragsgegnerin biete nunmehr ein generisches Arzneimittel unter der Bezeichnung "G. H." an, das in jedweder Hinsicht N. entspreche, aber nicht so teuer, sondern 15% billiger sei. Diese Aussage ist so, wie sie verstanden wird, falsch. Zwischen den Parteien ist nämlich unstreitig, dass G. H. im Vergleich zu dem Medikament N. der Antragstellerin einen nur eingeschränkten Indikationsumfang hat. N. darf nämlich bei bestimmungsgemäßer Verwendung sowohl in der Monotherapie als auch in der Zusatztherapie von Epilepsie bei Erwachsenen und Kindern sowie zur Behandlung neuropatischer Schmerzen im Erwachsenenalter eingesetzt werden, während "G. H." nur zur Verwendung bei neuropatischem Schmerz und bei der Epilepsie nicht zur Monotherapie, sondern ausschließlich zur Zusatztherapie zugelassen ist. Der behandelnde Arzt wird aber jedenfalls in aller Regel eine antiepileptische Behandlung als Monotherapie beginnen, und zwar deshalb, weil bei der Mehrzahl aller Epilepsie-Patienten mit nur einer medikamentösen Therapie Anfallsfreiheit erzielt werden kann, und die Zusatztherapie insoweit Risiken in sich birgt, als durch die Einnahme unterschiedlicher Wirkstoffe auch die Gefahr von unerwünschten Wechsel- und Nebenwirkungen wie Benommenheit, Müdigkeit, Schwächegefühl, Ataxie, Kopfschmerzen, Doppelbilder und Zittern steigt und deshalb vermehrt Nebenwirkungen auftreten können. Die kombinierte Einnahme von Antikonvulsiva der vorliegenden Art birgt zudem den Nachteil in sich, dass Interaktionen zwischen den verschiedenen Medikamenten zu verzeichnen sein und unerwünschte Nebenwirkungen unter Umständen nicht eindeutig einem Medikament zugeordnet werden können. Ein Arzt, der lege artis handelt, wird deshalb seinem Patienten, dessen Epilepsieerkrankung er festgestellt hat, zu Zwecken der Monotherapie niemals G. H., sondern ein zur Monotherapie zugelassenes Antikonvulsivum verordnen. Das wird er unabhängig davon tun, ob er - wie das Landgericht es angenommen hat - überdies befürchten muss, dass die gesetzlichen Krankenkassen die Erstattung der für G. H. aufgewendeten Kosten verweigern könnten.

Suggeriert die Werbung der Antragsgegnerin dem Arzt demgemäss der Wahrheit zuwider, G. H. könne N. zu 100% ersetzen, sei aber 15% billiger, kann der insbesondere im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Auffassung der Antragsgegnerin, der behandelnde Arzt wisse im Zweifel, wofür N. zugelassen sei, außerdem werde er in ihrer Werbung hinreichend über das nur eingeschränkte Indikationsgebiet von G. H. aufgeklärt, nicht beigepflichtet werden. Zunächst spricht nichts dafür, insbesondere kein Lebenserfahrungssatz, dass die von der Werbung der Antragsgegnerin angesprochenen Mediziner stets das genaue Indikationsgebiet des in der Werbung angesprochenen N. vor Augen haben und damit wissen könnten, dass N. im Verhältnis zu G. H. über eine weitergehende Zulassung verfügt. Nähere Ausführungen hierzu erscheinen dem Senat entbehrlich, weil die insoweit darlegungspflichtige Antragsgegnerin ihren diesbezüglich abweichenden Tatsachenvortrag nicht glaubhaft gemacht hat. Ihre Werbung klärt den angesprochenen Arzt jedenfalls nicht bzw. nicht hinreichend auf. In der in der Ärztezeitung vom 03.06.2003 geschalteten Anzeige (Anlage AST 3 zur Antragsschrift, Seite 7 dieses Urteils) und in der für G. H. verteilten Werbekarte (Anlage AST 2, Seite 6 dieses Urteils) findet sich kein Wort über eine im Verhältnis zu N. nur eingeschränkte Zulassung. Lediglich auf der Innenseite des als Anlage AST 1 (Seite 5 dieses Urteils) zu den Akten gereichten Werbefolders findet sich an einer Stelle ein Hinweis darauf, dass G. H. im Verhältnis zu dem in Bezug genommenen N. nur eine eingeschränkte Zulassung aufweisen könnte. Auf der Innenseite heißt es nämlich bezüglich G. H., dieses habe bestimmte Vorteile, es werde bei neuropatischem Schmerz und

"bei Epilepsie (zur Zusatztherapie)"

eingesetzt, der Preisvorteil im Vergleich zu N. betrage bis zu 15%. Dass dieser an versteckter Stelle befindliche Hinweis den von der Werbung der Antragsgegnerin angesprochenen Arzt nicht hinreichend darüber aufklärt, dass G. H. bei bestimmungsgemäßer Verwendung nicht bei der primär in Betracht zu ziehenden Monotherapie, sondern nur bei der Zusatztherapie zum Einsatz kommen darf, hält der Senat für offensichtlich. Er kann schon wegen seiner konkreten Ausgestaltung und Platzierung leicht überlesen werden, weil der angesprochene Arzt durch die Titelseite des Werbefolders und durch die optische Hervorhebung der Aussage, im Vergleich zu N. biete G. H. einen Preisvorteil von bis zu 15%, darauf eingestimmt ist, dass G. H. und N. in jeder Hinsicht gleichwertige Medikamente seien. Auch derjenige Arzt, der gleichwohl den Hinweis

"bei Epilepsie (zur Zusatztherapie)"

zur Kenntnis nimmt, wird nicht hinreichend aufgeklärt. Denn dazu müsste jeder Arzt wissen, dass das in bezug genommene N. anders als G. H. bei Epilepsie nicht nur zur Zusatztherapie, sondern auch und gerade zur Monotherapie eingesetzt wird.

Das dieses Wissen bei den behandelnden Ärzten ohne weiteres als bekannt vorausgesetzt werden kann, ist nicht anzunehmen und nicht glaubhaft gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Das Urteil ist gemäß § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.






OLG Köln:
Urteil v. 16.01.2004
Az: 6 U 129/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/39c57456d6fd/OLG-Koeln_Urteil_vom_16-Januar-2004_Az_6-U-129-03




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